Kapitel 11
IN DIESEM KAPITEL
Als ich Lehrer wurde, hielten die Aufregung und die Faszination über die Benotung nur etwa 15 Minuten an. Dann wurde mir klar, was Benotung wirklich ist: eine unerträgliche Aufgabe, die mich bis zu meinem Tod verfolgen würde. In diesem Kapitel helfen wir Ihnen dabei, sich den Herausforderungen der Bewertung zu stellen: Sie müssen herausfinden, wie Sie benoten wollen, wie oft Sie benoten wollen, welche Richtlinien für die Benotung gelten und wie Sie sicherstellen können, dass Ihr Benotungssystem einer Überprüfung durch die Schulleitung und die Eltern standhält.
Wenn Sie noch nie ein Benotungssystem eingerichtet haben, kann das eine entmutigende Aufgabe sein. Wie kann man das Verständnis eines Schülers für Ihre vermittelten Inhalte in einen klaren, unbestreitbaren Prozentsatz umwandeln? Vielleicht sind Sie auf dem College mit unklaren Benotungen zurechtgekommen (»Du verdienst, ach, ich weiß nicht, eine Zwei«), aber in der Grundschule wird das nicht funktionieren. Sie müssen in der Lage sein, jede von Ihnen vergebene Note zu rechtfertigen, und nichts ist konkreter als eine solide Zahl, die auf einer gut durchdachten mathematischen Formel beruht. Es gibt zwei wichtige Benotungssysteme, die die meisten Menschen verwenden. In den folgenden Abschnitten erläutern wir beide mit ihren Stärken und Schwächen, damit Sie entscheiden können, welches System für Sie am besten geeignet ist.
Achten Sie darauf, dass das von Ihnen gewählte Benotungssystem all diese Faktoren berücksichtigt. Mit all dem im Hinterkopf ist es nun an der Zeit, ein Benotungssystem auszuwählen.
Die Gesamtpunktzahl-Methode ist bei Weitem die schnellste Methode zur Vergabe und Berechnung von Noten. Bei diesem System ist jede Aufgabe eine bestimmte Anzahl von Punkten wert, und Sie halten fest, wie viele Punkte (von der möglichen Gesamtpunktzahl) jeder Schüler für jede Aufgabe erhält. In der Regel gilt: Je schwieriger eine Aufgabe ist, desto mehr Punkte ist sie wert. In diesem System können Ihre Hausarbeiten beispielsweise zwischen 10 und 20 Punkten liegen (je nachdem, wie umfrangreich sie sind oder wie viele Teile sie haben), Ihre Tests sind etwa 50 Punkte wert, und Ihre Klassenarbeiten sind etwa 100 Punkte wert.
Die Gesamtpunktzahl-Methode ist sehr flexibel, denn Sie können die Punkte spontan anpassen. Wenn Sie meinen, dass ein Test wichtiger ist als ein anderer, können Sie die Punkte entsprechend anpassen. Außerdem gibt es keine feste Regel, wie viele Punkte alles wert ist. Ein Multiple-Choice-Test mit 50 Fragen kann 50, 100 oder sogar 150 Punkte wert sein, je nachdem, wie viel die einzelnen Fragen wert sind. Das gibt Ihnen die Freiheit, die Punktzahl anzupassen, ohne wie ein Schwächling zu wirken.
Wir wissen, dass Sie ein elektronisches Notenbuch zur Berechnung der Noten haben, aber es ist wichtig zu verstehen, wie diese Berechnungen funktionieren. Nehmen wir an, eine Ihrer Schülerinnen, Ida Immerfleißig, hat die folgenden Noten erhalten (jeweils in der Form Punkte verdient/Gesamtpunktzahl möglich): 5/5, 7/10, 23/35, 89/100, 112/132. (Übrigens sollten Sie in jedem Bewertungszeitraum viel mehr Noten als diese haben, aber das ist nur ein Beispiel.) Um Idas Note zu berechnen, addieren Sie separat alle Punkte, die sie erreicht hat, und die Gesamtpunkte, die sie hätte erreichen können:
Dividieren Sie nun ihre Gesamtpunktzahl (236) durch die mögliche Gesamtpunktzahl (282), um ungefähr 0,8369 zu erhalten, was entweder 83 oder 84 Prozent entspricht, je nachdem, ob Sie Ihre Punktzahl aufrunden wollen (siehe Einschub »Runden oder nicht runden? Das ist hier die Frage!«). Beachten Sie, dass jede von Idas Aufgaben eine andere Anzahl von Punkten wert war und die Berechnung ihrer Endnote sehr einfach war.
