Kapitel 18

D ie Tunnel waren anscheinend sehr verwinkelt und Skharr fragte sich, wer sich die Zeit genommen hatte, sie zu bauen. Die Erschaffer hatten es sogar geschafft, einen Drachen, der ihren Schatz bewachen sollte, anzulocken.

Die Alten, die diese Verliese bauten, waren sicherlich auf seltsame Weise davon besessen, Schätze, die sie nie ausgeben wollten, zu schützen. Welchen Sinn ergab es, ihre gesamten magischen Kräfte und all ihre Reichtümer an einem Ort zu lagern?

Seine Erinnerungen an die Geschehnisse im Turm machten es deutlich, dass nicht alle Verliese für das Aufbewahren von Reichtümern gebaut worden waren. Wie sich herausstellte, waren einige Götter wirkliche Arschlöcher und wollten einfach nur zusehen, wie sich Menschen gegenseitig umbrachten.

Die Tür, der sie sich näherten, erinnerte ihn an daran. Er wartete, während der Junge zur Tür ging, die Augen konzentriert zusammenkniff und mit den Fingern über die Inschrift fuhr.

»Was steht da?«, fragte er. Der Prinz konnte besser lesen als er, weshalb es einfacher war, auf seine Übersetzung zu warten, als die Sprache, die er verstand, zu suchen.

Tryam antwortete nicht sofort. Als er schließlich antwortete, entsprach es nicht ganz Skharrs Erwartungen.

»Hurensohn!«, rief Tryam und sein großer Begleiter bekam zum ersten Mal mit, dass er wirklich wütend war. »Dreh ihn um, beug ihn vor und fick ihn in den Arsch wie ein billiges Hafen-Flittchen.«

Erschrocken über die Heftigkeit der Flüche, starrte er seinen jungen Schützling an. »Ich glaube nicht, dass dies die Inschriften besagen«, sagte er so ruhig wie möglich.

Er kam näher heran, um sie ebenfalls zu untersuchen. Das meiste war gekritzelt sowie unverständlich für ihn, aber die Zeichnungen waren recht einfach zu verstehen. Drei Figuren trugen Helme und hielten Waffen. Sie standen alle um eine andere sich hinkniende Figur herum.

»Werft das gottverdammte Scheißviech ins Wasser und lasst die Delfine …«

»Mensch!«

Tryam sah ihn an.

»Was in aller dämonenverseuchten Hölle ist ein Delfin?«

»Oh … Eine Kreatur des Ozeans. Sie sind dafür bekannt, dass sie besonders freundlich zu Menschen sind. Vielleicht auch zu freundlich zu Menschen.«

»Oh. Oh!« Skharr hob die Augenbrauen. »Warum hört Ihr nicht auf, Euch die vielen verschiedenen Wege, wie Frauen der Nacht gefickt werden können, auszudenken und sagt mir, was zum Teufel dieses Bild bedeutet? Nicht, dass ich die Leidenschaft und Kreativität Eurer sprachlichen Bilder nicht bewundere, aber vielleicht ist es momentan nicht der richtige Zeitpunkt.«

Der Prinz deutete auf eine Stelle. »Diese … Gravur ist eine Darstellung des Kandidaten und seiner drei Wachen.«

»Ihr sagt das so, als würde ich verstehen, was sie bedeuten soll.«

»Es ist eine Prüfung. Eine Prüfung der Legende. Drei Leute dürfen mich bei den ersten drei Herausforderungen begleiten. Nur jemand, der für den Willen des Kandidaten sterben würden, darf mitkommen.«

»Drei? Ich dachte, Ihr dürftet nur allein eintreten.«

»So hat man es mir gesagt und deshalb bin ich so wütend. Nur ich darf die letzte Kammer betreten, aber die ersten Prüfungen lassen drei weitere, die ... nun ja, für mich sterben würden, zu. Dies ist nicht Euer Kampf. Auch nicht der Eures Landes oder Eures Volkes.«

»Ihr tut so, als hätte ich nicht schon mein Leben aufs Spiel gesetzt, um Eures zu retten.«

Tryam unterbrach und zuckte ein wenig unbehaglich mit den Schultern. »Nun, Ihr wurdet dafür bezahlt.«

»Das, was ich bisher getan habe, würde ich nicht einfach für jeden, der eine Münze in meine Richtung wirft, tun. Außerdem kann es nicht schaden, einen Kaiser zu kennen.«

»Ich könnte sterben und alles, was Euch bliebe, wäre ein Kaiser, der wütend auf Euch ist.«

Skharr nickte. »Nun, wir sind kaum ein paar Meter von einem Drachen, der ganz sicher auf mich sauer ist, entfernt. Dann wäre da noch der Graf von Gerstrand. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, wäre das nicht die erste und auch nicht die zweite Gruppe von Leuten, die ich jemals verärgert habe. Wenn ich es mir recht überlege, wäre es auch nicht mal die dritte.«

