E s war ein beeindruckender Bogen und eine einfache Wahrheit, die ihm große Zufriedenheit gab.
Skharr untersuchte die Waffe in seinen Händen. Ihr Gewicht war interessant. Es erinnerte ihn an das Gefühl einer besonders dicken Goldmünze in seiner Hand und es war durchaus angenehm. Das Holz wurde noch als wachsender Baum gespannt und war mit den Hörnern sowie Sehnen eines Stiers verstärkt worden. Die Schnur bestand aus Pferdehaar.
Dies war ein traditioneller Bogen, wie ihn nur wenige Clans im Westen herstellen konnten. Die Barrakhanköpfe waren berühmt für ihr Können mit dem Bogen sowie im Herstellen von Waffen, da sie einer der wenigen Clans, die in einem bewaldeten Gebiet lebten, waren. Früher hatte er an ihren Fähigkeiten gezweifelt, doch nachdem Throk Ambossschmied ihm die Waffe als Geschenk überreicht hatte, wusste er sie zu schätzen.
Natürlich hatte er dem Zwerg mehr als genug Geld eingebracht und schuldete ihm noch weiteres Gold, während sie an seiner bestellten Axt arbeiteten. In der Zwischenzeit lernte er jedoch, das Schwert, das sie ihm als Ersatz für das andere verkauft hatten, zu benutzen.
Aber der Bogen blieb seine Leidenschaft und Throk bestand darauf, dass er keinen Anteil an der Herstellung des Bogens selbst hatte, sondern nur an den Pfeilspitzen.
Der Bogen reichte ihm fast bis zur Brust und war größer als manche Männer. Er ließ sich schwieriger als die Waffen, die er zuvor besaß, spannen. Dies erforderte eine kleine Anpassung seinerseits, aber als er den Stil und die Handwerkskunst studierte, wusste er, dass er sich bereits in ihn verliebt hatte.
»Hast du in der Vergangenheit Soldaten angeführt?«
Der Barbar blickte von der Waffe zu den Männern und Frauen, von denen Sera erwartete, dass er sie in die Schlacht führen würde, auf. Die zusammengewürfelte Gruppe von Theros-Söldnern hatte schon einmal gekämpft, aber er bezweifelte, dass sie es jemals mit Leuten wie den Clanleuten zu tun gehabt hatten.
Sonst wären sie viel nervöser gewesen. Die Staubwolke näherte sich schnell.
»Ja«, antwortete er schließlich. »In einem anderen Leben. Einem Leben, von dem ich dachte, ich hätte es hinter mir gelassen.«
»Macht es dir keinen Spaß?«
»Es bedeutet, Leute verlassen sich darauf, dass ich keine dummen Entscheidungen treffe und sie in den Tod führe. Ich mag diesen Druck nicht. Ich bin fortgegangen und habe einen Bauernhof aufgebaut, um genau dem zu entgehen. Jedoch scheint es, dass andere ihr Leben trotzdem in meine Hände legen wollen, also muss ich wohl noch einmal die Position eines Anführers annehmen.«
Die anderen Söldner lachten, als ob sie dachten, er mache Witze.
Und das war auch gut so , entschied er. Er hatte nicht beabsichtigt, diese Worte laut zu sagen.
»Was habt Ihr vor, wenn sie in unsere Reichweite kommen?«, fragte ein anderer.
