Am Ende drehte Catherine Shuggie das Handgelenk um und zerrte ihn die Renfield Street hinunter. Der Junge war an fast jeder Ecke stehengeblieben, um schweigend zu protestieren und ihr zu zeigen, wie wenig er mitkommen wollte. Hatte sich wortlos auf die Schnürsenkel gestellt, sie listig angesehen und langsam die Schleife aufgezogen.
»Das machst du extra, verdammt noch mal!«, knurrte Catherine und bückte sich, um ihm zum vierten Mal in zehn Minuten die Lederschuhe neu zu binden.
»Tu ich nicht«, sagte Shuggie mit einem zufriedenen Lächeln. Er nahm einen der Liebesromane seiner Mutter aus der Anoraktasche und legte ihn auf Catherines Kopf, als wäre sie ein Tischchen. Dann fing er zu lesen an. Als Catherine sich aufrichtete und ihm das Buch wegnahm, platzte ihr der Kragen, und sie schlug ihrem Bruder mit dem dicken Buch von hinten an die Beine. Sie packte ihn wieder am Handgelenk. »Wenn wir den Bus verpassen, dauert es ewig, bis der nächste kommt, und wenn du dann rumjammerst: ›Ich hab Hunger, ich hab Durst, ich bin müde‹ …« Sie machte sein Geheul nach. »Denk bloß nicht, dass ich Mitleid mit dir habe.«
»So klinge ich überhaupt nicht«, schnaubte Shuggie und rannte im Laufschritt neben seiner Schwester her. Er wand seinen Arm aus ihrem Griff. Sie blieb stehen und drehte ihren Bruder zu sich um. »Shuggie. Ich dachte, wie wären Freunde. Du und ich.« Ihr Gesicht sah nicht besonders freundlich aus.
Er schnaubte. »Dein Freund will ich überhaupt nicht sein.«
Sie nahm sein Kinn in die Hand und drehte sein Gesicht sanft zu sich; sein Blick folgte widerwillig. Dann fuhr sie mit den Fingern seinen ordentlichen Scheitel nach und kämmte sein dickes schwarzes Haar so, wie es Agnes gefiel. In den letzten zwei Jahren in Pithead war der Junge ziemlich gewachsen. Es war schwer zu beschreiben, aber irgendwie war er größer geworden und gleichzeitig geschrumpft, wie Brotteig, den man zu dünn auseinanderzog. Sie sah ihm an, dass er tief in sich versunken war, dass er wachsamer und zurückhaltender war. Er war fast acht, und oft wirkte er viel älter.
»Also, wenn wir da sind, will ich, dass du dich von deiner besten Seite zeigst.« Höflich lächelte Catherine ein älteres Ehepaar in bunten Regenjacken an. »Bitte, tust du das für mich? Ich sitze echt in der Tinte, und ich bitte dich nur um ein bisschen Hilfe.« Sie sah in sein kleines Gesicht mit den geschürzten Lippen und fand, dass er aussah wie eine störrische alte Frau. Resigniert ließ sie die Hände sinken. »Na gut. Du hast gewonnen. Wie immer. Aber ich sag dir eins, wenn du Mammy erzählst, wo du heute mit mir warst, dann stirbt sie. Hast du gehört? Sie stirbt!«
Mit finsterer Miene sah er sie von untern herauf an. »Wie?«
»Shuggie, wenn du es ihr erzählst, dann trinkt sie noch viel mehr, und dann kann sie nie mehr aufhören.« Catherine richtete sich auf und öffnete ihr Portemonnaie; es war cognacbraun mit einem gemalten Kamel, ein Geschenk von Wullie an ihre Mutter. Sie zählte genug Münzen für zwei Busfahrkarten ab. »Sie trinkt so viel, dass sie sich alles Gute aus dem Herzen spült. T’chut. Und wenn das passiert, glaube ich nicht, dass Leek je wieder mit dir redet.« Mit einem satten Schnappen schloss sie das alte Lederportemonnaie, und ihr Gesicht hellte sich auf. »Oh, schau! Da kommt der Bus.«
Im Oberdeck lutschten sie saure Drops und drückten sich die Nasen an der Frontscheibe platt. Der Bus fuhr in einem Bogen über den Clyde, und Catherine zeigte auf das Gerippe des Flusses, die ausrangierten Kräne. Sie erzählte ihm, dass Donald Junior bei der Werft entlassen worden war, dass er nach Afrika gehen wollte, um zu arbeiten.
