Wo wir stehen
Während die Treibhausgasemissionen in Deutschland seit 1990 um circa 40 Prozent insgesamt stark gesunken sind, ist im Verkehrssektor kaum eine Verbesserung festzustellen:
63 Wie die unten stehende Grafik zeigt, stagniert der Anteil seit gut zehn Jahren bei leichtem Auf und Ab, in den vergangenen drei Jahren ist er sogar wieder gestiegen. 2022 stieß der Verkehr 150 Millionen Tonnen CO
2 aus und lag damit ganze elf Millionen Tonnen über der im Bundes-Klimaschutzgesetz zulässigen Jahresemissionensmenge!
64 Trotz dieser negativen Entwicklungen wurde das Klimaschutzgesetz im Juni 2023 sogar wieder dahingehend abgeschwächt, dass die formulierten Ziele für die einzelnen Sektoren nun nicht mehr als verbindlich gelten: Zielverfehlungen können zukünftig mit Fortschritten in anderen Sektoren verrechnet werden. Umweltverbände reagierten empört. So kommentierte Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser: »Während in Deutschland Waldbrände wüten und das Trinkwasser knapp zu werden droht, will die Ampel mit dieser Novelle den Klimaschutz weiter auf die lange Bank schieben. Vor allem im Verkehr, dem Schlusslicht im Klimaschutz, wäre das fatal.«
Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen in Deutschland
Quelle: Umweltbundesamt/Bundesministerium für Digitales und Verkehr
Personen- und Lastkraftfahrzeuge
2021 benötigte der Verkehr in Deutschland gut 27 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aller Sektoren. Über die Hälfte davon geht auf das Konto der Personenkraftwagen (Pkw). Das Auto ist nach wie vor der Liebling der Deutschen, und trotz öffentlicher Debatten über eine Verkehrswende gibt es sogar immer mehr Autos: Zum Stichtag 1.1.2022 verzeichnet das Kraftfahrt-Bundesamt einen Rekordstand von 48,5 Millionen zugelassenen Personenkraftwagen – davon lediglich 618.460 mit reinem Elektroantrieb (ohne Plug-in-Hybride). Doch der Elektroanteil steigt seitdem deutlich:
65 Ende 2022 wurde die Millionenmarke geknackt, und allein im Juli 2023 wurden knapp 49.000 »Stromer« zugelassen. Das entspricht einem Anteil von 20 Prozent.
66 Es geht also in die richtige Richtung.
Verteilung der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors auf einzelne Verkehrsmittel
Quelle: eigene Berechnung
Gleichzeitig setzt aber seit einigen Jahren auch ein anderer Trend ein: Mehr als jeder dritte in Deutschland neu zugelassene Pkw ist ein SUV (Sport Utility Vehicle) oder Geländewagen. Zwar werden auch immer mehr Elektro-SUVs zugelassen – in der höheren Karosserie lassen sich die Akkus besser unterbringen –, doch werden die Autos durch die Akkus auch schwerer und verbrauchen damit wieder mehr Strom.
Elektroautos
Ende 2022 überstieg die Zahl an zugelassenen reinen Elektroautos in Deutschland erstmals die Millionenmarke. Das mag viel klingen, ist aber noch sehr weit entfernt von den 15 Millionen E-Autos, die die Bundesregierung für 2030 als Ziel formuliert hat.
67 Aktuell können Elektroautos nur bedingt durch regenerative Energiequellen »betankt« werden. Der Strom kommt hauptsächlich aus dem deutschen Strommix, also schwerpunktmäßig aus fossilen Energieträgern wie der klimaschädlichen Stein- oder Braunkohle, was sich dringend ändern muss. Mit einem Wirkungsgrad von 70 bis 80 Prozent liegt das E-Auto dennoch unschlagbar an der Spitze im Vergleich aller Antriebsarten.
Plug-in-Hybrid-Autos
Plug-in-Hybride galten lange Zeit als Brückentechnologie. In Deutschland scheint es, als würden sie langsam ausdienen, denn die umstrittenen Verbrenner mit zusätzlichem Akku sind glücklicherweise in der Gunst von Neuwagenkäufern merklich gesunken. Sicher auch verstärkt durch den Wegfall der Umweltprämie.
