Achtundvierzig

Plein Street. Energieministerium. Direktor Ato Molapo stand am Fenster seines Büros und blickte auf den Berg hinaus. Ohne ihn zu sehen. Er hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben, seine Schultern waren nach vorne gesackt. Er hatte Bluetooth-Kopfhörer aufgesetzt, und die Stimme in seinem Ohr erklärte ihm gerade, dass die Frau, bekannt unter dem Namen Caitlyn Suarez, verschwunden sei.

Die Stimme in seinem Ohr gehörte zu dem Mann von der NPA, Gogol Moosa.

»Was meinen Sie mit verschwunden?«

Moosa gab zurück: »Weg, Molapo. Entführt. Gekidnappt. Abgezogen. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Was ist daran nicht zu verstehen?«

»Was denn nun – entführt oder abgezogen?«

»Spielt das eine Rolle?«

»Ja. Eine große.«

Er hörte Moosa seufzen. »Sie wurde wahrscheinlich abgezogen. Das glauben wir jedenfalls.«

»Wann?«

»Gestern Abend, wie es scheint.«

»Wie es scheint? Was soll das heißen, wie es scheint? Vor zwei Stunden war alles angeblich noch problemlos. Vor zwei Stunden haben Sie mir erklärt, ich soll auf den Lastabwurf warten, danach sei sie in Ihren Händen.«

»Ich weiß, was ich gesagt habe.«

»Vor zwei Stunden war es also bereits zu spät.«

Ato Molapo wandte sich vom Fenster ab und blickte in sein Büro. Das Foto des Präsidenten auf der gegenüberliegenden Wand, die Reihe von Aktenschränken, der Terminkalender auf seinem Schreibtisch, die Familienbilder, sein Laptop, sein Smartphone, die Lampe mit dem Straußeneischirm. Die Eierschale hatte fein eingeritzte geometrische Muster. Ein Geschenk seiner Angestellten. Eines, das ihm besonders am Herzen lag.

Mit einem Schritt war er an seinem Tisch, hob die Lampe hoch und schleuderte sie durchs Zimmer. Das Ei zerschellte an der Wand.

»Verdammt, verdammt, verdammt, Moosa! Wissen Sie, was Sie getan haben? Kapieren Sie auch nur ungefähr, was damit verbunden ist? Von Anfang an war das ein totaler Pfusch. Alles in Ordnung, Ato, sie wird wegen Mordes verhaftet. Wir müssen uns an die Regeln halten. Dann gibt es auf einmal keine Beweise, und Sie können sie nicht verhaften. Alles in Ordnung, Ato, sie steht jetzt als Verdächtige unter Hausarrest, wir müssen uns an die Regeln halten. Soll das Gesetz seinen geregelten Lauf nehmen. Lassen wir die Polizei ihre Nachforschungen anstellen. Als Sie dann einen Haftbefehl in Händen halten, verschwindet sie. Alles in Ordnung, Ato, wir haben sie gefunden, sie wird bald verhaftet werden. Aber nein, jetzt leider doch nicht. Welches Spiel treiben Sie mit mir, Moosa?«

»Das ist kein Spiel.«

»Und warum haben Sie sie dann nicht verhaftet?«

»Es sind noch andere Faktoren zu berücksichtigen.«

»Andere Faktoren. Welche anderen Faktoren?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«

Direktor Ato Molapo ließ sich auf seinem Ledersessel nieder, lehnte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Sagte: »Das müssen Sie aber, Moosa. Ich muss das wissen. Sie müssen mir etwas in die Hand geben, was ich dem Genossen Staatssekretär weiterreichen kann.«

»Sagen Sie ihm, dass alles unter Kontrolle ist.«

Ato Molapo hob den Kopf und starrte die zerbrochenen Eierschalen an, die sich auf dem ganzen Teppich verteilt hatten. Jemand klopfte an die Milchglasscheibe seiner Bürotür. Die Klinke wurde gedreht, und seine Sekretärin blickte herein. Molapo formte die Worte »Später, später« mit den Lippen und bedeutete ihr, wieder zu gehen.

Sagte zu Gogol Moosa: »Nichts ist unter Kontrolle. Er will, dass ich ihn anrufe, wenn sie in einer Zelle sitzt. Während ich die Augen auf sie gerichtet habe.«

»In ein paar Stunden wird das möglich sein.«

»In ein paar Stunden, Moosa! Das sagen Sie jedes Mal!«

Direktor Ato Molapo legte das Bluetooth-Headset beiseite und nahm den Festnetzapparat zur Hand. Er rief die Swartputs-Atommülldeponie an und wurde zum Manager durchgestellt. Er drückte einen Knopf, um das Gespräch aufzunehmen.

Als Erstes fragte er den Manager, ob er schon von Dr. Wainwright gehört habe.

»Nein, Sir.«

Fragte den Manager, ob er den metallenen Aktenkoffer bereithabe.

»Ja, Sir.«

Erklärte dem Manager, dass er diesen nur Dr. Wainwright aushändigen solle. Das sei von größter Wichtigkeit.

»Ja, Sir.«

»Verstehen Sie?«

»Ja, Sir.«

Falls jemand anderes danach verlange, solle er ihm den Koffer verweigern.

»Ja, Sir.«

Habe er Dr. Wainwright schon mal gesehen? Wusste er, wie der Mann aussah?

»Nein, Sir.«

Er erklärte ihm, dass sich Dr. Wainwright mit einer offiziellen ID ausweisen würde. Falls es irgendwelche Zweifel gebe, solle er ihn zur Verifizierung anrufen.

»Ja, Sir.«

»Mich anrufen. Verstehen Sie? Ich bin der Einzige, den Sie dann anrufen.« Er nannte ihm seine direkte Durchwahl. »Sie lassen Dr. Wainwright mit mir sprechen. Ist das klar?«

»Ja, Sir.«

»Nur mit mir. Sonst mit keinem.«

»Nein, Sir.«

Dr. Ato Molapo legte auf. Seine Achselhöhlen fühlten sich feucht an. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Seine Haut war feucht und ölig.