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«Ich gehe den Betreuer holen», sagte der Pförtner und verschwand in einem unbeleuchteten Gang.
Otto und Konnie standen vor einer verschlossenen Bürotür schräg gegenüber der Pförtnerkabine. Kein Schild erklärte, wessen Büro sich hinter der Tür befand. Zwei Afrikaner kamen ins Haus und unterbrachen ihr Gespräch, als sie sie sahen. Sie gingen in die Richtung, in der der Pförtner verschwunden war, und setzten ihre Unterhaltung fort.
Der Pförtner erschien wieder und zuckte kurz mit den Schultern. Zeigte in den anderen Gang hinein und ging dann in die Richtung.
«Was macht ein Betreuer?», fragte Konnie.
«Er ist der Chef hier», sagte Otto. «Der Heimleiter. Nichts geschieht hier ohne ihn.»
Der Pförtner erschien wieder und ging langsam die Treppe zum ersten Stock hinauf.
Aus dem Keller kamen zwei Männer mit Taschen voller Wäsche. Sie gingen hinaus, ohne sich um die beiden Polizisten zu scheren.
Irgendwo oben im Haus wurde der Klang eines Radios lauter, dann wieder leiser. Kurz darauf erschien der Pförtner wieder. Hinter ihm tauchte ein kleiner dicker Mann auf. Er trug einen zu engen Pullover mit Karomuster und einen Schnurrbart, der weit über die Mundwinkel hinausragte. In der Hand hielt er schon einen Schlüssel, den er demonstrativ vorzeigte.
«Genossen», sagte er. Er öffnete die Tür und zeigte in sein Büro. Otto sah ein Regal mit Akten, einen Schrank mit Schubladen und einen Schreibtisch, auf dem sich nicht mehr als ein Telefon und eine dünne Akte befanden. Der Dicke nahm dahinter Platz.
«Teo Macamo …», sagte er und zeigte auf die beiden Stühle ihm gegenüber. «Sind Sie sicher, dass er es ist?»
«Wie meinen Sie das?», fragte Otto, als er sich noch nicht ganz hingesetzt hatte.
«Na, das ganze Herumfragen», sagte der Betreuer, dessen Namen sie immer noch nicht wussten. «Die Anrufe in den Wohnheimen. Ob jemand vermisst wird. Das spricht sich herum.» Er zündete sich eine Filterlose an und bot die Packung dann an. Konnie nahm sich eine heraus. Otto holte seine eigenen Zigaretten hervor.
«Wenn die Polizei in einem Wohnheim anruft, dann kriegt man das mit.» Heinz hatte recht gehabt mit seiner Vorsicht, dachte Otto. «Und irgendwie haben ja alle gewusst, dass es einen toten Afrikaner gegeben hat. Wir wussten nur nicht, ob es einer von unseren Mosis gewesen ist.»
Otto zeigte auf die Akte, der Mann gab sie ihm.
«Teo Macamo ist am Sonntag nach Naumburg gefahren. Da hat er eine Freundin. Na ja … gehabt. Wenn er das war. Der Tote, meine ich.»
Otto öffnete die Akte. Nur zwei Blätter darin. Das obere enthielt ein paar Daten zu Teo Macamo. Er war 21 Jahre alt und
seit drei Jahren in der DDR
. Geboren in Chimoio, wo immer in Mosambik das auch war. Das zweite Blatt betraf Urlaubszeiten. Fein säuberlich mit der Hand eingetragen waren Abwesenheiten. Otto konnte nicht erkennen, ob sie sich auf das Wohnheim oder auf den Betrieb bezogen.
«Wo hat er denn gearbeitet?», fragte er.
«WEMA
.»
«Und war er häufiger in Naumburg?» Otto versuchte, aus den Abwesenheiten schlau zu werden.
Der Betreuer hob die Schultern. «Das haben hier alle gewusst. Da hätten Sie uns nur mal fragen müssen.»
«Und wann ist der am Sonntag von hier verschwunden?»
Der Betreuer stand auf. «Da muss ich beim Pförtner nachsehen.» Er war kaum eine Minute weg und stand dann hinter ihnen. «Nachmittags», sagte er. «Der ist kurz vor vier hier raus.»