E r hatte nicht damit gerechnet, dass es so kommen würde, obwohl ihm klar war, dass es Widerstand von den Leuten, die ihm vom Besteigen des Throns abhalten wollten, geben würde.
Skharrs alte Bekanntschaft mit dem Vizekaiser war jedoch eine unerwartete Entwicklung. Tryam hatte den Mann noch nie so gesehen. Auch wenn er zugeben musste, dass sie sich noch nicht lange kannten, war das Hereinbrechen der Wut über den Barbaren ein erschreckender Anblick.
Allerdings hatte er jetzt seinen eigenen Kampf vor sich.
Die beiden Wachen hatten keine Skrupel, ihren Prinzen, der auch ihr Kaiser werden könnte, anzugreifen. Sie ließen von Skharr ab und konzentrierten sich mit Freude auf den Jungen.
Tryam beobachtete ihre Angriffe, parierte ihre Schläge mit schnellen Bewegungen und stieß sie weg, wenn sie auf seinen Hals, seinen Kopf oder seine Brust zielten.
Er ging eilig einen Schritt zurück, um nicht ausgeweidet zu werden und stürmte mit einem eigenen Angriff vorwärts.
Ein paar Wachen zogen sich zurück und griffen den Barbaren an, bevor dieser den Vizekaiser erreichen konnte.
Sie waren gute Kämpfer und gehörten in der Tat zu den Besten, aber sie waren auf die Art des Kampfes, der ihnen bevorstand, nicht vorbereitet. Der erste Mann wurde mit einem einzigen Schlag zu Fall gebracht. Der Schlag durchstieß die Rüstung, die der Mann trug, mit Leichtigkeit und schlitzte ihn von der Schulter bis zur Hüfte auf.
Skharr sprang zurück, um einer anderen Klinge, die gefährlich nahe an seinem Hals vorbeiging, auszuweichen. Er riss sein Schwert aus dem toten Mann heraus, schlitzte den Arm der zweiten Wache auf und trennte ihm so die Hand am Handgelenk ab.
Der Elitesoldat schrie auf und umklammerte den blutenden Stumpf, bevor sein Angreifer seinen silbernen Schwertknauf auf seinen Kopf schmetterte.
Das Schreien der Elite verstummte und sie sackte zu Boden.
»Es ist wohl das Beste«, murmelte Reyvan, während er den roten Mantel von seinen Schultern schob und fallen ließ. »Viele Jahre lang habe ich im Verborgenen gearbeitet und andere meine Arbeit machen lassen, aber sie selbst zu vollbringen, ist ein seltsam perverses Vergnügen. Ich habe es vermisst.«
Skharrs höhnisches Grinsen war abschreckend, als er sein Schwert schnippte, um das Blut davon zu entfernen und den Vizekaiser ins Visier nahm.
Reyvan war zwar schon etwas älter, aber er vermittelte dennoch den Eindruck eines Kriegers, während er etwas in einer fremden Sprache murmelte. Der Rubin seines Rings, den er am Mittelfinger seiner rechten Hand trug, begann plötzlich zu leuchten und er richtete ihn auf seinen Feind.
Tryam sprang zurück und wurde von dem, was mit seinem Freund geschah, abgelenkt. Der Feuerstoß des Rings lenkte auch die Aufmerksamkeit der beiden Wachen auf sich.
Er stellte fest, dass die anderen Truppen sich vom Thron entfernt hatten. Anscheinend waren sie damit zufrieden, dass das Geschehen ohne sie ablief.
Der feurige Strahl löste sich abrupt auf und der junge Prinz war überrascht, da Skharr in derselben Position verweilte und sein Schwert wie einen Schild vor sich hielt.
Der Barbar lachte und blickte auf seine Waffe. »Diese verzauberten Waffen sind wirklich nützlich, meinst du nicht auch?« Er vergnügte sich damit, den Mann glauben zu lassen, dass die Klinge dafür verantwortlich war und nicht das Amulett, das um seinen Hals hing. »Obwohl ich glaube, dass du viel schwächer bist, als ich es in Erinnerung habe. Ich nehme an, dass das Vergiften von Waffenbrüdern und -schwestern einem Mann einiges abverlangt. Was haben sie dir bezahlt, damit du uns verrätst, Reyvan? Dreißig Goldstücke? Eine magische Kugel?«
»Frieden«, schnauzte der Vizekaiser1. »Eine dumme Kröte wie du wird es wohl nicht verstehen, aber Frieden war alles, was sie mir anbieten konnten. Wie du siehst, gab es noch andere Vorteile. Aber letztendlich habe ich es getan, um das Kämpfen zu beenden.«
»Und du musstest lediglich eine Stadt opfern«, zischte er angewidert und schüttelte den Kopf.
»Ich habe Leben gerettet!«
Skharr lachte. »Ich frage mich, wie viele ich wohl retten werde, wenn ich deines nehme.«
Ein weiterer Feuerstrahl des Rings wurde ebenso leicht abgewehrt wie der erste. Der Vizekaiser starrte den Ring an und fluchte leise, während Skharr unerbittlichen weiter vordrängte.
