Kapitel 23

D ie ersten Schritte, die Tryam auf die Brücke setzte, fühlten sich seltsam an. Bald würde er sich dem, was vor ihm lag, allein stellen müssen, weshalb es sich wie ein Betrug anfühlte, dass Skharr so dicht hinter ihm auf der Brücke lief. Dennoch war er froh, den Barbaren so lange wie möglich an seiner Seite zu haben.

Er ging an den Rand und spähte in die pechschwarze Tiefe. Der Abhang war hunderte von Metern tief und ein Sturz würde ihn mit Sicherheit umbringen. Ohne nachzudenken, stieß er einen kleinen Stein herunter und lauschte, wann dieser nach seinem Sturz in die Dunkelheit auf dem Boden aufkam.

Der Stein kam nie auf, zumindest nicht, soweit er es beurteilen konnte.

»Natürlich«, flüsterte der Prinz. »Warum sollte man es sich auch leicht machen?«

»Wenn es keinen Bedarf für eine Brücke gäbe, gäbe es auch keine«, kommentierte Skharr bissig. »Was würde es schon ausmachen, wenn Ihr beim Aufkommen sterbt oder kurz danach, da jeder Knochen in Eurem Körper zu Staub geworden ist?«

Die Brücke war nur zwei oder drei Schritte breit und die fehlenden Geländer auf beiden Seiten sowie die drohende Finsternis, die sich vor ihm ausbreitete, verdrehten seinen Magen nur noch mehr. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, während er darauf wartete, dass etwas schiefging. Das tat es immer. Er befand sich in einem Verlies und es war unvorstellbar, dass nicht irgendetwas auf sie warten würde.

Nur Stille schlug ihm entgegen. Nach ein paar weiteren Schritten blickte er über seine Schulter und erkannte plötzlich, warum die Dunkelheit um ihn in der Luft schwebte. Ein leichter Nebel lag in der Luft, und zwar war er nicht dicht genug, um sichtbar zu sein, aber er blockierte dennoch das von den Wänden kommende Licht. Aufgrund des Nebels wurde der Eindruck in ihm geweckt, dass er sich im Zentrum von etwas befand und völlig auf sich allein gestellt war.

Wenn Isolation die Lektion sein sollte, dann war sie ihm sicherlich unter die Haut gegangen.

Der Prinz hatte das Gefühl, dass er den Verstand verlieren würde, wenn er noch länger auf dem Bauwerk verweilen müsste. Als er dann ein Geräusch von etwas, das sich näherte, hörte, hieß er es fast willkommen. Zuerst fragte er sich, ob ihnen etwas gefolgt war, aber bald wurde ihm klar, dass es von vorn kam.

Tryam zog sein Schwert und hielt es mit beiden Händen fest.

»Seid Ihr ein wenig nervös, Jungchen?«, fragte Skharr.

»Ihr nicht? Wegen diesem Nebel ist es schwierig, mehr als nur ein paar Schritte vor uns zu sehen.«

Der Barbar nickte und seine Hand lag bereits auf seinem Schwertknauf. Das beunruhigende Scharren von etwas Hartem und die Schritte nackter Füße kamen immer näher.

Eine Bewegung im Nebel war die letzte Warnung und der Krieger zog schnell seine Klinge.

Der Prinz hatte schon Bilder von den Monstern, welche nun in ihre Sichtweite getreten waren, gesehen, aber er hatte nie erwartet, einem persönlich zu begegnen. Troglodyten galten seit Jahrhunderten als ausgestorben. Die Schädlinge lebten tief unter der Erde und waren nicht nur für Zwerge lästig, sondern auch für Kobolde und andere Kreaturen, deren Lebensraum unterirdisch war.

Alles, was er gelesen hatte, schien wahr zu sein. Die Ungeheuer besaßen nur begrenzte Intelligenz und ihre Existenz weit weg von der Sonne hatte dazu geführt, dass sie ohne oder nur mit kleinen, nutzlosen Augen lebten. Sie waren völlig nackt und ihre Haut war blassgrün. Ihr Körper war sehr breit und ihre Beine so kurz und krumm, dass ihre langen Arme bis zum Boden hingen. Die dicken, scharfen Krallen schabten beim Gehen über die Brücke.

