W ir trugen nicht gerade die praktischste Kleidung, um in den Wald zu gehen. Aber ich nahm an, dass wir ohnehin nicht lange bleiben würden, weil das Unterholz zu dicht und es in der Nacht auch zu kühl war.
»Weißt du denn überhaupt, an welcher Stelle du in den Wald willst?«, fragte ich Kader, als wir vor dem Josephine standen. Der Dunkelbusch besaß an vielen Stellen dichtes Unterholz, und es war schlicht unmöglich, einfach so hineinzulaufen.
Sie deutete die Straße hinunter. »Hinter dem Supermarkt am Ende der Straße führt ein ausgewiesener Weg in den Wald. Der ist für die Pferde aus dem Cordova-Stall gedacht, wenn sie hier ausreiten. Von dort aus können wir dann weiter. Es gibt da einige Trampelpfade, die in das unausgewiesene Gebiet führen.«
Mir kam der Verdacht, dass sie das Ganze schon länger geplant und die Gelegenheit an diesem Abend nur beim Schopf gepackt hatte. Nervös blickte ich mich um, aber es war niemand zu sehen.
Die anderen gingen los, und widerwillig folgte ich ihnen. Die Straße war menschenleer. Reiter traf man um diese Uhrzeit ohnehin nicht mehr, außerdem befanden sich die schöneren Wege durch den Dunkelbusch in Höhe der alten Wind- und Wassermühlen, deren Standort sich am anderen Ende des Viertels befand. Das Josephine lag buchstäblich am Rand der Stadt, auf der Rückseite der Wohnhäuser. Es war also nicht verwunderlich, dass wir um diese Uhrzeit niemandem mehr begegneten. Ich hoffte nur, dass es auch so bleiben würde.
Wir liefen an dem kleinen Supermarkt vorbei, dessen Parkplatzbeleuchtung die Vorgärten der benachbarten Häuser erhellte. Auch hier war alles ruhig. Von den Häusern aus war die Straße nicht einzusehen, zu viele Bäume, Büsche und Ranken versperrten die Sicht.
Nicht weit davon entfernt stand ein mit Stickern beklebtes Hinweisschild, das darüber informierte, dass es sich bei dem dahinterliegenden Pfad um einen Reitweg handelte und das Verlassen der ausgewiesenen Strecken eine Ordnungswidrigkeit darstellte. Schon nach wenigen Metern war auf dem Weg nichts mehr zu erkennen, der Eingang in den Wald wirkte wie eine dunkle Höhle.
»Bist du sicher, dass hier nachts niemand Streife läuft?«, fragte Rosalie flüsternd, während sie mal wieder am Fingernagel kaute.
Ungeduldig zog Kader ihr den Arm herunter und führte sie auf den Pfad. »Nun mach dir mal nicht ins Hemd. Es ist nicht verboten, nachts spazieren zu gehen. Nur weil es niemand macht, heißt das nicht gleich, dass man es nicht darf.«
Doch Rosalie schienen die Worte nicht zu beruhigen, das erkannte ich an den hochgezogenen Schultern und den nervösen Blicken, die sie um sich warf. Wütend auf Kader, folgte ich den beiden, Michael und Sean schlossen sich an.
Kaum hatten wir den Wald betreten, fiel die Temperatur, mit jedem Meter nahm unser Geplauder ab, bis die Gespräche ganz verstummten. Wir spähten rechts und links in den Wald und lauschten den nächtlichen Geräuschen. Es war ein unbestimmtes Scharren, Knacken und Fiepen. Zwischen den Bäumen lag eine sich bewegende Dunkelheit, und das Rauschen des Winds in den Baumwipfeln hörte sich an wie ein Flüstern. Um diese Uhrzeit war der Dunkelbusch faszinierend, aber auch unheimlich und machte seinem Namen alle Ehre. Gespannt hielt ich Ausschau nach dem Jungen mit der Taube, doch es geschah nichts, außer dass uns langsam kalt wurde. Die Hitze des Sommers besaß zwischen den Tannen keine Macht.
Nach einer halben Stunde verengte sich der Pfad, und nach weiteren zehn Minuten kamen wir an eine Gabelung, an der sich der Weg in einen breiteren und einen schmaleren Pfad trennte. Dazwischen stand eine verwitterte Bank mit einem Mülleimer, der bereits überquoll. Der breitere Pfad war der ausgewiesene Reitweg, der schmalere stark zugewachsen und kaum einsehbar. Ein Schild warnte vor dem Weitergehen in diese Richtung.
