4. Kapitel

Es war fast Mittag, als Suzanne ihren Mietwagen neben dem Gebäude parkte, in dem sich Harts Büro befand. Sie hatte schon früher da sein wollen, doch sie hatte eine fast schlaflose Nacht hinter sich. Nachdem Hart das Hotel verlassen hatte, war sie in die Lobby gegangen, um sich im Geschenkladen etwas zum Lesen zu kaufen.

Und da sah sie Salvatore DeBraggo, der in einer Zeitschrift blätterte. Im ersten Moment wollte sie flüchten, doch er hatte sie bereits erblickt und sprach sie an.

„Mrs. Cassidy.“ Mit seinem spanischen Akzent klang ihr Name wie Musik.

„Ah, Mr. DeBraggo.“ Zu ihrer Beruhigung stellte sie fest, dass sich noch andere Personen im Laden befanden.

„Ich bitte nochmals um Verzeihung für die Störung vorhin“, sagte er und lächelte.

Der Zorn stachelte ihre Kühnheit an, und sie beschloss spontan, ihn auf seine Lüge anzusprechen. „Ich hatte meinem Partner in L.A. nicht gesagt, wo ich wohne, Mr. DeBraggo.“

Er nickte. „Ja, meine Frau sagte auch immer, ich sei kein guter Lügner.“ Er lächelte. „Ich wollte es wirklich lassen.“

Suzanne erwiderte sein Lächeln nicht.

„Nun, die Wahrheit ist, ich habe Sie von einem Foto in der ‚New York Times‘ erkannt – aus dem Artikel letzten Monat über Ihre Galerie, als Sie den Brenrogets das Gemälde von Mastroniani abkauften. Ich fürchte, meine Impulsivität gewann Oberhand über meine guten Manieren, als ich Sie im Hotelrestaurant sah.“ Er hob die Schultern. „Vergeben Sie mir.“

Es war ein Zufall gewesen, und Suzanne schalt sich für ihre Verdächtigungen: Auftragskiller, FBI-Agent, Spion, Kopfgeldjäger oder gar Terrorist.

Sie stellte den Motor ab und griff nach ihrer Tasche. Bevor sie zur Militärbasis aufgebrochen war, hatte sie einige Telefonate geführt wegen der Schmuckstücke, die DeBraggo verkaufen wollte. Irgendetwas war faul an der Sache. Und sie hätte schwören können, dass sie eins der Stücke schon mal gesehen hatte – in einem Museum.

Sie hatte auch Clyde angerufen, der ihr vorschlug, sie solle in das Haus eines seiner Freunde umziehen. Und dann hatte er sie gnadenlos fast eine Viertelstunde bearbeitet, um zu erfahren, mit wem sie zu Abend gegessen hatte.

Dass Hart noch immer in ihr Gefühle auslösen konnte, die sie nicht zulassen wollte, hatte sie am Vortag sehr verunsichert. Doch inzwischen hatte sie sich gefangen. Es war eine rein körperliche Anziehung. Es war nie mehr gewesen, und damit konnte sie umgehen.

Sie stieg aus und betrat das Gebäude. In Harts Vorzimmer stand der Sekretär an einem Aktenschrank. Harts Tür war geschlossen, doch sie wusste, dass er da war. Sie hatte ihn durchs Fenster gesehen. Sie fragte nach Hart.

Hart hörte ihre Stimme durch die Tür. Er empfand Zorn und Sehnsucht zugleich. Teils hatte er gehofft, sie hätte Three Hills verlassen und wäre aus seinem Leben verschwunden, andererseits hatte er genau das befürchtet – dass er sie nie wieder sehen würde. Es war irrational, aber er war zu vernünftig, um diese Gefühle näher in Augenschein zu nehmen.

Selbstzweifel, Gefühlsduselei und Frauen zu vertrauen waren die drei Dinge, die einen Mann zum Narren machten.

Vor ihm lag der Laborbericht über das Wasserglas, das er aus dem Hotel entwendet hatte. Man hatte nichts Ungewöhnliches festgestellt. Den Fingerabdrücken zufolge war sie Suzanne Cassidy, geborene Ramsey, hatte vor der Heirat als Büroangestellte bei der Army gearbeitet. Als sie acht war, hatten ihre Eltern sich scheiden lassen, der Vater war ehemaliger Soldat, die Mutter Malerin und zum sechsten Mal verheiratet.

Auch der Bericht seines Sekretärs enthielt nichts anderes. Hart hatte ihn wieder und wieder gelesen.

