Argentinien zählt ganz sicher zu den bedeutendsten Ländern Lateinamerikas mit einem reichen literarischen Erbe und einer dynamischen und fortschrittlichen Filmindustrie.
Zum Begründer der argentinischen Gauchesco-Literatur wurde der Dichter, Journalist und Politiker José Hernández (1831–1886) mit seinem erfolgreichen Epos Martín Fierro (1872), das den Gaucho-Mythos im Land begründete. Trotz einer faszinierenden Geschichte erreichte die argentinische Literatur aber erst in den 1960er- und 1970er-Jahren ein internationales Publikum, als die Werke von Autoren wie Jorge Luis Borges, Luisa Valenzuela, Julio Cortázar, Ernesto Sábato, Adolfo Bioy Casares und Silvina Ocampo erstmals in viele Sprachen übersetzt wurden.
Ein weiterer berühmter argentinischer Autor ist Julio Cortázar (1914–1984), der von Borges entdeckt wurde und anfangs sehr von ihm beeinflusst war, sich später aber ganz anders entwickelt hat. Seine Erzählungen und Romane sind eher anthropologisch fundiert und beschäftigen sich mit normalen Menschen in einer Welt, in der das Surreale schon fast alltäglich geworden ist. Sein berühmtestes Buch trägt den Titel Rayuela.
Ein weiterer großer Schriftsteller ist Ernesto Sábato (1911–2011), dessen vielschichtige und kompromisslose Romane großen Einfluss auf die spätere argentinische Literatur ausüben sollten. Der Tunnel (1948) ist ein fesselnder existenzialistischer Roman über einen besessenen, geistig verwirrten Maler.
Adolfo Bioy Casares’ (1914–1999) Science-Fiction-Roman Morels Erfindung (1940) inspirierte nicht nur Alain Resnais zu seinem Filmklassiker Letztes Jahr in Marienbad, sondern enthielt auch die Idee für das Holodeck, das in den diversen Star-Trek-TV-Serien häufig eine Rolle spielt.
Die heutige Generation argentinischer Autoren ist eher realitiätsbezogen, behandelt häufig den Einfluss der Volkskultur und setzt sich mit den politischen Konflikten Argentiniens in den 1970er-Jahren auseinander. Eine ihrer herausragenden Gestalten ist Manuel Puig (1932–1990), Autor von Der Kuss der Spinnenfrau. Wie viele andere argentinische Autoren auch, hat Puig viele seiner Werke im Exil geschrieben, weil er in der Perón-Ära flüchten musste und sich schließlich in Mexiko niederließ.
Osvaldo Soriano (1943–1997) war der wohl beliebteste zeitgenössische argentinische Autor; seine bekanntesten Werke heißen A Funny Dirty Little War (1986) und Winterquartiere (1989). Als Verfasser von Kurzgeschichten und Kriminalromanen hat sich Juan José Saer (1937–2005) einen Namen gemacht. Der jüngste unter den argentinischen Erfolgsautoren ist Rodrigo Fresán (geb. 1963), dessen Roman The History of Argentina zum international beachteten Bestseller wurde.
Zu den bemerkenswerten Autoren der Gegenwart zählen außerdem noch Federico Andahazi, Ricardo Piglia und der 2010 verstorbene Tomás Eloy Martínez (Santa Evita oder Der Tangosänger).
Jorge Luis Borges (1899–1986) gilt als der strahlendste Stern am literarischen Firmament Argentiniens. Er ist weltbekannt für die fantastischen Welten in seinen vielschichtigen und differenzierten Erzählungen. Borges, der u.a. in Genf Sprachen studierte, war vertraut mit den literarischen Traditionen vieler Kulturen und war u.a. beeinflusst von der Kabbala, von H.G. Wells, von Cervantes, von E.T.A. Hoffmann und von Kafka.
Borges’ trockener, ironischer Esprit war gepaart mit einem knappen, exakten Stil und klarer Logik. In seinem paradoxen Werk Fiktionen (1944) verschwimmen Wahrheit und Dichtung. In diesem Buch führt er seine Leser in ein rätselhaftes Labyrinth aus künstlichen Realitäten und irrealen Zeitläufen – um aufzuzeigen, dass die Wirklichkeit nur eine Frage der Perspektive ist. Andere Themen, die Borges erforschte, waren Träume und Erinnerungen.