Natürlich zeigte Kader auf den verbotenen Weg. »Da entlang«, entschied sie, ohne stehen zu bleiben. Rosalie zog sie einfach weiter mit sich.
»Kader«, rief ich ihr nach, aber sie hörte nicht auf mich, und innerhalb weniger Augenblicke hatte das Dunkel sie bereits verschluckt.
Sean klopfte mir auf die Schulter. »Komm schon«, sagte er amüsiert, »ist doch nichts dabei. Wir streifen eine Weile mit ihr durch den Wald, damit sie beruhigt ist, und dann gehen wir wieder zurück ins Warme.« Er zwinkerte mir zu und ging voran, als wäre der Wald nichts weiter als ein Hinterhof, den man schon hundertmal überquert hatte.
Noch immer beunruhigt, folgte ich ihm, doch ich war froh, dass ich nicht die Einzige war, die begriff, warum Kader das tat. Er hatte recht, wir würden ihr einfach noch eine Weile ihren Willen lassen und dann zurückkehren.
Nach kurzer Zeit hatten wir Kader und Rosalie eingeholt, denn allein kamen die beiden nur schwer voran. Sean musste die größeren Zweige zur Seite biegen, wir stemmten uns gegen die Äste und konnten nur mit erhobenen Armen durch das Gestrüpp laufen. Wie sich herausstellte, war es eine gute Idee gewesen, das langärmelige Sweatshirt überzuziehen, das das Schlimmste abhielt. Trotzdem schrammten mir Äste und Zweige über die Arme und das Gesicht. Ich hörte Michael hinter mir stöhnen, so hatte er sich seinen Samstagabend sicher nicht vorgestellt.
Unter unseren Füßen knackten Zweige, über uns hörten wir gelegentlich Vögel schreien, doch eine Taube war nicht darunter. In der Luft lag der Geruch von Moder, und über den Baumkronen hing der grafitfarbene Nachthimmel. Das Mondlicht reichte nicht aus, den Boden zu erhellen, und auch unsere Handylampen zerschnitten das Dunkel nur punktuell. Unser Vorankommen war langsam und anstrengend.
Ich rechnete damit, dass die anderen bald die Lust verlieren und aufgeben würden; die Bereitschaft, Kader zuliebe nachts in das verbotene Gebiet zu laufen, musste Grenzen haben. Außerdem fürchtete ich, dass wir uns verlaufen würden.
Die Stimmung wurde zunehmend schlechter. Rosalie hatte eine Blase am Fuß und Michael eine Schramme unter dem Auge, wo ihn ein zurückschnellender Zweig getroffen hatte. Auch Kaders schweigsame Verbissenheit verlor sich im Dunkel zwischen den Bäumen, unter der Maske musste sie furchtbar schwitzen. Uns war allen klar, dass wir ihr Monster nicht finden würden, und wir warteten darauf, dass sie es zugeben würde.
Schließlich stießen wir auf eine Lichtung mitten im Dickicht. Sie war nicht sehr groß, nur ein paar Meter im Durchmesser, ein paar Bäume waren umgeknickt und Unterholz niedergedrückt, vielleicht durch einen Sturm oder ein Wildschwein.
»Wir machen eine Pause«, legte Sean fest, und niemand widersprach ihm. Wir waren müde und erschöpft.
Schweigend räumten wir ein paar Äste zur Seite, Gras und Moos waren an dieser Stelle dicht gewachsen und eigneten sich als Sitzfläche. Kaum saßen wir auf dem kalt-feuchten Boden, rissen wir die Chipstüten auf, und Sean zog eine Flasche Whisky aus dem Rucksack.
»Wo hast du die denn her?«, fragte ich überrascht.
»Aus Paddys Beständen. War eigentlich für die Party gedacht, aber dafür war sie mir dann zu schade.« Er grinste, und nacheinander tranken wir aus der Flasche das billige Zeug, dessen Geschmack uns damals egal war.