Demnach war Suzanne sauber. Aber das war Teresa Calderone angeblich auch gewesen, so behauptete zumindest das FBI. Und weil Hart sich darauf verlassen hatte, hätte es ihn und einige weitere Corps-Mitglieder fast das Leben gekostet.

Vor etwas mehr als zwei Jahren war die Tochter eines erbitterten Anti-Drogen-Anwalts aus Peru von einem Mitglied des Drogenkartells entführt worden. Der CIA, der dort Dienst tat, bat das Cobra Corps um Hilfe. Der Plan war ganz simpel: hingehen, das Mädchen einpacken, verschwinden.

Der Hauptkontakt des CIA für Informationen über die peruanische Szene war Teresa. Leider hatte der Geheimdienst übersehen, dass ihr Verlobter von einem Mitglied des Kartells ermordet worden war.

Teresa war nicht wirklich daran interessiert, die Geisel zu befreien oder den Drogenhandel zu bekämpfen. Nicht einmal ihr eigenes Leben bedeutete ihr noch viel. Sie wollte nur Rache – den Mann tot sehen, der ihren Verlobten umgebracht hatte. Nur deshalb half sie dem CIA und dem Cobra Corps.

Teresa hatte Guilermo Ortega, den Anführer des Kartells, erfolgreich verführt, doch er erwies sich als schlauer. Als sie versuchte, ihn zu töten, war er darauf vorbereitet. Rein zufällig war Hart in der Nähe und bekam den Kampf mit. Ein gut gezielter Fausthieb setzte den älteren Mann außer Gefecht, und Hart brachte Teresa in Sicherheit.

Doch innerhalb von Sekunden wurden Hart und seine Männer zu Gejagten. Mit knapper Not entkamen sie aus Ortegas Lager.

Nicht jedoch Teresa Calderone. Sie riss sich im letzten Moment von Hart los und lief zurück zu Ortega. Danach wurde sie nie wieder gesehen.

Sich auf Teresa und den CIA zu verlassen war ein großer Fehler gewesen. Und so etwas sollte ihm nicht mehr passieren.

„Captain Branson?“ Die Stimme seines Sekretärs drang aus der Sprechanlage. „Mrs. Cassidy möchte Sie sprechen, Sir.“

Hart klappte den Ordner zu, schob seine Gefühle beiseite und öffnete die Tür.

Suzanne stand vor Roubechards Schreibtisch und plauderte mit dem jungen Mann. Sie drehte sich um, als spürte sie Harts Blick. Ein weißes Top mit Trägern und weiße Hosen ließen die sanften Rundungen ihres Körpers erkennen, betonten die Üppigkeit ihres dunklen Haars und die milchweiße Haut.

Er konnte nicht anders als sie gierig ansehen. Plötzlich verspürte er einen Druck auf der Brust, er schluckte. Sie war schön, beinahe hypnotisierend. Er verfluchte sich für sein Hinstarren und seinen Körper für dessen Reaktion.

Wenn er sich nicht endlich zusammenriss, würde es sein Untergang sein.

„Guten Morgen, Suzanne.“ Nichts in seiner Stimme deutete auf das Chaos in seinem Innern hin. Er lächelte und wappnete sich wie für eine Schlacht. „Komm herein.“

„Danke.“ Sie ging an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen.

Er folgte ihr mit seinen Blicken. „Möchtest du einen Kaffee?“

„Nein, danke.“ Sie schaute sich nervös um. „Hast du den Bericht über Rick?“ Ihr Ton war kühl, ja fast schroff.

Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, bevor sie wieder wegsah.

Hart schloss die Tür und kehrte zum Schreibtisch zurück, während sie davor Platz nahm.

„Guten Morgen, Suzanne“, wiederholte er betont und sah ihr fest in die Augen. Er wusste, was sie plante. Doch während sie versuchte, die körperliche Anziehung zu ignorieren, die sichtlich zwischen ihnen bestand, setzte Hart auf die gegenteilige Strategie. Er war entschlossen, auch dies zu nutzen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Suzannes Lächeln wirkte gezwungen. Sie faltete die Hände im Schoß und blickte überallhin, nur nicht zu ihm. „Entschuldige. Guten Morgen, Hart. Hast du den Bericht? Steht etwas Wichtiges darin?“, fragte sie hastig.

Er sah auf den Ordner vor ihm. Nichts in dem Bericht wies darauf hin, dass Richard Jonathan Cassidy etwas anderes war als ein ehrbarer, pflichtbewusster Offizier. Und nichts anderes hatte Hart erwartet.

