Kapitel 8

D ie Sonne war verschwunden.

Er war sich nicht sicher, wie es möglich war, aber der Himmel war dunkel gefärbt und es fühlte sich an, als wäre er schon immer dunkel gewesen. Selbst die Vorstellung von einer Sonne am Himmel war bloß eine vergangene Erinnerung, die schnell verflog. Mit Panik gefüllt dachte er, dass er bereits vergessen hatte, wie die Sonne aussah, wenn sie am Himmel über ihnen hing.

Aber es existierte noch eine andere Lichtquelle. Obwohl diese schwach war, konnten sie wenigstens die Geschehnisse um sie herum sehen. Überall brannten Feuer. Eine Schlacht tobte und der Gestank von Blut und toten Menschen erfüllte die Luft. Dieser elende Geruch legte sich sogar über den Rauch, der seine Sicht verdeckte.

Er erkannte, dass der Rauch die Sonne verdeckte. Ihm fiel keine andere logische Schlussfolgerung ein.

Das Schwert lag schwer in seiner Hand, als hätte er den ganzen Tag das Schwert und andere Waffen geschwungen. Seine Augen brannten von dem beißenden Rauch und jeder Teil seines Körpers sehnte sich nach einer Erholung.

Die Stahlklinge war durch Blut schwarz gefärbt. Er sah sich um und versuchte, die Bedrohung, die sein Herz schmerzhaft in seiner Brust pochen ließ, auszumachen.

Ein Mann stand neben ihm, ein riesiger Mensch, der bis auf den letzten Fleck mit frischem sowie getrockneten Blut bedeckt war. Er trug keine Rüstung, sondern nur einen Ledergürtel um die Hüfte und seine Hände umklammerten eine Streitaxt. Trotz seiner Größe und seines einschüchternden Aussehens war er nicht die unmittelbare Bedrohung.

»Habt Ihr vor, einfach nur wie ein gottverdammter Pisser herumzustehen?«, fragte Skharr, wirbelte seine Axt herum und richtete seine Aufmerksamkeit auf etwas, das sich ihnen aus einem der brennenden Gebäude näherte.

Tryam starrte das Schwert in seiner Hand, aber seine Arme fühlten sich schwer und träge an, sodass es schwierig war, sie überhaupt zu bewegen.

»Bleibt also hier stehen«, knurrte der Riese und hob seine Waffe, um auf das Monster loszugehen.

Die Kreatur bewegte sich schnell. Ihre Haut war mit Schuppen bedeckt und sie war sogar größer als Skharr. Lange Krallen befanden sich an ihren Fingerspitzen und ein langer Schwanz schwang herum, um den Kopf des Barbaren abzutrennen.

Sie griff ihn an, sprang aber zurück, um der Axt auszuweichen. Die scharfen Krallen schlitzen brutal die Brust des Riesen auf. Er ließ einen schmerzerfüllten Schrei los, setzte aber seinen Angriff fort. Allerdings wich das Wesen bei jedem Axthieb zurück. Nach einigen unterschiedlichen Herangehensweisen beugte es seine kräftigen Beine und sprang auf ihn, um ihm Reißzähne in den Hals zu rammen.

Es folgte ein grässliches Knacksen und sein Kopf gab nach, während Blut aus der frischen Wunde rann. Skharr ließ seine Axt los und fiel auf die Knie. Sein Kopf war zwar noch an seinem Körper befestigt, aber nur knapp und hing nun etwas gesenkt.

»Oh … verdammt.« Tryam keuchte und versuchte, seine Waffe zu heben, als die Kreatur mit Schlitzaugen ihn anstarrte.

Der Arm, mit dem er das Schwert hielt, bewegte sich, aber war nicht schnell genug. Das Monster stürzte sich mit ausgefahrenen Krallen und gefletschten Reißzähnen auf ihn.