Die Handys hatten wir als Lichtquelle in die Mitte gelegt. Hin und wieder hörten wir Knacken im Unterholz, doch im Gegensatz zur Stadt war es hier ruhig und friedlich. Für einen Moment schienen unsere Probleme weit weg. Was eben noch ungemütlich und ermüdend gewesen war, wurde plötzlich zu etwas Besonderem, als hätte jemand einen Zauber über uns und die Lichtung mitten im Wald gelegt. Rosalie vergaß die Blase am Fuß und Michael die Schramme im Gesicht, Kader wartete nicht mehr auf ein Monster, Sean nicht darauf, sich nicht mehr für seine Familie zu schämen, und für einen kurzen Augenblick hatte ich keine Angst mehr, dass jemand mein Geheimnis entdecken würde.
Für diese kurze Zeitspanne wurde der Samstagabend zu dem, was wir erwartet hatten: ein Vergnügen.
Als der Alkohol seine Wirkung zeigte, schaltete Sean auf seinem Handy Musik an und begann, um uns herumzutanzen, als wäre das Gras eine Bühne, während Michael ausgelassen dazu klatschte. Sein Lachen trieb über den Bäumen dem Himmel entgegen, und Rosalie lächelte versonnen mit geschlossenen Augen. Für eine Weile vergaßen wir, dass diese Freundschaft den Sommer nicht überleben würde, und Rosalie fragte Sean, wie er es schaffte, keine Angst zu haben.
»Jeder Mensch hat Angst«, sagte er, doch sie schüttelte den Kopf.
»Du nicht, wenn du dich mit diesen Typen anlegst.«
»Das ist doch leicht.«
»Für mich nicht.« Ihr Blick bekam etwas Flehendes.
Sean seufzte und hörte auf zu tanzen. Stattdessen setzte er sich Rosalie im Schneidersitz gegenüber und zeigte mit dem Finger auf sie. »Du musst ihm in die Augen sehen«, sagte er und packte sie an den Schultern, um ihr in die Augen zu starren. »Wenn du blinzeln musst, tu es langsam. Unterbrich auf keinen Fall den Blickkontakt. Stell dir einfach vor, wie du ihn fertigmachst. Wenn du dich ihm physisch unterlegen fühlst, stell dir vor, wie du ihn überfährst oder vergiftest, ist völlig egal. Hauptsache, das Gefühl in dir stimmt. Das wird er in deinen Augen sehen.«
Ich lachte. »Das ist ein furchtbarer Ratschlag.«
»Wirkt jedes Mal.«
»Nein, mein Lieber, es wirkt, weil du ihnen tatsächlich eins drüberziehst.« Grinsend schüttelte ich den Kopf, und er streckte mir die Faust entgegen, damit ich mit meiner dagegenstoßen konnte.
»Du musst sie einfach ganz laut anbrüllen. Männer mögen es nicht, wenn sie von Frauen angeschrien werden. Dann gehen sie«, sagte Kader.
»Gilt auch für Beziehungen«, warf Michael trocken ein.
Rosalie sah mich fragend an. »Was machst du, wenn dich jemand ärgert?«
Das klang wie bei einem Kleinkind, und am liebsten hätte ich ihr gesagt: Du bist doch nicht vier! Aber ich wollte die friedliche Stimmung nicht kaputt machen, also verkniff ich mir die Bemerkung. Die ehrliche Antwort lautete, dass es mich nicht interessierte, wenn mich jemand nicht leiden konnte, weil ich bereits Freunde hatte. Ich bildete mir ein, dass ich eines Tages eine erfolgreiche und berühmte Autorin sein würde, weshalb mir diese Leute, die etwas gegen mich hatten, egal sein konnten.
Aber beides war bei Rosalie nicht der Fall. Ihr fehlte dieses Etwas, an dem sie sich festhalten konnte.
»Ich glaube einfach, dass sie merken, wenn du Angst hast«, wich ich aus und wiederholte damit nur, was meine Eltern mir früher auch immer erzählt hatten. »Du darfst ihnen nicht zeigen, dass es dich verletzt.«
Das war auch eine Wahrheit, aber eine, die für Menschen wie Rosalie schwer umzusetzen war. Niedergeschlagen blickte sie zu Boden, es war nicht der Rat, den sie sich erhofft hatte, weil das genau die Unmöglichkeit war, der sie nicht entkam: Sie konnte nicht verbergen, dass sie getroffen war.
