Kapitel 17

E in Sieg schien unmöglich. Das Ungeheuer hatte bereits auf sie gewartet, bevor sie überhaupt bemerkten, dass es sich vor ihnen befand. Es hatte keine Warnung und nicht einmal ein Geräusch der riesigen Kreatur gegeben. Erst als sie über ihnen hing und sie mit dolchgroßen Reißzähnen hungrig angrinste, hatten sie die Kreatur zu Augen bekommen. Es kam sogar noch schlimmer, denn die Bestie war offensichtlich damit zufrieden, einen Moment mit ihrem Angriff zu warten. Auf diese Weise konnten sie nämlich merken, wie sehr sie am Arsch waren.

Sie bewegte sich unglaublich schnell, nutzte aber ihre Flammen nur, um ihnen den Weg in die Höhle zu versperren und die Pferde in Panik zu versetzen.

Die Ironie des Ganzen war, dass es dem Drachen wahrscheinlich nur um die Pferde ging. Ihre Reittiere standen im Mittelpunkt seines Angriffs und die massiven Krallen bohrten sich mit Leichtigkeit in sie hinein. Der Tod der Reiter schien fast ein Nebeneffekt zu sein und einige wurden einfach zum Verbluten zurückgelassen, während die Bestie weiterzog, um so viele wie möglich in ihrer Falle zu töten.

Einige der Männer stießen Kampfschreie aus und griffen an, wobei sie vermutlich nur an die Ehre, die der Mörder eines Drachen bekommen wurde, dachten. Dieses Ungeheuer hätte eines der größten, die Ingold je gesehen hatte, sein können. Die Größe war zunächst trügerisch, denn der lange Hals ließ es etwas kleiner erscheinen, bis es in seiner Gesamtheit sichtbar wurde.

Da der Drache mit dunkelgrünen Schuppen bedeckt war, war er fast unsichtbar und wurde nur durch die Flammen, die den Tunnel erhellten, offenbart. Sein Körper war etwa so groß wie ein Pferd und er nutzte seine Hinter- und Vorderbeine, um sich an den Wänden festzukrallen. An den Flügeln befanden sich ebenfalls Krallen, die bösartig nach den Angreifern schnappten und sie zurücktrieben.

Einer der Männer kam nahe genug für einen Angriff heran und stieß sein Schwert in den Rücken des Drachen. Es war ein guter Treffer und das Schwert vergrub sich in den Schuppen. Aber es gelang ihm nicht, in das verletzliche Fleisch darunter einzudringen und es war nicht einmal tief genug, um Blut zu vergießen.

Er versuchte, seine Klinge herauszuziehen und erneut zuzuschlagen, aber seine Bemühungen waren vergeblich. Das Biest schnappte ihn und zerbiss ihn in zwei Hälften. Sein Kopf sowie Oberkörper fielen herunter, während der Rest von ihm auf seinem panischen Pferd sitzen blieb.

»Raus hier!«, brüllte Ingold. »Rückzug!«

Seine Truppe brauchte sich das nicht zweimal sagen zu lassen. Diejenigen, die noch auf ihrem Pferd saßen, drehten sich nach seinem Befehl um und begaben sich sofort in einen wilden Galopp zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Der Drache tötete schnell die Soldaten, die von ihren Pferden gezwungen worden waren, dem Rückzug zu gehorchen. Der schwere Atem des Ungeheuers schien beängstigend laut und nah zu sein.

Einer nach dem anderen schrien die noch lebenden Männer und Pferde, als sie in das Gemetzel des Monsters verwickelt wurden. Der Anführer der Elite umklammerte die Zügel seines Pferdes fester und trieb es immer weiter durch die engen Pfade des felsigen Passes. Schließlich rasten sie durch die letzten Windungen der Schlucht und tauchten wieder über der Erde auf.

