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Als Otto die Wohnung aufschloss, war es still. Er ging leise zur Tür des Kinderzimmers und hörte die Stimme von Ruth, der Kleinsten. «Wann ist denn Weihnachten?»
«Ah», sagte Birgit und dehnte den Ton lange aus. Dann machte sie eine Pause, um dem Kind zu zeigen, dass sie angestrengt nachdachte. «Da musst du noch ganz oft einschlafen und wieder wach werden.»
«Zehnmal?»
«Mehr als doppelt so viel.»
«So lange?»
«So lange. Jetzt schlaf schön.»
Otto hörte ein schmatzendes Kussgeräusch, dann erschien Birgit in der Tür und atmete hörbar aus. Sie drückte die Klinke leise und umarmte Otto dann. «Irgendwie wollte sie heute nicht schlafen.»
«Aber irgendwie schaffst du es dann ja doch immer wieder.»
«Ja. Du bist spät. Dabei arbeitet ihr doch in der Nähe.»
«Ist aber nicht so einfach gerade.» Otto überlegte, was er erzählen wollte und durfte. Von dem toten Afrikaner war noch nichts bekannt geworden in der Öffentlichkeit. Weder die Zeitungen noch das Fernsehen hatten über den Toten berichtet. Und er hatte Birgit gegenüber bisher auch nur ein paar Andeutungen gemacht. «Und ich weiß nicht … Irgendwie stimmt da was nicht bei dem Toten. Der hat an der Bahnstrecke gelegen. Und ich bin mir sicher, dass er vorher im Zug gewesen ist.»
Birgit zog Otto ins Wohnzimmer und schob ihn sanft auf die Couch. Dann holte sie eine Flasche Cabernet hervor und entkorkte sie. «Red weiter», sagte sie, während sie den Wein eingoss.
«Also …» sagte Otto. «Ach, das ist es eigentlich auch schon. Ich weiß ja noch gar nicht, was da nicht stimmt.»
«Und die anderen?» Birgit setzte sich ihm gegenüber in einen der Sessel.
«Sind sich auch nicht sicher. Wir haben noch gar nichts. Und wir wissen nicht, wo wir anfangen sollen. Und die Afrikaner erzählen uns auch nicht alles.»
«Ist bei uns auch nicht anders. Die Vietnamesinnen sind am liebsten unter sich. Und wenn es mal ein Problem gibt, dann sagt keiner von denen was.» Birgit zündete zwei Zigaretten an. Eine davon reichte sie Otto, der sie nahm und gierig daran zog. Birgit inhalierte und ließ den Rauch durch die Nase hinaus. «Und die haben mich gefragt, ob ich die Nachtschicht machen will als Leiter.»
Das passt gar nicht, dachte Otto. Das würde die ganze Familienorganisation durcheinanderbringen. Aber er sagte nichts und wartete darauf, was Birgit noch erzählen wollte.
«Das bringt auch mehr Geld. Aber es geht einfach nicht. Das wäre schon ab Januar.»
«Wir haben im Moment keine echten Geldsorgen.»
«Ja, schon.»
«Wir geben das Geld, das wir verdienen, sowieso nie aus.»
Birgit trank ihr Glas leer, ohne den letzten Satz zu kommentieren. Dann setzte sie sich neben Otto auf die Couch und fing an, ihn zu streicheln.