Die Dunkelheit überkam ihn. Die messerähnlichen Zähne bohrten sich in seinen Hals und genauso scharfe Krallen durchbohrten seine Brust.

Ein Licht erschien. Es schien ihn zu rufen und ihn anzuziehen.

Plötzlich konnte er wieder atmen. Er tastete blind nach dem Monster, das an seinem Hals genagt hatte, aber es war nicht mehr da. Das Licht umgab ihn jetzt vollkommen und spendete ihm Wärme. Es war ein wenig zu viel Wärme für seinen Geschmack, aber es war nicht heiß genug, um das Feuer der brennenden Gebäude zu sein.

Er öffnete die Augen und ergriff etwas, das sich wie ein Laken anfühlte, während er sich vorsichtig umsah.

Mit einer Spur von Verwunderung stellte er fest, dass es Seidenlaken waren. Tryam schüttelte seinen Kopf, um wacher zu werden und musterte seine Umgebung. Die Wände und der Boden bestanden aus Marmor mit Silber- sowie Goldadern und hohe Säulen stützten die Decke. Lange, rote Vorhänge verdeckten die Fenster und verhinderten das Hereinscheinen der Sonne nach Sonnenaufgang.

Er stand von der Stelle, an der er lag, nachdem er aus dem Bett gefallen war, auf und versuchte, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen.

Nichts schien fehl am Platz zu sein. Seine Waffen waren ordentlich an der Bettseite angelehnt und besaßen keine Anzeichen, dass sie in einem Kampf benutzt oder gar gezogen worden waren. Der makellose Raum gab auch keine Hinweise auf ein Feuer, Rauch oder echsenartigem Wesen.

Mit einem tiefen Seufzer setzte er sich auf das Bett und tastete vorsichtig seinen Hals ab. Er erinnerte sich daran, wie die Reißzähne das Fleisch zerfetzt hatten, sodass von ihm kaum mehr als Hackfleisch übrig war.

Obwohl die Erfahrung nicht real war, war sie schmerzhaft gewesen. Selbst die Erinnerung daran jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Sogar im wachen Zustand fiel es ihm schwer, die Erinnerung daran zu verdrängen.

»Gottverdammte, lebensaussaugende Albträume«, flüsterte er, holte tief Luft und blickte auf, als jemand an der Tür klopfte.

Tryam stand wieder auf und riss die Tür auf. Es ärgerte ihn, dass der Mann, der die Tür geradezu füllte, ihm immer noch die Sprache verschlug.

»Geht es Euch gut?«, fragte Skharr und schaute sich im Zimmer um.

»Warum … warum sollte es mir nicht gut gehen?«

»Weil Ihr noch müder als vor dem Schlafengehen ausseht. Und Ihr schwitzt genug, um einen Fluss zu füllen.«

Der Kandidat betrachtete seine nackte Brust und stellte fest, dass er recht hatte. »Die Hitze geht hier unter die Haut.«

»Leider muss ich Euch mitteilen, das dies nicht das Einzige ist, was unter die Haut geht. Die Magie durchdringt hier jeden Raum und ruft wilde Träume hervor.«

Er schüttelte den Kopf und versuchte, die Vorstellung der zusammengekniffenen Bestienaugen, die auf ihn gefallen waren, nachdem die Bestie den Riesen getötet hatte, zu verdrängen.

Dieser beunruhigende Gedanke ließ ihn fast erschaudern, aber er konnte es noch rechtzeitig unterdrücken.

»Seid Ihr bereit zu gehen?«, fragte er, als er bemerkte, dass Skharr bereits in Gambeson und Hose und somit zur Hälfte gekleidet war. Allerdings schien der Riese sich noch vorzubereiten.