Obwohl sie die Hitze in letzter Zeit ertragen mussten, hatte er nicht gedacht, dass er jemals wieder so froh sein würde, die Sonne zu sehen. Die Hitze der Sonne wärmte sein Gesicht, während er sein Reittier zwang, sich so weit wie möglich von den Tunneln zu entfernen. Er hielt erst an, als er das Brüllen des Drachen und die Schreie seiner Männer nicht mehr hörte. Zwei ihrer Pferde waren wie durch ein Wunder entkommen und rannten weiter vor dem Wüten der Bestie davon.

Seine Ohren klingelten und sein ganzer Körper war angespannt. Schließlich traute er sich, sein Pferd anzuhalten und den Weg, den er gekommen war, zurückzuschauen.

Nur eine seiner Eliten hatte mit ihm überlebt. Der Mann war zwar genauso verängstigt wie er, aber dafür war er stehen geblieben, um nach der Gruppe, die nachkommen sollte, zu suchen. Er war ebenfalls schockiert, dass nur noch er und sein Anführer übrig waren.

Ingold konnte nur daran denken, dass sie sich glücklich schätzen konnten, einem Drachen zu begegnen und zu überleben. Nur wenige erfuhren dieses Glück, vor allem wenn man aus Versehen in die Höhle des Ungeheuers eingedrungen war.

»Was ist unser Plan, Hauptmann?«, fragte der Mann, nahm seinen Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Ingold schüttelte den Kopf, da er sich unsicher über ihr zukünftiges Vorgehen war. Die meisten Eliten, die ihm anvertraut worden waren, waren tot. Es blieb ihm nur ein einziger Mann, um den Tod ihres Opfers sicherzustellen.

»Wir müssen in die Stadt zurückkehren«, beschloss er. »Mit den Plünderern, die sich hier draußen herumtreiben, werden wir nicht überleben.«

»Was ist mit dem Prinzen?«

»Er ist noch kein offizieller Prinz!« Er war genervt und hielt sein Pferd fest, damit es nicht unruhig tänzelte. »Und wenn der Drache diesen erbärmlichen Heuchler nicht tötet, wird es wohl das Verlies tun. Wenn er in einer Woche nicht zurückgekehrt ist, können wir davon ausgehen, dass seine Gruppe tot ist. Oder vielleicht zwei. Sie werden nicht genug Nahrung und Wasser mitgebracht haben, um darüber hinaus zu überleben.«

* * *

Es war ein seltsames Gefühl, in die Richtung eines Drachengebrülls zu rennen. Die Biester waren selbst, wenn man im Vorteil war, nur schwer zu töten. Auf engem Raum bezweifelte Skharr, dass Tryam viel gegen sie ausrichten konnte.

Doch die Geräusche kamen nicht mehr von vorn. Überall um ihn herum ertönte Gebrüll und Geschrei und als er den Geräuschen folgte, konnte er nicht erkennen, woher sie alle kamen.

Er stoppte, um seine Umgebung erneut zu studieren. Mit seinem Schwert immer noch in der Hand versuchte er, die Art der Magie, die dafür sorgen konnte, dass alles unmittelbar um ihn herum ertönte, zu erkennen.

Allerdings stellte er fest, dass es nicht um ihn herum ertönte. Es kam von unter der Erde, was er nicht erwartet hatte.

Der Barbar schüttelte den Kopf, damit er wieder klar dachte, während er sich über die offene Landschaft bewegte. Er bemerkte die Löcher in der Erde. Es waren Öffnungen, durch die er sich fallen lassen konnte, um den Prinzen zu finden und den Drachen zu umgehen.

Oder zumindest könnte er sich zu seinen Bedingungen dem Ungeheuer stellen.

»Verdammte, übergroße Höllenechse«, murmelte Skharr. »Diese Spezies wurde zweifellos im Arsch eines gottverdammten Feuerdämons ausgebrütet.« Nun war klar, dass es ein Fehler gewesen war, den Prinzen allein vorauszuschicken. Er hätte die Eliten zurückhalten und mit dem Drachen vielleicht sogar um Leben und Tod kämpfen können, während sein junger Schützling sich in das Verlies schlich. Jetzt hatte er nur die Hälfte davon getan und war sich sicher, dass das nicht genug war.