»Bete für mich, Shuggie …«, flehte sie.
»Ich hab eine lange Liste. Ich setze dich drauf«, lispelte er, mit dem Drops in der Backentasche.
Catherine konnte sich gut vorstellen, dass ihr Bruder mit aller Kraft für viele Dinge betete. Sie zupfte sich ein Stück Haut vom Daumen und bekam wieder Angst, dass sie das Falsche tat. Seit Shug ihre Mutter verlassen hatte, versuchte sich Catherine einzureden, dass es nicht ihre Schuld war. Es funktionierte nur selten, aber ihre egoistische Seite ließ sich trotzdem nicht davon abbringen. Es war nicht fair: Nur weil ihre Mutter ihren Mann verloren hatte, warum sollte Catherine ihren aufgeben?
Als sie aus dem Bus stiegen, kamen sie an identischen braunen Reihenhäusern vorbei, jedes mit einem Gartenzaun und einem Vorgarten. In keinem der Vorgärten standen Blumen. Irgendwann betrat Catherine einen kleinen Gartenweg und öffnete, ohne zu klopfen, die schwere braune Haustür. Sie trat in den Flur fremder Leute und winkte ihren Bruder hinter sich her. Shuggie hatte das Haus noch nie gesehen; es machte ihm Angst, dass Catherine sich hier zu Hause zu fühlen schien.
Im Haus war es warm, als wäre der Zähler voller Münzen, und es duftete behaglich nach Bratkartoffeln und Sonntagsbraten. Catherine setzte sich auf eine mit Teppich ausgelegte Treppe, die in den ersten Stock führte. Sie zog Shuggie den Anorak aus und hängte ihn ans Geländer. Shuggie hörte, dass in verschiedenen Zimmern Fernseher liefen. Im vorderen Zimmer lief das Derby, und von oben kam das Tröten und Quieken von Zeichentrickserien. Catherine rückte seine Krawatte zurecht und gab ihm einen Kuss auf die kalte Wange. »Benimm dich, okay?«
Sie führte ihn nach hinten ins Haus, wo ein warmes Esszimmer über eine Durchreiche mit einer schmalen Küche verbunden war. Als sie das Zimmer betraten, drehten sich sechs oder sieben Erwachsene, die Shuggie nicht kannte, gleichzeitig um und lächelten sie an. Catherine ließ die Hand ihres Bruders los und ging zu einem Mann, der wie Donny Osmond aussah. Sie küsste ihn flüchtig auf den Mund.
»Wir haben uns schon gefragt, wo ihr bleibt«, sagte er und strich ihr mit der Rückseite der Finger sanft über die kalten Wangen.
»Versuch du mal, ihn durch Innenstadt zu schleppen, wenn es so voll ist.« Sie drehte sich zu ihrem Bruder, der noch in der Tür stand. »Shuggie, steh nicht rum, komm her und begrüß deinen Onkel Rascal.«
Als Shuggie näher trat, wurde ihm von der Wärme und dem Duft des Schweinebratens schwindelig. Er schlang den Arm um Catherines Bein, während sie ihm die Erwachsenen vorstellte, die dicht gedrängt an der Glastür standen, Zigaretten rauchten und den Rauch rücksichtsvoll hinaus in den Garten bliesen. Die meisten Namen vergaß er sofort wieder. Dann drehte sie den Jungen zu einem Sessel in der Ecke. »Das ist dein Onkel Rascal.« Sie gab ihm einen kleinen Schubs. Shuggie streckte höflich die Hand aus und schüttelte die Pranke des älteren Mannes.
Die Erinnerung an seinen Vater war so verschwommen, dass er kurz dachte, er könnte es sein. Sie hatten die gleichen roten Wangen und den gleichen dichten zu einem Halbmond gestutzten Schnurrbart. Der Mann sah aus wie ein Foto, das Shuggie einmal gesehen hatte, in einer Schublade unter der Unterwäsche seiner Mutter, nur dass der Mann hier volles Haar hatte, soßenbraun gefärbt, aber trotzdem echt und dick und sein eigenes.
Rascal drückte Shuggies Hand, bis sie wehtat. »Viel zu lange her, kleiner Mann! Schreckliche Sache, dat Ganze.« Er lächelte. In seinen Augen glänzten glückliche Sterne.