Während die Gesamtpunktzahl-Methode eine Art Demokratie bei der Benotung darstellt – alle Punkte sind gleich viel wert, unabhängig davon, mit welcher Aufgabe oder Bewertung sie verbunden sind –, ist die Kategorie-Methode eher mit einem Wahlkollegium vergleichbar. Je nach Art der Aufgabe erhalten verschiedene Kategorien von Noten mehr oder weniger mathematisches Gewicht. Daher besteht Ihr erstes Ziel bei der Einführung dieses Systems darin, diese Kategorien zu definieren und festzulegen, wie viel Prozent diese Kategorien wert sein sollen. (Am Ende müssen sich die Gewichte der Kategorien zu 100 addieren.) Hier ein Beispiel:
Sie können weitere Kategorien zu Ihrem Benotungssystem hinzufügen; manche Leute fassen Klassenarbeiten und Tests in einer Kategorie zusammen und fügen Kategorien wie »Projekte» oder »Heftführung« hinzu.
Um seine Endnote zu ermitteln, müssen Sie zunächst die Prozentsätze in jeder Kategorie separat berechnen. Teilen Sie also in jeder Kategorie die Gesamtpunktzahl, die er erreicht hat, durch die mögliche Gesamtpunktzahl. Willi hat zum Beispiel 7 + 15 = 22 Punkte bei den Hausarbeiten erreicht, von 10 + 25 = 35 möglichen Punkten. Dividieren Sie 22 durch 35, um eine Hausaufgabennote von 0,62857 zu erhalten. (Um so genau wie möglich zu sein, sollten Sie 4 oder 5 Dezimalstellen beibehalten, wenn die eigentliche Dezimalstelle lang und hässlich ist, denn je mehr Sie beim Rechnen runden, desto ungenauer wird Ihr Endergebnis.) Machen Sie dasselbe für Willis Testnoten (156 / 200 = 0,78) und für seine Klassenarbeitsnoten (178 / 200 = 0,89).
Nun ist es an der Zeit, die Endnote zu ermitteln. Der Trick besteht darin, die Dezimalpunktzahl in jeder Kategorie (die Sie gerade herausgefunden haben) mit der entsprechenden Kategoriegewichtung in Dezimalform zu multiplizieren. Anhand der Beispielkategorien, die wir vorhin definiert haben, entspricht die Gewichtung der Hausarbeiten von 25 Prozent einer Dezimalgewichtung von 0,25, die Tests haben eine Gewichtung von 0,35 und die Klassenarbeiten eine Gewichtung von 0,40.
Sie sind fast fertig! Jetzt müssen Sie nur noch die soeben errechneten Zahlen zusammenzählen:
Das bedeutet, dass Willis Note 78,6 Prozent beträgt.
Das alles hört sich sehr theoretisch an, deshalb betrachten wir ein Beispiel. Lernen Sie die ängstliche Annie kennen, eine Ihrer klügsten Schülerinnen, die sich von Tests paralysiert fühlt. Ganz gleich, wie gut sie den Stoff versteht, es fällt ihr schwer, dies in den Prüfungen zu zeigen, sodass ihre Test- und Klassenarbeitsergebnisse tendenziell niedriger sind als ihre Hausarbeiten. Hier ihre Noten für die ersten sieben Wochen des neunwöchigen Beurteilungszeitraums:
Man könnte meinen, dass Annies Note nach der Gesamtpunktzahl-Methode dieselbe ist wie nach der Kategorie-Methode, wenn die Hausaufgaben 40 Prozent und die Überprüfungen 60 Prozent wert sind, aber das stimmt nicht. Annie hat eine 84,6 nach Gesamtpunkten und eine 81,9 nach Kategorien.
Machen wir es noch ein wenig komplizierter. In den letzten zwei Wochen des Beurteilungszeitraums haben Sie vier weitere Noten gesammelt. Annies neue Hausarbeitnoten sind 38/40, 38/40 und 39/40; ihre neue Testnote ist 40/60. Mit anderen Worten: Sie hat drei Einsen für die Hausarbeiten (95, 95 und 97,5) und eine Vier für den Test (66,6). Wie hat sich dies auf ihre Gesamtnote ausgewirkt?
Nach der Gesamtpunktzahlmethode beträgt ihre Note nun genau 85 Prozent, was eine Verbesserung gegenüber ihrer vorherigen Note von 84,6 bedeutet. Bei der Kategorienmethode wird sie jedoch mehr für die schlechten Testergebnisse bestraft als für die guten Hausaufgaben belohnt – ihre Note ist von 81,9 auf 81,3 gesunken.
