City Bowl, zwölf Uhr mittags. Sie kamen über die Mauer, als durch den Lastabwurf der Strom ausfiel. Zwei Männer in schwarzen Jumpsuits, die Gesichter unter Sturmhauben verborgen. Ihre Waffen: Pistolen mit Schalldämpfern. Nichts, was sie sonst an ihnen erkannt hätte.
Krista Bishop beobachtete sie über ihren Laptop. Vermutlich hatten die beiden ihre Hausaufgaben gemacht. Wussten garantiert, dass ihnen eine Minute blieb, bis der Generator ansprang. Sie war froh, extra Batterien für die Überwachungskameras eingelegt zu haben.
Bei jedem geplanten Stromausfall hatte Krista mit so etwas gerechnet. Die täglichen sechzig Sekunden höchster Verletzbarkeit. Sie vermutete, dass es den beiden eher um eine Entführung als um ein Attentat ging. Wenn man Mart Velaze glaubte, war Caitlyn Suarez eine wertvolle Bereicherung. Die man nicht tot, sondern lebendig wollte.
Sie sah zu, wie die Eindringlinge um den Pool zur Schiebetür schlichen. Am Schloss herumhantierten.
Mit einer Hand fasste Krista nach dem Revolver in der Schreibtischschublade, während die andere Hand zum Bild der Überwachungskamera auf der Straße schaltete. Vor dem Tor parkte ein Hyundai-Transporter mit Seitentür. Weiß. Die hinteren Scheiben getönt. Sie machte einen Screenshot vom Kennzeichen. Zoomte in den Fahrerraum. Kein Fahrer. Ungewöhnlich. Für solche Aktionen nahm man meist einen Fahrer mit dazu, um problemlos wegzukommen. Nur zwei bei einem solchen Einsatz bedeutete Selbstsicherheit. Dreistigkeit. Es hieß auch, dass sie mit keinen Überraschungen rechneten. Sie wussten, wie viele hier waren, und glaubten, dass es ein Leichtes sein würde, mit zwei Frauen fertig zu werden.
Krista schickte Mart Velaze eine WhatsApp. Haben Eindringlinge. Bewaffnet. Schickte ihm auch per Mail den Screenshot.
Die Jumpsuits brauchten vierzig Sekunden, um das Schloss zu knacken. Beeindruckend. Profis. Sie traten ein und trennten sich: einer ins Schlafzimmer, der andere in die Küche. Es folgte eine genaue Hausdurchsuchung. Hinter den Möbeln, in den Schränken. Als ob Caitlyn Suarez ihre Zeit in einem Sideboard verbringen würde.
Hallo Jungs, wir sind hier unten.
Hier unten. Im Keller. Früher einmal das Töpferatelier ihrer Mutter. Früher einmal war ihre Mutter hier umgebracht worden. Jetzt gab es hier zwei Büros. Krista plante allerdings eine Renovierung. Sie wollte die Trennwand einreißen lassen und den Raum öffnen. Es wieder zu einem Töpferatelier umgestalten.
Ein Plan. Für die Zukunft.
Für die Zeit, wenn sie Caitlyn Suarez los war.
Der Generator schaltete sich ein. Die Männer hörten sein Pochen und hielten inne. Lauschten. Nickten einander zu. Sahen zur Decke. Zeigten nach oben.
»Bitte lächeln«, sagte Krista. »Kluge Burschen. Ihr wisst, wonach ihr suchen müsst.«
Die Männer machten einander Zeichen und wiesen die Treppe nach unten. Die Kameras brachten sie offenbar nicht im Geringsten aus der Ruhe.
Eine Nachricht surrte auf ihrem Handy. Verschwindet.
Danke für den guten Rat, Mart.
Krista schaltete den anderen Bildschirm an. Caitlyn Suarez befand sich im nächsten Zimmer. Sie arbeitete an ihrem Laptop. Ihr Handy lag auf dem Schreibtisch und hatte Skype geöffnet. Sah nach einem Geschäftsgespräch aus. Sie wirkte fast streng. Die Bluse unter dem Jackett war bis oben zugeknöpft. Lippenstift. Das war ungewöhnlich. Sie redete zu dem Gesicht auf dem Handy.
Krista teilte das Bild. Links sah sie nun die Männer, die mit gezückten Waffen nacheinander die Holztreppe herabkamen. Schöne Schuhe. Könnten Nikes sein. Beide trugen dasselbe Modell.
Sobald sie unten ankamen, würden sie sich in der Etage mit den Schlafzimmern befinden. Das erste mit dem dazugehörigen Bad stand leer. Im zweiten verbrachte Caitlyn Suarez ihre Nächte. Das dritte gehörte Krista. Früher hatten dort ihre Eltern geschlafen. Alle Türen waren geschlossen.
Sie und Caitlyn Suarez befanden sich ein Stockwerk tiefer.
Wahrscheinlich sah der Plan so aus: Krista vermutete, dass man sie niederschießen wollte, um dann Caitlyn Suarez mit gezückter Pistole zum Auto zu führen. Sie in den Transporter stoßen, ihr eine Injektion in den Arm jagen. Ihr würde schwarz vor Augen werden, und der Wagen sollte davonjagen.
Nun ja, genau das waren Pläne: Pläne. Allen möglichen Unwägbarkeiten unterworfen.
Sie wandte sich wieder dem geteilten Bildschirm zu. Caitlyn Suarez redete. Die Männer befanden sich jetzt auf dem Treppenabsatz und lauschten. Weiteres Gestikulieren. Nummer Eins wies auf die erste Tür, hinter der er nachschauen wollte. Nummer Zwei sollte ihm Rückendeckung geben.
Zeit zu handeln.
Krista klappte den Laptop zu. Kontrollierte die Ladung in der Trommel. Sieben Patronen. Ging nach nebenan.
Caitlyn Suarez legte eine Hand auf ihr Handy. »Können Sie nicht klopfen?«
Krista zeigte mit dem Taurus nach oben. Tippte mit dem Lauf an ihre Lippen. Von oben hörte man das Klicken von Türen, die geöffnet und dann wieder geschlossen wurden.
Eine weitere Nachricht surrte. Eine Viertelstunde entfernt.
Fantastisch, Mart, dachte Krista. So viel zum Thema internationale Kavallerie. Warum machst du dir überhaupt die Mühe?