Wo wir stehen
Der Gebäudesektor steht in Deutschland vor großen Herausforderungen. Es gibt einen sehr hohen Bedarf an Wohnraum, der gemäß Koalitionsvertrag der »Ampelparteien« von 2021 unter anderem durch den Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen gedeckt werden soll. Gleichzeitig müssen bestehende Gebäude energetisch umfassend saniert werden, da ihr Energiebedarf im Schnitt fünfmal höher ist als der von Neubauten.
Bisher werden aber zu wenige Häuser und Wohnungen modernisiert: Jedes Jahr werden laut dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nur rund 500.000 Wohneinheiten energetisch vollständig saniert. Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, müssten es aber doppelt so viele sein. Bei über 40 Millionen Wohnungen in Deutschland liegt die Sanierungsquote damit bei etwas mehr als einem Prozent im Jahr.
46 Das Problem: Die aktuellen Rahmenbedingungen sind nicht geeignet, um genügend Gebäudeeigentümer davon zu überzeugen, in ihr Gebäude zu investieren und energetische Effizienzmaßnahmen durchzuführen.
Angesichts des hohen Ressourceneinsatzes, Flächenbedarfs und Energieverbrauchs sowie der großen Abfallmengen in der Herstellungs-, Bau- und Nutzungsphase muss gerade im Gebäudesektor für den Klima- und Ressourcenschutz sowie für die Erhaltung unserer Ökosysteme noch sehr viel getan werden. Ziel des Bundes-Klimaschutzgesetzes ist es, die Gesamtemissionen im Gebäudesektor praktisch zu halbieren – von derzeit 112 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (CO2e) auf 67 Millionen Tonnen.
Wie das Umweltbundesamt im März 2023 mitteilte, betrug die Reduktion im Vergleich zum Vorjahr etwa sechs Millionen Tonnen CO2e (minus 5,3 Prozent). Trotz dieser Emissionsminderung überschreitet der Gebäudesektor – wie bereits im Vorjahr – die vom Bundes-Klimaschutz erlaubte Jahresemissionsmenge von 107,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Der Rückgang der Emissionen 2022 ist vor allem auf die gestiegenen Erdgas- und Ölpreise infolge des Krieges in der Ukraine und die damit verbundenden Stopps russischer Gaslieferungen zurückzuführen – die Menschen haben Energie gespart.
Unser Gebäudebestand
Laut Statistischem Bundesamt gab es 2021 in Deutschland 19,4 Millionen Wohngebäude. Davon waren knapp 16,1 Millionen Einfamilienhäuser sowie 3,3 Millionen Mehrfamilienhäuser. Der Bestand an Wohngebäuden wächst jährlich und damit auch die Gesamtgröße der Wohnfläche in Wohngebäuden. Weniger als die Hälfte der Deutschen lebten in der eigenen Immobilie – so wenige wie in keinem anderen Land Europas. Die Wohneigentumsquote in Italien liegt beispielweise bei 74 und in Ungarn sogar bei 90,5 Prozent.
Anteil der Wohngebäude nach Sanierungsstand
(alle Bundesländer, 2002–2021)
Um die »Klimaneutralität« im Gebäudesektor zu erreichen, müssen bis 2045 drei Viertel der rund 19 Millionen Gebäude saniert werden.
47 Das sind etwa 2.500 Gebäude pro Tag. Bereits 2010 formulierte die Bundesregierung das Ziel, die energetische Sanierungsrate bis 2020 auf zwei Prozent zu erhöhen. Bisher verharrt diese aber auf dem niedrigen Niveau von etwa einem Prozent. Die Gründe hierfür sind die hohen Baukosten und stark gestiegene Zinsen. Außerdem fehlen Anreize zur energetischen Sanierung beim Verhältnis Vermieter/Mieter, obwohl Mietwohnungen einen Anteil von gut der Hälfte am gesamten Wohnungsbestand haben. Verschärft wird die Problematik durch den Fachkräftemangel.
Welche Heizungen hat Deutschland?48
Jede zweite Heizung wurde 2021 noch mit dem konventionellen Energieträger Gas betrieben. Gegenüber 1995 ist der Anteil der Gasheizungen damit um rund zwölf Prozent gestiegen. Derzeit geht die Tendenz aber wieder nach unten, da seit 2022 zumindest in Neubauten Gasheizungen nur noch zu 28 Prozent als primäre Heizung genutzt wurden. Neben den klassischen Gasheizungen gibt es auch Brennstoffzellenheizungen, die mit Erdgas und Wasserdampf betrieben werden.