Plötzlich stürmten zwei Pferde aus einer Schlucht. Keines schenkte ihm seine Aufmerksamkeit, sondern sie galoppierten verzweifelt von dem Drachen weg.

Das war keine wirkliche Überraschung. Die Kampfgeräusche waren allmählich verstummt, obwohl er immer noch ein leises Knurren und Brüllen, welche stark genug waren, um die Erde erzittern zu lassen, hören konnte.

Ein paar Augenblicke später wurden die Erschütterungen stärker und wurden von einem Grollen aus dem Untergrund begleitet. Die Erde unter seinen Füßen gab langsam nach und er schaute schnell zu der Stelle, an der die Erde unaufhaltsam in ein nahe gelegenes Loch sank. Es schien größer als die anderen zu sein und er hatte es auch zuvor nicht gesehen.

»Oh, verdammte Scheiße! Janus, du haariger, trollfickender, allmächtiger, scheißköpfiger Arsch. Dein stinkendes Haustier wird wahrscheinlich mein gottverdammter Tod sein.« Er knurrte frustriert und empört, als die Erde unter ihm in Richtung des Lochs gezogen wurde und ihn mit sich riss.

* * *

Der junge Prinz war zutiefst beunruhigt über die Schreie, die mutmaßlich aus den verschiedenen Eingängen und aus allen Richtungen kamen. Die verzerrten Echos waren verwirrend und er konnte den Ursprung der Geräusche nicht ausmachen.

Seines Wissens nach könnten Dutzende von Drachen bald angreifen. Wenn er in ihr Nest verschleppt werden würde, würde es für ihn keine Möglichkeit zum Flüchten geben.

Auch wenn die Getöteten versucht hatten, ihm das Leben zu nehmen, war ihr Tod kein großer Trost. In seiner Eile, ihnen zu entkommen, war er blindlings an einen Ort gelaufen, an dem er ohnehin sterben würde. Sie hätten ihm ebenso gut einen Dolch in den Rücken rammen können. Das wäre sicherlich weniger schmerzhaft als der Tod durch einen Drachen gewesen.

»Ein törichter Plan, Skharr«, murmelte Tryam und versuchte, langsamer zu atmen. Seine Pferde waren in dem Moment, als das Gebrüll losgegangen war, zur Flucht aufgebrochen und er hatte sie nicht aufhalten können. Nur die Sachen, die er aus den Sätteln genommen hatte, waren ihm geblieben. Er hatte seine Waffen, den größte Teil seiner Nahrung und seines Wassers sowie ein paar andere Vorräte, die er wahrscheinlich brauchte. Alles andere war weg.

Das schlussendliche Stoppen der Schreie und Kampfgeräusche tröstete ihn nur wenig, während er unwillkürlich darauf wartete, dass der Drache in sein Nest zurückkehrte und er sein unausweichliches Ende fand.

Eine Bewegung über ihm lenkte ihn von seinem kurzzeitigen Selbstmitleid ab und er blickte nach oben. Die Erde und der Sand lösten sich in der Öffnung über dem Nest und er erkannte, dass etwas in das Loch auf der Oberfläche gefallen war.

Die schiere Größe des Objekts deutete darauf hin, dass es sich nur um eine Person handeln konnte und Tryam konnte nicht verstehen, wie der Mann durchgefallen war. Der Barbar versuchte, sich abzubremsen, indem er sich an der Kante festhielt und einen Moment lang nach unten blickte, bevor er sich fallen ließ.

Es war ein Fall von etwas mehr als drei Metern, aber der Fall wurde durch das Nest abgefedert. Dennoch hoffte Skharr, dass der Fall mehr gedämpft werden würde.