Dann stellte Catherine Shuggie dem Mann vor, den sie geküsst hatte und der wie Donny Osmond aussah. »Das ist Donald. Du erinnerst dich an ihn, oder? Also, Donald und ich, wir werden heiraten.«
Der Junge sah zu ihr hoch. »Krieg ich dann Torte?«
Donald trat vor und schüttelte ihm die Hand. Er sah aus, als hätte er sich das braune Haar nach oben gebürstet wie die Kappe eines glänzenden Champignons. Er war rosa und fleischig und sah freundlich aus. Auch er drückte dem Jungen die Hand. »Ich sehs. Ich sehs echt. Ich kann echt die Ähnlichkeit sehen«, sagte er mit dröhnender Stimme.
»Tut mir leid, dass es keine großen Schiffe mehr gibt, die du zusammenbauen kannst«, sagte Shuggie ernst.
»Macht nichts, kleiner Mann«, sagte Donald. »Kommst du uns in Afrika besuchen?«
Catherine funkelte Donald böse an, dann hob sie ihren Bruder hoch und setzte ihn auf die Durchreiche zur Küche. Auf dem Herd blubberten verschiedene Töpfe, und in der Ecke stand eine echte Fritteuse, in der Kartoffelschiffchen vor sich hin brutzelten. Catherine stellte ihn Donalds Mutter, seiner Tante Peggy, vor. Alles an Tante Peggy war klein und spitz, von den glücklichen Augenwinkeln bis zu den rosa Spitzen ihrer Ohren. Catherine flüsterte Shuggie ins Ohr, und der Junge wiederholte: »Danke. Dass ich. Zum Essen. Hier sein darf. Tante. Peggy.«
»Und, wo ist er?« Catherine setzte ihren Bruder auf dem Boden ab. »Ich hab für ihn Lügen erzählt und den Jungen durch die ganze Stadt gezerrt. Willst du mir sagen, dass er nicht da ist?«
Shuggie spürte einen Schmerz im Nacken, den Schnipser eines dicken breiten Fingernagels, wie es Gerbil McAvennie bei ihm machte, wenn Father Barry nicht hinsah. »Auu!«
»Du sollst mir nicht den Rücken zudrehen, wenn ich da bin, Sohn.« Der Mann im schwarzen Anzug füllte den Türrahmen aus, nicht in der Höhe, sondern in der Breite. Shuggie sah ihn argwöhnisch an. Da waren wieder der dichte Schnurrbart und die hellen Augen von dem Foto. Der Mann hatte ein rotes Gesicht, und unter den dünnen braunen Strähnen, die er sich über den Kopf gelegt hatte, sah sein Schädel frisch geschrubbt aus. Seine Nase war zierlich und schmal, nicht wie der Campbell-Zinken, und seine Augenbraunen waren gerade und dunkel und verbargen das Zucken seiner Augen. Shuggie musterte ihn und hätte am liebsten sein eigenes Gesicht betastet, um zu prüfen, ob er dieselben runden rosa Wangen hatte, denselben dichten Haarwuchs auf der Oberlippe.
Hinter dem Mann stand eine Frau, die Hände sittsam vor dem Bauch verschränkt, und wartete, dass er sie vorstellte. Shug drehte den Ring an seinem kleinen Finger. »Willste deinen alten Herrn nich umarmen?«
Shuggie hatte seinen Vater lange nicht gesehen. Wenn Shug raus nach Pithead gekommen war, hatte er immer darauf geachtet, dass die Kinder schon schliefen. Shuggie klammerte sich ans Bein seiner Schwester. Catherine sprach für ihn. »Er ist schüchtern, Shug. Kein Wunder, wenn du dem Kleinen erst mal eins überziehst.«
»Das ist das Bain-Motto. Schlag zu, bevor sie dich schlagen.« Er ging in die Hocke, und Shuggie hörte das schwere Rasseln und Klimpern der vielen Silbermünzen in seiner Tasche. »Mir gefällt deine Krawatte. Sehr fesch. Du brichst wohl schon Herzen wie dein alter Herr?« Hinter ihm geriet etwas in Bewegung, und die Frau, die gewartet hatte, trat nach vorn.