Solarautos
An Solarautos wird bereits seit einigen Jahren gearbeitet. Sie sollen mithilfe von Solarzellen auf dem Dach ausschließlich die Sonne als Energielieferant nutzen. Da der Wirkungsgrad der Solarzellen bisher aber zu gering ist, gibt es nur wenige Autohersteller. Ob sich Solarfahrzeuge allerdings als emissionsfreie Alternative daher zukünftig durchsetzen werden und wie effizient ihr Einsatz wirklich ist, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.
Wasserstoffautos
Auch Wasserstoffautos sind derzeit keine wirkliche Alternative. In den letzten zehn Jahren betrug die Zahl an Neuzulassungen weniger als 1.000 Stück, und in ganz Deutschland gab es 2022 lediglich 95 Wasserstofftankstellen. Das Problem: Wasserstoff kommt auf der Erde nur in gebundener Form vor und muss mit großem Aufwand erzeugt werden.
Der Wirkungsgrad, also das Verhältnis der aufgewendeten Energie zur am Ende tatsächlich umgesetzten Bewegung, liegt bei Wasserstoffautos mit 60 Prozent zwar immer noch höher als bei Verbrennern (Benzin 20 Prozent). Zu beachten ist aber, dass der Wasserstoff erst mit Strom hergestellt werden muss, um ihn dann wieder in Strom umzuwandeln. Ein Wasserstoffantrieb ist zwar bei Kleinkraftwagen nicht sinnvoll, bei größeren Motoren allerdings eine gute Option. Denn Lkw können noch nicht mit Strom betrieben werden, da die Speicherkapazität dafür bislang nicht ausreicht bzw. die Akkus zu schwer würden.
Derzeit wird mit der Wasserstoffstrategie des Bundes auch die Tankstelleninfrastruktur ausgebaut, sodass wir in den nächsten Jahren sicherlich einige Wasserstoff-Lkw auf den Straßen sehen werden.
E-Fuels
Ähnlich verhält es sich bei der Herstellung und Nutzung von sogenannten E-Fuels für den Antrieb, also synthetischen Kraftstoffen, die mittels elektrischer Energie aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Die zahlreichen verlustintensiven Umwandlungsstufen machen derzeit den Kaufpreis noch zu hoch, und auch hier hängt die Klimaschutzwirkung stark vom für die Herstellung verwendeten Strommix ab. Außerdem liegt der Gesamtwirkungsgrad bei einem mit E-Fuel betriebenen Auto bei gerade einmal 15 Prozent.
Insgesamt sind Pkw mit alternativen Antrieben effektiver geworden und auf dem Vormarsch. Seit 1995 sanken die kilometerbezogenen CO2-Emissionen bei Pkw um knapp zwölf Prozent und bei Lkw um 8,5 Prozent.
Dennoch ist im Verkehrssektor kaum eine Verbesserung zu verzeichnen. Die gesamten direkten Emissionen sind im Straßengüterverkehr pro Jahr mit gut 120 Tonnen CO
2-Äquivalenten (CO
2e) (Bezugsjahr 2021) heute sogar um 23 Prozent höher als noch 1995. Der Grund dafür ist der starke Anstieg des Lastkraftwagenverkehrs – mit gut 72 Prozent das am stärksten genutzte Landverkehrsmittel im Güterverkehr. Eine schnelle Einführung von emissionsfreien Lkw wird wegen fehlender Ladeinfrastruktur mit ausreichend vielen und starken Ladesäulen derzeit noch erschwert.
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Flugverkehr
Unter allen Verkehrsträgern wächst der Flugverkehr weltweit am schnellsten.Laut der International Transport Worker’s Federation (IFT) wird er sich bis 2050 vervierfachen. Mehr als die Hälfte aller Passagierflüge in Deutschland waren 2020 klimaschädliche und oftmals entbehrliche Kurzstreckenflüge (Flüge mit einer Distanz bis 1.000 Kilometer).
69 Dabei boomt die Nutzung von Privatflugzeugen: Nach Recherchen von NDR und
Süddeutscher Zeitung ist 2022 die Zahl der Nutzung privater Flugzeuge in Deutschland auf ein Rekordniveau gestiegen. Mit 94.000 Starts von sogenannten Businessflugzeugen in Deutschland hat die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) rund 8.000 Starts mehr verzeichnet als im Vorjahr.