»Mehr bereit als Ihr«, sagte sein neuer Leibwächter, während er seinen Gürtel festzog. »Bald kommt unsere morgendliche Mahlzeit, aber wenn Ihr lieber noch ein paar Stunden schlafen wollt, würde ich Euch das nicht übel nehmen.«

Tryam schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, die Träume würden mich nur weiterhin verfolgen. Es ist am besten, wenn wir mit dem Tag beginnen.«

Der Krieger nickte, trat zur Seite und deutete auf die Tür. Zwei Diener hatten im Vorzimmer für sie einen Tisch gedeckt, an dem sie speisen konnten. Die morgendliche Hitze war trotz des Zaubers, den die Königin erwähnt hatte, spürbar. Der Prinz bevorzugte die Kühle der Nacht, aber er würde sich mit der gemäßigten Temperatur im Inneren des Palastes abfinden müssen.

Steif ließ er sich auf einem der gepolsterten Stühle nieder und begutachtete das kleine Festmahl, das für sie gebracht worden war, sowie eine Auswahl an Getränken und Aufgüssen.

Die Frauen gossen etwas des Gebräus in winzige Keramikkrüge, die so dünn waren, dass sie fast durchsichtig waren und auf denen kleine blaue Blumen abgebildet waren.

»Ein Kräuteraufguss, um die Energie für den Tag zu spenden«, erklärte eine der Frauen und reichte beiden eine Tasse.

Skharrs Ausdruck war neugierig und misstrauisch zugleich, nahm aber einen Schluck, nachdem Tryam einen genommen hatte. Der Aufguss war angenehm, süß und erfrischend dank des Geschmacks der Minze, obwohl er warm serviert wurde.

Tatsächlich fühlte er sich schon nach einem einzigen Schluck etwas lebendiger.

»Guten Appetit, meine Herren.« Die Dienerin verbeugte sich und forderte die anderen Dienerinnen auf, ihr zu folgen.

»Halt«, knurrte der Barbar und beugte sich über einen der Teller, die man ihm hingestellt hatte. »Ich glaube, dieser Fisch muss weggebracht werden. Er ist schlecht geworden.«

»Nein, ist er nicht«, antwortete Tryam, nahm einen der Streifen und stopfte ihn sich in den Mund. Er lächelte, als der Geschmack seine Sinne erfüllte. »Dieses Fischgericht wird Fasa genannt. Es ist ein traditionell eingelegter und fermentierter Fisch. Zwar ist es etwas gewöhnungsbedürftig, aber sehr schmackhaft. Man muss sich daran gewöhnen, so wie man sich an Blauschimmelkäse gewöhnen muss. Das Rezept stammt ursprünglich von Händlern, die eine Möglichkeit benötigten, den Fisch während der langen Reise nach Citar zu konservieren.«

»Warum sollten Adlige konservierte Lebensmittel essen?«, fragte Skharr und setzte sich so weit wie möglich von der Schale entfernt. »Ich dachte, das sei normalerweise den unteren Schicht vorbehalten.«

»Ich vermute, dass mit der Zeit immer mehr Menschen auf den Geschmack gekommen sind und es nun unabhängig von ihrem Stand essen. Auch meine Mutter hat es für mich zubereitet. Als Kind habe ich es gehasst, aber mit der Zeit habe ich es lieben gelernt.«

»Eure Mutter war Citari?«

Der junge Prinz nickte, als er sich selbst eine großzügige Portion nahm und Skharr tat dies ebenfalls. »Sie wuchs hier auf und kehrte nie zurück, nachdem sie zu meinem Vater gebracht worden war.«

»Euer Vater, der Kaiser.«

Die Antwort war ein weiteres Nicken, während er sich eine Olive in den Mund steckte und sie nachdenklich kaute. »Ich wollte nicht lügen, aber … dies ist nicht die Stadt, in der man so etwas erzählen sollte.«