„Ja, ich habe ihn“, gab er zurück. „Nein, es steht nichts Auffälliges darin, Suzanne.“ Doch das wusste vermutlich auch sie. Er fing ihren Blick auf und sah ihr tief in die Augen, forschte nach einer Reaktion, nach Lüge oder Wahrheit, und merkte, dass er sich beinah darin verlor.

Er riss sich zusammen. „Kein Anhaltspunkt, warum das FBI ihn oder seine Frau“, das sagte er betont, „des Verrats verdächtigen könnte.“ Er stand auf und trat ans Fenster, wo eine Thermoskanne mit Kaffee stand. Er goss sich einen Becher ein und nahm einen großen Schluck von dem heißen starken Getränk.

Was hatte Rick ihr über den Einsatz erzählt? Hoffentlich nichts, denn er war geheim. Und wenn doch? Womöglich etwas, das seinen Tod besiegelt hatte?

Bei der Untersuchung des Absturzes hatte man die Ursache nicht mehr feststellen können.

Hart ging zu seinem Stuhl zurück, und ein Hauch ihres Parfums wehte zu ihm herüber, ein berauschender Duft, der seine Sinne ebenso reizte wie ihre Schönheit, ihre Nähe.

„Wer immer dahintersteckt, er muss mit dem Cobra Corps zu tun haben“, vermutete Suzanne. „Derjenige wusste Bescheid über diesen Einsatz. Meinst du nicht?“

Hart überlegte. Er hielt ihren Blick gefangen – verhörte sie wortlos. „Kann sein“, äußerte er schließlich. Doch im Grunde schloss er diese Möglichkeit aus. Das Corps war seine Familie. Undenkbar, dass einer seiner Männer ein Verräter, ein Mörder war.

Alles in ihm sträubte sich, weiter in diese Richtung zu denken. Suzanne war mit dem Militär aufgewachsen, sie kannte sich mit den Abläufen aus. Sie wäre bestens geeignet für diese Art von Betrug.

Suzannes Atem stockte, als sein Blick sie festnagelte, doch statt Nervosität oder Angst empfand sie Verlangen. Errötend wandte sie sich ab, stand auf und trat ans Fenster. Im Rücken spürte sie seinen Blick, abwartend, beobachtend, urteilend.

Erinnerungen überfielen sie. Als sie vor zwei Jahren feststellte, dass zwischen ihnen eine heftige Attraktion bestand, war sie fast dankbar gewesen. Schon lange hatte Rick kein Verlangen mehr nach ihr gehabt, und sie kam sich unattraktiv vor. Wie tröstlich, dass endlich wieder ein Mann sie begehrend ansah.

Dann hatte sie Harts Blicke erwidert, und die Möglichkeit irgendwelcher Annäherungen hatte sie in Angst und Schrecken versetzt. Schuldgefühle quälten sie Tag und Nacht, obwohl sie wusste, dass die Anziehung rein körperlich war – und nie mehr als das sein würde.

„Ich glaube, ich habe es dir noch gar nicht gesagt“, bemerkte Hart, „aber es ist schön, dich wiederzusehen, Suzanne.“

Sie drehte sich um und lächelte. „Das Gleiche gilt für mich, Hart. Sogar unter diesen Umständen.“ Ihr Puls beschleunigte sich, ihr wurde plötzlich heiß.

Einerseits tat es gut, in seiner Nähe zu sein, andererseits war ihr, als stünde Ricks Geist zwischen ihnen, beobachtend, anklagend. Sie seufzte. „Ich wünschte, die Umstände wären andere.“

Hart nickte. Im Sonnenschein glänzte ihr langes Haar wie dunkle Seide, und er verspürte mehr denn je den Drang, zu ihr zu gehen, die Hände durch ihr Haar gleiten zu lassen und … „Ich auch“, sagte er schließlich, die Stimme heiser vor unerwünschten Emotionen. „Aber wenn dies nicht geschehen wäre, Suzanne, wärst du wohl kaum noch mal zurückgekommen, oder?“

Die Frage war ausgesprochen, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. Und im Grunde wollte er die Antwort gar nicht wissen.

Suzanne starrte ihn verblüfft an. Lag ihm tatsächlich etwas an ihr? Oder war die Frage eine Falle? Und hätte sie den Mut gefunden, ihm noch einmal gegenüberzutreten, wenn sie seine Hilfe nicht wirklich verzweifelt brauchte? Sie beschloss, nicht zu antworten, und wollte nach dem Ordner auf seinem Schreibtisch greifen. „Ist das der Bericht über Rick?“

Hastig nahm er ihre Hand. Sie blickte herunter, seine Hand war groß und kräftig.

