KAPITEL ZEHN
SAMSON
„Und? Was wirst du wegen Paige unternehmen?“, fragte Eli mich eines Tages, als wir uns im Camp trafen.
„Psst.“ Ich griff ihn mir und zog ihn zur Seite. „Nicht so laut. Ich will nicht, dass mir irgendjemand hier Fragen stellt, auf die ich keine Antwort habe“, presste ich aus einem Mundwinkel hervor, während meine Augen über das Camp-Gelände wanderten. Ein paar Bären umgaben uns, die schnitzten oder einfach nur faulenzten, während wir auf Lincoln warteten. Es war jetzt eine Woche her, seit ich ihm von Randy erzählt hatte, aber er hatte noch nicht darauf reagiert. Ich hingegen, war mehr als bereit, meine Finger, um seinen arroganten Hals zu schließen und das Leben langsam aus ihm herauszupressen. Ich nicht lockerzulassen, bis seine Beine zu kicken aufhörten und seine Augen so verschleiert waren, dass er aussah wie ein Fisch auf dem Trockenen. Meine Hände zuckten, als ich mir vorstellte, ihn in meinem Griff zu haben und meine Handflächen brannten, weil ich meine Nägel tief hineingrub.
„Danke, dass ihr gekommen seid“, schnitt Lincolns Stimme durch die Wut und die Verschwörungsgedanken in meinem Kopf. „Ich weiß, dass dies hier kein reguläres Treffen ist, aber unsere Lage gebietet es.“
„Da hast du recht“, höhnte ein Bär zu meiner Linken.
„Was machen wir jetzt mit diesen verdammten Wölfen?“, knurrte jemand hinter mir.
„Das würde ich auch gern wissen“, stimmte ich ihm zu.
„Deswegen sind wir hier“, schnappte Lincoln. „Ich werde nicht zulassen, dass irgendein verdammter Wolf mich und meine Gemeinde aus diesen Wäldern vertreibt. Immerhin sind wir seit Jahrzehnten hier“, sagte er, während er uns umkreiste. Seine Augen bohrten sich in unsere und verlangten nach Gerechtigkeit und Loyalität. Meine hatte er auf jeden Fall. „Wir gehen nicht hier weg und wenn sie einen Kampf wollen, dann bekommen sie auch einen!“
„Hurra!“ Unsere Freudenschreie begannen als ein leises Grummeln und wurden dann immer lauter, bis sie wie ein Beben durch die Wälder schallten.
„Wann?“, fragte die Stimme hinter mir wieder.
Lincoln furchte die Stirn und wandte seinen Blick ab. „Wir müssen Vorsicht walten lassen bei diesen Wölfen. Sie sind wagemutig und sie scheinen nichts zu verlieren zu haben. Wir hingegen haben alles zu verlieren, deshalb müssen wir genau wissen, was wir tun. Im Moment wissen wir noch nicht mal, wie viele sie eigentlich sind.“ Er unterbrach sich und sah auf. „Wie viele sind wir nochmal? Achtzehn?“
„Stimmt“, erwiderte ich. „Achtzehn, also siebzehn ohne Jonas.“
„Ja“, knurrte Lincoln. „Das hatte ich beinahe vergessen. Ich kann noch immer nicht glauben, dass er nicht mehr da ist.“ Seine Stimme brach ab und sein Gesicht wurde nachdenklich und melancholisch.
„Wir kriegen sie“, versicherte ich Lincoln. „Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“
„Vielleicht ist es das auch. Ich habe von diesen Wölfen gehört“, sagte er schnell. „Die sind rücksichtslos und gerissen und ungeheuer furchteinflößend. Ich glaube nicht, dass ich alle von euch da draußen mit dabeihaben will. Wir müssen die Frauen hierlassen…“
„Das wirst du verdammt noch mal nicht tun“, sagte eine schrille Stimme zu meiner Rechten. Das war Eva und ihre Augen funkelten rot. „Ich werde nicht hier rumsitzen und euch entscheiden lassen, was mit mir passiert. Das ist immerhin auch mein Zuhause“, spuckte sie. „Und wenn wir dafür kämpfen, dann werde ich das ebenfalls tun.“
„Richtig“, stimmte eine andere Frau zu. „Und was sollten wir auch tun, wenn die Männer nicht zurückkommen? Männer sterben auch!“, erinnerte sie die Gruppe. Damit hatte sie nicht ganz unrecht.