»Wahrscheinlich.«

»Es spielt keine Rolle. Der Kaiser hat bestimmte Vorlieben, wenn es um Frauen geht und nur wenige von ihnen bleiben länger als eine Woche im Palast. Ich nehme an, die Kaiserin verlangt dies von ihm. Wie auch immer, die Frauen, die nach der Zeit mit ihm ein Kind bekommen, erhalten einen schlichten Titel und Reichtümer, mit denen sie den Bastard großziehen können. Es überrascht nicht, dass der Rat meines Vaters wissen wollte, wo sich alle Bastarde im Königreich aufhalten. Zwar bin ich nicht der einzige, der versucht hat, eine offizielle Position im Reich einzunehmen, aber alle anderen sind gescheitert.«

»Und jetzt wisst Ihr auch, warum«, murmelte Skharr, der einen großen Bissen von einem Käsegebäck mit Fleisch nahm. »Anscheinend bevorzugen viele Leute, dass die Erbfolge so bleibt, wie sie ist. Man würde sonst Chaos in ihre kleine, geordnete Welt bringen.«

»Ordnung ist friedlich«, sagte Tryam leise. »Das Reich lebt schon länger in Frieden, als ich auf der Welt bin. Wie viele würden sterben, wenn ich Kaiser werden würde?«

»Frieden unter einer Tyrannei ist überhaupt kein Frieden.« Der Barbar unterbrach und betrachtete sein Essen, bevor er einen weiteren Bissen nahm. »Aber … ich nehme an, dass ich so etwas wegen meiner Erziehung wohl sagen würde.«

»Eure Clans sind nicht unter der Herrschaft des Kaisers?«

»Clans aus dieser Region und Clans, die sich in den Flachlanden niedergelassen hatten, sind unter der Herrschaft oder passten sich zumindest den durchreisenden Menschen an. Clans aus den Bergen, Wüsten oder den Wäldern sind wesentlich schwieriger zu besiegen. Eine Armee in die Berge zu schicken, wäre selbst bei einem Sieg nicht die Mühe wert, also dürfen die kleineren, wilderen Clans frei leben. Zumindest vorerst.«

Der potenzielle Erbe lächelte und schüttelte den Kopf. »Ihr stellt Euch selbst als einfache Kreatur dar, aber Ihr seid wesentlich intelligenter, als die Leute annehmen.«

»Es ist zu meinem Vorteil, dass andere so etwas annehmen. Letztendlich bin ich wirklich ein einfaches Wesen. Ich verstehe nur … gewisse Dinge.«

Tryam schmunzelte, aber ihr Gespräch wurde unterbrochen, als jemand an ihre Tür klopfte. Es war lediglich eine Ankündigung gewesen, da die junge Frau sofort hinter den Vorhängen, die vor der Tür hingen, hervorkam und eintrat.

»Meine Herren«, sagte sie leise und in geübter, respektvoller Weise. »Die Königin hat um das Vergnügen Eurer Anwesenheit bei Sonnenaufgang gebeten. Sie wird erwarten, dass auch Ihr für diesen Anlass angemessen vorbereitet seid.«

»Wir beide?«, fragte Skharr und schob sich ein Stück Fleisch in den Mund.

»Warum denn nicht wir beide?«, entgegnete der Prinz.

»Ich sehe keinen Grund, warum eine Königin mit der Leibwache sprechen will, wenn sie mit einem Prinzen sprechen kann.«

»Sie hat darum gebeten, beide Herren, die die Annehmlichkeiten ihres Hauses genießen, zu sehen«, betonte die Dienerin. »Aber es war der Prinz, mit dem sie unbedingt persönlich sprechen wollte.«

»Vielleicht will sie nur sicherstellen, dass ein Barbar wie Euch sich keinen Kampf sucht«, meinte Tryam.

»Ich würde vorschlagen, zuerst ein Bad zu nehmen«, erwiderte der Krieger. »Nichts gegen den Prinzen, aber er riecht, als hätte er sich in Schweinemist gewälzt.«

»Ein Bad wird für ihn vorbereitet.« Die Dienerin verbeugte sich und verließ den Raum so schnell, wie sie gekommen war.

