Kapitel 10

An einem Juniabend hatte Josh die Idee, den Terminal des Servers mit einer Webcam auszustatten. Luke holte eine Kamera mit Mikrofon aus dem Lagerraum des Zentrums. Innerhalb weniger Stunden öffneten sie ein Gateway im Programm von Neurolink in der Hoffnung, über diesen Umweg mit ihm kommunizieren zu können.

Seitdem er den neuen Helm benutzte, hatten es nach ihrer Schätzung die zahlreichen Sitzungen ermöglicht, einen ausreichenden Teil von Joshs Gedächtnis zu sichern, damit sie fortan versuchen konnten, Zugang zu dessen Inhalt zu bekommen. Anders ausgedrückt, es war völlig sinnlos, eine derart riesige Datenmenge zu speichern, wenn man nicht auf sie zurückgreifen konnte.

Luke hatte diese Phase »Restore« getauft, ein Codewort, das Josh ebenso hochtrabend wie lächerlich fand.

Nachdem die Verbindungen überprüft waren, ließ sich Josh vor dem Terminal nieder und kontaktierte Neurolink zum ersten Mal mündlich.

»Guten Abend«, sagte er mit zögernder Stimme und ­fixierte das »Auge« der Kamera.

Bald darauf erschienen die Worte Guten Abend auf dem Bildschirm.

»Glaubst du, er antwortet mir, oder gibt er nur meine Worte wieder?«

»Keine Ahnung«, erwiderte Luke.

Neurolink schrieb:

meine Worte = meine Worte


»Was macht er da?«, wollte Josh wissen.

»Keine Ahnung«, wiederholte Luke.

»Nimm mir den Helm ab.«

»Nein, du wirst vom Server getrennt, wenn ich ihn dir abnehme.«

»Mag sein, aber ich will wissen, ob das, was er anzeigt, vom Computer stammt oder bloß vom Echo meiner Stimme.«

»Ich wage zu bezweifeln, dass ein Computer denkt«, erwiderte Luke.

Josh löste den Riemen des Helms, und Luke beeilte sich, ihn abzunehmen.

»Pass verdammt noch mal auf, er enthält Tausende von Verbindungen, und die sind megaempfindlich. Lass mich das machen.«

Luke legte den Helm behutsam auf einen Ständer und nahm erneut auf seinem Hocker Platz. Josh stellte fest, dass er ebenso nervös war wie sein Freund. Jeder der beiden hoffte, dass dieses Experiment eine Wende in ihrer Arbeit darstellen würde, eine bemerkenswerte Wende, wie Flinch sicher gesagt hätte, wenn er gewusst hätte, was in einem seiner Labors ausgeheckt wurde. Doch es bestand kein ­Risiko, dass er es erfahren würde, denn die beiden Komplizen hatten eine Partition im Speicher des Servers eingerichtet, zu der nur sie Zugang hatten.

»Und jetzt?«, fragte Luke.

»Du machst es so wie ich, du hältst die Luft an«, erwiderte Josh.

Er drehte sich zur Kamera um und fragte mit ruhiger Stimme:

»Hörst du mich?«

Klar und deutlich


Joshs Gesichtszüge erstarrten beim Lesen der Worte.

Der Bildschirm blieb unverändert, bis eine seltsame Gleichung erschien.

[1 + 1 = 1]


»Falsch!«, rief Josh.

[1 + 1 = 1]


»In welchem Fall?«, fragte Josh.

[1 + 2 = 2]


»Das ist genauso falsch, 1 und 2 sind drei.«

[1 + 2 + 3 = 3]


»Was bedeuten diese Gleichungen?«

»Vielleicht testet Neurolink soeben sein mathematisches Wissen. Es ist das erste Mal, dass er kommuniziert, er ist noch sehr jung«, meinte Luke.

Der Computer löschte, was auf seinem Bildschirm stand, und schrieb:

[1 = Josh]


»Er will vielleicht sagen, dass du in seinen Augen einzigartig bist, das heißt in seinem Auge«, meinte Luke mit leicht spöttischem Unterton.

[Falsch]


»Du hast Luke geantwortet?«, fragte Josh.

