14. Kapitel

Achtlos warf Suzanne ihre Kleider in den Koffer. „Zum Teufel mit ihm.“ Sie klappte den Deckel zu und schimpfte wieder. „Was soll ich bloß mit dir machen, Captain Branson?“ Unaufhörlich liefen ihr Tränen über die Wangen, seit sie Hart verlassen hatte.

Sie griff nach ihrem zweiten Koffer und hielt inne, als sie sich im Spiegel sah. „O nein!“, stöhnte sie. Was machte sie sich eigentlich vor? In Hart Bransons Armen hatte sie das gefunden, was sie ihr Leben lang gesucht, sich verzweifelt ersehnt hatte. Eine überwältigende Liebe, ohne die sie nicht leben wollte.

Aber er hatte ihr nicht vertraut. Er hätte sie in den Tod gehen lassen.

Sie lief ins Wohnzimmer, warf sich auf die Couch und starrte zum Horizont, während sie versuchte, sich einzureden, dass sie nicht auf seinen Anruf wartete.

Die zerklüftete Bergkulisse erhob sich schwarz vor dem Himmel, der mit Sternen übersät war. Sie blickte zur Uhr auf dem Kaminsims. Es war vier, vor drei Stunden hatte sie das Studiogelände verlassen. Er hätte längst anrufen können. Sie zog die Knie an und schlang die Arme um sie.

Wie konnte sie so dumm sein und sich in Hart verlieben? Er war genau der Typ, den sie stets gemieden hatte. Er lebte nur für das Militär und für gefahrvolle Einsätze. Von beidem hatte sie wahrlich genug.

Wenn ihr Vater nicht ebenso gewesen wäre – wenn er mehr Zeit für Frau und Tochter erübrigt hätte –, vielleicht wäre die Ehe ihrer Eltern von Bestand geblieben. Wenn sie Rick dazu gebracht hätte, die Army zu verlassen, einen normalen Beruf zu ergreifen, hätte er sie möglicherweise nicht betrogen. Vielleicht …

Es lag nicht am Militär, protestierte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Suzanne hörte nicht hin und stand auf. Unruhig lief sie auf und ab. Warum wurde sie immer wieder betrogen?

Hart hatte ihr Verrat zugetraut. Und Mord. Es war unglaublich. Ungeheuerlich. Er hatte mit ihr geredet, gelacht, sie geküsst und geliebt, während er sie die ganze Zeit für eine Mörderin hielt.

Plötzlich hielt sie inne. Das alles hatte er von ihr geglaubt – und umgekehrt. Die Erkenntnis wirkte wie ein Schock. Sie hatte sich genau dasselbe vorzuwerfen.

Aber wenn er sie liebte, warum ließ er sie dann gehen? Warum rief er nicht an?

Hart verließ erschöpft den Raum, in dem Brenner und sein Komplize verhört worden waren. Er stieß die Tür auf und trat ins Freie. Er reckte sich, atmete tief durch und sog den süßen Duft der Wüste ein.

Doch die frische Luft nahm ihm nicht das Gefühl der Leere, das seit Stunden an ihm nagte. Und in seine Wohnung zurückzukehren war wenig verlockend. Dort herrschte Chaos, und vermutlich suchte der militärische Geheimdienst noch nach Spuren.

Der Vermerk in Brenners Dienstakte, dass er die geheimdienstliche Ausbildung abgebrochen hatte, war Tarnung gewesen. Er war als Verbindungsmann ins Cobra Corps eingeschleust worden, als das neue Abwehrsystem dort getestet werden sollte, denn der Geheimdienst befürchtete Verrat.

Und kurz vor dem ‚Jaguar Loop‘-Einsatz hatte Trents Frau die Scheidung verlangt. Sie war nie so recht zufrieden mit seinem Militärsold, zudem argwöhnte Brenner, dass sie eine Affäre mit Rick hatte. Aber er vermied Auseinandersetzungen aus Furcht, sie zu verlieren. Und dann hatte ihn Panik ergriffen. Kaum jemand wusste, dass Ricks Familie Geld hatte, also hatte Rick Geld, und deshalb wollte Kristen ihren Mann verlassen. Brenner vermutete, wenn er ihr den begehrten Luxus bieten könnte, würde sie bei ihm bleiben.

Und fast wäre es gelungen.

Er hatte Carger, der kurz vor der Pensionierung stand, in seinen Plan eingeweiht. Auch Cargers Verhältnisse waren eher bescheiden, obwohl er eine reiche Schwester hatte, die allerdings nichts herausrückte.

Nach Ricks Absturz hielt die Offizierschaft ihn für den Hauptverdächtigen, zumal seine Überreste erst nach Monaten gefunden wurden und die Identität nicht geklärt war. Das alles passte hervorragend in Brenners Plan.

Da nie etwas von dem Geheimnisverrat nach außen drang, glaubte Trent sich in Sicherheit. Er wagte jedoch nicht, die Pläne sofort zu verkaufen. Er inszenierte seinen eigenen Tod, ließ sein Gesicht verändern und fand schließlich einen Käufer.

