»Was möchtest du heute machen?«, fragte ich am vierten Tag. Wir hatten uns angezogen, saßen uns gegenüber auf der Couch, die leeren Frühstücksschälchen zwischen uns.

»Wir machen doch schon was, wir sitzen.« Er hatte etwas Zerbrechliches, wie diese fast durchsichtigen kleinen Fliegen, die sterben, wenn man sie anpustet.

Ich hatte zwei Wochen frei. Godelieve hatte von Lotte erfahren, dass Simon nach Hause kommen würde, und hatte mir vorgeschlagen, meine offiziell angesammelten Überstunden abzufeiern. Die neue Kollektion würde verspätet eintreffen, es brauche nichts ausgepackt zu werden, sie würden es bestens ohne mich schaffen.

Es waren helle, sonnige Tage gewesen, und trotzdem hatten Simon und ich drinnen gehockt, einander gegenüber auf dieser Couch, die Beine unter derselben Fleecedecke, aus der auf jeder Seite ein Kopf ragte, wie die Enden einer Wurst aus einem zu kleinen Hot-Dog-Brötchen.

 

Jolanda war mit meinem Vorschlag einverstanden gewesen. Unsere Arbeitsweise würde die Gleiche bleiben: Ich würde ihr jeden Montag vor Mitternacht meinen Text schicken, und am Donnerstag würde er erscheinen, nicht länger auf der vorletzten Seite, sondern auf der dritten. Illustration und Layout blieben unverändert. »Ist es in Ordnung, wenn ich den kurzen Beitext so formuliere: ›Zara Six, *1989, schreibt über ihr Leben mit Partner S., der nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie wieder zu Hause ist‹?«, fragte sie. »Oder was soll ich schreiben? ›… der eine Psychose hatte? … der anfällig für Psychosen ist? … der bipolar ist‹?«

Ich entschied mich für Ersteres: Das klang am wenigsten endgültig. Bipolar, es war merkwürdig, dieses Wort schwarz

Dass ich in den letzten Tagen mit endloser Geduld auf der Couch gelümmelt hatte, war Jolanda zu verdanken. Sie hatte mir wieder eine allwöchentliche Deadline gegeben, auf die ich hinleben konnte, in Momenten der Muße konnte ich meine Gedanken schon mal ordnen, mich damit beschäftigen, was ich schreiben würde, wenn Simon früh im Bett lag und ich den restlichen Abend allein herumkriegen musste. Ich stand nicht allein da, über Zaras Schulter schaute eine ganze Gruppe von Leserinnen und Lesern zu.

 

Still und reglos lag er auf dem Kissen mir gegenüber. Er hatte die Zeichnungen aus dem Krankenhaus hier nicht aufhängen wollen. Sein Handy hing am Ladegerät neben dem Bett, seinen Laptop hatte er noch kein einziges Mal aufgeklappt. Vielleicht spürte er, dass es eine geschriebene Version von ihm gab, und solange wollte er sich verbergen.

Ich stellte eine Liste mit schönen Dingen zusammen, die wir machen könnten: Tarte Tatin backen, ein Schloss von Lego Creator kaufen und zusammenbauen, ins Mini-Europa in der Nähe der U-Bahn-Station Heizel gehen, bevor die gesamte Anlage demnächst geschlossen würde, zum Frühstück ein weichgekochtes Ei und geröstete Brotstreifen und danach den Skatern beim Kleine-Zavel-Park zuschauen, ein Foto von uns beiden in einem Automaten am Bahnhof machen, den Kleiderschrank ausmisten und alles nach Farben ordnen, ins Kino gehen, mit dem Zug nach Groenendaal fahren und im Zoniënwald spazieren gehen, Scrabble spielen, Gedichte schreiben, die aus Buchtiteln in unserem Bücherschrank bestanden, ein eigenes Comicheft entwerfen. Bei jeder Unternehmung, die ich vorschlug, zuckte Simon mit den Achseln

»Leo, findest du es schlimm, wenn wir einfach sitzen bleiben?« Er wiederholte es in leisem, flehendem Ton. Seine langen, glatt gewordenen Haare verdeckten die Narbe hinter seinem Ohr. Manchmal sah ich mit einem kleinen Schock wieder vor mir, wie er vor gar nicht so langer Zeit mitten in diesem Zimmer gestanden hatte, in Küchenfolie eingewickelt, voller Blut.

Schließlich zeigte Simon sich mit dem Ausmalen von Mandalas in dem Heft einverstanden, das ich für ihn gekauft hatte, als er noch im Krankenhaus lag. Nicht weil er Lust dazu hatte, sondern damit ich von weiteren Vorschlägen absah. Er nahm sich die linke Seite vor, ich die rechte. Ich musste mich wahnsinnig anstrengen, langsame Bewegungen auszuführen und die Stifte nicht zu fest aufzusetzen, damit meine Farben nicht besser oder lebendiger aussahen als seine. Jedes Mal wählte er die Farbe, die ich gerade weggelegt hatte.