Der Amtsträger trat den Rückzug an und winkte mit den Händen befehlend zur Decke.
Erneut kam Licht aus dem Ring hervor. Dieses Mal schoss es in die Höhe und traf das Tragwerk. Mit einem Donnern entstand ein Riss und Trümmer fielen auf den Barbaren herab.
»Verdammt noch mal!« Tryam rannte los, um seinem Begleiter zu helfen. Die beiden gegnerischen Wachen waren selbst so sehr abgelenkt, dass sie ihn nicht aufhielten, als er davonrannte.
Der Krieger stand keineswegs still, aber er war durch die stetig herabfallenden Marmortrümmer abgelenkt. Sein Feind nutzte die Ablenkung zu seinem Vorteil und griff den Mann wiederholt an, in der Hoffnung, ihn überrumpeln zu können.
Der Riese konnte zwar den meisten Brocken ausweichen, doch einer traf ihn mit voller Wucht, während er sich drehen musste, um einem großen Projektil und zwei weiteren magischen Strahlen auszuweichen.
Skharr stöhnte vor Schmerz auf, als er auf den Marmorboden geschleudert wurde. Tryam bemerkte, dass Skharrs Rüstung an der Aufschlagstelle versengt worden war und eine üble, rote Verbrennung auf seiner Haut hinterlassen wurde.
Die gleiche Wut, die der junge Prinz zuvor verspürt hatte, überkam ihn plötzlich und er biss die Zähne zusammen. Hitze stieg in ihm wie der Atem eines Drachens auf, als er auf den Zauberer zustürmte.
Der Krieger war zwar verletzt, aber nicht außer Gefecht gesetzt und sprang mit seinem Schwert immer noch in der Hand auf die Beine. Tryam griff nun den Vizekaiser an und überließ es seinem Begleiter, sich um die beiden Wachen, die den Prinzen töten wollten, zu kümmern.
Auch wenn er verwundet war, der riesige Barbar war nur schwer zu stoppen und beide Männer wurden umgeworfen, als er sich auf sie stürzte. Die Wucht des Aufpralls raubte ihnen den Atem, als er sich abrollte und wieder aufstand.
Es gelang ihm, eine der Wachen schnell zu töten, aber die andere stand bereits wieder und richtete nun ihre Aufmerksamkeit auf den Prinzen.
Der junge Prinz schaute finster drein, als der Vizekaiser ihn zurückdrängte. Was auch immer in Skharrs Schwert war, fehlte in seinem und die Hitze jedes Angriffs war beängstigend. Der ältere Mann ging einen weiteren Schritt nach vorn, da er seinen Mut wieder gefunden hatte.
»Du törichtes Kind!« Reyvan spuckte auf den Boden und drehte sich zur Seite. Diesmal traf eine unsichtbare Kraft den Magen des Prinzen, drückte ihm damit die Luft aus den Lungen und warf ihn zu Boden.
Tryam hatte sich in einen Kampf mit einem Zauberer gestürzt. Es war nicht seine weiseste Entscheidung gewesen, aber er rappelte sich hoch und atmete tief ein, als der Vizekaiser einen Dolch aus seinem Ärmel zog.
»Du hattest die Chance, an der Seite deines Bruders zu stehen und vielleicht eines Tages seinen Platz einzunehmen.« Der Mann betonte jedes Wort mit einem Energiestoß, der den Prinzen Schritt für Schritt zurückdrängte. »Aber stattdessen kämpfst du dagegen an. Wir werden einfach jemand anderen, der dich ersetzt, finden müssen.«
Er keuchte, als er die Wand hinter ihm spürte und der Zauberer ihn am Hals packte.
»Tryam, nein!«
Die dröhnende Stimme seines Begleiters lenkte den Vizekaiser für einen Moment lang ab. Der Prinz ging nach vorn und schwang sein Schwert in einem geschickten Bogen, um dem Mann die Hand abzutrennen.
Reyvan schrie auf und taumelte zurück, ehe er auf seine andere Hand, in der er immer noch den Dolch hielt, blickte. Weil er zu nahe war und sich zu schnell bewegte, konnte sein Ziel ihn nicht aufhalten, den Angriff zu blocken oder gar ausweichen.
Der Prinz spürte, wie sich die Spitze des Dolches in seine Seite bohrte. Jedoch blieb es nur bei der Spitze. Eine große Hand hatte die Waffe gegriffen und sie daran gehindert, weiter einzudringen.
»Nun, du tollwütiger, magischer, seelenaussaugender Arschkriecher, lass’ mich dir die gleiche Freundlichkeit zeigen, die du mir gezeigt hast.« Skharr knurrte und verdrehte den Arm des Vizekaisers, bis er brach. Der Mann schrie abermals auf, aber verstummte plötzlich, als ein Schwert tief in seinen Rücken gerammt wurde.