Ölbetriebene Heizungen nahmen im Zeitraum 1990 bis 2021 dagegen deutlich ab, allerdings sind immer noch ein Viertel der Heizungen von Öl abhängig. Über 50 Prozent aller Gas- und Ölheizungen sind schon mindestens 20 Jahre alt – rund acht Prozent aller Ölheizungen wurden sogar vor dem Jahr 1985 installiert. Über die Hälfte des deutschen Heizungsbestands ist aufgrund des hohen Alters unzureichend effizient.
Heizungen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden (siehe den nächsten Abschnitt
»Entwicklungen bei Neubauten«), nehmen insgesamt zu. Neben Erd- oder Luftwärmepumpen (Geo- oder Umweltthermie) zählen dazu Solarthermie- und Photovoltaikanlagen, Pelletheizungen oder Kaminöfen sowie Heizungen, die mit Biogas/Biomethan und sonstiger Biomasse befeuert werden.
Fern-/Nahwärme stellt eine weitere Energiequelle für 14 Prozent der Wohnungen dar. Die Wärme stammt meistens aus Heizkraftwerken oder Blockheizkraftwerken, die in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden und damit neben Wärme auch Strom erzeugen. Hier lässt sich nahezu jede denkbare Energiequelle nutzen.
Des Weiteren gibt es Blockheizkraftwerke, die sowohl mit konventionellem Erdgas als auch zum Beispiel mit Pellets oder Bio- und Pflanzenöl betrieben werden können.
Entwicklungen bei Neubauten
Drei Viertel der 2022 fertiggestellten Wohngebäude werden ganz oder teilweise mit erneuerbaren Energien beheizt. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) bedeutet das gegenüber dem Jahr 2021 einen Anstieg um vier Prozentpunkte auf knapp 71 Prozent.
Endenergiebedarf zur Wärmebereitstellung im Gebäudesektor im Jahr 2020 nach Energieträgern
Quelle: BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
Spitzenreiter sind dabei Zweifamilienhäuser, bei denen zu 81 Prozent erneuerbare Energieträger zum Einsatz kommen, dicht gefolgt von neu gebauten Einfamilienhäusern mit 77 Prozent. Bei Häusern mit drei oder mehr Wohnungen sind es knapp 60 Prozent. Erneuerbare Energien werden als Hauptenergiequelle zum Heizen in mehr als der Hälfte der 103.525 in 2022 fertiggestellten Wohngebäude genutzt.
In der Mehrheit wurden dabei Wärmepumpen eingebaut – allein von 2021 bis 2022 stieg ihr Anteil bei Neubauten von knapp 51 auf 57 Prozent, im Jahr 2015 hatte der Anteil noch bei 31 Prozent gelegen. Sie kamen vor allem bei 2022 fertiggestellten Ein- und Zweifamilienhäusern, aber deutlich seltener in Mehrfamilienhäusern (36 Prozent) zum Einsatz. Diese werden zu 21 Prozent mit Fernwärme und zu 34 Prozent mit Erdgas beheizt.
Als zweitwichtigste primäre Energiequelle wurde in 28 Prozent der Neubauten auf Erdgas zurückgegriffen. Kamen weitere (sekundäre) Energiequellen zum Einsatz, handelte es sich meistens um Strom sowie Solarthermie und Holz.
Auch bei der Planung von neuen Wohngebäuden stehen Heizungen mit erneuerbaren Energien hoch im Kurs: Erfreuliche 83 Prozent der 2022 genehmigten rund 110.700 Wohngebäude sollen ganz oder teilweise mit erneuerbaren Energien beheizt werden, wobei als primäre Heizung meist Wärmepumpen geplant sind.
Gasheizungen werden hingegen immer seltener neu eingebaut: 2022 in Neubauten nur noch zu 28 Prozent, 2015 hatte der Anteil noch bei 52 Prozent gelegen. Der Marktanteil von Biomassekesseln liegt bei rund acht Prozent, und das Schlusslicht stellen Ölheizungen mit einem Anteil von rund fünf Prozent dar.
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CO2-Emissionen
Der Gebäudesektor umfasst die Emissionen der stationären und mobilen Verbrennungsprozesse. Hierbei handelt es sich um die Bereiche Gewerbe, Handel, Dienstleistung (GHD), Haushalte und Militär. Nicht enthalten sind Gebäude des Industriebereichs sowie gebäudeferne Emissionen aus der Energiewirtschaft (Strom und Fernwärme) oder dem Mobilitätssektor.