»Ihr seid alle Bogenschützen. Wir werden so viele Leute wie möglich verwunden, bevor sie angreifen. Mit etwas Glück vertreiben wir sie dadurch und sie suchen sich leichtere Beute.«
»Wie wahrscheinlich ist das?«
Skharr blickte finster drein und wies sie an, zwischen den Felsen, die sie als Deckung nutzen, hocken zu bleiben. »Es wird davon abhängen, wie verzweifelt sie sind. Wenn sie am Hungern sind und seit einigen Monaten kein Opfer mehr gefunden haben, das sie angreifen können, wird es ihnen nichts ausmachen, ein paar ihrer Leute zu verlieren.«
»Wie viele sind es?«
Er hob eine Augenbraue zu der Frau, die ihn gefragt hatte. »Sehe ich wie Gerova aus? Fliege ich am Himmel, ziehe die Sonne mit meinen Flügeln hinter mir her und wache über die ganze Welt? Wie in allen stinkenden Höllen sollte ich das wissen?«
»Ihr solltet eigentlich alles über das Vorgehen dieser Clans wissen. Hat Sera uns nicht deshalb gesagt, wir sollen Euren Anweisungen folgen?«
Der Barbar versuchte, nicht mit den Augen zu rollen. Die Söldner fingen an, ihm auf die Nerven zu gehen. Er hatte gehofft, allein losziehen zu können, aber die Gildenanführerin hatte darauf bestanden, dass er ein paar Kämpfer mitnahm, da sie zweifellos verhindern wollte, dass es so endete wie beim letzten Mal. Es schien auch eine gute Idee zu sein, aber es war schwierig, sich auf seine Gefühle zu konzentrieren, wenn ihr unaufhörliches Gerede ihn ständig ablenkte.
Das Galoppieren von Pferden über den harten Boden erzeugte Schwingungen und da er sie nicht sehen konnte, konnte er die Schwingungen nutzen, um die ungefähre Zahl ihrer feindlichen Verfolger zu ermitteln.
Er schloss die Augen und strich mit seinen Fingern über die Bogensehne, während er sich an die alten Worte eines alten Lehrers erinnerte.
Die Waffe wurde gegen einen der Felsen gepresst, der durch das Auftreten von mindestens drei Dutzend Pferden leicht vibrierte. Dies übertrug sich auf die Bogensehne und konnte dadurch gespürt werden.
»Es sind über dreißig«, sagte Skharr, nachdem die Gruppe einige Augenblicke geschwiegen hatte. »Weniger als vierzig.«
»Wie sollen wir gegen so viele ankommen? Wir sind nur zwanzig und sie besitzen noch Pferde.«
Das war eine gute Frage. Der Barbar trat näher an die Felsen heran, da er nicht gesehen werden wollte. Glücklicherweise hatten die Verfolger ihren Kurs nicht geändert, um die Gruppe von Kriegern, die sich von der Gruppe gelöst hatte, zu verfolgen. Sie setzten ihren Kurs in Richtung Citar fort, obwohl er davon ausging, dass die Plünderer die Karawane abfangen wollten, bevor sie in den Schatten dieser Mauern verschwand.
»Sie werden an uns vorbeireiten«, informierte er seine Gruppe. »Wenn sie in Reichweite sind, lasst ihr Pfeile auf sie niederregnen und zwingt sie, entweder ihre Verfolgung abzubrechen, um sich mit uns zu befassen oder sich aufzuteilen.«
Sera wäre in der Lage, mit einem Teil der Verfolger umzugehen, wenn diese sich aus Angst vor einem Hinterhalt aufspalten würden. Er hoffte wirklich, dass die Angreifer einfach den Schwanz einziehen und abhauen würden.
Jedoch bezweifelte er dies, da sie schon seit Tagen auf der Verfolgung waren. Als sie in Sichtweite kamen, sah man ihren Pferden an, dass sie sich mehr angestrengt hatten als nötig. Es gab gewisse Anzeichen für ihre große Verzweiflung und dies bedeutete, dass es ein harter Kampf werden würde. Selbst die weniger bekannten Clans wussten, wie man in einer schwierigen Situation kämpfte.
Die Feinde ritten entschlossen auf ihre Beute zu und wollten sie erreichen, bevor sie die Schlucht durchschritten hatten. Wenn sie der Falle entkamen, wäre der Kampf vorbei. Selbst mit nur zwanzig Kämpfern in Seras Gruppe, würden die anderen immer noch genug Widerstand leisten können. Deshalb würden die Überlebenden keine ihrer Besitztümer stehlen können.
Clans, die ihre Nahrung nicht selbst anbauen konnten, waren auf ihre Pferde und ihre Kämpfer angewiesen. Wenn sie zu viele von beidem verloren, würde der Clan verhungern. Die andere Möglichkeit wäre, dass der Clan einfach aufhört zu existieren, wenn er sich in einen anderen Clan eingliederte. Manchmal passierte dies auf freien Stücken, aber oft wurden sie dazu gezwungen.