Ein Flugzeug stößt durchschnittlich 214 Gramm CO2 pro Person pro Kilometer aus. Zum Vergleich: Bei der Bahn liegt der Wert bei nur 29 Gramm im Fernverkehr und bei 54 Gramm im Nahverkehr. Allerdings muss man zugestehen, dass bei Städteentfernungen wie München–Hamburg die Bahn wegen ihrer langen Fahrtzeit als Alternative zum Flugzeug – gerade bei Geschäftsreisen – nicht immer bestehen kann. Das Auto im Übrigen genauso wenig, weder zeitlich noch in Bezug auf den CO2-Ausstoß, der mit im Schnitt 154 Gramm dem Flugzeug recht nahe kommt.
Derzeit werden etwa drei Prozent der globalen CO
2-Emissionen durch den weltweiten Flugverkehr verursacht. Deutschland war 2020 nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für einen CO
2-Ausstoß von fast zehn Millionen Tonnen verantwortlich. Davon gingen knapp acht Prozent auf das Konto von reinen Inlandsflügen. Zwar werden Flugzeuge sparsamer, aber die CO
2-Emissionen werden sich bis 2050 trotzdem verdoppeln. Hinzu kommen bei der Verbrennung von Kerosin entstehende Substanzen wie Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf, die in luftiger Höhe langsamer als am Boden abgebaut werden und sich dadurch noch stärker auswirken und zu einer Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen. Im Vergleich zum CO
2-Ausstoß am Boden sind die negativen Auswirkungen auf das Klima in Flughöhe etwa dreimal so hoch. Deshalb ist das Netto-Null-Emissionsziel im Flugverkehr mit die größte Herausforderung im Verkehrssektor.
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Schienenverkehr
Das deutsche Schienennetz der Eisenbahnen hat derzeit eine Streckenlänge von 38.400 Kilometern und ist damit um über 6.000 Kilometer kürzer als noch im Bahnreformjahr 1994. Mit dem Projekt »Deutschlandtakt« setzen die Deutsche Bahn und der Bund nun wieder auf Wachstum im Personen- und Güterverkehr sowie auf den Ausbau und die Sanierung von Gleisen und Bahnhöfen. Die Züge sollen besser aufeinander abgestimmt und dadurch Umsteige-, Reise- und Transportzeiten deutlich gesenkt werden. 40 Millionen und damit doppelt so viele Menschen wie bisher sollen künftig täglich mit dem Zug fahren und so ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Dafür muss Zugfahren aber auch günstiger und attraktiver werden: Das im Rahmen des Energieentlastungspakets zwischenzeitlich eingeführte 9-Euro-Ticket kam bei der Bevölkerung gut an und lockte auch Menschen in die Bahnen, die den ÖPNV zuvor nie genutzt hatten. Das Nachfolgermodell Deutschlandticket für 49 Euro ist gut gemeint, aber als Aboangebot für Gelegenheitsfahrerinnen und Gelegenheitsfahrer eher ungeeignet und für viele einkommensschwache Familien schon wieder zu teuer. Langfristig könnte der Preis – wenn es nach der Deutschen Bahn geht – sogar noch steigen.
Des Weiteren soll der Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf mindestens 25 Prozent gesteigert werden. Güterbahnen sind im Vergleich zu Lkw besonders klimafreundlich: Sie haben einen wesentlich geringeren Rollwiderstand, fahren deshalb fünfmal energieeffizienter als Lkw und stoßen dabei pro Tonnenkilometer 80 Prozent weniger CO
2 aus. Wegen seiner großen Ladeflächen kann ein Güterzug bis zu 52 Lkw ersetzen – das führt nicht nur zu deutlich weniger Klimabelastung, sondern schlägt sich auch in den versteckten Umwelt-, Klima- und Unfallkosten des Verkehrs nieder: Der Schienenverkehr ist volkswirtschaftlich doppelt so kosteneffizient wie der Straßenverkehr.
71 Nur leider stockt die Schienenverkehrswende derzeit: Der Deutschlandtakt soll nach jüngsten Medienberichten erst bis 2070 vollständig umgesetzt sein – deutlich zu spät, um einen spürbaren Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele zu leisten.
Komplett klimaneutral wiederum will die Deutsche Bahn bis 2040 sein. Aber immerhin liegt der Anteil erneuerbarer Energien am DB-Bahnstrommix schon heute bei 65 Prozent – damit gehört die Deutsche Bahn zu den klimafreundlichsten Konzernen der Transport- und Logistikbranche. Bis 2038 sollen es dann 100 Prozent Ökostrom sein. Auf vereinzelten Nahverkehrsstrecken wie beispielsweise der Hamburger S-Bahn sowie im Fernverkehr sind die Fahrgäste sogar jetzt schon zu 100 Prozent mit Ökostrom unterwegs.