»Verdammter Sohn von Janus’ Scheißhure!« Der Mann knurrte verärgert und kroch aus dem Nest. »Ich wurde fast von einem gottverdammten Stein aufgespießt. Natürlich kann ich mich auf diese verdammte Schuppenechse verlassen, dass sie einen neuen Weg findet, mich in den Arsch zu ficken. Was in aller dämonenverseuchten Hölle ist das für ein Ort?«

»Skharr!«, rief der Prinz und winkte ihm aus einer Ecke des Raums zu. »Hierher, und zwar schnell!«

Der Barbar sah dorthin, wo der Junge verzweifelt auf sich aufmerksam machte und befreite sich von den Trümmern, die um das Nest herum lagen. Es war hauptsächlich aus Sträuchern und Steinen gebaut worden und diente dem Tier wahrscheinlich als Heim, in dem es nicht nur in der Sonne liegen, sondern auch aus den Tunneln fliegen konnte, wenn diese nicht genug Nahrung boten.

Tryam war sich nicht sicher, ob der Drache die Tunnel selbst gebaut hatte oder ob sie mit ihm im Sinn gebaut worden waren. Jedoch würde er es nicht weiter infrage stellen. Er wusste nur, dass das Flugtier wahrscheinlich mit seiner Beute, welches es gefangen hatte, zu seinem Nest zurückkehren würde.

Ein beunruhigender Gedanke kam ihm in den Sinn, als Skharr auf ihn zukam.

»Seid Ihr verletzt?«, fragte der Barbar. »Ich werde zwar später leugnen, dies je gesagt zu haben, aber ich bin verdammt froh, Euch lebendig zu sehen.«

»Nun, Ihr werdet es aber nur fünf Sekunden genießen können. Ich glaube, der Drache hat alle Eliten getötet und sollte auf dem Weg hierher sein. Solche Kreaturen bringen ihre Mahlzeiten gerne zu ihrem Nest, um sie zu genießen, oder?«

Der Krieger antwortete nicht sofort, da er nachsah, was von seinen Sachen den Sturz unversehrt überstanden hatte. Obwohl ein paar seiner Pfeile zerbrochen waren, behielt er sie, da er hoffte, neue Schäfte für die Köpfe zu finden.

»Soweit ich weiß, sind zwei lebend entkommen«, informierte ihn Skharr schließlich. »Aber ich bezweifle, dass sie uns in der Nähe auflauern. Sie werden nicht in der Umgebung sein wollen, wenn sie wieder Hunger bekommt.«

»Sie?«

»Nur weibliche Drachen bauen Nester. Die Männchen bereisen große Gebiete und jagen viel mehr.«

Tryam nickte. »Nun, ich glaube nicht, dass sie auf uns draußen warten werden. Wenn das ihr Nest ist, wird sie doch hierhin zurückkehren, oder?«

Der Barbar hielt inne und nickte. »Ein gutes Argument. Habt Ihr schon einen Weg in das Verlies gefunden?«

»Ja, das habe ich. Könnt Ihr mich nicht sehen?«

»Stellt meine Geduld nicht auf die Probe. Habt Ihr einen Weg hineingefunden oder nicht?«

Der Prinz zuckte mit den Schultern und ging auf die hinterste Wand zu. »Es sieht so aus, als ob dies die Tür hinein ist. Die Einkerbungen, wo sie sich wahrscheinlich öffnen wird, sind erkennbar. Außerdem befinden sich Worte in Dutzenden von Sprachen auf der Wand.«

»Gibt es welche, die Ihr versteht?«

»Ich verstehe die meisten davon. Meine Mutter stellte sicher, dass ich die meisten Sprachen der Welt verstehe.«

Skharr seufzte. »Das ist wirklich beeindruckend. Sagt Ihr mir jetzt, was auf der Tür steht oder gebt Ihr mir eine Unterrichtsstunde in Sprachen?«