Er hob seinen Bogen hoch und spannte einen der Pfeile ein. Die Geschosse waren etwas länger als sein Arm und die Zwerge hatten die Pfeilspitzen geschmiedet. Die Spitzen würden genauso leicht austreten, wie sie eindrangen. Skharr jagte mit seinem Bogen genauso viel wie er ihn im Kampf einsetzte und die kleineren, schmaleren Pfeilspitzen würden die leichte Rüstung der Räuber am besten durchschlagen.
Die Gruppe ritt immer noch an ihnen vorbei und näherten sich immer mehr der Karawane. Er konnte sehen, wie Sera die Söldner aus ihrer Gruppe dazu brachte, sich nach hinten umzudrehen. Alle saßen auf ihren Pferden und waren bereit, die Gruppe hinter ihnen anzugreifen. Sie waren zwar hoffnungslos unterlegen, aber sie hielten dennoch stand, als sie ihre Waffen zogen.
»Schießt mit mir«, befahl der Barbar und seine Männer zogen Pfeile aus ihren Köchern und spannten sie in ihre Bögen ein. Er hatte diese Männer zwar noch nie in Aktion gesehen, aber darum ging es auch nicht. Sie mussten die Angreifer ablenken.
Einige der Räuber hörten seine Worte und erkannten, dass sie in Reichweite einer Falle ritten. Sie versuchten, die Aufmerksamkeit ihrer Gruppe auf sich zu ziehen und sie vor dem bevorstehenden Angriff zu warnen.
Skharr zog seinen Bogen zurück und die Muskeln in seinem Rücken strengten sich gegen den starken Widerstand an. Ein befriedigendes Gefühl machte sich breit, als er den Widerstand überwand und den Pfeil zurückzog, ohne dass seine Arme zitterten. Er sah nach unten und beobachtete, wie ein paar Pferde auf sie zustürmten.
Der Pfeil flog los, bevor er ausatmen konnte. Es war ein vertrauter Anblick, den er bei jedem Schuss mit der neuen Waffe genoss.
Der erste Mann, der sie gesehen hatte, wurde aus dem Sattel geworfen, als der Pfeil in seine Brust einschlug. Das Pferd geriet in Panik, buckelte, schlug aus und rannte davon, wobei es den Reiter mit sich zog, da seine Füße noch in den Steigbügeln hingen.
Zwei weitere Reiter wurden von den nächsten Pfeilen getroffen und das Pferd eines dritten wurde in der Flanke getroffen. Der Pfeil tötete das Pferd zwar nicht, versetzte es aber in Panik und es rannte ebenfalls von der Gruppe weg. Verdammt schnell konnte sein Reiter es wieder unter Kontrolle bringen und kam wieder zurückgeritten.
»Gebt den gottverdammten Scheißkerlen noch eine Kostprobe eurer kleinen Stecher!«, brüllte Skharr.
»Sie mögen klein sein«, witzelte einer der Männer, »aber sie stechen wie ein Kobold in einem gut geschmierten Arsch zu. Tödlich.«
»Und woher wisst ihr das?«, fragte ein anderer mit Gelächter.
Skharr zog einen weiteren Pfeil, während die Räuber unten aufgebracht überlegten, was sie tun sollten. Als sie merkten, dass die Bogenschützen sich auf einen weiteren Pfeilregen vorbereiteten, war die Entscheidung im Nu gefallen und die gesamte Gruppe bereitete sich zum Angriff auf sie vor.
Ihr Gegenangriff war stets eine Möglichkeit gewesen, jedoch hatte er dieses Ergebnis am meisten gefürchtet. Dies würde am ehesten zu Verlusten auf ihrer Seite führen.
»Wir müssen woanders hin!«, rief einer der Söldner.
»Bleibt verdammt noch mal hier oder ich schieße euch allen euren hässlichen Hühnerarsch persönlich weg.« Der Barbar knurrte und spannte seinen Pfeil ein. Bei seinen sechs Leuten machte sich ein Gefühl der Panik breit, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie ihn mehr als eine unbekannte Gruppe von Plünderern fürchteten. Das bedeutete hoffentlich, dass sie in seiner Nähe blieben, da sie sonst Angst hatten, das Ziel seiner Pfeile zu werden.
