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Lübeck
»D
er Staatsanwalt wird Anklage erheben«, sagte Willy. »Ein wenig Zeit kann ich euch noch verschaffen, aber danach wird das Präsidium den Fall zu den Akten legen. Was das für euch heißt, wisst ihr.«
»Ich mag Purzel nicht, aber er gehört nicht in den Knast, sondern auf die Couch beim Psychologen«, reagierte Arndt gereizt. »Die Indizien sprechen einfach gegen ihn.«
»Indizien sind nicht so stark wie ein Geständnis. Das solltest du wissen«, entgegnete Willy, aber Arndt kannte seinen Chef zu gut, um nicht zu erkennen, dass er mit der aktuellen Situation mindestens genauso unzufrieden war wie er. Aber am Ende waren auch ihm die Hände gebunden.
»Tom und Nele Blum sind vielleicht auf eine heiße Spur gestoßen. Sie durchforsten einige Unterlagen aus der Studienzeit von Alwin Vogel. Die Kölner Kollegen sind ebenfalls dabei, solche Informationen zu sammeln, ebenso wie Tim. Wenn es uns gelingt, eine Verbindung zwischen den drei Opfern herzustellen, sollten wir dem Täter einen großen Schritt näher sein.«
»Wenn er tatsächlich auf einem Rachefeldzug ist«, gab sich Willy skeptisch. »Warum wartet jemand Jahrzehnte, bevor er sich rächt?«
»Das versuchen wir doch jetzt herauszufinden.«
»Das ist gut, aber ihr solltet die anderen Hinweise nicht außer Acht lassen. Wir dürfen nicht riskieren, dass wir unsere knappen Ressourcen unüberlegt einsetzen. Ihr wisst, dass die Zeit drängt.«
»Ja«, erwiderte Elke. »Aber das ist derzeit die heißeste Spur.«
»Gut, Kinder«, nickte Willy, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass nichts gut war. »Meldet euch, sobald ihr etwas habt.«
»Machen wir«, antwortete Elke und Arndt nickte kurz, dann verließen sie Willys Büro. »Ich glaube, er hat wenig Hoffnung, dass wir dem Täter auf die Spur kommen.«
»Ich glaube auch. Komm, lass uns zu Tim gehen.«
Keine fünf Minuten später klopfte Arndt an Tims Bürotür und sie traten ein.
»Moin«, grüßte Elke.
»Moin. Ich kann mir schon denken, warum ihr hier seid«, sagte Tim, der auf seine beiden Computerbildschirme starrte. Manchmal hatte Arndt das Gefühl, dass Tim in seine Rechner verliebt war, bei der vielen Zeit, die er mit diesen Dingern verbrachte. Selbst nach der Arbeit beschäftigte er sich aus lauter Begeisterung mit Computern, für Arndt war das völlig unverständlich. Aber Menschen tickten nun mal unterschiedlich. Davon abgesehen, hatte Arndt ein sehr gutes Verhältnis zu Tim und dieser hatte seine Fähigkeiten schon oft unter Beweis gestellt. Er war für Arndt und die Lübecker Kripo unersetzbar.
»Hast du was?«
»Du weißt, dass du mich erst vor zwei Stunden gebeten hast, zu recherchieren?«, mahnte Tim freundlich. »Und wir haben hier in der Informationsbeschaffung noch jede Menge andere Aufgaben.«
»Ist mir bewusst«, sagte Arndt und lächelte schief, denn ihm war überhaupt nicht zum Lachen zumute. »Aber wenn es einer schafft, dann du.«
»Ich bin gerade dabei. Hatte vorhin eine Telko mit den Mannheimer und den Kölner Kollegen. Wir haben eine Matrix programmiert, um nach Mustern zu suchen.«
»Und wie lange dauert das?«
»Das weiß ich nicht. Aber rechnet nicht vor morgen mit Ergebnissen.«
»Morgen reicht. Du kennst doch Arndt, der ist schrecklich ungeduldig. Ich fürchte, dass das mit dem Alter auch nur schlimmer wird.«
»Witzig.«
»Da hat Elke allerdings nicht unrecht«, hielt Tim zu seiner Kollegin. Arndt musste ihnen insgeheim recht geben, aber zugeben wollte er das so öffentlich nicht.
Die Tür zu Tims Büro wurde geöffnet und ein Kollege aus der Informationsbeschaffung trat ein.
»Moin«, sagte er. »Vielleicht haben wir was für euch.«