[Du hast Luke geantwortet]


Josh starrte nachdenklich auf den Bildschirm. Neurolink hatte seine Frage kopiert und dabei das Fragezeichen vergessen. Das konnte ein bloßer Interpunktionsfehler sein, oder aber die Auslassung war beabsichtigt, um die Frage in eine Feststellung zu verwandeln. Eine Idee kam ihm in den Sinn, und er stellte überrascht fest, dass er zögerte, sie zu formulieren.

»Wer bist du?«

Auf dem Bildschirm erschien:

[Wer bist du?]


Dieses Mal waren die beiden Sätze in jeder Hinsicht identisch.

»Wenn er nicht zusammenhangloses Zeug von sich gibt, begnügt er sich damit, deine Worte zu wiederholen«, meinte Luke und seufzte. »Das ist kein sehr überzeugendes Resultat. Du hättest auf mich hören und den Helm aufbehalten sollen.«

[2 = Hope]


»Du kennst Hope?«, fragte Josh verblüfft.

[1 + 2 = 2]


»Ich verstehe das nicht.«

[3 = Luke] … [1 + 2 + 3 = 3]


»Definiere 4.«

[Klar und deutlich]


Josh dachte über das nach, was Neurolink soeben formuliert hatte.

»Mein Vater ist 4?«

[Stimmt]


Josh und Luke sahen sich verdutzt an. Beide fühlten sich von der prickelnden Erregung des Forschers ergriffen, der sich einer wichtigen Entdeckung zu nähern glaubt, deren Ausmaß er allerdings noch nicht zu ermessen vermag.

»Wie bist du auf dieses Zahlensystem gekommen?«, wollte Josh wissen.

[Wie bist du auf dieses Zahlensystem gekommen?!]


»Und du, welche Zahl bist du?«

[1]


Josh fixierte das Auge der Kamera und versuchte zu erfassen, was Neurolink ihm zu verstehen geben wollte. Und plötzlich wurde alles, was Luke nicht einmal in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte, das, wofür er so viele Risiken eingegangen war und Nächte in Laborsälen verbracht, seine Freizeit geopfert, ertragen hatte, im Schatten seines besten Freundes zu stehen, schließlich belohnt, als Neurolink antwortete:

[Ich bin du, Josh]


Jetzt verstanden sie den Sinn der Gleichungen, die der Computer aufgestellt hatte. Die angezeigten Zahlen bezeichneten eine Person, jeweils nach Wichtigkeit, die sie in Joshs Augen einnahm.

Josh + Josh entsprach jeweils Josh, während Josh und Hope zwei unterschiedliche Personen bildeten. Noch verblüffender aber war die Tragweite dieses Gesprächs. Es war keine künstliche Intelligenz, die sich in den Servern von Neurolink entwickelt hatte und sich mit Josh unterhielt, sondern Josh, der mit einem Teil seines Bewusstseins kommunizierte.


Der Bildschirm wurde erneut schwarz.

»Beweis es!«, rief Josh.

Neurolink blieb einen Augenblick stumm, plötzlich ging der Bildschirm wieder an.

Das Vorderrad eines Fahrrads erschien, sein Reifen drehte
sich blitzschnell. Im Hintergrund war vor einem Garagentor ein Mann zu sehen, den Josh sofort erkannte. Das Fahrrad geriet in Schieflage und kippte um. Man sah den Mann herbeieilen, seine kräftige Hand eine kleine, zarte ergreifen. Sein Gesicht kam noch näher – ein Ausdruck reinen Entsetzens –, dann wurde das Bild rot und verschwand plötzlich.

»In jenem Sommer war ich fünf Jahre alt«, murmelte Josh. »Ich hatte diesen Sturz völlig vergessen, obwohl er ganz schön heftig war. Mein Vater hat mich aufgehoben, fassungslos mein Bein betrachtet, ich habe geblutet wie ein Schwein und das Bewusstsein verloren. Die Wunde wurde mit zehn Stichen genäht«, sagte er und zog das rechte Hosen­bein hoch.

Er fuhr mit dem Finger über die kaum mehr sichtbare alte Narbe, und Luke nahm Rührung in seinen Augen wahr.

»Ich glaube, das reicht für heute Abend«, sagte Josh und schaltete den Bildschirm aus.