Ein Räuber stürzte von seinem Pferd, als er sich mit seinen Gefährten weiter näherte und die Verteidiger konzentrierten sich auf ihre ausgewählten Ziele. Skharr zog bereits einen Pfeil aus seinem Köcher, als er die anderen Pfeile zischen hörte. Er hörte alle sechs, also hatte sich noch niemand entschieden zu fliehen.
Ein weiterer war gefallen, als er seinen Blick auf die Männer richtete. Sie hatten bereits den Steinvorsprung, auf dem sie saßen, erreicht. Der Rest hatten die Schilde, die sie an ihre Sättel gehängt hatten, erhoben.
Der Entschluss, von ihren Pferden zu steigen, war ebenso schnell gefasst worden und sie kauerten unter ihren Rundschilden in Erwartung weiterer Pfeile. Skharr feuerte seinen ab, aber er prallte lediglich an der massiven hölzernen Verteidigung ab. Sie waren zu schnell herangekommen und rechneten bereits mit den Geschossen.
»Sucht euch eure Ziele aus«, schnauzte er, während er langsam seinen Bogen senkte. »Wählt sie sorgfältig aus. Wenn einer von euch auf mich schießt, werde ich verdammt sauer sein.«
»Was werdet Ihr tun?«
»Ich gebe euch die Ziele.«
Der Barbar ließ seinen Bogen und Köcher fallen, während er sein Schwert aus der Scheide zog. Er konnte hören, wie sich weitere Pferde näherten, die schwerer als die Ponys, auf denen die Räuber ritten, auftraten. Sera tat also, was sie ihm versprochen hatte. Wahrscheinlich hatte sie ein paar der Männer bei der Karawane zurückgelassen und brachte nun den Rest mit, um ihm zu helfen.
Die Räuber würden ihre Schilde benutzen, um die Angriffe von oben abzuwehren. Er musste sich nicht mehr darum sorgen, dass sie von ihren Pferden aus auf ihn schossen, aber er musste sich um die Männer, die am Hinaufklettern waren, kümmern.
Seine Söldner schossen weiter, während er hinuntersprang und vorsichtig das Gleichgewicht auf den Felsen hielt. Es erinnerte ihn an ein Spiel, das er als Kind gespielt und immer gewonnen hatte. Das Klettern auf Felsen hatte ihm immer Spaß gemacht.
Er sprang hinunter, direkt vor einem der Angreifer, der sofort stoppte und die Größe des Mannes vor ihm misstrauisch musterte.
»Komm’, kleine Staubratte.« Skharr knurrte herausfordernd und griff nach dem vertrauten Griff seines neuen Schwertes. »Komm’ und stirb!«
Der Angreifer hielt einen Säbel und einen Schild, aber seine Rüstung war leicht und für jemanden gedacht, der auf einem Pferd kämpfte. Seinen Bogen sowie die Speere hatte er wahrscheinlich zurückgelassen, denn es war ziemlich mühsam, mit ihnen in der Hand zu klettern.
Als sein Gegner mit dem Säbel auf seine Schulter zielte, wich der Krieger zur Seite aus. Er schwang sein Schwert gegen den Körper unterhalb des Schildes und grinste, als die scharfe Schneide die Kleidung und die leichte Rüstung seines Gegners aufschlitzte und ihm eine Wunde am Bein zufügte. Anstatt ihn zu töten, trat er näher zu ihm und versetzte ihm einen Tritt, der ihn von den Felsen in seine Kameraden schleuderte.
Pfeile pfiffen um ihn herum und es schien, als hätten die Männer seine Warnung anscheinend so verstanden, dass Skharr sich aussuchen wollte, mit welchen Angreifern er allein kämpfte. Nach dem Kampf würde er sich einen Moment Zeit nehmen müssen, um mit ihnen darüber zu sprechen. Jedoch machte es ihn vorerst nichts aus, sich mit den kletternden Räubern zu befassen, ohne auf Unterstützung zu warten.