„In Ordnung“, sagte Lincoln erschöpft und verdrehte die Augen. Ich kicherte innerlich, denn ich wusste, wie sehr er es hasste, mit Frauen in den Kampf zu ziehen. Beim letzten Mal war seine Frau dabei gestorben und das verstärkte natürlich seine Abneigung noch. Ich konnte das gut nachvollziehen, besonders jetzt, da ich mich auf jemanden geprägt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Paige – ich konnte noch nicht mal den Gedanken zu Ende denken.
„Unser erstes Ziel ist es, diese Wälder zu sichern“, fuhr Lincoln schluckend fort. „Das bedeutet, dass niemand über einen bestimmten Punkt hinausgeht, nicht mal bei der Lichtung. Ich bin mir sicher, dass die Wölfe auch nicht wollen, dass die Menschen von ihnen erfahren, aber wer weiß? Wir können nur äußerste Vorsicht walten lassen.“
„Hm“, grunzte ein Chor von Bären zustimmend.
„Bildet Gruppen von jeweils zwei, drei Bären und patrouilliert die Gegend. Stellt sicher, dass niemand allein geht. Ich… wir wollen nicht, dass noch jemand stirbt.“
Die Gruppe löste sich nach diesen Worten auf. Ich griff mir Eli und war gerade dabei, in den Wald zu gehen, als er mich zurückrief.
„Nur einen Augenblick, Samson.“
Eli kratzte sich nervös am Hals, aber ich zwinkerte ihm zu „Es geht nicht um sie“, versprach ich ihm, obwohl ich mir da nicht so sicher war. Ich hatte extra Vorkehrungen getroffen, damit niemand etwas über sie herausfand, aber man konnte ja nie wissen.
„Was ist denn?“
Er schlug seine schweren Hände auf meine Schultern. „Ich will, dass du diesen Gruppen vorstehst“, meinte er und sah mich ernst an.
„In Ordnung, aber glaubst du wirklich, dass das Ganze so abgehen wird, wie wir uns das vorstellen?“
Lincoln rieb sich das Kinn. „Nein, natürlich nicht. Einige von uns werden sterben. Oder hast du schon mal von einem Krieg gehört, wo es keine Toten gibt?“
„Nein“, gab ich zu. „Ich wollte ja auch nur sagen, …dass wir uns starkmachen müssen für das, was da auf uns zukommt. Vielleicht kommt da keiner von uns lebend raus.“
„Dann müssen wir eben sichergehen, dass wir überleben“, erwiderte er ernsthaft, aber ich konnte sehen, dass er ebenso nervös war, wie wir alle. „Ach, übrigens habe ich gesehen, dass du in den letzten Wochen allein auf Spurensuche warst. Gibt es dafür einen besonderen Grund?“
„Ja“, sagte ich sofort. Wenn ich gezögert hätte, hätte er sich sofort irgendwelche Gedanken gemacht und ich brauchte nicht jedes Mal einen Schatten, wenn ich da raus ging – jedenfalls keinen anderen außer Eli. „Ich arbeite lieber allein. Außerdem weißt du doch, dass sich Eli an mich gehängt hat. Ich kriege den Kleinen nicht los, selbst wenn ich wollte.“
Lincoln grinste. „Ich weiß. Ich will ja nur, dass du aufpasst. Wie ich schon sagte, ich will da draußen keinen allein sehen.“
„Mach dir keine Gedanken, Linc. Wir wissen jetzt, mit wem wir es zu tun haben. Sie werden mich nicht mehr überraschen. Diese Wälder gehören uns… und kein Wolf vertreibt uns daraus.“
„Weil wir gerade von ihnen sprechen, wie sollen wir sie kontaktieren? Woher sollen sie wissen, wie wir uns entscheiden?“
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. „Wahrscheinlich kommen sie wieder her.“
„Halte einfach die Ohren offen! Und keine Überraschungen mehr.“
„Verstanden.“
Ich ging zurück zu Eli, der ziemlich aufgewühlt war. Man hätte meinen können, dass er derjenige war, der was mit einem Menschen hatte. „Entspann dich“, sagte ich und drückte meine Hand auf seine Schulter. „Er wollte mir nur nochmal ins Gewissen reden. Immerhin trage ich die Verantwortung für diese Wälder, falls du dich erinnerst.“
„Oh ja“, meinte er. „Puh!“ Er sah mich besorgt an, während wir durch den Wald gingen. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie stressig das sein muss. Erinnere mich daran, dass ich nie sowas mache.“
„Hey! Samson!“, rief jemand hinter uns. „Warte mal!“
Es war Eva, die da auf uns zu gerannt kam. „Was ist los?“
„Nichts“, antwortete sie atemlos. „Brauchst du noch ein extra Paar Augen?“
Eli und ich warfen uns verstohlene Blicke zu. Eva hatte schon seit Jahren etwas für mich übrig, aber das hatte sich etwas gelegt, als sie bemerkte, dass es nichts werden würde mit uns. Sie war ein hübsches Mädchen. Goldene Locken umrahmten ihr Gesicht, sie war schlank gebaut und hatte lange Beine. Außerdem war sie nett, aber trotzdem hatte es nie gefunkt zwischen uns. Jetzt wäre wirklich der schlimmste Zeitpunkt, sie um mich zu haben. Zum einen wollte ich nicht, dass Paige uns begegnete und glaubte, dass wir etwas miteinander hatten. Eva konnte ziemlich anhänglich sein, selbst wenn sie nur eine Freundin war. Zum anderen – und das wäre noch schlimmer – wollte ich nicht, dass sie etwas über Paige erfuhr.