Rick hatte ähnliche Hände gehabt, doch seine Berührungen waren ihr nie so warm und sanft vorgekommen.

Sie sollte sich zurückziehen. Abstand halten, sagte sie sich. Seine Nähe war beunruhigend genug. Ihn zu berühren, sich berühren zu lassen, war geradezu gefährlich. Doch sie blieb regungslos, die Hand auf dem Ordner und seine Hand auf ihrer.

„Er ist geheim“, erklärte Hart leise und hielt ihren Blick fest.

„Ich bin immerhin seine Witwe.“

Sie schwiegen, und die Spannung hing geradezu greifbar zwischen ihnen.

„Oder weißt du etwas, das ich nicht weiß?“, fragte sie dann kühl weiter. Da war es wieder, sein Misstrauen.

Hart ließ sie los. Sie hatte recht. Die Vorschriften galten nicht, wenn es um die Wahrheit ging. Stumm reichte er ihr den Ordner.

Sie setzte sich und überflog den Bericht. Nachdem sie geendet hatte, sah sie zu Hart hinüber. „Stimmt, es steht nichts Überraschendes darin.“ Sie legte den Ordner auf den Schreibtisch. „Was tun wir als Nächstes?“

„Wir überprüfen jeden, der mit dem Einsatz befasst war.“

„Und wenn die fragliche Person gar nicht zum Corps gehört, Hart?“ Sie schaute zur Seite, um sich besser konzentrieren zu können. Jeder Blick in Harts Augen brachte sie aus dem Konzept. „Wenn derjenige im Pentagon sitzt oder in einer Behörde in Washington?“

„Nein.“ Er sah sie unverwandt an. „Der Dieb hatte direkten Zugang zu den Plänen, also müssen wir ihn hier suchen. Es gab mehrere Kopien, und einige der Piloten konnten sie einsehen. Zum Beispiel Rick.“

Und du, dachte Suzanne.

„Ich habe meinen Assistenten gebeten, sämtliche Mitglieder des Corps zu überprüfen, die an dem Einsatz beteiligt waren – Piloten, Mechaniker, Strategen, Büropersonal, alle. Die Berichte werden nicht sehr detailliert sein, aber für den Anfang muss es genügen.“ Er schaltete die Sprechanlage ein. „Roubechard, sind die anderen Berichte da?“

„Soeben eingetroffen, Sir“, kam die Antwort. „Ich bringe Sie ihnen rein.“

Gleich darauf trat Private Roubechard mit einem Stapel Akten ein. Suzanne musterte ihn, während er den Raum durchquerte. Er war mittelgroß, stämmig und hatte extrem kurz geschnittenes, braunes Haar. Seine Züge erinnerten sie an einen Falken, seinem scharfen Blick schien nichts zu entgehen, und auf dem Rücken der linken Hand hatte er eine Tätowierung, die einem Familienwappen ähnelte – ein Pferdekopf auf einem Schild.

Wenn man von der militärischen Haltung absah, könnte er auch einer Gang in Los Angeles angehören. Er legte die Akten ab und ging.

„Wie lange ist er schon hier?“, erkundigte sich Suzanne.

„Marcus Roubechard?“ Hart sah auf. „Seit ein paar Monaten.“

„Dann ist er also unverdächtig.“

Hart teilte die Akten auf. „Roubechard ist gerade erst neunzehn“, erklärte er. „Sein Großvater und Vater waren bei der 1. Kavalleriedivision. Die Tätowierung auf seiner Hand ist deren Abzeichen. Nein, Suzanne, er ist nicht verdächtig.“

Sie schämte sich.

Hart reichte ihr die Hälfte der Berichte. „Ich sehe mir die Corpsmitglieder an“, entschied er. „Du beginnst mit den Angehörigen.“

„Die Angehörigen?“, fragte sie verwirrt. „Wieso?“

„Du warst Ricks Frau“, erwiderte Hart. „Und das FBI verdächtigt dich.“

Sie nickte. „Du hast recht.“

Hart lehnte sich zurück und strich sich über die Augen. Das Aktenstudium hatte zu nichts geführt, und er brauchte eine Pause. „Ich denke, das war’s fürs Erste. Wollen wir in die Stadt fahren und etwas essen?“