Ein anderer versuchte, dorthin zu klettern, wo Skharr stand. Zwar wurde er schnell hinuntergestoßen, aber zwei andere erreichten die Spitze fast so schnell, wie er fiel. Auch sie hielten Säbel in ihren Händen und waren bereit für einen Kampf.
Der Krieger sprang zurück, als beide ihre Waffen nach ihm schlugen und versuchten, seinen Kopf und seine Brust zu verwunden. Als er mit einem Fuß aufkam, stieß er sich sofort nach vorn. Seine Klinge wurde in einer sauberen Bewegung geschwungen und der Kopf eines Angreifers rollte. Blut floss aus dem Hals des kopflosen Körpers.
Vielleicht hatte Sera recht gehabt. Für diesen Angriff war nicht viel Kraft nötig gewesen.
Der andere Mann blieb stehen und umklammerte seinen Schild etwas fester, als Pfeile über ihre Köpfe schossen. Skharr grinste, da der Mann zögerte und schüttelte das Blut von seinem Schwert. Eines seiner anderen Schwerter schien sich fast von selbst zu reinigen, aber Sera hatte ihm beigebracht, wie er sein Handgelenk drehen musste, um jede Klinge so weit von Blut zu befreien, dass er sie weiter benutzen konnte.
Die Pferde von Sera waren fast da. Sie würden bald Verstärkung bekommen, aber nicht mehr rechtzeitig. Er musste die Räuber von seinen Männern oben fernhalten, damit diese ungehindert schießen konnten. Das war seine Aufgabe.
»Kommt zu mir, meine Kinder«, flüsterte er. Der Räuber grinste und stürmte nach vorn.
* * *
»Mein Lord?«
Er drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Die Bewegung war abrupt genug gewesen, um die Aufmerksamkeit seines Pferdes, das nervös auf der Stelle trabte und sich nach einem Anzeichen von Gefahr umsah, zu erregen.
Kriegspferde wurden gezüchtet und so trainiert, dass sie ihren Reitern gegenüber so aufmerksam wie möglich waren, jederzeit auf jegliche Kommandos hörten und immer zum Handeln bereit waren. Ihre stetige Bereitschaft hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Allerdings musste er dafür auch auf sein Verhalten gegenüber dem Pferd achten.
Da er kurz abgelenkt war, hatte er sein Reittier auf diese Weise im Stich gelassen. Er klopfte dem Pferd sanft auf den Hals und beruhigte es leise.
»Sollen wir weiterziehen, Lord Tryam?«
Er blickte auf, während er sein Pferd sanft weiter streichelte.
Die Wüste war noch nie sein bevorzugter Aufenthaltsort gewesen, obwohl er bezweifelte, dass sie für viele angenehm war. Die Sonne schien zu aggressiv und der Sand machte sie nur noch ungemütlicher. Er liebte seine Heimat, welche das Flussland war, über alles. Dort hatte er neben dem Fluss ein kleines Dickicht gehabt. Er spielte oft in diesem Dickicht und tötete dort imaginäre Monster und rettete imaginäre Jungfrauen, die sich verzweifelt in ihn verliebten.
Seine Mutter hatte so ein Schicksal nie für ihn gewollt, aber es gab gewisse Erwartungen an den Sohn des Kaisers. Selbst an die Bastarde.
Diese Erwartungen hatten ihn in diese Wüste gebracht, wo der Staub, den jeder Windstoß aufwirbelte, ihn zum Blinzeln brachte. Er starrte in die Sonne.
Es war eine sinnlose Geste und würde letztlich keinen Zweck erfüllen, aber er fühlte sich trotzdem besser.
»Erwarten sie uns schon?«, fragte Tryam, während er die Mauern der Stadt musterte.
Im Sonnenlicht schienen sie golden zu sein, weshalb man nur schwierig ihre Größe aus der Ferne beurteilen konnte. Aus der Nähe waren sie jedoch recht beeindruckend. Da die Stadt um eine berühmte Oase inmitten dieser Wüste herumgebaut war, war sie als Ziel umso begehrenswerter.
Wasser war in dieser Gegend wertvoller als Gold.