»Oder du stellst dir vor, dass du sie mit einem Bus überfährst, wenn das besser hilft«, ergänzte ich seufzend, und Sean lachte laut auf.
Ich zwinkerte ihm zu, und auch Rosalie musste lächeln, zog aber gleich darauf fröstelnd die Schultern hoch.
»Was ist jetzt, Kader, beenden wir die Suche nach dem Monster?«, sprach Michael schließlich aus, was wir alle dachten.
Auf ihrem Platz auf einem Baumstumpf zog sie die Knie an. Sie schlang die Arme darum, dadurch sah es aus, als würde ihre Maske merkwürdig darüber schweben.
»Meine Schwester kann immer noch nicht richtig atmen«, sagte sie leise, als hätte sie seine Frage gar nicht gehört. »Ihre Lunge ist durch den Rauch zu geschädigt, und es wird noch Monate dauern, bis das besser wird. Sie hat Asthma, deshalb hat sie das so getroffen. Und ich«, sie deutete auf ihr Gesicht, »sehe auf ewig aus wie ein Ding aus einem Horrorfilm. Da hilft auch kein Make-up mehr.« Sie starrte ins Dunkel. »Ich werde nie aufhören, nach dem Monster zu suchen.«
Schlagartig kippte die Stimmung. Keiner von uns wusste, was er darauf sagen sollte, wir waren zu jung und mit dem Schmerz, den sie offenbarte, hoffnungslos überfordert. Alle Freude, die wir eben noch empfunden hatten, war mit einem Mal ausgelöscht, denn dieser Schmerz übertrug sich auf uns, als wäre es unser eigener. Einem Impuls folgend, sprang ich auf, kniete mich neben sie und umarmte sie, so fest ich konnte.
Erst wurde sie stocksteif, dann überlief sie ein Schauer, und sie erwiderte die Umarmung ebenso fest. Ich konnte hören, wie sie schluckte, aber Tränen spürte ich nicht, doch für einen kurzen Moment wurde sie weich und anschmiegsam. Die anderen kamen herüber und legten die Arme um uns, und die Wärme in dieser Umarmung drang mir bis auf die Knochen.
Beendet wurde dieser Moment durch Rosalie, die mich am Ärmel zupfte und flüsterte: »Ich muss mal pinkeln.«
Es kam so unvermittelt, dass wir alle in Gelächter ausbrachen. Der Bann war gebrochen, wir lösten uns voneinander, und ich deutete hinter uns. »Dann geh doch.«
Skeptisch sah Rosalie ins Dunkel, und ich verdrehte die Augen.
»Komm schon, du hörst uns doch. Wir sind nur ein paar Meter von dir entfernt. Da passiert überhaupt nichts. Außer dass dich vielleicht eine Zecke in den nackten Hintern beißt.« Ungeduldig winkte ich sie fort, aber sie stand unschlüssig und zögerlich auf.
Eine andere Möglichkeit als den Busch gab es jedoch weit und breit nicht, und das Bedürfnis war offenbar zu dringend, weshalb sie nach wenigen Sekunden doch langsam ins Dunkel trat. Kaum hatte sie den Lichtkegel der Handys verlassen, griff sich Michael eines davon und leuchtete ihr nach. Sie war gerade dabei gewesen, sich die Hose herunterzuziehen.
»Lass das!«, rief sie, doch er lachte nur und wackelte mit dem Handy in ihre Richtung.
»Brauchst du vielleicht mehr Licht?«, fragte Sean spöttisch und richtete ebenfalls sein Handy in ihre Richtung.
Unruhig hüpfte sie hin und her. »Hört doch auf!«
»Meine Güte, dann geh halt noch ein Stück weiter«, rief Kader, wieder ganz die Alte.
Wir waren aufgedreht, die Szene nur Momente zuvor hatte uns aufgewühlt zurückgelassen, und die Anspannung suchte einen Weg nach draußen.
»Was denkst du denn, was dich hier überfällt, ein Bär?«, fragte Kader kopfschüttelnd, während sie sich eine Chipstüte heranzog. Sie war wie ausgewechselt. Hatte sie vor Kurzem noch selbst geglaubt, der Wald beherberge alle Arten von Monstern, schien sie sich jetzt in seiner kühlen Dunkelheit wohlzufühlen. Vielleicht war ihr die eigene Verbissenheit selbst zu anstrengend geworden – oder sie hatte einfach eine Pause und etwas zu lachen gebraucht.