„Nicht wirklich“, antwortete Eli an meiner Stelle, da er mein Unbehagen spürte. „Wir haben die Sache im Griff.“
„Dich habe ich nicht gefragt“, spuckte sie.
Ich lächelte ein wenig. „Er hat aber recht“, bestätigte ich. Sie sah mich enttäuscht an. „Wir zwei haben alles unter Kontrolle.“
„Bist du sicher? Ihr wart auch nur zu zweit, als sie euch überrascht haben“, beharrte sie.
„Und wenn wir zu dritt gewesen wären, glaubst du dann, die Sache wäre anders gelaufen? Da waren so viele von ihnen, nur gegen Eli und mich.“ Ich war ein wenig gekränkt, weil sie andeutete, dass wir nicht uns nicht behaupten könnten und auf ihren Schutz angewiesen seien.
„Ich weiß es nicht. Ich dachte nur…“
„Wir kommen schon klar“, sagte ich grob, denn ich musste sie wirklich abschütteln. Ich starrte sie nur an, als sie wieder den Mund aufmachte, um etwas zu sagen. Schweigend klappte sie den Mund wieder zu, stemmte die Fäuste in die Seiten wie ein Teenager und stampfte davon.
„Wow. Das war ziemlich kaltherzig, Kumpel“, meinte Eli, nachdem sie weg war.
„Du weißt, warum ich es tun musste“, erwiderte ich und blickte über meine Schulter, um sicherzugehen, dass sie tatsächlich gegangen war. „Ich kann nicht riskieren, dass sie etwas herausfindet über… du weißt schon wen.“ Beinahe hätte ich ihren Namen gesagt, aber mich gerade noch erinnert, dass sie, wenn sie ihre Gestalt veränderte, unser Gespräch aus über einer Meile entfernt belauschen könnte. Aber selbst, wenn sie uns hörte, wusste sie nicht, über wen oder was wir gesprochen hatten.
„Ja, ich weiß schon. Also, was diese Wölfe angeht…“
„Du meinst uns, ja?“, sagte eine Stimme, die aus allen Richtungen zu kommen schien, bis Randy plötzlich von einem Baum sprang und vor uns landete.
Ich ging nicht in Verteidigungshaltung, denn mir war klar, dass er nicht auf einen Kampf aus war. Bevor ich jedoch noch etwas sagen konnte, kam ein großer, brauner Bär mit gefletschten Zähnen auf uns zu gerannt; sein massiger Körper schaukelte hin und her.
„Nein, Eva!“, rief ich aus und stellte mich vor sie hin.
Randy begann erst zu grinsen, nachdem sie zum Stillstand gekommen war. „Gut zu sehen, dass du auf Draht bist“, höhnte er. „Ich nehme mal an, du hast meine Nachricht an deinen Boss weitergegeben?“
„Das habe ich“, erwiderte ich durch zusammengepresste Zähne. Wie zur Hölle schaffte er es immer, sich an uns heranzuschleichen? Waren noch mehr von ihnen in der Gegend?
Instinktiv begannen meine Augen, die Bäume abzusuchen.