Hochschulprofessoren haben es gut – teilweise benoten ihre Doktoranden und Assistenten ihre Arbeiten für sie. Die Professoren müssen sich nur um das Unterrichten kümmern! Sie hingegen haben keine solche Unterstützung, und viele Lehrkräfte im ersten Jahr haben uns gesagt, dass diese dunkle Seite des Unterrichtens ihnen auf die Nerven geht. »Ich habe schon genug zu tun, ohne jeden Abend 60 Arbeiten zu kontrollieren und am Wochenende das Dreifache«, sagen sie, während sie nervös an den Haare zupfen. Wir wissen, wie das ist. Wir haben viele Nächte damit verbracht, bis in die frühen Morgenstunden Arbeiten zu korrigieren, haben vor lauter Frustration mit den Fäusten auf den Küchentisch geschlagen oder sind mit dem Gesicht nach unten auf einem Stapel unkorrigierter Tests eingeschlafen. Glücklicherweise macht Frustration erfinderisch, und all die Schwierigkeiten, mit denen wir bei dem Versuch, die ganze Benotung zu bewältigen, konfrontiert waren, brachten uns dazu, unsere Arbeitsweise zu überdenken. Im folgenden Kapitel teilen wir diese Erkenntnisse mit Ihnen, in der Hoffnung, dass Ihre Haare (und Ihr Tisch) nicht die gleiche Tortur durchmachen müssen.
Ihre anfänglichen Benotungsrichtlinien beruhen wahrscheinlich auf den Erfahrungen, die Sie in den Klassenzimmern anderer Lehrer gemacht haben, entweder derjenigen, mit denen Sie in der Schule zusammengearbeitet haben, oder derjenigen, die Sie während Ihrer Schulzeit hatten. Auch wenn Sie die offen gezeigten Richtlinien zu schätzen wissen, haben Sie vielleicht einige der unausgesprochenen Richtlinien nicht mitbekommen, die ihnen geholfen hätten, Zeit zu sparen, ihr Gesicht zu wahren und Notenstreitigkeiten zu vermeiden, bevor sie begannen.
Die Kinder waren begeistert, und sie wussten zu schätzen, wie hart ich arbeitete. Unnötig zu sagen, dass sie verärgert waren, als ich in der zweiten Schulwoche meine Strategie komplett umkehrte. Ich glaube, der Rückzieher ging ungefähr so: »Ich verstehe jetzt, warum die Lehrer die Arbeiten zu spät zurückgeben. Es liegt daran, dass wir so viel zu tun haben, dass wir uns an manchen Tagen zwischen der Benotung von Arbeiten und dem Duschen entscheiden müssen. Zum Glück für euch hat das Duschen gesiegt. Ihr solltest jeden Abend beten, dass das so bleibt, denn es ist heiß in diesem Raum.« Natürlich sollten Sie sich bemühen, Arbeiten pünktlich zu benoten und zurückzugeben, aber versprechen Sie nicht zu viel und liefern Sie nicht zu wenig.
Seine revolutionäre Neuerung: Wenn ein Schüler in einem Test eine schlechte Note (unter 70 Prozent) erhielt, gab er ihm eine weitere Chance, den Test zu bestehen – eine Wiederholung. Während seines Lehramtsstudiums sah er, dass viele Schüler bei Tests und Prüfungen schlecht abschnitten, weil sie unter starker Prüfungsangst litten, und er schuf die Wiederholungsregelung, damit diese Schüler die Noten erzielen konnten, die sie verdient hatten, statt sie dafür zu bestrafen, dass sie am Prüfungstag besonders nervös waren. Nach dieser Regelung würde der Schüler nach der Schule kommen, den Test in seiner Freizeit wiederholen und die neue Note würde die vorherige, den bloßliegenden Nerven geschuldete Note ersetzen.
Können Sie das Schlupfloch in dieser Strategie erkennen? Nehmen wir an, dass zwei der Schüler, die wir weiter oben in diesem Kapitel vorgestellt haben, Ida Immerfleißig und Willi Pass, einen Test in dieser Klasse schreiben. Ida erzielt 69 Prozent (was einer Vier entspricht) und Willi schafft 71 Prozent, eine schwache Drei. Beide Schüler bekommen normalerweise Einsen oder Zweien in Tests, ohne viel lernen zu müssen, und sind daher schockiert über ihre Noten. Ida hat Glück, dass ihre Note für eine Wiederholung infrage kommt. Sie geht nach Hause, lernt fleißig, wiederholt den Test und erhält diesmal 95 Prozent. Ihre Vier wird gestrichen, sie setzt sich wieder an die Spitze der Klasse und lässt den armen Willi mit seiner mageren 71 im Staub zurück. Welche Motivation hat Ida noch, für einen Test zu lernen? Warum nicht absichtlich eine Bombe bauen, herausfinden, wie die Fragen lauten werden, und sie dann wiederholen, nachdem sie alle Antworten nachgelesen hat?
