das ist alles. Timo ist zehn Minuten zu früh am Bahnhof, hat beides neben sich auf den Boden gestellt, raucht und spielt an seinem Handy rum. Ich hab seine Nummer nicht. Wir haben sie nie getauscht, irgendwie war das nicht nötig, wir sind uns einfach immer über den Weg gelaufen. Kurz überlege ich, ob ich nicht doch rübergehen sollte, über die Gleise, und ihn nach der Nummer fragen, dann könnten wir uns ab und zu schreiben, dann wüsste ich, wie es ihm geht, wie ihm Hamburg gefällt. Aber ich lasse es sein. Ich denk mal, es ist besser so, wie es ist.
Timo steckt sein Handy in die Tasche, sieht hoch zur Abfahrtstafel, tritt seine Zigarette aus und schaut dann ziellos in der Gegend rum. Ich ducke mich hinter den Stromkasten wie ein schlechter Detektiv, auch wenn ich nicht glaube, dass er mich hier drüben sehen könnte.
Bisher hab ich Sarina nichts von dem Kuss erzählt, nicht vom ersten und erst recht nicht vom zweiten. Vielleicht mach ich das auch nicht mehr, es war ja eigentlich nichts, nur ein Missverständnis und dann ein Abschiedskuss. Das ist nicht genug, um irgendwas gestehen zu müssen, schon gar nicht jetzt, wo wir uns gerade wieder vertragen haben. Außerdem gibt es Wichtigeres zwischen uns.
Ein schrilles Klingeln ist zu hören, dann senken sich langsam die Schranken am Bahnübergang. Man kann den Zug schon spüren, bevor man ihn sieht, die Gleise vibrieren und surren leise. Timo setzt seinen Rucksack auf und hängt sich die Reisetasche über die Schulter. Gute Schultern sind das, da hatte Sarina schon recht, kann man nicht anders sagen, sie hat ein Auge für so was. Jetzt ist sie schon zu sehen, die rote Regionalbahn, die ihn mitnehmen wird, einfach so. Plötzlich kommt mir das alles völlig bescheuert vor. Warum können wir nicht alle Freunde sein, warum muss er abhauen, warum verstecke ich mich eigentlich hier so bescheuert und warum haben wir uns verdammt nochmal nicht ordentlich verabschiedet. Ich stehe auf, komme hinter dem blöden Stromkasten hervor, aber Timo sieht mich nicht. Der Zug ist am Gleis, schiebt sich vor den Bahnsteig, vor Timo. Einen Moment lang ist er verschwunden, dann taucht ein Stück von ihm am Fenster auf, er drückt seine Taschen ins Gepäckfach und setzt sich. Ich klettere auf den Stromkasten, und dann winke ich, wie eine Idiotin mit beiden Armen, als ob da drüben gleich ein Kreuzfahrtschiff ausfahren würde. Endlich schaut Timo in meine Richtung. Und grinst.