„Hier ist niemand sonst“, sagte er und starrte mich an. Er wollte mir zu verstehen geben, dass er keine Angst hatte, vorzeitig einen Streit vom Zaun zu brechen. Doch das würde uns unvorbereitet und ungeschützt treffen und den sicheren Tod zur Folge haben. „Nur ich. Also?“
„Wir werden diese Wälder nicht teilen. Du und deine Wölfe könnt einen anderen Platz suchen.“
„Oh man“, rief er aus und hob seine Hände in gespielter Enttäuschung hoch. „Und ich hatte schon geglaubt, dass ihr nette Nachbarn sein würdet. Also dann…“, meinte er und trat näher an mich heran. Seine Zähne verlängerten sich und Fell begann auf seinen Armen zu erscheinen. „Wir sind im Krieg!“
Und mit diesen Worten verwandelte er sich vollständig. Seine Klamotten wurden in Fetzen gerissen, als sich sein großer Körper durch die nun zu kleinen Hosen und das Hemd drückte. Er rannte los, warf uns noch einen letzten Blick zu, heulte auf und verschwand in den Wäldern.
Eva hatte sich wieder in ihre menschliche Form verwandelt und stand nackt da. „Warum hast du nicht zugelassen, dass ich ihn töte?“, fragte sie bitter.
„Eva, das liegt nicht in meinem Ermessen. Und wir wissen auch nicht, was er seinen Wölfen gesagt hat, bevor er herkam. Es könnte auch sein, dass er unser Camp hat umzingeln lassen und nur noch ein Signal geben musste. Das wäre zu riskant gewesen.“ Sie knurrte, schien aber zu verstehen und langsam entspannten sich ihre Hände. „Und warum bist du überhaupt noch hier gewesen?“
„Sobald ich mich verwandelt hatte, habe ich ihn gerochen und bin zurückgerannt. Ich dachte, er würde jeden Moment angreifen.“
„Oh. Gut, dass er es nicht getan hat. Du hättest ihn fertiggemacht“, sagte ich aufmunternd. Sie errötete. „Aber wir müssen los. Ich würde vorschlagen, dass du ins Camp zurückkehrst und dich mit einem Partner zusammentust. Ich kann es allerdings nicht sein“, fügte ich noch hinzu, als sie mich hoffnungsvoll anblickte.
„In Ordnung“, erwiderte sie, verwandelte sich wieder in einen Bären und trottete davon.
„Ich weiß ja nicht“, sagte ich zu Eli, als wir weitergingen. „Ich hatte geglaubt, alles unter Kontrolle zu haben, aber plötzlich ist das absolut nicht mehr so, nicht mit Paige und nicht mit… mit den Wäldern. Beide Male bin ich vollkommen überrascht worden.“
Eli schlug mir auf die Schulter und grinste. „Das ist das Alter, großer Bruder.“
Ich packte seine Hand und wirbelte ihn herum, bis er auf dem Rücken lag. Dann warf ich mich auf ihn. „Von wegen alt“, sagte ich und schlug ihm spielerisch auf die Wange. „Mit dir werde ich jederzeit fertig.“
„Nun“, erwiderte er, als er sich aufrappelte und trockene Blätter von seiner Kleidung bürstete, „hoffen wir nur, dass du
es auch mit denen
aufnehmen kannst.“
Das hoffte ich auch.
Für den Rest des Abends strichen wir durch die Wälder und stellten sicher, dass die Camper sich nicht zu weit vorwagten, wobei wir nicht mal genau wussten, wie weit zu weit war. Als die Nacht hereinbrach, konnte ich es kaum erwarten, Paige zu sehen und in ihre Arme zu fallen. Das war das Einzige, was mir Erleichterung brachte und außerdem neue Energie schenkte. Sie durfte nicht wieder in diese Wälder gehen – nicht, während Randy und seine Wölfe sich hier herumtrieben.
Problematisch war nur, wie ich ihr das beibringen sollte, ohne meine eigene wahre Identität preiszugeben. Die, die einen Bären in sich stecken hatte.
„Was ist los?“, fragte sie, sobald ihre Wohnung betrat.
„Nichts“, log ich. Schon wieder.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit ungläubigem Gesicht an. „Und jetzt sag das noch mal so, als würdest du es auch ernst meinen.“
„Das tue ich auch…ich habe nur sehr viel Stress auf Arbeit. Aber mach dir deshalb keine Gedanken. Wie wäre es denn jetzt mit diesem kleinen schwarzen Ding, dass du beim letzten Mal anziehen wolltest?“, fragte ich sie, während ich an ihrem Hals knabberte und sie sanft in Richtung Schlafzimmer stieß.
„Diesmal kommst du mir damit nicht davon“, meinte sie streitlustig.
Ich umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie hungrig. Sie versuchte, weiterzusprechen, aber ich griff nach ihren Hüften und presste sie an mich. Sie konnte meine langsam wachsende Erektion spüren, die danach gierte, in ihr enges Paradies einzudringen. Schließlich gab sie nach, ließ sich von mir ins Schlafzimmer führen und machte die Tür hinter uns zu.