Der Prinz lachte. »Wartet, was habt Ihr den anderen angetan?«

»Ich … könnte den Soldaten des Grafen gesagt haben, dass sie sich hinten anstellen sollen, als ich die Segel setzte und sie am Hafen zurückließ. Es scheint, als wäre eine ihrer Prinzessinnen auf dem Schiff, das ich ihnen gestohlen habe, um meine Flucht zu ermöglichen, gewesen.«

»Eine … Prinzessin?«

Skharr hob die Hände. »Ich wusste nicht, dass sie an Bord war. Sie hatte auch keine Ahnung, dass ich vorhatte, die Schaluppe zu stehlen. Wir sind etwa eine Jahreszeit lang zusammen gesegelt.«

»Oh.« Tryam grunzte. »Was ist dann passiert?«

»Ich wollte zurück an Land und sie wollte Piratin werden. Sie hatte wirkliches Talent für diese Art der Arbeit. Das letzte Mal, als ich von ihr gehört habe, waren in ihrer Flotte vier weitere Schiffe und sie belagerte jedes Handelsschiff, das zufällig in den weiten Gewässern um das Königreich ihres Vaters herumsegelte.«

»Und ich nehme an, Ihr habt sie auch irgendwie verärgert?«

»Das sollte man meinen, aber nein. Ich … habe nicht die Seemannsbeine für lange Reisen auf dem offenen Meer. Wir haben viel zusammen erlebt, aber am Ende war es das Beste, getrennte Wege zu gehen. Allerdings glaube ich, dass mich bei meiner Rückkehr immer noch die Schlinge des Henkers erwarten würde, wenn ich Glück habe.«

»Und wenn Ihr Pech habt?«

»Dem König dient ein Mann, der ein Talent für das Abreißen von Gliedmaßen der Leute, die sein Herrscher tot sehen will, besitzt.«

»Ah. Das wäre sehr großes Pech.«

Skharr nickte zustimmend. »Nun lasst uns zum Thema der drei Kandidaten und der Wache zurückkehren.«

»Es waren drei Wachen und ein Kandidat.«

»Natürlich.«

»Wenn ich diese Inschrift richtig lese, scheint es drei Prüfungen, drei Proben und drei Möglichkeiten zum Scheitern zu geben.«

»Gottverdammte, dreckige und von Ungeziefer verseuchte Verliese.«

»Wenn wir die erste Kammer betreten, brauchen wir keine Fackeln mehr. Es scheint, dass solche Festungen von den Göttern mit Energie versorgt werden. Ehrlich gesagt, beruhigt mich das nicht wirklich.«

»Mich auch nicht. Die Götter und besonders ein haariger Arschficker sind schreckliche Wesen.«

Tryam kniff seine Augen zusammen. »Ihr sprecht, als hättet Ihr persönliche Erfahrungen mit einem Gott gemacht.«

Als Antwort zuckte der Barbar nur mit den Schultern. »Was passiert als Nächstes in diesem höllischen Verlies? Müssen wir uns mit einem Golem aus Diamanten herumschlagen?«

»Ich habe keinen blassen Schimmer. Die Legenden sind alle unterschiedlich. Wartet, Ihr behauptet, dass eines der Verliese, in denen Ihr gekämpft habt, von einem Gott gebaut wurde?«

»Ja. Von einem, dem man einen vollen Sack Trollschwänze ganz langsam und schmerzhaft in den Arsch schieben muss. Einen nach dem anderen, damit es hält.«

Mit einem Lachen wandte sich der junge Prinz der Tür, die sie untersucht hatten, zu und zog daran. Er musste sich ein paar Sekunden lang wegen des Gewichts anstrengen, bevor Skharr einen der Griffe nahm und auch daran zog.

Die Tür knarrte unter der vereinten Kraft der beiden Männer und begann sich schließlich zu öffnen.

Vorsichtig spähten sie durch die Öffnung, um sich zu vergewissern, dass sie die Fackel, die Tryam mitgebracht hatte, wirklich nicht mehr brauchten. Große Leuchter hingen an den Wänden und strahlten violettes Licht aus. Bald stellten sie fest, dass sich Kristalle und keine Flammen in ihnen befanden und wurden von einer Art Kraft, an die der Barbar lieber nicht denken wollte, angetrieben.

»Also … was glaubt Ihr, was das für Tests sein werden?«, fragte er, als sie in das beunruhigende, violette Licht traten und sich die Tür hinter ihnen wieder schloss.