»Du sprichst mit niemandem über das, was passiert ist, und wenn ich niemand sage, dann meine ich damit auch Hope. Hast du verstanden, Josh?«

»Klar und deutlich«, erwiderte er geistesabwesend.


Auf dem Heimweg waren Luke und Josh zunächst außerstande, auch nur ein Wort zu wechseln. Luke trat kräftig aufs Gaspedal, Josh sah die Vorstadtlandschaft durch das Seitenfenster so schnell an sich vorüberziehen, wie die Gedanken in seinem Kopf herumschwirrten.

»Ich hatte dieses Gesicht vergessen«, sagte er schließlich. »Ich erinnere mich nicht an ihn, als er noch jung war. Ich frage mich, ob diese Aufzeichnungen chronologisch erfolgen. Was Neurolink uns heute Abend gezeigt hat, ist eine meiner ersten Erinnerungen.«

»Was wir heute Abend gesehen haben, ist vor allem etwas Unglaubliches«, rief Luke, der so aufgeregt war, dass er mit der Faust aufs Lenkrad schlug.

Josh hingegen blieb erstaunlich ruhig. Er warf einen Blick auf die Nadel des Tachometers.

»Ich bin mir nicht sicher, ob dir klar ist, was wir gemacht haben, ich weiß nicht einmal, ob mir selbst die Tragweite bewusst ist. Wir sollten ein wenig darüber nachdenken, bevor wir weitermachen.«

»Soll das ein Scherz sein? Was wir zuwege gebracht haben, ist genial! Neurolink hat eine deiner Erinnerungen bildlich wiedergegeben, einen Teil deines Gedächtnisses, den du sonst vielleicht nicht mehr präsent gehabt hättest.«

»Und eben das deprimiert mich so. Ich empfinde es als äußerst verstörend.«

»Du hast deinen Vater gesehen, zu dem du keinen guten Draht mehr hast, um nicht zu sagen gar keinen. Ganz normal, dass dir das Angst einjagt.«

»Nimm den Fuß vom Gas, Luke, du fährst zu schnell. Als wir uns in dieses Projekt gestürzt haben, war unser Ziel, den Inhalt des Gedächtnisses eines Individuums auf eine digitale Matrix zu kopieren. Dabei haben wir aber keinen Gedanken daran verschwendet, was es bedeuten würde, mit den Abgründen seiner eigenen Erinnerung konfrontiert zu werden, und noch weniger, dass der Computer sich die Freiheit erlaubt, ungefragt dort einzudringen.«

»Dies, mein Lieber, ist der Abend der großen Premieren! Denn ich werde dir endlich beweisen, dass meine Intelligenz der deinen überlegen ist. Du selbst hast nämlich für das Wachrufen dieser Erinnerung gesorgt. Du hast Neurolink gebeten, dir etwas zu beweisen, und er hat deinen Befehl ausgeführt. Glaubtest du denn, als du von der Möglichkeit träumtest, eines Tages das Bewusstsein eines Menschen auf eine Maschine zu übertragen, dass das Unter­be­wusst­sein außen vor bliebe?«

»Verdammt, Luke, wenn Neurolink an meiner Stelle zu denken anfängt, ist das etwas ganz ande­res. Ist dir klar, was das bedeutet?«

»Immer schön langsam, mein Lieber. Ein Computer denkt nicht, er reflektiert. Das ist etwas ganz ande­res.«

»Ach, du bist also der Meinung, dass hinter der Art, wie er mit uns kommuniziert hat, kein Konzept steckt?«

Heftiger Gewitterregen prasselte gegen die Windschutzscheibe. Der Asphalt schimmerte im Licht der Schein­werfer. Der Camaro schlingerte leicht, und Luke musste das Lenkrad fest umklammern, um die Spur halten zu können.

»Das werden wir nur erfahren, wenn wir unsere Experimente fortsetzen«, sagte er.