Berücksichtigt sind dabei ausschließlich Emissionen, die durch den Betrieb der Gebäude ausgestoßen werden. Der Energiebedarf und die Emissionen, die bei der Herstellung von Baustoffen entstehen, sind dem Sektor Industrie zugeordnet. Etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland werden durch den Betrieb von Gebäuden verursacht, wenn man auch den Strom und Fernwärmeverbrauch der Gebäude mit einrechnet.
Der Gebäudesektor ist damit einer der größten Erzeuger von klimaschädlichen Emissionen. Er verbraucht viele Material- und Energieressourcen und hinterlässt gleichzeitig große Mengen an Abfall. Insbesondere Beton ist sehr klima- und umweltschädlich: Um Beton anzumischen, benötigt man Sand, Kies und Zement.Zur Herstellung von Zement, einem wichtigen Bestandteil von Beton, wird erst ein Gemisch aus Kalkstein und Ton zu »Mehl« vermahlen und getrocknet. Anschließend werden die kleinen Kalkstein- und Tonteilchen bei etwa 1.450 Grad im Ofen gebrannt. Neben dem Energieverbrauch für den Prozess entsteht durch chemisch-physikalische Umwandlungsprozesse auch CO2, das sich quasi aus dem Gestein löst. Diese Prozedur verursacht allein in Deutschland jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen CO2e. Weltweit sind es knapp drei Milliarden Tonnen, das sind etwa acht Prozent der gesamten weltweiten CO2-Emissionen.
CO2-Emissionen des gebäuderelevanten Endenergieverbrauchs
Außerdem kommen beim Bau Holz, Kunststoffe, Ziegel, Stahl und (mineralische) Dämmstoffe zum Einsatz. Für die Gewinnung dieser Baustoffe, deren Nachfrage derzeit ständig wächst, wird nicht nur deutschlandweit, sondern auf der ganzen Welt in die letzten natürlichen Ökosysteme eingegriffen, denn viele Sandvorkommen liegen in Naturschutzgebieten. Außerdem sind die Ressourcen im Allgemeinen begrenzt, und Deutschland muss z. B. Metallerze fast vollständig aus dem Ausland importieren.
Lebenszyklus Gebäude
Gebäude verbrauchen während ihres gesamten Lebenszyklus Energie in unterschiedlichen Formen. Zu einem Lebenszyklus gehören folgende Phasen:
Planung/Herstellung (auch die Gewinnung der Rohstoffe)
Errichtung (inklusive Transport der Baustoffe etc.)
Nutzung und Betrieb
Instandhaltung und Modernisierung
Umnutzung/Weiternutzung
Rückbau
Wiederverwendung/Recycling/Entsorgung
Einen hohen Anteil der Energie (etwa 50 Prozent) im Lebenszyklus eines Gebäudes verbraucht die sogenannte Graue Energie – die Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf sowie Rückbau und Entsorgung benötigt wird. Bei Nutzung und Betrieb eines Gebäudes unterscheidet man zwischen direkter Energie (für das Heizen der Räume und für das Warmwasser) sowie indirekter Energie (Nutzung von Strom oder Fernwärme). Wobei der größte Anteil der Energie für die Raumwärme benötigt wird.
50 Eine ganzheitliche Planung/Analyse des Lebenszyklus eines Gebäudes ist daher von entscheidender Bedeutung, denn in sämtlichen Phasen stecken enorme Möglichkeiten, CO
2-Emissionen einzusparen und Ressourcen zu schonen und damit ein nachhaltigeres Bauen zu erreichen. Einflussmöglichkeiten haben hier auch Dienstleister, allen voran im Bereich Facility-Management (FM). Hervorzuheben ist hier insbesondere der Teilbereich Gebäudemanagement, wozu auch die Gebäudereinigung zählt. So können beispielsweise auch nachhaltige Reinigungskonzepte, wie Green Clean der Wackler Group, CO
2-Emissionen einsparen.
Kohlendioxidemission nach Anwendungsbereich1 im Bedarfsfeld »Wohnen« 2020
1 einschließlich Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse (z. B. Brennholz) und Biotreibstoffen
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2022, Umweltökonomische Gesamtrechnungen, Private Haushalte und Umwelt, Berichtszeitraum 2000–2020