Der junge Prinz seufzte und rieb sich die Schläfen, während er sich in der Kammer umsah. »Bedenkt, dass mir niemand genau sagen konnte, was auf mich zukommen würde. Jede Prüfung fällt je nach Kandidat anders aus. Es konnte mir auch niemand irgendwelche Einzelheiten sagen, da dies als Betrug oder Bevorzugung ausgelegt werden könnte. Wenn ich mich jedoch richtig erinnere, ist die erste Prüfung immer ein Test der Gier, um die Moral der Kandidaten zu testen. Bei einigen scheint es alle Reichtümer, die man sich nur wünschen kann, gegeben zu haben. Andere boten einfach alles, was das Herz begehrt, an. Das können auch Reichtümer sein.«

»Ich kann mir vorstellen, dass ein Mann, der nach Macht und deren Betonierung strebt, nicht in Verliesen in den entlegensten Winkeln der Welt danach suchen würde«, merkte Skharr an und spielte mit einem Beutel an seiner Hüfte. »Es würde Sinn ergeben, dass die Leute, die hierherkommen, nur Gold und das, was man damit kaufen kann, wollen.«

Tryam nickte. »Nun, ein Rätsel ist immer Teil des ersten Tests und wird uns beim zweiten helfen. Wenn wir es nicht lösen können, gehen wir in die nächste Prüfung ohne einen Hinweis, der uns nützlich sein könnte.«

»Und wisst Ihr, wie das Rätsel lautet?«

Der Junge zuckte mit den Schultern. »Ja.«

»Wie?«, fragte Skharr und stoppte, um ihn anzuschauen. »Wenn es Leute gibt, die das Rätsel kennen, würden sie es nicht mit jemandem, der sich später hierher begibt, teilen. Abgesehen von der Unvermeidlichkeit, dass Ihr diese Reise ohne einen Vorteil bestreiten müsst, würden sie entweder den Zweck des Verlies ehren oder die Reichtümer einfach nicht teilen wollen.«

»Ja, das ergibt Sinn.«

»Woher wisst Ihr dann, was das Rätsel ist?«

»Weil es in der Wand eingraviert ist.«

Der Barbar unterbrach, um sich die Stelle, auf die der Prinz zeigte, anzusehen. Er kniff die Augen zusammen, als er erkannte, dass die Inschriften auf der Wand lesbar waren. Obwohl sie immer noch in Dutzenden von Sprachen geschrieben waren, konnte er die Worte in der Hochsprache finden.

»Ich treibe die Menschen in den Wahnsinn«, las Tryam laut vor. »Aus Liebe zu mir, leicht zu besiegen, niemals frei. Was bin ich?«

Skharr verzog das Gesicht und legte nachdenklich den Kopf schief. Er hatte Rätsel schon immer gehasst. Sie enthielten immer eine Wendung, die er nie begreifen konnte. Er war sich bewusst, dass er nicht unbedingt sehr schlau war. Diese Rätsel waren immer für jemanden mit einer besonderen Intelligenz, die ihm fehlte, gedacht.

Er drehte sich zu seinem Begleiter. Der Prinz schien ein Junge, der zumindest einen Teil seiner Zeit mit Lesen und der Weiterbildung seines Verstandes verbracht hatte, zu sein.

»Wisst Ihr, was das bedeutet?«, fragte Tryam.

»Was? Ich dachte, Ihr würdet es wissen. Ihr seid doch derjenige, der solche Dinge aufspürt und liest.«

Der Junge zuckte mit den Schultern. »Dieses habe ich noch nie gehört.«

»Dann denkt gut nach. Wir müssen die Antwort finden, wenn wir die erste Prüfung überstehen wollen.«

Sie verweilten an der Stelle und betrachteten es schweigend. Skharr kamen zu viele Antworten in den Sinn und beschloss bedauernd, dass Menschen zu leicht in den Wahnsinn getrieben wurden. Die zweite Hälfte des Rätsels gab zwar ein paar Hinweise, aber ihm fiel nichts ein, was speziell nur auf sie und nichts anderes hinwies.

»Mir fällt die Antwort nicht ein«, flüsterte der Prinz. »Ich hasse kurze Rätsel. Sie sind immer zu vage und klingen nur dann klug, wenn man die Antwort schon kennt.«

Skharr nickte. »Ja. Wir können hier warten, bis etwas passiert oder wir finden die Antwort. Natürlich können wir auch weitergehen, da es nur ein Hinweis auf das ist, was wir brauchen, oder?«

Tryam musterte die Inschrift noch ein paar Mal. Der Barbar nahm an, dass er in den anderen Sprachen, die er lesen konnte, nach weiteren Hinweisen suchte. Jedoch war ein Seufzer der Frustration ein klares Zeichen dafür, dass sie ebenso vage wie die Worte in der Hochsprache waren.

»Ich denke, dass wir weitergehen müssen«, flüsterte er und fuhr sich mit den Fingern durch sein langes schwarzes Haar. »Hoffentlich finden wir die Antwort, wenn wir sie brauchen.«

Sein Begleiter schmunzelte. »So sollte man es machen. Man kann sicherlich ein Verlies überleben, indem man einfach hofft, dass man die Antwort auf ein Rätsel nicht braucht.«

»Habt Ihr eine bessere Idee?«

»Nein, aber ich bin lediglich realistisch, was unsere Überlebenschancen angeht.«