»Ich schwör, wenn Derby is, unterwegs zu sein, is immer ne schlechte Idee«, sagte die Frau. Sie sah müde aus und hatte Krähenfüße um die Augen, als sie sich zu einem Lächeln zwang. Sie war ein Stück kleiner als sein Vater, was hieß, dass sie sehr klein war. Ihr Haar war ganz kurz geschnitten, und Shuggie sah überall ihre grauen Ansätze. Sie trug eine Damenhose und einen schlichten Pullover mit V-Ausschnitt und dem Pringle-Löwen auf der Brust. Shuggie fand, sie sah aus wie eine der Frauen von der Essensausgabe in der Schule, die nach der Mittagspause an den Mülltonnen rauchten.
Catherine trat vor, ohne zu lächeln. »Nett, dich kennenzulernen, Joanie.« Sie sah nicht so aus, als käme es von Herzen. Die beiden Frauen schüttelten sich die Hand, dann stießen sie zu einer ungelenken, nervösen Umarmung zusammen.
Shuggie war fassungslos, und offenbar stand sein Mund offen, denn Catherine warf ihm einen strengen Blick zu. Sein Vater saß immer noch in der Hocke, er ließ seinen Sohn nicht aus den Augen und grinste dabei, als amüsierte er sich gut. Shuggie zog an Catherines Bluse. Als sie sich zu ihm beugte, flüsterte er hinter vorgehaltener Hand: »Caff, das ist die miese Joanie. Du sollst die nicht mögen. Das ist die Hure, die sich meinen Daddy geschnappt hat.«
»Sag hallo zu deiner neuen Mutter«, lockte Shug, immer noch grinsend. »Komm, lass dich von deiner neuen Mammy in den Arm nehmen.«
»Nein. Manche von uns wissen, auf welcher Seite das Brot gebuttert ist«, sagte Shuggie und wich zwischen den Beinen des Verräters zurück. Er wusste selbst nicht, wo er den Ausdruck herhatte, wahrscheinlich von ihr, wenn sie am Telefon herumschrie.
»Pfft. Bald brauchst du ne neue Mammy, Shuggie. Die alte ist reif fürn Schrottplatz.« Shugs Knie knackten, als er ächzend aufstand. »Oder fürs Eastern Hotel, wenn sie so weitermacht.«
Joanie winkte dem Jungen nur zu. Dann hielt sie ihm eine Papiertüte hin. »Achte nicht auf den, Kleiner. Ich schwör dir, manchmal is sein Herz so leer wien irischer Kühlschrank am Donnerstag.« Sie kam mit der Tüte auf ihn zu, und die Tüte sah schwer aus. »Du kannst mich einfach Joanie nennen.« Sie warf einen Blick in die Tüte. »Unser Stephanie ist rausgewachsen, aber die Dinger sind noch wie neu, und ich habs einfach nicht übers Herz gebracht, sie wegzuwerfen. Willst du sie haben?«
Er schüttelte den Kopf, aber seine Lippen fragten: »Was ist das?«
Sie näherte sich und stellte die Tüte vor ihn auf den Boden, als würde sie ein scheues Tier füttern. Dann trat Joanie die Hure zwei Schritte zurück. »Du musst schon selber nachsehen.«
Sein Vater kam mit einem großen Glas Milch aus der Küche, und sein Schnurrbart hatte schon sahnige Spitzen. Er lehnte sich an die Wand und beobachtete, wie sich der Junge in die Ecke drückte. Shuggie wollte weg von der Tüte, wollte so tun, als interessierte sie ihn nicht, aber sie war zu verlockend, und er schlich gegen seinen Willen darauf zu. Zuerst berührte er mit der Fußspitze den Boden der Tüte, sie war wirklich schwer. Dann öffnete er mit einem Finger den Rand. Acht gelbe Räder leuchteten ihm entgegen. Seine Augen wurden groß wie Untertassen, als er den ersten Rollerskate aus der Tüte nahm.
»Ich weiß immer noch nicht, warum wir ihm nicht Andrews alten Lederfußball mitbringen konnten«, sagte Shug zu Joanie.
Die Rollerskates waren aus hummelgelbem Wildleder mit weißen Streifen und weißen Schnürsenkeln. Die Schnürsenkel waren durch ein Dutzend Ösen gefädelt, und die Stiefel reichten ihm fast bis ans Knie. Er liebte sie.
»Was sagst du zu Joanie?«, flüsterte Catherine ihm zu.
Er wollte so tun, als wären sie ihm egal. Er wollte die Stiefel zurück in die Tüte legen und zu Catherine sagen, dass sie jetzt gehen mussten. Er fühlte sich wie ein Verräter. Er war nicht besser als seine Schwester.