»Ein kleiner Stamm«, flüsterte Tryam und nickte entschlossen. »Wahrscheinlich sind sie nicht Teil des Verlieses selbst, sondern haben sich Zutritt verschafft, nachdem sie aus ihrer früheren Heimat vertrieben wurden. Meint Ihr nicht auch?«

»Das ergibt Sinn.« Skharr sah ihn neugierig an. »Ihr wisst, wie sie heißen?«

»Troglodyten. Habt Ihr noch nie welche gesehen?«

»Diese fauligen Geschöpfe habe ich zumindest nicht höchstpersönlich angetroffen. Ich dachte, sie seien ausgestorben.«

»Anscheinend nicht.« Der Mann hatte mit dem fauligem Geruch recht. Er hatte wahrscheinlich einen besseren Geruchssinn als die meisten, denn er hatte es ein paar Sekunden vor Tryam gerochen. Der Gestank war überwältigend. »Beim Aufspüren ihrer Beute sind sie immer auf ihr Gehör und ihren Geruchssinn angewiesen.«

»Also, sollten wir …«

»Mit dem Reden aufhören, ja.«

Der Barbar trat um ihn herum und achtete darauf, ihn nicht über den Rand zu stoßen, bevor er auf die Gruppe zuging. Anscheinend hatte er nichts dagegen, ihre Position zu ihrem Vorteil zu nutzen. Er stieß mit gesenkter Schulter vorwärts, um ein paar von ihnen zu erwischen und herunterzustoßen, bevor sie seinen Angriff überhaupt bemerkten. Die Kreaturen gaben keinen Laut von sich, als sie herunterfielen und die verbleibenden Gegner versuchten, sich zu revanchieren. Sie strahlten keinerlei Verzweiflung aus, als ob der Verlust von ein paar ihrer eigenen Leute kein Problem wäre und man nicht weiter darüber nachdenken müsste.

Als sein Gefährte das Gleichgewicht wiedererlangte, trat Tryam vor ihn, um ihm Deckung zu geben und stieß sein Schwert direkt in die nächste Kreatur. Als sein Schwert mit Leichtigkeit die Haut aufschnitt, fühlte es sich an, als würde er Leder zerschneiden.

Da der Gestank nun aus einer offenen Wunde kam, wurde er noch schlimmer und schien die anderen in den Wahnsinn zu treiben. Einige stießen ihre Kameraden über die Kante, als sie zum Angriff ansetzten und der Prinz wich ein paar Schritte zurück. Er schwang sein Schwert seitwärts, um den Kopf der vordersten Bestie abzutrennen. Dieser rollte von der Brücke und der kopflose Körper wurde von den Kreaturen hinter ihm ebenfalls hinuntergestoßen.

Skharr war wieder bereit und der riesige Barbar brüllte, als er in die Mitte der Gruppe rannte und sein Schwert wie eine Keule schwang, um die Kreaturen um ihn herum aufzuschneiden. Es war eine interessante Taktik und unerwartet effektiv, aber die Überlebenden versuchten, ihn anzugreifen, als er sein Momentum verlor.

Der Prinz trat vor sie, schnitt die Beine von einem ab und nutzte seinen Schwung, um mit seiner Schulter nach vorn zu stoßen und die beiden letzten Gegner über den Rand der Brücke zu werfen.

Tryam warf einen Blick auf den Krieger, der sich umsah und sich vergewisserte, dass keine weiteren auf der Brücke waren.

»Alles in Ordnung?«, fragte der jüngere Mann und strich sich ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Skharr betrachtete seine Arme, die mit ein paar Kratzern übersät waren. Auch sein Gambeson hatte Löcher, aber kein Treffer hatte tief genug geschnitten, um ihn ernsthaft zu verletzen.

»Ich komme schon klar, wegen ein paar Kratzer werden wir nicht anhalten.«

Er konnte ihm nur gehorchen und sie drängten mit gezogenen Waffen vor, während sie nach weiteren Angreifern, die auf sie zukommen könnten, Ausschau hielten.

Sie befanden sich in einer beunruhigenden Situation und er wusste, dass sein Begleiter ebenso empfand. Sie konnten an diesen Ort nicht lange verweilen.

Es erschienen keine weiteren Gefahren und sie sahen durch den Nebel endlich das Ende der Brücke. Tryam entspannte sich, als er sich von dem Bauwerk entfernte und auf ein kleines Stück flachen Bodens trat. Allerdings führte dieser Abschnitt direkt zu einer weiteren Brücke, die wesentlich kleiner war und aus Seilen sowie Holzplanken bestand.