Tryam lief um den Barbaren herum und konzentrierte sich auf die Wache, die hinter dem Riesen näher kam. Er hob sein Schwert, um den Schlag, der auf den Rücken des Kriegers gerichtet war, zu blocken und machte danach selbst einen geschickten Hieb.
Der Wachmann stoppte, fiel ein paar Schritte zurück und hielt seine Kehle, als Blut aus der Wunde zu fließen begann. Es floss über seine Brust und strömte sogar aus seinem Mund und seiner Nase, bevor er auf die Knie sank und seine Augen sich schlossen.
Skharr sah den Prinzen an, der lediglich mit den Schultern zuckte und das Blut von seinem Schwert wischte.
Es war unfair, dass die Waffe des Kriegers sich anscheinend selbst reinigte, aber das war im Moment nicht wichtig. Er fragte sich, ob es einen Trick gab, den er lernen könnte.
»Das habt Ihr gut gemacht«, bemerkte der Mann und hielt seine Waffe bereit, während er die anderen Wachen musterte.
»Ich bin nun einmal ein schneller Lerner«, antwortete Tryam und verzog das Gesicht wegen der rautenförmigen Wunde in seiner Hüfte. »Ich hätte mich allerdings noch schneller verbessert, wenn ich einen besseren Lehrer gehabt hätte.«
Sein Begleiter öffnete den Mund, um etwas einzuwenden, zuckte aber mit den Schultern und gab zu, dass er recht hatte.
Der Prinz schaute zum Thron, wo sein Bruder immer noch stand und unsicher zu sein schien, was er als nächstes tun sollte. Er hatte seinen Abstieg auf halbem Wege gestoppt und zögerte, als Tryam die Stufen zu ihm hinaufstieg.
Als er näher kam, starrte Cathos auf sein Schwert, biss die Zähne zusammen und versuchte, seinen Mut zu sammeln. Allerdings stolperte er und fiel schwer zu Boden, bevor er wieder zum Thron krabbelte.
»Ich werde dich nicht töten, Bruder«, sagte der Prinz leise und steckte seine Waffe in die Scheide. »Du bist kein schlechter Mensch. Wahrscheinlich warst du es auch nie, aber du bist nicht der richtige Mann, um dieses Land zu führen. Tritt zurück und werde jemand, dem nicht wegen seines Vaters Respekt und Vertrauen geschenkt wird, sondern durch sein eigenes Handeln. Er…« – der Junge deutete auf den toten Vizekaiser – »hat höchstwahrscheinlich unseren Vater getötet und hätte dich als seine Marionette benutzt, um dieses Land zu regieren.«
Er bot schweigend seine Hand an. Nach kurzem Überlegen nahm Cathos sie an und stand langsam auf. Er ging die Stufen zu Skharr hinunter, der neben Reyvans Leiche stand.
Cathos starrte den Leichnam kurz an, bevor er mit Leidenschaft auf ihn spuckte.
»Ich war ein Narr«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. »Ich werde kein zweites Mal ein Narr sein.«
Sein Bruder nickte und richtete seinen Blick auf den Thron über ihm. Dem Thron so nahe zu sein, fühlte sich nicht echt an. Er holte tief Luft, stieg alle Stufen hinauf und stellte sich vor den verzierten Sitz.
Er zögerte einen Moment, bevor er sich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck umdrehte, sich auf dem Thron niederließ und schließlich in den Raum vor ihm schaute.
»Erlaube mir, Bruder«, sagte Cathos, während er die Stufen hinaufeilte. Er nahm die Krone ab und setzte sie behutsam und ehrfürchtig auf Tryams Kopf.
»Lang lebe der Kaiser«, sagte er.
»Lang lebe der Kaiser!«, wiederholten die Wachen mit einem Brüllen.
Skharr schmunzelte und schüttelte den Kopf, als Dutzende von Bediensteten hereinströmten. Sie hatten gewartet, bis das gewalttätige Gefecht endete und begannen schnell damit, den Raum zu säubern und das Chaos des Kampfes zu beseitigen.
Andere jubelten laut und feierten eine relativ friedliche Thronfolge.
Er wandte seine Aufmerksamkeit dem toten Zauberer zu und zog den Dolch, den die Elfin ihm vor Betreten des Turms gegeben hatte.
»Ich habe es dir gesagt«, sagte er kalt, ließ sich auf die Knie fallen und krempelte den linken Ärmel des Zauberers bis zum Ellbogen hoch. Dies legte eine Tätowierung eines sich aufbäumenden Pferdes auf seiner Haut frei. »Nur würdige Leute verdienen ein ehrenvolles Begräbnis. Sie haben dir vertraut und ich habe auf ihre Gräber geschworen, dass ich für sie Rache üben werden.«
Er schob das Messer unter Reyvans Haut. Es zerschnitt sie erstaunlich gut und die Tätowierung war schnell abgetrennt. Er nahm das Stück Haut und schleuderte es so weit wie möglich weg.
»Mein Versprechen wurde eingehalten.« Er gab dem toten Mann einen Klaps auf die Wange. »Genieße die Folter des Jenseits. Niemand hat sie mehr verdient als du.«