»Die Stadtwachen sind informiert«, bestätigte sein Begleiter und schirmte seine Augen gegen das grelle Sonnenlicht ab. »Und die Königin von Citar wurde angewiesen, Eure Ankunft zu erwarten, aber sonst wurde niemand unterrichtet. Wie Ihr angewiesen habt, werden keine Paraden Euch auf dem Stygischen Pfad aufhalten.«
Er nickte und tätschelte seinem Pferd ein paar Mal den Hals, bevor er es mit seinem Stiefel anstieß, um es in Richtung des Tores zu treiben.
Ein Dutzend mit dem kaiserlichen Siegel bewaffnete und gepanzerte Männer würden die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen und der Mann, der nicht so wie die anderen bewaffnet war, würde noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Aber solange niemand seine Identität kannte, würde er sicher sein.
»Haben wir eine Unterkunft in der Stadt?«
»Ja, mein Lord. Die Königin selbst hat uns eine Unterkunft angeboten, aber wenn Ihr lieber woanders unterkommen wollt, kann ich Wachen schicken, um ein Gasthaus für Eure Ankunft zu räumen.«
»Das ist nicht nötig.« Tryam schüttelte den Kopf, als sie in den gesegneten Schatten der Tore traten. Er bemerkte, dass mehr und mehr Menschen seine Gruppe beobachteten. »Ich bin mir sicher, dass die Königin uns mehr als willkommen heißen wird.«
»Natürlich, mein Lord.«
Als die Straßen um sie herum enger wurden, trieb er sein Pferd an die Spitze der Gruppe. Die meisten Adligen zogen es vor, von ihren Wachen umgeben zu sein. Tryam hasste es, dass sie überhaupt bereitgestellt worden waren. Es gab den Anschein, als sollten sie seine Reise erleichtern.
Die Mitte der Straßen schien immer für Pferde frei zu sein und wer gegen die unausgesprochene Regel verstieß, sprang schnell aus dem Weg, sobald er das Aufkommen der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster hörte. Jedoch wurden den Neuankömmlingen zahlreiche böse Blicke zugeworfen.
Das Volk kannte ihn nicht. Er trug kein Haussymbol und es gab kein Zeichen seines Adels. Tryam zürnte es, dass Leute dachten, sie würden ihn gut kennen, nur weil sie seinen Vater kannten. Er selbst hatte den Kaiser erst vor zwei Wochen zum ersten Mal bei der Zeremonie getroffen.
Obwohl getroffen nicht ganz das passende Wort war, welches er suchte, da keine Worte zwischen den beiden gewechselt worden waren.
Als sie tiefer in die Stadt und zu der Oase vordrangen, um die der Königspalast gebaut war, wurde die Menschenmenge dichter und dies verlangsamte sein Tempo zu einem Schlendern. Man sagte, die Oase sei ein wunderschöner Ort und dass man es selbst sehen müsse, um es zu glauben.
»Almosen, werter Herr?«, quietschte eine Stimme zu seiner Linken. »Almosen für die Waisenkinder?«
Er drehte um und erblickte eine kleine Person, die entweder ein Mädchen oder ein Junge sein konnte. Sein oder ihr dunkles, lockiges Haar war kurz geschnitten, um wahrscheinlich Läuse zu vermeiden und die Kleidung war sehr zerlumpt.
Ohne zu zögern, griff er in seinen Geldbeutel, beugte sich etwas aus seinen Sattel und schüttete drei Silbermünzen in die kleine Hand.
»Danke, mein Herr«, flüsterte das Kind und seine Augen wurden groß, als es das kleine Vermögen in seiner Hand erkannte. »Vielen Dank, der Herr!«
Tryam vermied es, den Blick des Waisenkindes zu erwidern. Die Dankbarkeit war ihm unangenehm. Er drängte seinen stahlgrauen Hengst vorwärts in die Stadt, bevor er ihm noch mehr Dankbarkeit gezeigt wurde.
Das Einzige, was ihn davor bewahrt hatte, eines der Waisenkinder auf den Straßen von Citar zu sein, war die Vorliebe eines Mannes für schlanke, junge Frauen mit lockigem, schwarzen Haar. Er mochte es nicht, daran erinnert zu werden.