Zweiunddreißig

Constantia Nek. Dr. Robert Wainwright sah die Bilder zuerst auf seinem Handy.

Er kam übermütig den Berg herunter. Stand auf dem Parkplatz, an seinem Auto lehnend und trank große Schlucke seines Energade-Drinks mit Apfelgeschmack, während er dachte, dass nun alles geklärt sei. Er hatte seine Pflicht getan. Jetzt musste er sich nur noch aus den Geschäften Molapos heraushalten. Dazu war er fest entschlossen. Er würde den Vorschuss zurückzahlen. Er hatte der Frau erklärt, dass er nichts mit diesen Leuten zu tun haben wolle. Sein Gewissen war rein. Es würde keine Reue eines Whistleblowers geben. Keinen geheimen Unterschlupf. Seine Familie würde intakt bleiben. In Sicherheit.

Er seufzte erleichtert über das weite Constantia-Tal hinweg. Die Welt war so, wie sie sein sollte. Er zog den Autoschlüssel aus seiner hinteren Hosentasche, sperrte den Wagen auf und setzte sich lächelnd hinein. Ehe er losfuhr, warf er noch einen Blick in sein E-Mail-Konto. Unter zahllosem Schrott gab es eine von einem Hotmail-Account. In der Betreffzeile standen die Worte »Ihre Familie«.

Mit schneller schlagendem Herzen öffnete er sie. Elf Anhänge. Er klickte jeden an.

Vier Bilder von Belinda in ihrem Friseursalon. Eine allgemeine Aufnahme: Belinda hinten im Laden, wie sie mit einer Schere in der Hand nach vorne kam. Dann näher: die Überraschung auf ihrem Gesicht. Die Hand mit der Schere erhoben, um das Bild abzuwehren. Die vierte Aufnahme zeigte sie wütend, mit offenem Mund.

Über diese Fotos wusste er Bescheid. Verstörend, aber nicht furchteinflößend. Die nächsten hingegen waren etwas ganz anderes.

Sechs Fotos seiner Söhne beim Rugbytraining. Nahaufnahmen. Die Jungen waren aus der Gruppe herausgehoben, um zu zeigen, dass man wusste, wer sie waren.

Ein Bild ihres Hauses, wo kein Mensch zu sehen war.

Dr. Robert Wainwright schloss die Augen und ließ das Handy in seinen Schoß fallen. Er schlug die Hände vors Gesicht.

Sein Mund war staubtrocken. Angst machte das Atmen schwer. Er merkte, wie es wieder sauer in seiner Speiseröhre brannte.

Im Handschuhfach entdeckte er eine Schachtel mit Säureblockern. Er nahm zwei. Saugte heftig daran, um Speichel in seinen Mund zu bekommen und die Schmerzen der Magenverkrampfung zu lösen.

Diese Kretins.

Wie sie in dem Restaurant gesessen, Muscheln gegessen und Bier getrunken hatten. Die sogenannte Handelsdelegation – verwöhnt und zugedröhnt.

Diese abstoßenden Kretins. Woher? Woher wussten sie von seiner Familie? Seinem Heim? Seinem privaten E-Mail-Account?

Diese Kretins. Sie hatten die ganze Zeit über einen anderen Plan verfolgt. Zwei Agenten. Kühl, ruhig, geradezu herablassend.

Und dann dieser Idiot Molapo. Spielte gedankenlos mit. Zu betrunken vom belgischen Bier, zu selbstzufrieden, um etwas zu bemerken. Zu gierig.

Dr. Robert Wainwright zerkaute die Tabletten und wusch sie mit einem Schluck Energy-Drink hinunter. Das Sodbrennen hinter seinem Brustbein ließ ihn zusammenzucken.

Die Jungen. Belinda. Sie waren jetzt seine erste Sorge. Er musste sie aus der Schusslinie bringen.

Robert Wainwright rief seine Frau an. Sagte: »Du musst den Salon zusperren.«

Sagte: »Ich hole die Jungs.«

Sagte: »Fahr nach Hause. Alles Weitere besprechen wir dann.«

Er hörte, wie Belinda antwortete: »Oh Gott. Ich habe das nie gewollt.«

Er legte auf.

Dr. Robert Wainwright schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, schaute er in das Constantia-Tal hinaus. Zu den herbstlich gefärbten Reben. Zu den wohlhabenden Vororten, die alle schon lange an das Sicherheitsdatennetz angeschlossen waren. In der Ferne der glitzernde Ozean. Die Leute hier hatten keine Ahnung. Für einen Moment verachtete er sie dafür, sie taten ihm in ihrer Unwissenheit fast leid. Dass sie nicht wussten, was er wusste. Von diesen Verschwörungen. Den niederträchtigen Herrschern. Der blanken Habgier. Während die Vertrauensseligen auf ihren Terrassen frühstückten, wurde ihnen die Welt gestohlen.

Du weißt das, Robert, dachte er. Du weißt das. Du hast deine Pflicht getan. Du hast die Behörden informiert.

Dann betrachtete er erneut die Fotos. Er hielt bei dem von seinem Haus inne. Dort war etwas im Fenster. Ein Blick. Er vergrößerte das Detail und erkannte das Spiegelbild des Fotografen. Eine absichtliche Provokation. Von dem Mann, den er als Mohammad Hashim kennengelernt hatte.