„Wenn die Polizei hier ist, dann hat das etwas zu bedeuten“, meinte Lilo. „Am besten reden wir mit den Polizisten, verraten aber nichts. Vielleicht geben sie uns einen Hinweis, wovon Mister Wintrop gesprochen haben könnte.“
Axel zögerte. Ihm war gar nicht wohl bei der Sache. Er wollte den Park nicht mehr betreten und auch nicht mehr in das Haus zurückkehren, in dem er so schlimme Momente erlebt hatte.
„Komm, es ist wichtig. Vielleicht musst du der Polizei die Sache mit den Opfern und den dreizehn blauen Katzen erzählen“, meinte Poppi. „Es könnte sich um ein Verbrechen handeln.“
Schließlich ließ Axel sich überreden und folgte den Mädchen.
Der Park sah bei Tag nicht weniger unheimlich aus als in der Nacht. Er wirkte so künstlich, als wären der Rasen, die Büsche und die Bäume aus Plastik.
Die Eingangstür stand offen, aber vor dem Haus war niemand zu sehen.
Mit großen Schritten ging Lilo auf die Tür zu und betrat das Haus.
Auch bei Tag war es gespenstisch still. Die Halle war blitzsauber und nirgendwo stand etwas herum, das auf einen Bewohner hingedeutet hätte.
Plötzlich kam aus dem oberen Stockwerk ein Geräusch.
Lilo machte schon den Mund auf, um sich bemerkbar zu machen, rief dann aber doch nicht. Sie ging die breite, geschwungene Treppe nach oben und erreichte den riesigen Vorraum mit dem dicken Plüschteppich.
Axel und Poppi folgten ihr.
„Dort hinten … die einzige offene Tür, das ist das Schlafzimmer von diesem Mister Wintrop! Dort war ich drin“, hauchte Axel. Ihm war eiskalt und trotzdem schwitzte er schrecklich.
Die Freunde schlichen näher. Sie hörten Stimmen im Schlafzimmer. Was sie hörten, jagte ihnen eine Gänsehaut über den Rücken.
„Die Matratze klappt in der Mitte auseinander, wenn die Person, die darin liegt, gestorben ist“, sagte einer.
„Auf einem Förderband wird der Leichnam in den Keller transportiert und dort automatisch in einen Sarg gelegt“, fuhr ein anderer fort.
„Der Sarg wurde vollautomatisch verschlossen und zugeschweißt und von einem Speziallift nach oben in die Vorhalle gebracht. Dort haben ihn die Kollegen vorgefunden“, erklärte ein dritter.
„He, Leute, hier liegt eine Garantie der Erzeugerfirma, dass die ganze Anlage tadellos funktioniert“, meldete die erste Stimme.
„Dieser Wintrop war wirklich ein Spinner“, stellten sie alle fest und lachten.
„Wer erbt eigentlich seine Milliarden?“, fragte Nummer drei.
„Das weiß man noch nicht. Das Testament wird erst in drei Wochen geöffnet. So hat es der alte Knacker verfügt. Er will seine Erben wohl ein wenig auf die Folter spannen!“
Eine schwere Hand legte sich auf Poppis Schulter.
Mit einem spitzen Schrei drehte sie sich um und sah in ein breites, rotwangiges Gesicht.
Der Polizist begann sofort zu brüllen. „Was macht ihr hier? Wer seid ihr? Wisst ihr denn nicht, dass Einbruch gesetzeswidrig ist?“
Mit Schrecken sahen die drei Freunde, wie der Polizist Handschellen aus der Tasche holte.
Durch das Geschrei waren seine Kollegen aufmerksam geworden und kamen aus dem Schlafraum.
Alle trugen schwarze Hosen, dunkelgraue Uniformhemden, dunkelblaue Krawatten und Sonnenbrillen. Sie stützten die Hände in die Hüften und pflanzten sich breitbeinig vor der Bande auf.
Ängstlich drängten sich die drei aneinander.
Bevor die Knickerbocker zu einer Erklärung ansetzen konnten, kam ein Mann die Treppe herauf. Er trug einen schicken hellen Anzug, hatte kurzes, drahtiges Haar und wirkte wie ein Junge, der ungefähr zwanzigmal in der Schule sitzen geblieben war. Der Mann hatte rote Angstflecken im Gesicht, Schweißperlen über der Oberlippe und keuchte wie nach einem Dauerlauf.
„Was ist hier los? Was tun Sie da? Was soll der Auflauf?“, rief er.
Der pausbäckige Mann mit den Handschellen zog eine Dienstmarke aus der Hosentasche und stellte sich als Inspektor O’Connor vor.
Der junge Mann strich sich von hinten nach vorn über das Haar und atmete schwer.
„Ich heiße Winni Wintrop“, erklärte er und verteilte kleine gelbe Geschäftskarten. „Von Wintrop-Drinks. Sie wissen schon, die coolen Drinks mit dem Geschmack von wilden Früchten.“ Den letzten Satz sang er, als träte er in einem Werbespot auf.
Die Polizisten runzelten die Stirn und rümpften die Nasen.
„Wir kennen nur Wintrop-Eiscreme“, brummte einer.
„Sind Sie mit dem Verstorbenen verwandt?“, fragte ein anderer.
Winni Wintrop wirkte enttäuscht, dass sie seine Drinks nicht kannten. „Ich bin sein Sohn“, sagte er und seine Stimme klang bitter. „Als ich die Nachricht von meinem Vater … Also, ich bin sofort hergekommen. Aber wieso ist das Haus voller Polizisten und Kinder?“
„Der Hausmeister nebenan hat erzählt, es sei gestern spätabends jemand zu Ihrem Vater zu Besuch gekommen“, erklärte der Inspektor.
Axel zuckte erschrocken zusammen.
„He, reiß dich zusammen!“, raunte Lilo ihm zu.
„Außerdem sei dann später noch ein Wagen aufgetaucht“, fuhr der Inspektor fort. „Wir müssen den Meldungen nachgehen, um sicherzustellen, dass Ihr Vater nicht ermordet wurde.“
Winni nickte. „Gut, sehr gut. Und die Kinder? Sind das kleine Straßenstrolche, die stehlen wollten?“, fragte er.
„Die Kinder knöpfen wir uns gleich mal vor“, kündigte der Inspektor an.
Axels Herz raste. Wenn ihn die Polizisten verhörten, würde er bestimmt auspacken müssen, und vielleicht schoben sie ihm dann etwas Schreckliches in die Schuhe.
Axel sah sich schon im Gefängnis sitzen.