In seinen frühen Erzählungen wie Der Tod und der Kompass ging er spielerisch mit typisch argentinischen Themen um. Seine späteren Werke wie Die Bibliothek von Babel, Die Kreisförmigen Ruinen und Der Garten der Pfade werden der Phantastischen Literatur zugerechnet. Im Jahr 1999 erschien mit Gesammelte Werke eine umfassende Ausgabe in zwölf Bänden.
Obwohl Borges mit zunehmenden Alter allmählich erblindete, veröffentlichte er weiterhin Bücher. Mehrfach wurde der Schriftsteller mit bedeutenden Auszeichnungen und Preisen geehrt, u.a. mit dem Cervantes-Preis und mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem wurde er zum Mitglied der französischen Ehrenlegion ernannt. Der Nobelpreis für Literatur blieb ihm allerdings zeitlebens verwehrt.
Als einer der bedeutendsten Beiträge Argentiniens zum Film gilt Luis Puenzos Die offizielle Geschichte (1985), eine Geschichte, die auf wahren Geschehnissen während des sogenannten Schmutzigen Krieges basiert. Ein anderer international bekannter Streifen ist Héctor Babencos Kuss der Spinnenfrau (1985), eine Verfilmung des Romans von Manuel Puig. Beide Filme gewannen Oscars.
Der neue argentinische Film sorgte in den 1990er-Jahren für Aufsehen, in denen die Wirtschaftskrise und politische Themen die vorherrschenden Sujets waren. Zu den herausragenden Filmen dieser cineastischen Bewegung zählen Martín Rejtmans Rapado (1992) und Pizza, birra, faso (Pizza, Bier, Zigaretten; 1998) von Adrián Caetano und Bruno Stagnaro.
Pablo Trapero gehört zu den führenden Filmemachern Argentiniens. Er schuf den preisgekrönten Mundo grúa (Hoch hinaus; 1999), das Roadmovie Familia rodante (Argentinisch reisen; 2004) und Nacido y criado (Auszeit in Patagonien; 2006), die Geschichte von der Sinnsuche eines schicksalsgeprüften Mannes in Patagonien. Traperos Film noir Carancho (2010) lief auf dem Filmfestival in Cannes.
Die wichtigsten Filme von Daniel Burman sind Esperando al mesíah (Warten auf den Messias; 2000), El abrazo partido (2004) und Derecho de familia (Eine Tradition der Familie; 2006). Zu seinen jüngsten Werken zählt Dos hermanos (2010), die Geschichte eines gealterten Geschwisterpaars mit Problemen nach dem Tod ihrer Mutter. Die jüngsten Werke von Fabián Bielinsky sind die preisgekrönten Nueve reinas (Nine Queens – Die Neun Königinnen; 2000) und El Aura (2005).
Lucrecia Martels Debütfilm La ciénaga (Der Morast; 2001) und La niña santa (Das heilige Mädchen; 2004) behandeln Themen wie den sozialen Verfall, das argentinische Bürgertum sowie das Spannungsfeld von Lust und Katholizismus. Ihr kraftvoller La mujer sin cabeza (2008) wurde in Cannes präsentiert. Ein weiterer vielbeachteter Regisseur, Carlos Sorin, führt seine Zuschauer mit Historias mínimas (2002) und Bombón el perro (Bombón – Eine Geschichte aus Patagonien; 2004) in den tiefen Süden des Landes.
Juan José Campanellas El hijo de la novia (Der Sohn der Braut) erhielt 2001 eine Oscar-Nominierung für den besten ausländischen Film, während Luna de avellaneda (2004) in feinsinniger und humorvoller Weise die Geschichte einfacher Leute im Kampf um den Erhalt ihres Clubs erzählt. 2010 wurde sein Streifen El secreto de sus ojos (In ihren Augen) mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet.
Bemerkenswert sind Lucía Puenzos XXY (2007), die Story über einen 15-jährigen Hermaphroditen, und Juan Diego Solanas Nordeste (Northeast; 2005), die beide in Cannes liefen. Das Drama El hombre de al lado (2009) von Mariano Cohn und Gastón Duprat wurde auf dem Sundance Film Festival mit einem Preis ausgezeichnet.