»Wie war das noch mal mit der Geduldsprobe?«

»Ich kann Eure strapazieren und nicht umgekehrt. Also, was steht jetzt da?«

»Hier steht, dass sich die Türen öffnen, wenn die Königin auf dem Thron sitzt. Wahrscheinlich ist die Tür mit dem Thron in Citar verbunden und wir müssen warten, bis sie auf dem Thron sitzt, damit sich die Türen öffnen, oder?«

Der Barbar schüttelte den Kopf. »Die Königin bezieht sich auf den Drachen und der Thron ist … nun ja, ihr Nest.«

»Also, wir warten auf …«

»Ja.«

Tryam starrte ihn an, schluckte und blickte in die Richtung des Eingangs, aus der ein Geräusch kam. Nach einem kurzen Moment konnten sie eine Bewegung in den dunklen Schatten wahrnehmen und eine große Gestalt reflektierte das Licht, das durch die Decke hereinfiel.

»Ihr müsst ganz still sein«, flüsterte Skharr, während er seinen Bogen nahm und einen Pfeil einspannte. »Und wenn ich Euch Bescheid gebe, müsst Ihr Euch so schnell wie möglich bewegen.«

»Wohin?«

»Ich denke, es wird ziemlich offensichtlich sein. Die Königin wird auf ihren Thron zurückkehren und die Türen werden sich öffnen. Seid bereit, so schnell wie möglich hindurchzugehen und wartet nicht auf mich.«

»Wollt Ihr den Drachen für mich aufhalten?«

Der Riese grinste. »Das ist der Plan, aber ich werde nicht darauf warten, dass sie mich angreift. Ich glaube, dass ich mir meinen Lohn bereits verdient habe.«

Das konnte Tryam nicht verleugnen und sein Blick wanderte zu dem, was sich durch die Öffnung kam, zurück.

Zunächst war die Kreatur nur schwer zu erkennen, aber sie streckte ihren langen Hals aus und musterte die Höhle, bevor sie eintrat. Sie bewegte sich langsam und hielt etwas, das wie ein geköpftes Pferd aussah, mit ihren Vorderbeinen, während sie auf den Hinterbeinen zum Nest stampfte und mit ihren Flügeln das Gleichgewicht hielt.

»Sie ist wunderschön«, flüsterte Skharr und er konnte abermals nicht widersprechen. Ein beunruhigendes Gefühl überkam ihn, als er die sechsbeinige Kreatur betrachtete. Aber die Art, wie das Sonnenlicht auf den dunkelgrünen Schuppen glitzerte, war unheimlich ansprechend.

Als sie einen Bissen von dem toten Pferd nahm, tropfte Blut aus ihrem Maul, aber ihre Schönheit nahm dadurch in keiner Weise ab. Seltsamerweise ließ es die Kreatur noch erschreckender erscheinen.

Sie ließ sich auf dem Nest nieder und die Türen begannen sich langsam zu öffnen. Bald rasteten sie ein und waren so weit wie möglich voneinander entfernt. Die Öffnung war etwa zwanzig Schritte lang.

Tryam konnte nicht glauben, dass sie nicht schon entdeckt worden waren. Er fragte sich, wann sie merken würde, dass sie nicht allein in ihrem Nest war. Vielleicht hatte sie einfach nicht mit jemanden, der dumm genug war, im Herzen ihres Reiches zu warten, gerechnet.

Skharr verwies mit der Hand auf die Tür und hob drei Finger. Der Prinz antwortete auf die recht knappe Botschaft mit einem Nicken, holte tief Luft und versuchte, trotz der geringen Chancen so lautlos wie möglich zu atmen.

Zum Glück war sein Atem nicht ganz so laut wie der Drache, der dem toten Pferd die Knochen brach und das Knochenmark mit seiner langen, dünnen Zunge aussaugte.

Aus den drei Fingern wurden zwei und dann einer, bevor der Krieger auf die Tür zeigte.

Ohne zu zögern rannte der junge Prinz los und auf die Öffnung zu.