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Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
Im Jahr 2022 wurden rund zehn Milliarden Menschen in Deutschland mit Bussen und Bahnen im öffentlichen Personenverkehr befördert. Das sind etwa 30 Prozent mehr als im Vorjahr, wenn auch immer noch weniger als vor der Coronapandemie. Viele steigen wieder oder immer noch lieber ins Auto, obwohl öffentliche Verkehrsmittel im Vergleich oft preiswerter, schneller und vor allem klimaverträglicher sind: Durchschnittlich 91 Gramm Treibhausgase und 19 Gramm Stickoxide sparen wir mit jedem Kilometer, den wir in öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Durch einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel beim täglichen Pendeln zur Arbeit könnten nach eigenen Berechnungen mehr als 700 kg CO
2 pro Person eingespart werden. Außerdem werden durch die Nutzung von Bussen und Bahnen Straßen entlastet und die Staugefahr verringert. Alle, die in öffentliche Verkehrsmittel anstatt ins Auto steigen, können somit einen wertvollen Beitrag für das Klima und die Umwelt leisten.
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Doch sind nicht nur die potenziellen ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer gefragt, sondern auch Bund, Betreiber und Anbieter: Zwar wächst der Markt der Busse mit elektrischem Antrieb immer weiter, jedoch ist der Elektrobus-anteil an der gesamten Busflotte in Deutschland nach wie vor gering: 2022 waren etwa 1.900 Elektrobusse im Einsatz – das entspricht einem Anteil von nur 3,5 Prozent. Und auch im ÖPNV müssen die Tarifsysteme attraktiver und günstiger werden, um mehr Fahrgäste zu gewinnen.
Mikromobilität mit E-Bikes und E-Scootern
Der Begriff »Mikromobilität« (auch »Elektrokleinstfahrzeuge«) fasst alle kleineren Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb wie beispielsweise Elektroscooter (E-Scooter), Elektrofahrräder (E-Bikes) und Elektromopeds zusammen.
Insbesondere die E-Bike-Branche boomt: 2022 war mit rund zwei Millionen verkauften E-Bikes erneut ein Rekordjahr. Insgesamt gibt es aktuell mehr als zehn Millionen E-Bikes in Deutschland. Mit einem Marktanteil von fast 50 Prozent sind sie damit laut Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV), ganz klar auf der Überholspur. Er geht sogar davon aus, dass 2023 mehr E-Bikes als Fahrräder ohne Antrieb verkauft werden. Besonders im Trend liegen dabei die sogenannten elektrifizierten Cargo-Bikes (E-Lastenräder), die vor allem gerne von Familien und Gewerbetreibenden als vielfältige Transportmöglichkeit genutzt werden.
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Ebenfalls beliebt sind E-Scooter, allerdings überwiegend in Großstädten und im Sharingbereich. Im Jahr 2022 liehen sich in Deutschland rund zehn Millionen Menschen einen E-Scooter aus. 167 Millionen Euro Umsatz wird hierzulande mit dem E-Scooter-Sharing erzielt, was Deutschland zum zweitgrößten Markt nach den USA macht. Als Grund für die Beliebtheit geben die Nutzenden gewöhnlich den großen Fahrspaß an – auch wenn 60 Prozent von ihnen ein klimafreundliches Verkehrsverhalten grundsätzlich wichtig finden. Aber E-Scooter sind noch lange nicht emissionsfrei und klimafreundlich, nur weil sie keine Abgase in die Luft pusten. Ihre Klimaeffizienz hängt stark von ihrer Herstellung und ihrem Einsatz ab sowie davon, was sie gegebenenfalls ersetzen. Und das kann wiederum von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich sein: Denn je besser der öffentliche Nahverkehr ist (und idealerweise mit Ökostrom betrieben wird), desto verzichtbarer sind E-Scooter. So oder so sollte man sich aber immer grundsätzlich fragen, ob es nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die eigene Gesundheit besser wäre, kurze Strecken zu Fuß oder mit einem normalen Fahrrad zurückzulegen. Dass es im Jahr 2022 zu 8.260 E-Scooter-Unfällen mit Personenschaden kam, darf auch nicht unbeachtet bleiben.