»Nein, tut mir leid, Luke, nicht sofort, ich muss darüber nachdenken. Das geht alles viel zu schnell, wir spielen mit dem Feuer.«

»Du willst also aufhören – jetzt, da unser jahrelanger Traum zum Greifen nah ist? Weil es dich deprimiert hat, deinen Vater wiederzusehen? Findest du dieses Vorgehen wirklich wissenschaftlich? Welcher Forscher, der diesen Namen verdient, hat keine Ängste, wenn er sich seinem Ziel nähert? Haben die Gen-Medizin, das Klonen, die künstliche Intelligenz etwa keine Ängste ausgelöst?«

»Mag sein, aber ich wiederhole, was ich eben durchlebt habe, war äußerst verstörend. Ich war mit einer Maschine konfrontiert, die mit meinem Bewusstsein spielte, um mich zu instrumentalisieren.«

»Du bist derjenige, der zu schnell ist. Vorläufig haben wir nur eine Erinnerungssequenz gesehen, und es ist viel zu früh, um von irgendeiner Bewusstseinsform zu sprechen.«

»Nimm den Fuß vom Gas, verdammt, du bringst uns noch um.«

Luke wechselte auf die Ausfahrtspur. Wenige Minuten später hielt der Wagen vor dem Eingang zum Loft. Josh stieg aus und ging davon, ohne sich von seinem Freund zu verabschieden.

Nachdenklich beobachtete Luke, wie er das Gebäude betrat. Seine Reaktion erboste ihn, und er beschloss, noch einen Umweg zu machen, bevor er nach Hause fuhr.

Er stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz des Campus’ ab und rannte im Regen zum Gebäude der Lehrkräfte. Seit er Assistent war, verfügte er über einen Schlüssel.

Er lief über den Flur, betrat das Büro von Flinch und nahm auf dem Chefsessel Platz. Dann öffnete er eine der Schubladen, nahm ein Blatt Papier heraus, schrieb ein paar Zeilen und schob es in einen Umschlag, den er offen sichtbar auf dem Schreibtisch liegen ließ.


Eine Nacht und ein Tag an der Seite von Hope hatten ihm geholfen, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Am nächsten Abend machte sich Josh erneut auf den Weg zum Zentrum … und nahm seine Experimente wieder auf.

Er konnte Luke überreden, für eine gewisse Zeit nicht mit Neurolink zu kommunizieren. Nur widerwillig stimmte Luke zu und schaltete die Webcam ab.

Eines Abends, zu einer Zeit, als die ande­ren Forscher längst gegangen waren, tauchte Flinch plötzlich in ihrem Labor auf.

Josh blieb nicht die Zeit, seinen Helm abzunehmen, und Flinch betrachtete ihn stirnrunzelnd.

»So ausstaffiert sehen Sie fast aus wie ein Affe, mein Freund«, sagte er mit einem leicht spöttischen Lächeln auf den Lippen.

Josh löste den Riemen, und Luke stellte den Helm zurück auf seinen Ständer.

»Was haben Sie sich dabei gedacht?«, knurrte Flinch.

»Wir denken gar nichts, Sir«, erwiderte Josh leicht verwirrt.

»Genau das werfe ich Ihnen vor. Haben Sie eine Vorstellung von den Kosten all der Gerätschaften, die Ihnen zur Verfügung gestellt werden? – Allem Anschein nach nicht. Sie glauben wohl, das wären nur Spielsachen, die wohlwollende, aber verantwortungslose Leute noch verantwortungsloseren zur Verfügung stellen?«

»Nein, das kann man so nicht sagen«, murmelte Josh.

Luke räumte schweigend die Utensilien ein, als wollte er sich damit vor der Standpauke schützen, die ihnen gerade gehalten wurde.

»Ich hatte Ihnen doch ausdrücklich den Einsatz von Neurolink an Menschen untersagt, und so frage ich Sie jetzt, da Sie mir wieder normal aussehen: Sind Sie ein Affe? Schließen Sie das Labor ab und folgen Sie mir nach draußen«, befahl Flinch und verließ den Raum.

Ohne ein Wort eilten Luke und Josh hinaus zum Parkplatz, sahen sich vorsichtig um, bis ein mehrfaches Hupen sie aufhorchen ließ.

Flinch erwartete sie in seinem Wagen, einem Cadillac Sedan mit glänzenden Chromteilen und Ledersitzen. Sie sahen, wie er ihnen hinter der Windschutzscheibe ein Zeichen machte einzusteigen. Luke kletterte auf die Rückbank und überließ Josh den Beifahrersitz.

Der Professor fuhr los und hielt nach etwa zwei Kilometern am Seitenstreifen einer verlassenen Straße. Er beugte sich vor, um das Handschuhfach zu öffnen, und holte eine Zigarettenschachtel hervor.