Davor stand ein Totem, welches zwar nicht groß genug war, um den Weg zu versperren, aber das, was dahinter lag, verdeckte.

Er näherte sich vorsichtig und studierte die Schrift, die in den Stein gemeißelt war. Diesmal war sie nur in der Hochsprache geschrieben.

»Hier kämpft Ihr gegen Euren größten Feind«, las er laut vor. »Nur das, was Euch das Leben gegeben hat, ist erlaubt. Wenn Ihr diese Prüfung nicht besteht, werdet Ihr niemals bereit sein. Und Ihr werdet Eures Lebens beraubt.«

»Es reimt sich«, murmelte Skharr. »Warum reimen die sich immer?«

Der Prinz kratzte sich an der Wange. »Nun, das ist mal eine ordentliche Warnung, dass man sterben wird.«

»Stimmt.« Der Barbar zuckte mit den Schultern und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Brücke. »Ich kann Euch dabei nicht helfen. Das ist Eure Sache und nur Eure Sache. Außerdem sehe ich keinen anderen Ausweg, als werde ich so lange warten, wie ich kann. Wenn ihr in zwei Tagen nicht zurück seid, werde ich Euch so viel Essen und Trinken hier lassen, wie ich entbehren kann.«

Er konnte nicht mehr von dem Mann verlangen und nickte. »Skharr, es war mir eine Ehre. Ich brach mit zivilisierten Männern, denen es an Ehre mangelte, auf und ich traf auf einen ehrenvollen Mann, der von den meisten als unzivilisiert angesehen werden könnte. Trotzdem würde ich keinen anderen an meiner Seite haben wollen.«

Er streckte seine Hand aus und Skharr packte seinen Unterarm in einem kriegerischen Griff. »Ich möchte hier nicht allzu lange warten. Beeilt Euch, holt, was Ihr braucht und entkommt so schnell wie möglich.«

Tryam nickte erneut und wandte sich dem Totem zu, bevor er seine Rüstung Stück für Stück ablegte. Sobald diese entfernt war, folgte seine Kleidung.

»Was macht Ihr da?«, fragte der Barbar und sah weg.

»Nur das, was Euch das Leben gegeben hat, ist erlaubt«, antwortete der junge Prinz und zögerte, ehe er auch seine Unterwäsche auszog. »Das Leben hat mir nur diesen Körper gegeben. Alles andere wurde mir von anderen gegeben. Ich vermute, dass ich auch meinen Feind mitnehme. Denn der Feind in mir ist mein größter.«

»So kann man es auch sehen.« Skharr richtete seine Aufmerksamkeit auf die Brücke. »Ich hoffe nur, dass Ihr das richtig verstanden habt. Sonst werdet Ihr feststellen, dass Eure … ähm, Angelausrüstung als Erstes von jedem Monster, was auf Euch wartet, abgerissen wird.«

Diese Worte ließen ihn erschauern und er starrte sehnsüchtig auf sein Schwert. »Das könnte mich dazu bringen, gleich hier aufzugeben.«

Sein Begleiter lachte und schüttelte den Kopf. Er konnte nicht anders und musste mit ihm lachen.

»Diese Handabdrücke …« Der Barbar zeigte auf die Male auf dem Rücken und der Brust des Prinzen. »Sie sind magisch, oder?«

Tryam nickte. »Ja. Ich werde wissen, dass ich meine Prüfungen bestanden habe, wenn sie verschwinden.«

Durch ihr Lachen fühlte er sich etwas besser, aber es konnte ihm das beunruhigende Gefühl, den Elementen ausgeliefert zu sein, nicht nehmen.

»Kann ich Euch um einen letzten Gefallen bitten, Skharr?«

»Natürlich.«

»Erzählt niemanden, wie weiß mein Arsch ist.«

Der Krieger lachte abermals. »Diese Erinnerung werde ich viele Nächte lang ertränken müssen.«

Tryam lief um das Totem herum und betrat die Brücke. Er dachte sich, dass die Bezeichnung als Brücke fast schon eine Beschönigung war, während er vorsichtig auf den Holzplanken unter seinen Füßen lief und die Seile auf beiden Seiten ergriff, damit er sein Gleichgewicht halten konnte.

Das Gebilde wackelte bei jedem Schritt und er hatte Angst, dass ein Seil reißen würde, doch passierte dies nicht. Da er fest entschlossen war, konnte er das Bedürfnis zum Zurückblicken ignorieren und setzte einen Fuß vor den anderen. Es fühlte sich interessant an, sich allein auf den Weg zu machen. Während seiner Reise hatte er stets die Hilfe von anderen bekommen, aber nun war er vollkommen allein.