In wenigen Minuten kam eine Gruppe durch den Bediensteteneingang. Zwei Männer trugen eine schwere Bronzewanne hinein und vier Frauen brachten Eimer mit heißen sowie duftendem Wasser. Eine weitere trug Schwämme, Bürsten und andere Utensilien, die zum Baden benötigt wurden.

»In das Zimmer des Prinzen«, wies Skharr die Bediensteten an, als Tryam sich von seinem Platz erhob, nachdem er fertig gegessen hatte. »Der Prinz braucht Privatsphäre, wenn er badet.«

Der junge Mann nickte. Er war erleichtert, denn das war ihm lieber, aber er wollte es nicht ansprechen. Vielleicht hatte der Barbar keinen Begriff von Scham und es wäre unhöflich, es anzusprechen.

Er kehrte in sein Zimmer zurück, wo das Bad auf ihn wartete und bedankte sich bei den Bediensteten, als diese das Zimmer schnell verließen und die Türen hinter sich schlossen.

Trotz der Versuchung ein langes Bad zu genießen, beschränkte er sich auf ein hastiges Schrubben seines Körpers. Schließlich wollte er die Königin nicht warten lassen. Seine Kleidung lag immer noch dort, wo er sie abgelegt hatte und er zog sich eilig an. Allerdings hielt er inne, bevor er sein Schwert an seiner Hüfte befestigte.

Sein gesunder Menschenverstand bestand darauf, dass er trotz seines Aufenthaltes im Palast nicht vorsichtig genug sein konnte. Böse Machenschaften und Morde waren ihm sein ganzes Leben nahe gewesen. In den Schatten zu verweilen, hatte ihn davor bewahrt, selbst Opfer zu werden, aber als er das Reich des Königtums betrat, konnte er sich nicht weiter verstecken.

Er ging zur Tür, stieß sie auf und ging zu Skharr, der bereits auf ihn wartete.

Es war beunruhigend, den Barbaren so kampfbereit zu sehen. Ein Kettenhemd über einem Gambeson bedeckte seine Brust und an seinen Schultern waren Stahlplatten angebracht. Vom Helm, der auf seinem Schädel mit einem Stierkopf auf der Stirn befestigt war, bis zu den Stiefeln mit Stahlspitzen war alles geschickte Handarbeit.

Er war noch dabei, seine Waffen zu befestigen, als er sah, wie Tryam ihn anstarrte.

»Bereit, die Königin kennenzulernen?«, fragte der Barbar und warf sein Langschwert über die Schulter.

Der Prinz erinnerte sich daran, dass der Mann noch einige andere Waffen besaß, als sie sein Pferd sowie sein Hab und Gut aus dem Gasthaus geholt hatten. Darunter waren ein massiver Kriegsbogen und ein Paar Wurfäxte gewesen, aber dieses Mal trug er nur das Schwert und einen Dolch bei sich. Vermutlich hatte er beschlossen, dass er in der Lage sein würde, mit diesen zwei Waffen alles, was ihnen begegnete, besiegen zu können und dass alles andere als Beleidigung für die Königin und ihre Wache angesehen werden würde.

Als er merkte, dass er ihn immer noch starrte, sah er weg.

»Habt Ihr etwas auf dem Herzen?«, fragte sein großer Begleiter.

»Ein paar Dinge. Mir ist klar geworden, dass Ihr ausseht, wie ich mir einen barbarischen Ritter vorstellen würde. Obwohl Ihr einer der ersten Eurer Art wärt, der zum Ritter geschlagen wird. Glaubt Ihr, dass Ihr der erste sein werdet?«

»Das bezweifle ich. Ich habe keine Lust, stundenlang zu knien, während alte Männer Scheiße über meinem Kopf wiedergeben.«

»Das ist verständlich. Ich musste mich dieser Zeremonie ergeben, obwohl das Wiedergeben des Glaubensbekenntnisses wesentlich kürzer war, als ich angenommen hatte. Wahrscheinlich haben sie nach und nach die Anforderungen, von denen sie wissen, dass die Ritter sich nicht daran halten werden, abgeschafft. Dennoch hat der Beruf des Barbarenritters einen gewissen Reiz, meint Ihr nicht auch?«

»Seltsamerweise, ja, es geht leicht von der Zunge.« Skharr grinste und winkte ihm zu, damit sie zusammen hinausgingen. Sie gingen zielstrebig zu einem Bediensteten, der auf sie wartete und sie zu den Gemächern der Königin führte.