Ihre Strategie enthielt zwei Fehlentscheidungen, die sie erst auf einer unschönen Elternkonferenz erkannte:
Bevor wir dieses Kapitel über den Umgang mit Bewertungen abschließen, möchten wir noch einige Tipps zur Vorbereitung und Durchführung von Tests und Prüfungen geben. Vielleicht fragen Sie sich, wie oft Sie Ihre Schüler bewerten sollen und wie Sie Aufgaben erstellen können, die einen angemessenen Zeitaufwand für die Bewertung erfordern. Das sind typische Probleme von Lehrkräften im ersten Jahr. Daher möchten wir Ihnen hier ein paar Tipps geben, die Sie zu Beginn des Bewertungsprozesses beachten sollten.
Im College wurde uns beigebracht, dass Multiple-Choice-Fragen und Lückentexte nur das kognitive Denken auf niedriger Ebene bewerten, während die meisten unserer Fragen eher metakognitiver Natur sein sollten. So wurde uns zum Beispiel erklärt, dass die Frage »Wann begann der Bürgerkrieg?« ein nahezu wertloses Bewertungselement ist, da sie nur die Erinnerungsfähigkeit betrifft. Bildungsexperten hingegen lieben Fragen wie »Wenn Sie Abraham Lincoln wären, wie würden Sie über den Bürgerkrieg denken?«, weil sie von Ihnen verlangen, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu begründen. Nennen Sie uns altmodisch, aber wir glauben, dass es genauso wichtig ist, Fakten zu kennen wie Meinungen zu haben. Gab es bei Jeopardy! Jemals die Frage »Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie der Kern einer Zelle wären?« (Die richtige Antwort lautet: »Was ist Klaustrophobie?«) Sehen Sie.
Ein Test soll das Verständnis bewerten. Er soll nicht die Qualität der Testfragen bewerten. Wir schlagen vor, vorgefertigte Testaufgaben als Inspiration zu verwenden, um eigene Fragen zu entwerfen, die in Ihrer eigenen Sprache formuliert sind und widerspiegeln, wie Sie den Stoff im Unterricht vermittelt haben.
Mit »aussagekräftige Note« meinen wir etwas, das nach Korrektheit und nicht nach Vollständigkeit benotet wird. Als Lehrer im ersten Jahr werden Sie feststellen, dass Ihr Unterricht eine ganz eigene Art von zeitverzerrender Magie besitzt. Die einzelnen Unterrichtsstunden können sich wie lange, zähe Marathons anfühlen, die nie enden werden (vor allem, wenn das Jahr sich hinzieht), und dann ist die Woche plötzlich vorbei und Sie sind im Rückstand. Die Zeit kann Ihnen leicht davonlaufen, deshalb sollten Sie mindestens einen Test oder eine Arbeit pro Woche einplanen. Andernfalls werden aus Tagen Wochen und aus Wochen Monate, und am Ende des Zeitraums stehen Sie ohne Noten da und bekommen eine Panikattacke, weil die Zeugnisse näher rücken.
- Am Ende jeder Woche haben die Schüler Gelegenheit, herauszufinden, was sie verstanden haben und was nicht.
- Da die Prüfungen nach einem festen Zeitplan ablaufen, vergisst niemand das Lernen.
- Freitags sind die Kinder am ausgelassensten und aufgeregtesten, und es ist einfacher, die Klasse unter Kontrolle zu halten, wenn man prüft, als wenn man unterrichtet.
- Es ist zwar unangenehm, am Wochenende Zeit mit der Benotung zu verbringen, aber die Benotung an Wochentagen abends ist noch viel schlimmer, weil man schon erschöpft ist, wenn man nach Hause kommt.
- Da die Prüfungen direkt hintereinander stattfinden, können Sie während des Unterrichts mit der Benotung der Tests der ersten Stunde beginnen, sobald die Tests der zweiten Stunde begonnen haben. Auf diese Weise wird die Menge an Nachbereitungszeit reduziert, die sich anhäuft, wenn Sie verschiedene Klassen an verschiedenen Tagen prüfen.
Wenn Sie unsere Tipps befolgen, wird Ihre Bewertung nicht mehr so unüberschaubar sein, und Sie müssen sie nicht mehr überall hin mitnehmen. Sie können das tun, wozu Menschen im Waschsalon bestimmt sind: Sie können gegenseitig auf die Unterhosen in den Trocknern starren und im Stillen über modische Vorlieben urteilen.