kann man sich oft nicht aussuchen, steht in meiner Liste. Als Kriegsreporterin sollte man immer bereit sein, alles stehen und liegen zu lassen, weil jederzeit etwas passieren kann.
Auf dem Bett liegt meine Sporttasche. Viel kann ich nicht mitnehmen, sonst fällt die Sache auf. Ich werde morgen früh aus dem Haus spazieren, als ob ich ganz normal zur Schule ginge. Nur dass ich stattdessen mit dem Rad zur Raststätte fahre und meinen Vater treffe. Ich hab ihm vorhin geschrieben und gefragt, wo er grad ist, ob er einen Umweg über Demmin hinkriegt und ob sein Angebot noch steht, dass ich mal mitfahren kann. Hab behauptet, ich hätte Ferien. Er hat sich ganz schön Zeit gelassen mit dem Antworten, dachte schon, ich muss mich doch an die Straße stellen und trampen, aber dann: »Morgen, kurz nach 9?«
Es ist gar nicht so einfach zu entscheiden, was man mitnimmt, wenn man nicht weiß, wie lange man weg sein und wo genau man landen wird, aber ich denk mal, Unterhosen sind keine schlechte Idee, Socken auch nicht, und dann stopfe ich noch meine Lieblingsjeans, ein paar T-Shirts und zwei Pullover dazu.
Ich hab meiner Mutter ein bisschen Geld aus dem Portemonnaie genommen und Benno auch. Fünfundsechzig Euro insgesamt. Können sie ja mit dem Geld vom Trödler ausgleichen. Hab fast 400 jetzt. 400 sollten reichen, also für den Anfang, damit kann ich mich durchschlagen. Keine Ahnung, wo genau mein Vater hinfährt, aber an irgendeiner größeren Stadt werden wir schon vorbeikommen, Prag vielleicht, oder zur Not geht auch Danzig, da waren wir letztes Jahr auf Klassenreise, da kenn ich mich immerhin schon ein bisschen aus. Ich werd mich älter machen müssen, mir einen gefälschten Ausweis besorgen irgendwo, und dann bewerb ich mich einfach bei allen Zeitungen und Fernsehsendern für ein Praktikum. Und wenn die erst mal merken, dass ich zu allem bereit bin und gut vorbereitet, schicken sie mich bestimmt bald zu meinem ersten Einsatz.
Ich hebe meine Matratze an und ziehe das Foto darunter hervor, das ich aus dem blauen Album genommen habe, stecke es ganz nach unten in die Tasche. Dann schaue ich mich in meinem Zimmer um, sehe den Klamottenberg auf meinem Schreibtischstuhl, meine Schulbücher und Ordner und Hefte und Stifte, meine Spiele und Bücher und Zeitschriften, meine alten Kuscheltiere. Und auf einmal hab ich das Gefühl, dass ich gar nichts brauche, nichts von all dem Kram, der hier rumliegt. Als ich den Reißverschluss schließe, ist meine Tasche halb leer.