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«Da habt ihr mehr zustande gebracht als wir», sagte Rolf. Er hatte einen Zettel vor sich liegen, auf dem nicht viel stand. «Wir sind erst am Anfang. Die reißen sich nicht darum, mit uns zu reden. Und wenn dann der Übersetzer auch einer von denen ist, dann weißt du ja nicht, was du kriegst.»
«Wie meinst du das?», fragte Otto. Heiß war ihm immer noch, und er schwitzte stark, aber richtig krank war er nicht geworden.
«Also, ich versteh kein Wort von dem, was die sagen. Und wenn die sich einig sind …»
«Aber worin sollten die sich einig sein?» Otto richtete seinen Blick auf Heinz, dann auf Günter. Sie waren zu dritt in der WEMA gewesen, um die Arbeitskollegen von Macamo zu verhören. Heinz hob ganz langsam die Schultern, als ob ihm nichts Besseres einfiele. Günter saß da und bemerkte Ottos Versuch erst gar nicht, ihn in die Diskussion einzubinden. «Die haben doch alle ein Interesse daran, dass wir den Fall aufklären.»
«Ja, das sollte man meinen», Rolfs Antwort kam ohne Zögern. «Es sei denn, sie haben etwas zu verbergen.»
«Mann, wir wissen doch gar nichts über den Toten und die anderen Mosambikaner.» Otto war lauter, als er es gewollt hatte. «Da wird doch keiner von denen dem Macamo nachgelaufen sein, um ihn im Zug umzulegen.»
«Castorp, halt mal die Klappe.» Rolf wurde ebenfalls laut. Es passierte nicht oft, dass sich Streit entwickelte in der Gruppe. Aber wenn, dann meist zwischen ihm und Rolf. Otto hob die Hände als Zeichen der Friedfertigkeit, doch Rolf hatte noch etwas zu sagen. «Glaubst du, wir alle sind komplett bescheuert? Nur weil du manchmal eine Idee hast, über die man zweimal nachdenken muss, und manchmal sogar eine gute Idee, bist du doch nicht besser als wir. Wir wissen auch, wie man diese Arbeit macht. Ja?» Er holte Luft und sah zu Heinz rüber, der sich nicht rührte. «Wir tun, was wir immer tun, wenn jemand tot ist. Wir versuchen, dessen Umfeld zu verstehen. Das war noch nie falsch, und das ist es auch heute nicht. Und weil die Afrikaner einfach kein Deutsch können und weil es schnell gehen muss und auch weil wir keinen besseren Ansatz haben, sind wir halt in dieser wirklich blöden Situation, dass wir da Leute vor uns sitzen haben in einem Büro, das nicht unseres ist, die nicht mit uns reden. Nur weil du mit ein paar Ergebnissen angelaufen kommst, entschuldige … Ihr natürlich», er zeigte mit dem Finger auf Konnie, «musst du dich nicht über uns erheben.»
Leise und völlig tonlos zischte er noch: «Idiot!»
Otto wusste, dass Rolf recht hatte. Sie mussten das tun. Fragen stellen, Antworten anhören und zweifeln. Es war fast immer der Schlüssel zur Aufklärung eines Mordes. Man musste es aber nicht so bewerten, wie Rolf es tat.
Er spürte Heinz’ Augen auf sich. «Also. Wir sind noch nicht einmal fertig mit den Verhören in der WEMA . Damit müssen wir erst einmal weitermachen. Die Jenaer Kollegen haben in Naumburg auch nichts rausgekriegt, was uns weiterhilft.» Heinz wartete. Aber Wasser und Radtke hatten ihren Ergebnissen, die sie schon präsentiert hatten, nichts hinzuzufügen. Abgesehen von der Frau, die Macamo dort regelmäßig besucht hatte, gab es keine weiteren Kontakte nach Naumburg. Und im Umfeld der Frau gab es auch keinen eifersüchtigen Liebhaber, der dem Afrikaner ans Leder gewollt hätte. Das jedenfalls hatte diese Frau gesagt.
«Wir werden die Schaffner befragen müssen», Heinz drückte seine Zigarette aus, «und wir müssen versuchen, uns ein Bild zu machen davon, wie diese Mosambikaner leben. Die können uns sonst alles erzählen.»
Konnie öffnete den Mund, wartete aber noch und blickte in die Runde. «Und keiner sagt was von irgendwelchen Streitigkeiten bei den Mosambikanern?»
«Nur allerbeste Freunde», sagte Rolf.
«Wir brauchen alle Mann bei den Befragungen», sagte Günter, um seinen Chef zu unterstützen. «Da haben wir noch viel Arbeit vor uns.»
Heinz nickte. «Du bleibst an der Reichsbahn dran, Otto. Aber Konnie, du kommst mit uns. Und ihr beide auch.» Er zeigte auf die Jenaer.