Suzanne sah von ihrer Akte auf. Seit über eine Stunde hatten sie kein Wort gewechselt und sich ganz auf die Unterlagen konzentriert. „Gern.“ Ihr Hals war trocken. „Lass mich noch schnell diese Akte zu Ende lesen.“

Die Sprechanlage summte. „Ein Anruf von General Walthorp für Sie, Sir.“

„Ich nehme ihn im Vorzimmer entgegen“, erklärte Hart und stand auf. „Wir haben ein paar dienstliche Fragen zu besprechen“, sagte er erklärend zu Suzanne. „Ich bin gleich wieder da.“

Suzanne nickte. Ob das der Wahrheit entsprach? „General Walthorp“ konnte der Deckname eines FBI-Agenten sein. Oder jemand hatte Informationen über Rick.

Oder der Anrufer war Harts Komplize.

Sobald Hart das Büro verlassen hatte, klappte Suzanne ihre Akte zu und griff nach ihrer geräumigen Schultertasche. Die Gelegenheit war zu günstig, um sie nicht zu nutzen.

Hastig durchstöberte sie den Stapel, den Hart sich vorgenommen hatte. Einigen Kameraden hatte Rick näher gestanden als den anderen: dem Piloten Lane Banner, dem Chefmechaniker Brenner Trent und den beiden Juniorpiloten Rand Towler und Zack Morrow.

Was sie vorhatte, war vielleicht unsinnig und außerdem illegal. Wenn Hart es entdeckte, würde er ihr jede weitere Unterstützung verweigern. Dennoch, sie musste es wagen. Sie zog die Berichte aus dem Stapel und steckte sie rasch in ihre Tasche.

Unter Zacks Akte lag eine mit der Aufschrift „Hart Branson“.

Suzanne konnte nicht widerstehen, sie schob auch diese in ihre Tasche. Vielleicht stand in keinem der Berichte etwas Besonderes, aber sie wollte sich selbst davon überzeugen und sich nicht auf Harts Wort verlassen. Vor allem, was seine Akte betraf.

Sie ordnete die übrigen Mappen auf dem Schreibtisch, zum Glück waren es mehrere Dutzend. Das Fehlen der paar Unterlagen würde nicht gleich auffallen. Im nächsten Moment kam Hart bereits zurück.

„Fertig zum Lunch?“, wollte er wissen.

Suzanne erhob sich. „Tut mir leid, Hart. Ich hatte ganz vergessen, dass ich mit Mr. DeBraggo verabredet bin, um seinen Schmuck zu schätzen. Du weißt doch, der Mann aus dem Restaurant.“

Es war eine Lüge – sie hatte lediglich versprochen, DeBraggo anzurufen. Aber der Drang, die Berichte zu lesen und etwas Abstand zu Hart gewinnen, war zu stark.

Hart nickte. Am liebsten wäre er ihr gefolgt, doch der General wollte ihn in einer Stunde sehen. Insofern kam ihre Absage ihm sogar gelegen. „Dann also Dinner“, schlug er vor.

Sein Telefon klingelte. Er nahm ab. „Um sieben“, flüsterte er ihr noch zu.

Leise verließ Suzanne sein Büro.

„Suzanne?“

Suzanne, die gerade ihre Tasche in den Wagen legen wollte, drehte sich um. Chief Carger kam auf sie zu. „Chief“, grüßte sie und lächelte, obwohl ihr nicht danach war.

Er zündete sich eine Zigarette an. „Wollen Sie auch in die Army eintreten?“

Sie lachte. Natürlich wollte er nur herausbekommen, weshalb sie in Three Hills war. „Wohl kaum, Chief“, gab sie zurück. „Ich handele jetzt mit Antiquitäten und besuche hier einen Kunden. Und da wollte ich Captain Branson einfach mal Guten Tag sagen.“

Er nickte und stieß eine Rauchwolke aus. „Freut mich, dass es Ihnen gut geht. Und dass Sie bei uns vorbeischauen. Der Captain ist ein prima Kerl, aber ich hatte nie den Eindruck, dass er aufs Heiraten aus ist.“ Er lächelte gewinnend. „Wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Sie verstand seine Bemerkung zwar nicht, doch sie würde gewiss nicht nachfragen. Offensichtlich mochte der Chief Hart nicht. Aber das konnte tausend Gründe haben, die vermutlich im dienstlichen Bereich lagen.

Oder wusste der Chief etwas über Ricks Tod? Vielleicht, dass Hart mehr damit zu tun hatte, als lediglich Augenzeuge zu sein? War die Bemerkung eine Warnung?