22. Oktober 2018

Simons Vater rief mich erst an, als er schon fast in Brüssel war.

Ich war gerade im Geschäft mit dem Staubsauger zugange. Vielleicht war Bavo ja, unerwarteterweise, einer der 22 Prozent männlichen Libelle-Leser – jemand von den Männern musste es ja tun. Möglicherweise hatte er meine erste Kolumne gelesen und uns darin wiedererkannt.

Ob es mir recht sei, auf meinen Besuch zur Mittagszeit zu verzichten, wollte er wissen. Er klang aufgedreht, war die ganze Strecke von Italien nach Brüssel ohne Pause gefahren und wollte kurz mit seinem Sohn allein sein – zum Glück erwähnte er meine Kolumne mit keinem Wort. Ich mochte es nicht, dass er von Simon als »meinem Sohn« sprach, und auch seine Lebhaftigkeit konnte ich nur schwer ertragen, sie ließ mich daran zweifeln, ob ich ihn wohl klar genug über Simons Zustand ins Bild gesetzt hatte.

»Ja, kein Problem«, hatte ich gesagt. »Ich habe genug zu tun, und ich will noch Trinkhalme und Pantoffeln für ihn kaufen.«

 

Ich wiederholte, was ich irgendwo gelesen hatte, nämlich dass Anfälligkeit für Psychosen genetisch bedingt sei, dass es ein Vulkan sei, der früher oder später zum Ausbruch komme, und dass einer Psychose fast immer ein einschneidendes Ereignis vorausgehe, ein großer Verlust oder ein Stressmoment. Nach seiner turbulenten Jugend und dem Tod von Tinneke könne die Schwangerschaft von Lotte und Coen der Auslöser gewesen sein, Bavos Abwesenheit sei sicherlich nicht allein schuld.

»Okay«, sagte er, schon etwas ruhiger. »Ich muss nach Italien zurück, ich kann das B&B nicht noch eine Nacht allein lassen, aber würdest du ein Foto von mir neben sein Bett stellen und ab und an sagen, dass ich es bin?«

Er tat mir leid, weil er fast siebzig war und niemanden außer mir hatte, den er jetzt auf der Suche nach Trost anrufen konnte.

»Danke, Leo, dass du dich so gut um meinen Sohn kümmerst. Du weißt, sobald ich die Möglichkeit dazu habe, schaue ich wieder vorbei. Und wenn es ihm wieder gut geht, müssen wir endlich planen, dass ihr eine Woche auf meine Kosten im Bravissimo wohnt!« Wir legten auf.

An diesem Abend, bei der Begrüßung der Pflegekraft während der Besuchszeit, klang meine Stimme rau, als hätte Bavo seine Rauheit durchs Telefon an mich weitergegeben.

Ich fand braune Schmiere unter Simons Kopfkissen. Erst

 

Jolanda antwortete mir am Dienstagmorgen um halb sieben auf die zweite Kolumne, die ich ihr geschickt hatte: »So schlimm, die Schokolade unter dem Kopfkissen und dass die Schwestern denken, dass es Kacke ist. Richte Zara Six aus, dass sie den richtigen Ton getroffen hat. Zum Glück haben wir ganz klar erwähnt, dass es sich in der Psychiatrie abspielt, sonst könnten Leute meinen, es sei in einem Heim, jemand mit Demenz.«

Ich verstand nicht, warum ich meine Kolumne montags spätestens um Mitternacht abliefern musste, wenn Jolanda sie sich doch erst am Dienstagmorgen ansah. So übersichtlich die Woche auch war, aufgeteilt in Arbeitsstunden, Besuchsstunden und Schreibstunden, die Montagnächte fand ich schwierig. Die Stunden des Wartens auf Jolandas Segen brachte ich unruhig, fröstelnd und schlaflos in einer leeren Wohnung zu, in einem zu breiten Bett, bei eingeschaltetem Licht. Ich konnte nicht schon über den nächsten Beitrag