»Wie Sie sich das hier vorstellen, geht so nicht.« Die ältere Frau sah sie über den Brillenrand hinweg an. »Ich kann Sie hier doch nicht in den Unterlagen wühlen lassen. Das sind persönliche Daten.«

»Es geht ja nur um diesen einen Vorgang! Beyer, Alexandra.« Bach war verärgert, doch sie versuchte, freundlich zu bleiben.

»Nur weil die Mauer weg ist, kann hier noch lange nicht jeder machen, was er will! Sie kommen hier reingeschneit. So einfach geht das nicht.«

Bach war jetzt näher an den Schreibtisch der Frau getreten. »Wir sind die Polizei. Natürlich geht das so! Warum stellen Sie sich denn so quer? Haben Sie was zu verbergen?«

Die Frau erhob sich sichtlich entrüstet. »Also gut! Gehen wir ins Archiv!«

»Ich weiß übrigens noch genau, wie das damals war!« Im Gehen sprach sie weiter über die Schulter. »Es war eine Verwechslung. Es wurden einfach zwei Särge vertauscht. Zum Glück wurde es bemerkt, ehe die falsche Person bestattet wurde.«

»So habe ich das aber nicht in Erinnerung!«, widersprach Falck.

Vor einer Tür mit der Aufschrift Archiv blieben sie stehen. Die Frau hatte die Hand auf der Klinke liegen, öffnete aber noch nicht. »Aber die Urne tauchte doch dann auf«, erinnerte sie sich. »Einer unserer Männer hatte den richtigen Sarg

»Aha, und woher wissen wir, dass in dieser Urne nicht einfach nur irgendwelche Asche ist?«

»Da müssen Sie uns schon vertrauen!«

Bach warf Falck einen Blick zu, der deutlich machte, was sie davon hielt.

»Wer war denn der Kollege, der den falschen Sarg entdeckte?«, fragte Falck.

»Ach, der … Einer von den Jungs halt.«

»Das wäre schon wichtig, wenn Sie uns einen Namen nennen könnten!«

»Der ist gar nicht mehr bei uns.«

»Ach, tatsächlich?«, mischte Bach sich wieder ein. »Hat er gekündigt?«

»Ja, er hat eine andere Stelle bekommen.«

»Dann nennen Sie uns bitte seinen Namen, damit wir ihn selbst befragen können.«

Die Frau nickte. »Hm, ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob der wirklich den Sarg gefunden hat. Ich glaube es nur!«

»Sie wissen es nicht mehr?«

»Nein.«

»Dann machen wir jetzt Folgendes. Wir gehen runter und befragen einfach jeden, der uns über den Weg läuft.«

»Können Sie das denn einfach so? Ich meine, müssen Sie da nicht einen Bescheid dafür haben?«

»Den haben wir, da müssen Sie uns einfach vertrauen!«, sagte Bach.

 

Falck hatte kein gutes Gefühl. Nachdem sie der Frau aus dem Verwaltungsgebäude heraus quer über den Hof gefolgt waren, standen sie nun in einer größeren Halle, in der mehrere Särge auf fahrbaren Untergestellen lagerten. Gerade traf ein

Ein untersetzter Mann kam ihnen entgegen und schaute sie fragend an.

»Die Herrschaften sind von der Polizei und möchten etwas über die Sache Beyer aus dem letzten Jahr wissen, kümmerst du dich!?« Die Frau aus der Verwaltung wartete seine Antwort gar nicht erst ab, drehte sich um und ließ sie einfach stehen.

Der Mann zuckte mit den Achseln »Die Sache war doch geklärt.«

»Inwiefern?«, fragte Bach.

»War eine Verwechslung. Wie gesagt: alles geklärt.« Der Mann schniefte.

»Kommste?«, rief jemand vom Tor. Die Männer vom Leichenwagen hatten dessen Hecktüren aufgeklappt und warteten darauf, dass ihnen jemand half, den Sarg herauszuholen.

»Gleich!«, rief der Bestatter.

Falck hatte sich zurückgehalten. Sieben Särge hatte er in der Halle gezählt, acht waren es, mit dem Sarg im Barkas. Der Gedanke bedrückte ihn, dass darin Menschen lagen, die vor wenigen Stunden noch gelebt, geatmet, gedacht hatten.

 

»Sie wissen also über den Vorgang Bescheid?«, fragte Bach.

»Klar, und ich muss jetzt!«

Da fiel Falck noch etwas ein. Er hob die Hand, um den Mann aufzuhalten. »Moment noch! Wenn wir die Urne ausheben, was finden wir in ihr?«

Der Bestatter runzelte die Stirn. »Ihre Asche vermutlich, Knochenreste.«

Falck sah ihn ruhig an. »Sie wirken verunsichert. Eigentlich sind wir hier, um den Vorgang noch einmal zu überprüfen. Da sich das aber recht schwierig gestaltet, müssen wir

Bach war verblüfft, langte dann aber nach ihrer Tasche und öffnete sie.

»Hören Sie mal«, wich der Mann aus, »ich habe das damals nur beiläufig mitbekommen. Wir haben Schichtdienst, und das waren ja ganz andere Kollegen, die dabei waren.«

»Einer hat wohl den Irrtum bemerkt?«, half Falck nach.

»Ja …« Der Mann zögerte. »Der ist aber nicht mehr da.«

»Das wissen wir schon. Nur seinen Namen wissen wir nicht, sonst könnten wir ihn mit unseren Fragen belästigen!«

»Den Namen kann ich Ihnen sagen. Karsten Jenke.«

 

»Du jagst mir nie wieder so einen Schreck ein!«, fiel Steffi Bach draußen über Falck her. »Exhumierungsbescheid! Bist du beknackt, oder was?!«

»Hat doch Wirkung gezeigt. Ich will halt auch nicht immer nur dumm danebenstehen.«

»Wie meinst du denn das?«

Falck hob die Schultern. »Immer reden Schmidt oder du. Fällt dir das gar nicht auf?«

»Du bist ja auch erst zwei Tage dabei.« Bach lachte. »Es stört dich anscheinend doch, dass ich eine Frau bin, oder?« Sie holte den Schlüssel hervor und schloss den Trabi auf. »Und noch dazu fahre ich den Einsatzwagen, oje! Frau am Steuer – Ungeheuer!«

Falck musste warten, bis sie sich hineingesetzt und von innen die Beifahrertür entriegelt hatte.

»Darum geht es doch nicht«, versuchte er, sich zu verteidigen. Aber dann schwieg er, denn alles, was er sagen könnte, würde sich in Steffis Ohren nämlich genauso anhören.

»Abgesehen davon sind wir doch schon einen Schritt

»Mensch, jetzt fällt’s mir ein!«, rief Falck plötzlich. »Ich bin doch letztes Jahr auf eine Gruppe von Gruftis getroffen. Auf der Kamenzer Straße. Und der Obergrufti hieß Karsten.«

Bach griff nach dem Funkgerät. »Na, dann lass uns gleich mal die Leitstelle anfunken. Mal sehen, wie viele Karsten Jenke es in Dresden gibt.«