Allerdings geriet er in Panik, als ein FBI-Agent seine „Witwe“ besuchte, die ihm nach Europa folgen wollte, sobald die Pläne übergeben waren. Brenner fürchtete, dass man ihm auf die Schliche gekommen war. Es war Chief Cargers glorreiche Idee, einen Toten wieder zum Leben zu erwecken und ihm die Schuld zuzuschieben, zusammen mit dessen lebender Frau.

Brenners Frau hatte Suzannes Rolle gespielt und das Bankkonto eröffnet. Der Spion aus Europa war ein purer Glücksfall und zudem ein Kunde von Suzanne, empfohlen von Robert Marsei. Und Suzanne hatte keine Ahnung gehabt, wer Robert Marsei wirklich war.

Brenner Trent hatte an alles gedacht – nur nicht daran, dass Suzanne sich an Hart wenden würde.

Hart war auf halbem Weg zurück in sein Büro, als er beschloss, einen Umweg über das Rollfeld zu machen. Alles war still, und das war ihm nur recht. Er kletterte in seine Cobra, und endlich fiel die Anspannung von ihm ab. Er lehnte den Kopf an den Pilotensitz und betrachtete die ersten Morgenstrahlen am Horizont.

Er sehnte sich so sehr nach Suzanne, wie er es nie für möglich gehalten hatte. Ein tiefer Seufzer löste sich in seinem Innern. Er hatte nie an Liebe geglaubt, hatte bestritten, dass sie existierte, doch nun konnte er nicht länger leugnen, dass Suzanne Cassidy sein Herz gestohlen hatte. Und er hatte ihr unbewusst vertraut, als er in das Ranchhaus stürmte, um sie zu retten.

Hart lachte bitter. Sein Herz und sein Vertrauen.

Stets hatte er geschworen, dies niemandem zu schenken, denn das bedeutete, sich auszuliefern. Dennoch hatte er ihr unbedacht beides gegeben. Er hielt sich alle seine Gründe vor, warum er die Gefühle für sie leugnete, warum er nie mehr jemanden lieben wollte, doch plötzlich wirkten diese Gründe schwach und hinfällig.

Er hatte Angst gehabt, sie zu lieben, weil er Angst hatte, betrogen zu werden. Sie dagegen hatte ihn um Hilfe gebeten, hatte ihm vertraut, und sie wäre beinahe umgekommen, als sie ihn schützen wollte.

Suzanne hatte ihn nicht hintergangen, und sie würde es nie tun.

Hart stieg aus der Cobra. Es war an der Zeit, die Ängste abzulegen.

Suzanne wusste, sie würde Hart auf dem Rollfeld finden, nachdem sie ihn in seiner Wohnung und im Büro nicht angetroffen hatte. Es kostete sie jedoch allen Mut, dort hinauszugehen.

Er hatte nie gesagt, dass er sie liebte, hatte ihr keine gemeinsame Zukunft versprochen, aber sie gestand sich endlich ein, dass sie sich genau das wünschte. Wenn er es nicht wollte, sollte er es ihr zumindest ins Gesicht sagen. Danach würde sie nach Los Angeles zurückkehren und nie mehr Kontakt zu ihm suchen.

Sie blieb stehen, als sie ihn aus der Cobra klettern sah. Nervosität und Furcht überfielen sie. Machte sie sich erneut zum Narren? Hatte er deshalb nicht von Liebe gesprochen, weil er sie nicht liebte? Wollte sie das wirklich von ihm selbst hören?

Hart drehte sich um und erblickte Suzanne, die über den Asphalt auf ihn zukam. Im ersten Moment dachte er, es sei Einbildung, geboren aus seiner unendlichen Sehnsucht. Er rührte sich nicht aus Angst, sie würde sich in Luft auflösen. Doch sie kam beharrlich näher.

Ein Wirrwarr von Gefühlen durchflutete ihn, doch das stärkste – das er sich bis vor Kurzem streng verboten hatte – war Liebe. Tief, aufrührend, verzweifelt, verzehrend.

Dann wieder überfiel ihn Furcht. Sie war gekommen, um sich zu verabschieden. Natürlich. Das Blut gefror ihm förmlich in den Adern.

Er wandte sich ab. Wenn er nicht hinsah, würde sie nicht vorhanden sein. Wenn sie nicht vorhanden war, konnte sie nicht Abschied nehmen. Einmal hatte er sie bereits ziehen lassen müssen, ein zweites Mal würde er es nicht durchstehen.

Als er den Blick abwandte, wurde Suzanne unsicher. Sie sah sein Profil, gegen die aufgehende Sonne zeichnete sich seine Gestalt scharf ab, und seine Züge waren nicht zu erkennen. Was mochte in ihm vorgehen?

Wie würde sie die Zukunft bewältigen, wenn er sie nicht wollte? Sie sollte gehen – sofort, bevor sie sich lächerlich machte.

Ihre Schritte stockten. Sie blieb stehen.

Hart bemerkte ihr Zögern, ihren Ansatz zum Umkehren, und die Angst überwältigte ihn. Sein Verlangen war stärker als jegliche Vernunft. Er ging auf sie zu und nahm sie in die Arme.