Tante Peggys Stimme schallte aus der Durchreiche. »Shug. Du glaubst nicht, was unser verlorener Sohn angestellt hat.«
Shug zwinkerte seinem Neffen zu, und dann zwinkerte er Catherine zu, auf eine Art, dass sie am liebsten die Hände über der Brust und dem Bauch verschränkt hätte.
Donald Junior lachte. »Nein! Nicht das, Onkel Shug. Ich habe Arbeit gefunden, gute, gut bezahlte Arbeit, wo ich mehr als vier Dutzend Männer unter mir habe.«
Shuggie trank den Rest seiner Milch aus. »Dabei hatte ich mich schon auf dich am Taxistand gefreut.«
»Vielleicht siehst du ihn doch noch an der Renfrew Street«, sagte Catherine, während sie Shuggie in die neuen Rollschuhe half. Sie drehte den Kopf und sagte über die Schulter zu Donald Junior: »Ich habe nämlich meinen eigenen Beruf, weißt du. Ich kann nicht einfach alles stehen- und liegenlassen und dir hinterherlaufen, als wäre ich dein Schatten.«
Shug sah, wie sie seinem Neffen zu drohen versuchte, und lachte. »Donny Boy! Du dachtest wohl, du hättest alles im Kasten, aber sieh dir an, wie die Katholiken auf die Barrikaden gehen.«
Donald Junior drehte sich zu seinem Onkel. »Es ist ne gute Position in den Palladium-Minen. Draußen in Transvaal, so heißt das, glaub ich. Die ham gesagt, sie nehmen fast alle Nieter von der Govan-Werft, fliegen uns da raus und finden uns Häuser. Die zahlen sogar nen Monat im Voraus. Yassss! Soooth Efrika. Boyeee.«
»Du bist also bald ein Kaffer-Master!«, sagte Shug und schob mit echtem Stolz die Unterlippe vor.
»Benutz so ein schreckliches Wort nicht vor dem Jungen«, sagte Catherine. Sie half ihrem kleinen Bruder auf die Füße und drehte ihn zur Tür. »Geh im Flur spielen. Und mach die Tür hinter dir zu.« Sie sahen ihm nach, wie er mit ausgestreckten Armen das Gleichgewicht suchte, die Finger nach oben gespreizt wie die Flügel eines hübschen Vogels. Shuggie drückte sich mit jedem Schritt zu einem eleganten Gleiten ab, aber die Stiefel blieben im hochflorigen Teppich stecken. Sie sahen zu, wie er mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht zum Flur stakste.
Shug saugte enttäuscht an den Zähnen. »Ich glaub ja nicht, dass der Junge von mir ist.«
Shuggie ließ die Arme sinken. Er hörte auf, über den Teppich zu gleiten. Plötzlich spürte er, wie schwer die alten Rollschuhe tatsächlich waren.
Shug wandte sich an Catherine und fragte: »Was, glaubst du, macht sie, wenn sie hört, dass ich ihn gesehen habe?«
Catherine sah Shuggie an, und sie sah, dass seine Wangen heiß wurden. »O nein. Wir dürfen ihr nie erzählen, dass er hier gewesen ist.«
Über Shugs Gesicht huschte ein gemeines Lächeln. Er hatte den herausfordernden Tonfall der Schulhofrowdys, wenn sie einen Streit anzetteln wollten. »Ach, komm schon. Soll er es ihr sagen.«
Mit einem Stoß schloss Catherine die Tür zwischen ihnen. Shuggie hörte noch, wie sein Vater in lautes Gelächter ausbrach. Dann hörte er, wie Catherine fragte: »Warum zum Henker sollte ich ihn mitbringen, wenn du so ein verdammter Fiesling bist?«
Shuggie verbrachte den Nachmittag damit, Streifen in den Flurteppich zu pressen, und versuchte mit aller Kraft, ihn kaputt zu machen. Er hörte, wie die Erwachsenen über etwas stritten, das sich wie Johannas Burg anhörte und das offenbar im Süden von Afrika war. Er hörte Catherine sagen, dass sie sich noch vor Weihnachten dort niederlassen wollten. Shuggie fragte sich, wie schwarze Leute waren, und warum sie Donald Junior brauchten, damit sie besser arbeiteten. Er fragte sich, warum seine große Schwester weggehen und ihn allein lassen musste.