Er konnte verstehen, warum man ohne Aufforderung auf sie wartete. Der Palast war ein verdammtes Labyrinth und Tryam war überrascht, dass sie keine Pferde zur Verfügung stellten, um durch die kilometerlangen Gänge zu gelangen.

Glücklicherweise war der Weg von ihrem Zimmern nicht so lang gewesen, wie er befürchtet hatte. Nach ein paar Augenblicken zeigte der Diener ihnen wortlos einen Platz, an dem sie sich setzen und warten sollten, während er durch eine Seitentür verschwand.

»Also«, murmelte der Prinz, als sie der Aufforderung des Dieners nachkamen, »Eure Anführerin Ferat sagte, Ihr würdet Euch mit Verliesen auskennen. Also kann ich annehmen, dass Ihr auf Euren Abenteuern schon einige bestritten habt.«

Der Krieger nickte, zog sein Schwert vom Rücken und legte es auf seinen Schoß. »Das ist korrekt.«

»Wollt Ihr mich zwingen, Euch direkt zu bitten, ein paar Geschichten darüber, was uns vielleicht erwarten könnte, zu erzählen?«

Skharr grinste. »Ich glaube, das habt Ihr gerade getan. Aber die Geschichten sollten besser von denen erzählt werden, die … mehr Fantasie haben als ich. Letztendlich kann man über diese von Göttern verseuchten Höllenorte nur sagen, dass ich froh war, mit dem Leben davongekommen zu sein.«

»Was ist mit dem ersten, das Ihr bestritten habt?«

»Es war nicht besonders interessant. Das Verlies war bereits erfolgreich geplündert worden, da eine Gruppe von einem einheimischen Lord dafür bezahlt worden war, den Ort von allem Unangenehmen zu säubern. Ein paar Kreaturen waren noch am Leben, aber die meisten Schätze waren schon weg.«

»Das zweite war ein wenig interessanter. Ich und eine Gruppe von … acht Personen, wenn ich mich recht erinnere, betraten eine kleinere Festung auf einer Klippe am Meer. Die verdammte Festung war in eine Felswand gemeißelt, die langsam vom Wasser ausgewaschen wurde. Wir trafen dort auf viele Monster, darunter eine riesige Skelettkreatur auf einem Thron. Das Monster konnte sich keinen Zentimeter bewegen, feuerte aber Flammen aus seinen Augen, bis es uns gelang, den Schädel zu zertrümmern.«

»Ich habe diese Geschichte gehört.« Tryam strich sich ein paar lose Haarsträhnen hinter das Ohr. »Das Calos-Verlies, ja? Das wurde vor fast zehn Jahren geräumt.«

»Zehn Jahre klingt richtig. Danach habe ich weitere Aufträge, die uns in Verliese führten, vermieden, bis ich vor kurzem den Auftrag erhielt, ein Verlies in der Nähe der nördlichen Berge zu räumen. Ein Lich hatte versucht, einen Dämon zu beschwören, aber ihm fehlte ein Körper, der als Gefäß für den Dämon agieren sollte. Er musste warten … nur die Götter wissen, wie lange er warten musste, bis jemand passendes hereinspazierte.«

»Wie habt Ihr ihn getötet?« Eine Adelige mit dunkler Haut, langem schwarzem Haar, grauen Augen und einer üppigen Figur, die unter einem Seidengewand verborgen war, stellte die Frage.