Es war belebend und beängstigend zugleich. Die Situation wurde noch dadurch verschlimmert, dass er eine sanfte Brise um seinen Genitalbereich herum spürte.

Schließlich erreichte er das Ende und stieg von dem wackeligen Gebilde ab. Er beschleunigte sein Tempo und näherte sich einer weiteren, flachen Ebene, die in der Nähe der Wand des höhlenartigen Raums lag.

Seine Freude über das Erreichen des Brückenendes verflog schnell, als er feststellte, dass es keinen weiteren Weg gab. Nachdem er seine Umgebung flüchtig gemustert hatte, entdeckte er einen kleinen Teich mit klarem Wasser jenseits der Ebene. Die Hoffnung, dass er im nächsten Abschnitt schwimmen könnte, wurde schnell aufgegeben, als er näher kam. Der Teich reichte ihm bis zur Hüfte und er entdeckte auch keinen neuen Pfad im klaren Wasser. Das Wasser floss zwar durch einen Spalt in der Wand hinein, aber dieser war nicht groß genug für ihn.

»Ich werde nicht mit meiner … äh, Ausrüstung fischen, so viel steht fest«, flüsterte Tryam und blickte zur Brücke. Der Nebel blieb dicht und versperrte ihm gänzlich jede Sicht, die er auf Skharr haben könnte.

Er schüttelte den Kopf und das Becken machte ihm bewusst, dass sein Mund trocken war. Eine rasche Überprüfung des Wassers ließ ihn wissen, dass damit alles in Ordnung war. Er probierte einen Schluck und stellte fest, dass es nach nichts schmeckte. Das war seltsam, da sauberes Wasser tief unter der Erde normalerweise einen stechenden, mineralischen Geschmack hat.

Dieses hatte keinen besonderen Geschmack, aber als er den ersten Schluck hinunterschluckte, schien sich etwas in seinem Körper zu verändern. Die Erschöpfung, die er bisher verspürt hatte, nahm plötzlich so stark zu, dass er ihr nicht mehr standhalten konnte. Er fiel auf die Knie und sein Kopf kippte nach vorn. Panisch suchte er nach etwas, an dem er sich festhalten konnte, ehe sein ganzer Körper in sich zusammensackte und er seine Augen nicht mehr offen halten konnte.

Der Traum war von Anfang an komisch. Er wusste sofort, dass es sich um einen Traum handelte und beim Umsehen stellte er fest, dass er sich in einem vertrauten Lehrraum befand. Überall an den Wänden hingen Waffen und der Boden war mit Bambus gepolstert, um das Gleichgewicht der Kämpfer zu verbessern.

Er war immer noch nackt. Eigentlich gaben Träume einem Kleidung, wenn man es denn wollte, aber es passierte nichts, als er seinen Körper betrachtete und daran dachte. Es war, als befände er sich im Traum eines anderen. Die Seltsamkeit des Traumes war schwer begreifbar, aber, bevor er sich damit beschäftigen konnte, lenkten schwere Schritte seine Aufmerksamkeit auf sich.

»Heb’ dein Schwert auf, Junge!«, rief eine vertraute Stimme.

Tryams Blick fiel auf einen kräftigen Mann mit stämmigen Armen, der fast einen ganzen Kopf kleiner als er selbst war.

»Du willst jemand sein, Junge?«, forderte der Mann. »Du erscheinst ohne Kleidung zu meinem Unterricht und glaubst, ich lasse dich wie einen dummen Wurm davonkommen? Nimm’ dein Schwert in die Hand oder ich töte dich, du hirnloses Schwein!«

Er erinnerte sich an die Stimme des Mannes. Nur sein erster Lehrer sprach so mit ihm, wenn sie allein waren und ihn niemand stoppen konnte. Er rief sich die unbarmherzigen Stabschläge des Mannes ins Gedächtnis zurück. Der Mann hatte ihn immer weiter geschlagen, selbst als er ihn um Gnade flehte.

Als er am nächsten Tag aufwachte, war der Mann aus der Villa verschwunden und durch einen viel freundlicheren Lehrer ersetzt worden. Sein neuer Lehrer konnte ihm auch viel mehr lehren.

