13.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Gerlinde. »Ihr geht wieder hinein«, antwortete Oskar, »ich werde die Tür von außen versiegeln.« »Aber das geht nicht«, schrie Gerlinde, »wir können Sie doch

nicht alleine lassen.« Oskar sagte, er erwarte natürlich noch immer, dass es nicht zum Schlimmsten komme. Er sei zwar Aquarianer, aber er hoffe trotzdem auf ein Wunder. Man werde ihn bestimmt mit einem Hubschrauber retten und in Sicherheit bringen. »Ich hoffe und wünsche und will mit aller Kraft, dass ich und der Wirt und alle Aquarianer sich irren.«

»Was ist, wenn Sie sich nicht irren?«, fragte Gerlinde.

»Jedes Wesen hat seine ganz persönliche Lebenszeit«, antwortete Oskar.

»Bleiben Sie bei uns, Oskar«, bat Gerlinde, »es gibt genug Platz für alle.«

Er könne und dürfe das nicht, erklärte Oskar. Er fühle sich einem Abenteuer dieser Größenordnung einfach nicht gewachsen. »Ich würde die Reise nicht überleben«, sagte er, »fragen Sie mich nicht, warum, ich weiß es, ich weiß es ganz bestimmt.«

Das Wasser war in der Zwischenzeit weiter gestiegen; schon konnten sie spüren, wie sich das Schiff leise zu regen begann.

Oskar umarmte die Burschen, er befahl ihnen, sich zu benehmen. Dann streckte er Gustav die Hand entgegen. »Leben Sie wohl, Gustav«, sagte er, »es war mir ein Vergnügen.«

Als er auch Gerlinde die Hand geben wollte, fiel sie ihm um den Hals. »Wir werden Sie ...«, flüsterte sie, »obwohl ich Sie überhaupt nicht ...«

»Wenn alles so ist, wie wir glauben«, sagte Oskar, »dann bin ich der letzte Mensch, den Sie auf dieser Welt gesehen haben.«

Er bat Gustav, Gerlinde und die Burschen, in den Bauch der Arche zu steigen. Er werde die Öffnung von außen verschließen. Er werde sich dann draußen aufs Deck setzen und schauen, ob das Wasser auch wirklich weiter steige. Er werde klopfen und sie herausrufen, wenn sich alles zum Guten wende.

»Adieu!«, sagte er.

»Adieu!«, sagten die anderen. Sie schauten von innen heraus zu, wie Oskar die Planke in die Öffnung klemmte. Sie setzten sich in eine der Sitzgruppen und warteten, dass Oskar klopfen und sie herausrufen werde.

Aber Oskar klopfte nicht und er rief sie nicht heraus.

Das Wasser stieg und hob die Arche hoch. Das Wasser schwoll und stieg immer weiter auf der Erde und über die Erde hinaus, die Arche aber trieb auf dem Wasser dahin.

Das Wasser auf der Erde war schließlich so gewaltig angeschwollen, dass es alle hohen Berge bedeckte, die es unter dem ganzen Himmel gibt. Das Wasser war hoch über die Berge hinaus angeschwollen und hatte sie zugedeckt, aber auch danach hatte es nicht genug gehabt und war mehr geworden und immer mehr.

Da verendeten alle Wesen aus Fleisch, die sich auf der Erde geregt hatten, Vögel, Vieh und sonstige Tiere, es verendete alles, wovon die Erde gewimmelt hatte. Und auch alle Menschen.

Alles, was auf der Erde durch die Nase Lebensgeist geatmet hatte, kam um, alle Wesen auf dem Erdenboden, Menschen, Vieh, Kriechtiere und die Vögel des Himmels, sie wurden alle vom Wasser verschlungen und vom Erdenboden vertilgt.

Nur die Arche überdauerte. Das Wasser hob die Arche hoch und immer höher. Die Arche schaukelte wild in den Stürmen und wurde bald hierhin, bald dorthin geworfen.

Als es ruhiger wurde, brach Gustav die Türe auf. Er schaute hinaus und sah rundum ruhiges, stilles Meer. Er sah Meer, zum ersten Mal in seinem Leben sah er ein Meer. Dieses Meer war so ruhig und still, dass es wie gefroren wirkte.

Und dennoch bewegte sich die Arche auf dem Wasser sanft, es war ohne Zweifel ein Meer, es war Wasser, es war ein gewaltiges Meer, aber es war kein irdisches Meer, weil über dem Wasser zwei Sonnen hingen.