Das Geräusch seiner Schritte genügte, um die Aufmerksamkeit der Bestie zu erregen. Sie stieß ein Brüllen, welches er in den Tunneln zuvor gehört hatte, aus. Die Kraft dieses Schreis ließ ihn bis auf die Knochen erzittern, aber damit er nicht mit dem Fuß irgendwo hängen blieb und stolperte oder hinfiel, konnte er sich nicht einmal einen flüchtigen Blick erlauben.

Es wäre geradezu eine Tragödie, wenn sein Bestreben, Thronerbe zu werden, an einem winzigen Zweig, den er nicht gesehen hatte, scheitern würde.

Skharr hatte bereits seinen Bogen gespannt und einen Pfeil abgeschossen, als sich der Drache aus seinem Nest erhob. Als sie aufstand, schlossen sich die Türen automatisch und dies geschah viel schneller, als sie sich geöffnet hatten.

Als der Pfeil des Barbaren in die Wange des Drachen traf, wich sie wieder in das Nest zurück. Die Türen stoppten und kehrten allmählich in ihre offene Position zurück.

»Kommt schon, Skharr!«, rief der Prinz. Sein Gefährte war bereits in Bewegung und rannte von der Bestie, die ihre Wut nun in einem auf ihn gerichteten Flammenstrahl äußerte, weg.

Die Hitze war überwältigend und Tryam konnte spüren, wie sein Nacken selbst aus dieser Entfernung leicht verbrannt wurde.

Er erreichte die Tür und sprang hindurch, während er über seine Schulter und nach dem Barbaren schaute.

Glücklicherweise war der riesige Mann näher, als er erwartet hatte. Wenn Skharr wollte, konnte er sich beängstigend schnell bewegen. In dieser Situation besaß er zweifellos die Absicht, den Abstand schnellstmöglich zu schließen.

Der Drache kletterte aus seinem Nest und stürmte auf sie zu, während Tryam einen Dolch von seinem Gürtel nahm und ihn mit all seiner Kraft nach der Kreatur warf.

Sein Wurf war gut und die Waffe bohrte sich in die Schuppen über ihrem Auge. Der Zielbereich war aber gut geschützt, weshalb die Wunde nicht tief war. Trotz dessen reichte es, um das Monster abzulenken, während sein Begleiter durch die sich schließende Tür warf.

Der Barbar war bereits wieder auf den Beinen und er holte seinen Schild hervor, um ihn gegen die Türen, die sich hinter ihnen schlossen, zu pressen, bevor das Feuer sie ruckartig schloss. Die explosive Kraft des Feuers stieß beide Männer um und sie schlitterten ein gutes Stück über den Felsboden, ehe sie sich selbst stoppen konnten.

Tryam blickte auf und stellte er fest, dass die Türen geschlossen waren.

»Wir sollten lieber weitergehen.« Skharr löste den Schild von seinem Arm ab. Er brannte immer noch und war größtenteils zerbrochen, also warf er ihn mit einem finsteren Blick beiseite. »Wir wissen nicht, wann sie zum Nest zurückkehrt und die Türen wieder geöffnet werden.«

Der junge Prinz konnte nur zustimmen und sie gingen durch den dunklen Gang, so weit sie sich trauten, bevor sie sich einen Moment Ruhe gönnten.

Die Türen blieben weiterhin geschlossen. »Ich glaube nicht, dass sie sich wieder öffnen werden.«

»Was?«

»Die Türen. Auf der Wand draußen stand, dass sie sich öffnen, wenn die Königin den Thron besteigt und dass sie sich erst wieder öffnen, wenn der Held siegreich ist oder auch gar nicht. Das bedeutet wohl, dass sie sich innerhalb eines bestimmten Zeitfensters wieder öffnen, obwohl nicht angegeben war, wie lange dies sein wird.«

Skharr seufzte und nickte. Er ging schnell in die Hocke und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Der Prinz merkte, dass Skharrs Arm verwundet war und er sich kurz selbst versorgte.