Der Prinz sah sich um und bemerkte, dass einige Anwesende von dem Gespräch angelockt worden waren.

Skharr zuckte lässig mit den Schultern. »Liche binden ihre Lebenskraft an einen nicht verwesenden Körper und ermöglichen sich so ein ewiges Leben. Zumindest solange das Phylakterium, welches ihre lebensspendende Quelle ist, unbeschädigt bleibt. Ich musste mich nur von ihm verprügeln lassen, bis ich es fand und zerstörte.«

»Aber was ist mit dem Dämon passiert, den er beschworen hat?«, fragte ein Lord.

»Ich … nun, eine Gruppe von Dieben folgte mir und wartete draußen, in der Hoffnung, mir beim Verlassen des Verlieses die Kehle durchzuschneiden. Ich lockte sie hinein und ließ sie den Dämon beschwören, während ich knapp mit meinem Leben entkam.« Er ließ eine seiner Schulterplatten herunter und offenbarte eine leuchtend rote Narbe, die aussah, als sei sie erst vor kurzem verheilt. »Soweit ich es beurteilen kann, hat die Beschwörung des Dämons ohne einen Lich, der ihn kontrolliert, den ganzen Berg zum Einsturz gebracht. Der Dämon ist derzeit am Boden des Berges begraben und weitestgehend machtlos in einem menschlichen Körper.«

Tryam nickte. Seine eigene Erfahrung beschränkte sich auf seine Rolle als Knappe auf dem Schlachtfeld und bei Ritterturnieren, die alle bestimmte Formen der Magie verboten. Der Kampf in einem Verlies würde ganz andere Fähigkeiten erfordern.

»War das das letzte Mal?«, fragte der Prinz.

»Nein. Der … der letzte war der Ivehnshaw-Turm.«

»Oh … ich habe gehört, dass es beim letzten Mal drei Überlebende gab. Ich nehme an, Ihr seid einer von ihnen?«

»Ein Zwerg, ein weiterer Söldner und ich. Fast dreihundert sind mit uns in den Turm gegangen und … die meisten von ihnen sind gestorben.«

»Habt Ihr Eurer Gedächtnis verloren?«, fragte die Adelige, die sich zuerst eingemischt hatte und lehnte sich etwas näher zu ihm. »Wie die anderen, meine ich. Oder habt Ihr Geschichten vom Inneren des Turmes?«

Tryam glaubte, einen Hauch von Verärgerung im Gesicht des Barbaren zu erkennen, als dieser lediglich mit den Schultern zuckte.

»Es gab Prüfungen, die wir bestehen mussten«, sagte Skharr schließlich. »Bei einigen mussten wir einer unmöglichen Anzahl von Monstern entkommen. Bei anderen wurden wir getötet, wenn wir an der falschen Stelle schliefen. Am schlimmsten waren natürlich die, bei denen wir unsere Gesamtzahl verringern mussten. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass die Überlebenden, die behaupten, alles vergessen zu haben, nicht über die Ermordung ihrer Söldnerkameraden reden wollten.«

Das hörte sich nach etwas an, das er ebenfalls gerne vergessen würde, wenn er es jemals erleben würde. Jedoch bezweifelte Tryam, dass er dies auf dem Stygischen Pfad tun müsste. Er war mit einer Gruppe von Wachen losgeschickt worden und sie würden sich wahrscheinlich nicht gegenseitig umbringen müssen.

»Nun«, plapperte die Adlige, als sie sich von ihrem Platz gegenüber von Skharr erhob, »falls Ihr jemals Lust habt, mehr von diesen Geschichten zu erzählen, werdet Ihr eine großzügige Gegenleistung erhalten. Übrigens bevorzuge ich die Nacht dafür.«

»Wie großzügig?«, fragte der Barbar.

»Das ist immer verhandelbar.«

Die Frau entfernte sich und wusste, dass beide Männer sie dabei beobachteten. Der Prinz schüttelte den Kopf.

