13 | DO 6.10.1983
Otto wurde wach, als Marion ihn berührte. Zuerst streichelte sie seinen Bauch, dann legte sie die Hand auf seinen Schwanz, der sich nicht mehr regte.
«Eins, zwei, drei, vier», sagte sie. Dann machte sie eine Pause. «Fünf, sechs, sieben.»
«Was machst du?»
«Ich zähle.»
«Ich weiß. Aber was?»
«Die Haare auf deiner Brust.»
«Da bist du schnell fertig.»
«Hmhm … Du schläfst sonst nie ein nach dem Sex. Musst du nicht gleich wieder weg?»
«Nee. Wegen gestern …» Otto war noch nicht ganz klar im Kopf. «Und wegen morgen.»
«Hier ist noch eins.» Marion tippte auf Ottos Brust.
Er reckte seinen Kopf zur Seite und spitzte die Lippen. Bekam einen Kuss. «Ich meine, weil wir gestern und heute Morgen so lange an dem Selbstmord gearbeitet haben. Und morgen dann halt …»
«Was hat der denn geschrieben in dem Abschiedsbrief?»
«Dienstgeheimnis.» Otto zeigte auf ein weiteres Haar, das einsam oberhalb seines Bauchnabels wuchs. «Er wollte nicht zur NVA
«Na ja … Aber dann … Dann hätte er doch zu den Bausoldaten gehen können, oder?»
«Wollte er auch nicht. Er wollte gar nicht von zu Hause weg.»
«Und was macht ihr da?»
«Wie meinst du das?»
«Na … Da ist dann ja nicht eure Arbeit. Eigentlich.»
«Ja, aber wir müssen feststellen, ob es wirklich ein Selbstmord war. So was. Deshalb ist der Tote zur Leichenschau gekommen.»
«Habt ihr viele Selbstmorde?»
«Weiß nicht. Was ist viele?»
Marion kuschelte sich an Otto.
«Viele kriegen wir auch gar nicht mit. Die kommen dann zur Leichenöffnung, ohne dass wir bei der MUK mit denen zu tun haben. Warum fragst du?»
«Will ich einfach wissen.»
«Hmhm … Wie war denn dein Tag?»
«War nur ein halber. Da passiert manchmal nicht so viel. Ich hab drei Bücher verkauft, die ich Kunden persönlich empfohlen hab. Das erlebt man als Buchhändler nicht so oft.»
«Was macht ihr denn morgen?»
«Ach, wir müssen zum Platz der Kosmonauten.»
«Fähnchen schwenken?»
«Fähnchen schwenken. Und du? Du hast eben gesagt, du bist auch hier in Jena?»
«Ja, die Kollegen unterstützen. Die sind am Tag der Republik immer so nervös. Irgendwer hat gesagt, dass irgendwer gesagt hat, dass morgen irgendwas geplant ist.»
«Und was macht ihr da genau?»
«Das, was wir immer machen. Wir fangen die Bösewichte.»