»Wunderbar.« Der Barbar seufzte, während er einen Umschlag auf die schlimmen Verbrennungen legte. »Wieder eine von diesen gottverdammten, zeitbegrenzten Höllen. Was ist aus den Verliesen geworden, die man betreten oder verlassen kann, wann man will?«

»Dieses hier ist nun einmal ein Test«, antwortete Tryam und ließ sich neben ihm nieder, um mit einem Feuerstein eine Fackel, die er mitgebracht hatte, anzuzünden. Er hatte sie glücklicherweise, bevor die Pferde geflohen waren, an sich genommen und konnte so den Tunnel erleuchten. »Deshalb akzeptieren meine Leute den Beweis, was immer er auch sein mag, den mir dieses Verlies geben wird. Jetzt seid Ihr hier mit mir.«

»Unfreiwillig«, murmelte sein Begleiter. »Und nicht, weil Ihr darum gebeten habt. Ich wollte einen anderen Ausweg finden, bis der Drache anfing, Feuer zu spucken. Entweder ich verstecke mich hier oder ich schließe mich dem kopflosen Pferd an, das der Drache vermutlich gerade verspeist. Wie auch immer, ich denke, jetzt habt Ihr Eure Antwort bekommen.«

»Eine Antwort? Auf was?«

»Wie groß ein Drache sein muss, damit man lieber flieht, als zu kämpfen.« Er zeigte auf die Tür hinter ihnen. »Das war die Größe, vor der man wegläuft.«

Der Prinz legte den Kopf schief und lächelte nach kurzem Überlegen.

»Außerdem«, fuhr Skharr fort, »beabsichtige ich, Euch in Eure Stadt zu begleiten. Das hier ist noch lange nicht vorbei. Jemand schuldet mir noch etwas für diese tollwütigen, scheißköpfigen Schafsficker und ich habe vor, einen Moment seiner Zeit zu beanspruchen.«

»Ich schätze, dass Ihr dann mit dem Vizekaiser reden wollt. Den Gerüchten zufolge ist er ein Magier, welcher ein großes Ansehen besitzt. Er ist fast so alt wie mein Vater und hat nur so lange überlebt, weil er ein gerissener Bastard ist.«

»Kann er bluten?«

Es war eine einfache Frage, die ihn dennoch überrumpelte.

Er lachte und schüttelte den Kopf. »Stimmt. Ich hatte vergessen, dass TodEsser nicht in der Kunst des Arschküssens vertraut sind.«

»Wir tun es gelegentlich«, erklärte sein Gefährte, während er ein paar Tropfen eines Heiltranks über die Verbrennungen goss und dann seinen Arm verband. »Es hängt davon ab, wie aufgebracht unsere Kameraden sind.«

Tryam nickte. »Ihr habt nicht zufällig einen TodEsser-Kameraden, der irgendwo auf Euch wartet, oder?«

»Verdammt und zugenäht, nein«, antwortete der Barbar sofort. »Wenn Ihr mich schon für verrückt haltet, dann solltet Ihr sehen, wie sich unsere Frauen verhalten. Was glaubt Ihr, warum ich nicht zu ihnen zurückkehre?«

»Ich nahm an, dass Ihr nicht in die kalten Berge zurückkehren wolltet.«

»Nein, auch wenn Ihr mich vielleicht für verrückt haltet, unsere Frauen sind noch viel schlimmer. Sicherlich mögen es manche Männer, aber wenn ich in diesen Gegenden eine Frau verärgere, wache ich zumindest noch mit meinen Eiern auf.«

»Obwohl es dennoch passieren könnte, dass Ihr ohne sie aufwacht. Aber habt Ihr schon einmal daran gedacht, einfach keine zu verärgern?«

»Ich kann sie nicht alle glücklich machen und so wird irgendwann eine verärgert sein. Es ist am besten, dass man die Frauen, die den größten Schaden anrichten können, meidet.«

Er dachte mit einem leichten Stirnrunzeln darüber nach, bevor er zustimmend nickte.