„Ich war ja so dumm“, stieß er schroff hervor, während er sie an sich presste, um ihre Nähe zu spüren.

Sie schüttelte den Kopf. „Hart …“

Also doch – sie wollte sich nur verabschieden. Seine Angst wuchs, trieb ihn vorwärts. „Ich habe immer geglaubt, Liebe wäre eine Illusion, Suzanne, ein flüchtiger Traum, eine Fantasie, die nur in Ernüchterung und Kummer enden könnte.“

„Hart“, wiederholte Suzanne, gerührt von seinen Worten und dem flehenden Blick in seinen Augen. „Ich …“

„Und Vertrauen war etwas, das ich niemandem je entgegengebracht habe“, fuhr er hastig fort. Er wollte ihre Erwiderung nicht hören. „Aber ich habe mich geirrt. Das weiß ich jetzt. Weil ich weiß, dass ich dich liebe. Es ist keine Illusion, keine Fantasie. Ich liebe dich mehr als mein Leben, Suzanne, mehr als alles auf der Welt.“

Sie durfte sich nicht verabschieden. Er würde es nicht zulassen.

„Und wenn mein eingefahrener Militärgeist auch nicht sofort erkannt hat, dass du schuldlos bist …“ Tränen standen in seinen Augen, und seine Stimme wurde zu einem stockenden Flüstern. „Mein Herz hat es gewusst. Ich schwöre dir, Suzanne, mit dem Herzen habe ich dir immer geglaubt.“

„Hart“, flüsterte sie unter Tränen.

Die Angst ließ ihn nicht los. Sie würde gehen. Sie weinte, weil sie ihn nicht liebte und ihn nicht verletzen wollte. Er wollte es nicht hören. „Ich brauche dich, Suzanne.“ Noch nie hatte er jemanden um etwas gebeten, doch nun flehte er um sein Leben. „Ich liebe dich, Suzanne, und ich möchte dich bei mir haben. Immer.“

„Und ich möchte für dich da sein“, gab sie zurück und berührte sanft seine Wange mit den Fingerspitzen. „Ich möchte bei dir sein. Immer.“

Er konnte nicht glauben, was er hörte. „Ich werde dich ewig lieben“, sagte er. „Ich will dir jeden Tag neu beweisen, dass du das Wichtigste in meinem Leben bist.“

Sie dachte an all ihre Ängste und Zweifel und lächelte. „Ich liebe dich, Captain Branson“, erklärte sie schlicht. Dann zog sie seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn auf den Mund.

Zum ersten Mal in seinem Leben erkannte Hart, dass er seine Gefühle nicht mehr leugnen und unterdrücken musste. Ihre Worte klangen in seinem Kopf wider, drangen ihm ins Herz.

Sein Kuss war so leidenschaftlich, dass sie keinen Zweifel mehr hatte, was er empfand. Er streichelte ihren Körper, zog heiße Spuren auf ihrer Haut und entfachte das Feuer, das nur er in ihr entzünden konnte. Die Vergangenheit mit all ihren Unsicherheiten verblasste, das Morgen verhieß nichts als Glück.

Hart spürte, wie sein Körper sich vor Begehren mehr und mehr anspannte. Das Verlangen wurde so heftig, zerrte an jeder Faser, als würde es ihn zerstören, wenn es nicht befriedigt wurde.

Sie strich über sein Haar, und er schob die Hände unter ihre Bluse, umfasste ihre Brüste. Dies war der Himmel auf Erden, und er wünschte, es könnte immer so bleiben.

Suzanne hatte seine Seele berührt und ihm ein Glück gegeben, das er nie für möglich gehalten hätte. Er gehörte ihr, für immer. Und das war das schönste Gefühl der Welt.

Später erinnerte Suzanne sich nicht, wie sie auf den Rücksitz des Blackhawk gekommen waren, der wenige Meter neben Harts Cobra auf dem Rollfeld stand. Es war auch nicht wichtig. Jede Zelle ihres Körpers verlangte nach seiner Berührung, nach seinen feurigen Liebkosungen.

Im Nu hatten sie sich ausgezogen. Sein nackter Körper verschmolz mit ihrem, wortlos teilten sie einander ihre Liebe mit. Es war ein hemmungsloses Geben und Nehmen.

Sie erforschte jede Stelle, jede Linie seines Körpers. Er stöhnte, als die Lust ihn überwältigte und tiefe Erregung ihn durchflutete. Er drang mit der Zunge in ihren Mund und genoss ihre Süße, den exotischen Zauber, den sie auf ihn ausübte.

Sie rief seinen Namen, als er die Hand zwischen ihre Schenkel schob. Sie flüsterte ihm zu, wie sehr sie ihn liebte, begehrte, brauchte. Es waren die Worte, die Gefühle, nach denen er sich ein Leben lang gesehnt hatte.

Die lustvolle Qual seiner intimen Liebkosung entlud sich in einer Explosion, und sie sah, spürte nur noch ihn. Er fasste sie um die Taille und hob sie über sich.

Und dann füllte er sie aus mit seiner Liebe, die umfassender war als alles, was sie sich je erträumt hatte.