Rosalie warf einen Blick über die Schulter ins Dunkel, aber weil die Jungs nicht aufhörten, ging sie schließlich tiefer in den Wald hinein.
»Ihr könnt es einfach nicht lassen, oder?«, sagte ich, aber selbst in meinen Ohren klang die Ermahnung ein bisschen amüsiert.
Sean kickte mit der Fußspitze an meine. »Wir ziehen sie doch nur ein bisschen auf, entspann dich.«
»Du weißt doch, dass sie bei so was empfindlich ist.«
»Eben, und deshalb muss sie sich daran gewöhnen, wenn einer nur einen Scherz macht. Sie muss sich eine dickere Haut zulegen.«
»Aber vielleicht nicht alles an einem Abend, du Held. Du bist auch nicht über Nacht so hart geworden.«
Desinteressiert winkte er ab. »Gib doch zu, dass dir Rosalies Empfindlichkeit genauso auf die Nerven geht«, flüsterte er.
Damit hatte er recht, deshalb erwiderte ich nichts darauf. Ich verpasste ihm nur eine Kopfnuss, bevor auch ich mir eine Handvoll Chips in den Mund stopfte.
Plötzlich ertönte hinter uns ein Schrei. Erschrocken fuhren wir herum, aber es war schon wieder still.
Ich stand auf. »Rosalie?«, rief ich.
Es kam keine Antwort.
»Sollen wir nachsehen? Vielleicht ist sie gestürzt.«
Kader schüttelte den Kopf. »Sie wird sich erschreckt haben. Vielleicht hat sie sich auf die Hose gepinkelt.«
Die anderen lachten.
Nach einem Moment rief ich noch einmal nach Rosalie.
»Das ist die Retourkutsche für unseren Streich mit dem Licht«, erwiderte Sean. »Ihr geht’s gut, Kate, sie will uns nur ärgern. Du weißt doch, dass hier nichts ist, noch nicht mal Wildschweine. Oder hast du schon eins gesehen?«
Wusste ich das? Ich wusste zumindest von einer Figur, die nicht hier sein sollte.
»Lange hält sie das nicht aus, da draußen im Dunkeln. Sie kommt gleich wieder, wetten?«
Doch als sie nach fünf Minuten immer noch nicht zurück war, sagte ich: »Wir sollten nachsehen«, und nahm mein Handy vom Boden auf.
Sean stöhnte, erhob sich aber und leuchtete ins Dunkel. Ich rief ein weiteres Mal nach Rosalie, wieder erfolgte keine Antwort.
»Wir sollten jetzt nachsehen«, forderte ich drängender. Irgendwann ging ein Scherz zu weit.
Dieses Mal erhoben sich auch Kader und Michael und leuchteten zwischen die Bäume.
»Rosalie! Komm jetzt her«, rief Kader. »Es tut uns leid mit dem Licht.«
Langsam bewegten wir uns vorwärts und leuchteten dabei mit den Handytaschenlampen ins Dickicht. Das eine oder andere kleine Tier nahm Reißaus vor uns.
»Was ist, wenn sie sich verlaufen hat?«, fragte ich, worauf Sean schnaubte.
»Nun mach mal halblang, Kate. Wie weit soll sie denn allein gekommen sein in diesem Dickicht? Sie kann nicht plötzlich fliegen, oder?«
Wir krochen unter Ästen durch, der Wald war hier noch dichter bewachsen als auf der anderen Seite der Lichtung, aus der wir gekommen waren. Hin und wieder leuchteten Augen auf, wenn der Strahl unserer Lampen auf nachtaktive Tiere traf, und mir wurde zunehmend mulmiger.
Auf einmal erfasste mich ein intensiver Geruch nach rohem Fleisch und Blut, vermischt mit Gardenie. Mir wurde augenblicklich übel. Die anderen schienen es ebenfalls zu bemerken, Sean drückte das Gesicht in die Armbeuge, und Michael schrie laut: »Wäh, was ist das denn?«
Vorsichtig liefen wir weiter, das Dickicht öffnete sich ein Stück, es war keine Lichtung, eher eine Lücke im Unterholz.
Und dort hockte im Schein unserer Lampen das Monster.