»Passiert das öfter?«, fragte er und schaute der Adligen, die mit einigen Dienern den Flur entlangging, hinterher.

»Öfter als Ihr wahrscheinlich denkt«, antwortete sein Begleiter. »Meistens sind es jedoch die Adeligen.«

Tryam nickte und lehnte sich in seinem Sitz zurück. »Wenn ich gewusst hätte, dass Verliesgeschichten Frauen begeistern, hätte ich schon viel früher welche erkundet.«

Die Seitentür öffnete sich und der Bedienstete trat heraus und verbeugte sich höflich. »Ihre Majestät, Königin Reya’Ipare, wird Euch nun empfangen. Bitte folgt mir.«

* * *

Die Dinge waren nicht so gelaufen, wie sie wollten. Ingold war sich nicht sicher, was sie als Nächstes tun sollten und er merkte, dass seine Unentschlossenheit seine Männer beeinflusste.

Sie hatten gerade noch ihre Besitztümer abholen können, bevor sie aus dem Palast geführt wurden. Eine Unterkunft zu finden, in der alle achtzehn Personen untergebracht werden konnten, hatte sich als unmöglich erwiesen. Deshalb blieb ihnen keine andere Möglichkeit, als ihre Zelte außerhalb der Mauern aufzuschlagen.

Es war eine unangenehme Situation und er wusste, dass ihre Moral auf einem Tiefstand war.

»Wir hätten den gottverdammte Bastard auf der Stelle töten sollen«, knurrte einer der Männer und nahm einen Bissen von einem Stück getrockneten Rindfleisch. »Wir hätten den rotznäsigen Heuchler vor den Augen der Königin ausweiden sollen. Oder besser noch, ihn auf dem Weg hierher umbringen sollen.«

»Du bist ein verdammter Idiot«, entgegnete ein anderer. »Der Grund für seine geplante Ermordung in Citar war, dass es hier Leute gibt, denen man die Schuld geben kann, falls seine Verbündeten einen Aufstand machen wollen. Die politischen Idealisten mit Karotten im Arsch wollen ihn auf dem Thron haben. Also müssen wir sicherstellen, dass sich ihr Zorn gegen die Herrscherin dieser verdammten Stadt richtet, nachdem ihr kleines Haustier abgeschlachtet wurde.«

Die anderen Eliten nickten entweder zustimmend oder schüttelten den Kopf. Ingold seufzte, als die Gruppe begann, über die Vor- und Nachteile der Ermordung des Prinzen zu diskutieren, bevor sie aus dem Palast entfernt wurden.

»Genug«, befahl er schließlich in einem ungeduldigen Ton. »Ihr seid alle Idioten und ich kann nicht glauben, dass ich euch das auch noch sagen muss.«

Sie verstummten und drehten sich zu ihm um.

»Jeder von euch tut so, als hätten wir in unserer Mission versagt, aber habt ihr vergessen, wem ihr eure Loyalität geschworen habt?« Er stand auf und sah die Gruppe mit einem finsteren Blick an. »Auch wenn unser erster Versuch gescheitert ist, unsere Loyalität gegenüber dem Kaiserreich ist ungebrochen. Der potenzielle Thronerbe ist noch am Leben und noch immer auf dem Weg zum Stygischen Pfad . Wir werden ihm folgen und auf dem Weg dorthin töten. Wenn das nicht gelingt, wird er entweder im Verlies sterben oder wir werden ihn töten, sobald er zurückkehrt. Hört auf, euch wie Kinder zu streiten und überlegt euch einen neuen Plan.«

Seine Gruppe tauschte Blicke aus und nickte langsam. Sie waren immer noch Soldaten des Kaiserreichs und die Besten der Besten. Er wusste, dass es nur ein paar ermutigende Worte von ihm bedurfte, um sie zu der Disziplin, die sie von allen anderen unterschied, zu bringen.