Tryam zog eine Grimasse und griff nach seinem Schwert. Es war zwar ein Traum gewesen, aber all seine alten Gefühle lebten wieder auf. Er durchlebte nochmals diese Angst, spürte die heißen Tränen über seine Wange laufen, keuchte und brauchte fünf oder sechs Anläufe, bis er die Worte richtig aussprechen konnte.

»Sprich’ deutlich, du nutzlose Made!« Der Lehrer nahm ein Holzschwert vom Ständer und trat in die Kampfhalle. »Ich werde meine Zeit nicht mit einer wertlosen Kreatur, die nicht einmal ihren eigenen Namen sagen kann, verschwenden!«

Der Gedanke, dass er sich wieder in diesem Raum befand, war beunruhigend. Er hatte diese Erinnerung fast vergessen. Seine Hände fanden kein Schwert zum Ziehen, als der Ausbilder immer näher kam.

Seine Ohren klingelten und seine Wange schmerzte von dem Schlag. Er fiel schwer zu Boden und Tränen rannen über den anschwellenden Bluterguss, der sich an der Stelle, an der er mit der vollen Wucht der Übungswaffe ins Gesicht geschlagen worden war, bildete.

»Beweg’ deinen faulen Arsch!«

Sein Herz pochte. Sein gelerntes Wissen kam ihm zu Hilfe und er schaute instinktiv auf sein Schwert, das auf dem Ständer vor ihm war. Er könnte den Mistkerl endlich töten, indem er sein hölzernes Schwert in zwei Hälften zerschnitt und die stählerne Klinge in seinem Bauch rammte. Dann könnte er zusehen, wie er ausblutete und um Gnade bettelte.

Die Wut in ihm wuchs rasant und ehe er sich versah, hatte er die Klinge in der Hand und auf seinen Lehrer, der sie anscheinend nicht sah, gerichtet.

Nur das, was Euch das Leben gegeben hat . Seine Gefühle erlangten die Kontrolle über ihn. Er sah das Schwert an.

»Willst du einfach nur wie ein jammernder Ziegenficker dastehen oder wirst du handeln?«

Nur das, was Euch das Leben gegeben hat . Sein Schwert wurde nicht vom Leben zur Verfügung gestellt. Er schüttelte den Kopf, widerstand seiner inneren Wut und ließ die Klinge zu Boden fallen.

»Ich wusste schon immer, dass du ein nutzloser Haufen Hundescheiße bist.« Der Lehrer hob seine Waffe und schwang sie. Eine Ruhe überkam Tryam, als er seine Hand ausstreckte und die Waffe stoppte.

»Ich bin nicht schwach«, flüsterte er und hielt das Schwert fest, während der Mann versuchte, die Übungsklinge zurückzuziehen. »Ich war nie schwach. Du warst derjenige, der einem kleinen Jungen Angst einflößen musste. Aber meine Gefühle kontrollieren nicht mehr mein Herz. Ich herrsche über sie. Ich herrsche über dich.«

Er drückte das Schwert mit seiner Hand zusammen und das Holz zersplitterte zwischen seinen Fingern.

Es fühlte sich plötzlich wie eine Prüfung an. Der Ausbilder fiel zurück.

»Du warst schon immer ein nutzloser Bursche«, schnauzte der Mann. »Keiner wird sich an deinen Namen erinnern. Das einzig Besondere an dir ist der betrunkene Samen, der in den Schoß deiner Hurenmutter gespritzt wurde. Sonst nichts. Du wirst nie etwas anderes als der Schatten deines Vaters sein.«

Die Worte waren ihm vertraut. Er erinnerte sich daran, wie der Mann sie gesagt hatte, als er die unerbittlichen Schläge ausgeteilt hatte. Sie klingelten in seinen Ohren, während sein Halbbruder sich zur Schau stellte.

»Ich werde nicht von dir beherrscht.« Tryam war immer noch wutentbrannt, aber jetzt gab diese Wut ihm Kraft, als er auf den Mann zuging. »Ich herrsche über dich. Nun knie nieder.«

Die Augen des Mannes füllten sich mit Angst und er ging leicht überrascht auf ein Knie. Das war also die Macht der Worte. Sie waren ihm vom Leben gegeben worden und es waren Worte, deren richtige Verwendung nur er kannte.

Der Raum löste sich auf und die Wut in seinem Körper verflüchtigte sich plötzlich. Die Prüfung war abgeschlossen, aber er befürchtete, dass es noch lange nicht die letzte war.