»Steigen wir aus – ich sollte eigentlich nicht rauchen.«

Die Straße führte an einem Feld entlang, das sich kilometerweit erstreckte.

»Was tun wir hier?«, wagte Josh zu fragen.

»Sieht man das nicht? Wir schnappen frische Luft.«

Mit einem leichten Fußtritt gab Luke seinem Freund zu verstehen, besser den Mund zu halten. Flinch war mit seiner Moralpredigt noch nicht fertig, und wenn er sie außerhalb des Zentrums fortsetzen wollte, dann hatte er dafür sicher seine Gründe.

»Was Sie da vollbracht haben, ist bemerkenswert und erschreckend«, sagte er und stieß eine lange Rauchwolke aus. »Es versteht sich von selbst, dass niemand davon erfahren darf. Ich bitte Sie, alles Notwendige zu tun, um Ihre persönliche Datenbank besser zu schützen. Allerdings frage ich mich, ob das der richtige Name für den Klon Ihres Gehirns ist. Wie auch immer, gehen Sie so vor, dass niemand außer Ihnen und mir seine Existenz auch nur erahnen kann. Wenn ich Ihre Machenschaften auf unseren Servern entdecken konnte, so dürfte das ande­ren auch gelingen, was ich vermeiden möchte. Niemand kann sich heute die Reaktionen unseres Aufsichtsrats vorstellen. Ich selbst bin mir nicht einmal sicher, ob ich diesen unglaublichen wissenschaftlichen Durchbruch bewundere oder missbillige.«

»Was genau erwarten Sie von uns?«, fragte Luke.

»Da ich nichts Konkretes von Ihren Projekten weiß, sehe ich nicht, wie ich Ihre Frage beantworten könnte, die Sie mir übrigens gar nicht gestellt haben. Ich kann mir vorstellen, dass Sie verrückt genug sind, Ihre Experimente fortzuführen. Das Gegenteil würde mich auch sehr enttäuschen. Sie sind der Essenz des Lebens so nahe gekommen, dass es Ihnen vielleicht sogar gelungen ist, sie zu fassen, aber glauben Sie ja nicht, damit hätten Sie sie auch schon verstanden. Ein wildes Tier einzufangen ist eine Sache, vorherzusagen, wie es sich verhält, eine andere, und es zu zähmen eine dritte. Darf ich Sie an die Ängste erinnern, die die KI noch immer auslöst? Dann stellen Sie sich die ­Panik vor, wenn bekannt würde, dass zwei Zauberlehrlinge selbige mit einem menschlichen Bewusstsein ausgestattet ­haben. Seien Sie sehr vorsichtig, denn Sie haben nicht die geringste Ahnung, wie sie sich entwickeln wird.«

»Wie haben Sie unsere Partition auf dem Server gefunden?«, wollte Josh wissen.

»Fragen Sie sich lieber, wie Sie sie vor den Augen der ande­ren verbergen können.«

Flinch bot ihnen eine eigene Speichereinheit an, die den nicht abgeschlossenen Projekten vorbehalten war. Eine Art Archiv, das inzwischen so alt und verstaubt war, dass dort niemand mehr irgendetwas suchen würde. Sie sollten den Datentransfer zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Uhr programmieren, den Zeitraum also, in dem das Computernetz am meisten genutzt wurde. Hieß es nicht immer, die beste Möglichkeit, inkognito zu bleiben, sei es, in der Menge unterzutauchen?

Nachdem er seine Zigarette ausgedrückt hatte, holte er ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel hervor, rieb sich damit die Hände ein und kehrte zu seinem Wagen zurück.

»Soll ich Sie wieder absetzen, oder laufen Sie lieber zu Fuß querfeldein?«


Zwei Wochen später waren alle Daten auf einen Server übertragen worden, auf dem niemand sie finden würde – bis auf diejenigen, die davon wussten. Josh und Luke nahmen ihre Experimente wieder auf. Einen Abend in der Woche hielten sie eine Sitzung ab, bei der Josh und Neurolink miteinander kommunizierten. Hinterher war Josh jedes Mal total erschöpft und brauchte mehrere Tage, um sich davon zu erholen.