Neunundfünfzig

Brandvlei Road. Vicki sah, wie Mira Yavari das Handy in ihre Hosentasche schob und zum nächtlichen Himmel hochblickte. Sie ließ sich merklich Zeit, wieder in den Pritschenwagen zu steigen.

»Hier draußen sieht man mehr Sterne als irgendwo sonst auf diesem Planeten. Wussten Sie das? Was meiner Meinung nach kein Vorteil ist. Wenn man diese Menge an Sternen jede Nacht sieht, gibt man sich doch die Kugel. All diese Dunkelheit zwischen den Lichtpunkten. Muss für einen Nihilisten paradiesisch sein.« Sie startete den Motor. »Anschnallen, Süße. Wir fahren weiter.«

Nicht lange. Kurz hinter dem Schild nach Swartputs, auf dem höchsten Punkt einer Steigung, riss Mira Yavari das Steuer herum und stellte sich quer auf die Straße. Schaltete den Motor ab.

Das unerwartete Manöver brachte Vicki dazu, sich hart am Armaturenbrett abzustützen, der Gurt schnürte in ihre verletzte Schulter ein. »Verdammt! Was tun Sie? Sind Sie wahnsinnig geworden?«

Mira Yavari schnallte sich ab und fasste unter den Sitz, um eine Pistole herauszuholen. »Nein zur zweiten Frage. Warten zur ersten.« Sie warf das Magazin aus, kontrollierte es und schob es dann wieder in den Griff zurück. Aus der Mittelkonsole zog sie eine Taschenlampe. »Ruhig Blut, Vicki Kahn. Das Leben eines Agenten besteht sowieso meist aus Warten, nicht wahr?«

Nicht lange.

Vicki konnte die Scheinwerfer unter ihnen auf der Straße nach Swartputs sehen. An der Kreuzung bog das Auto nach rechts ab und begann schnell den Hügel hinaufzufahren. Als die Lichter auf den Pritschenwagen trafen, wurde es langsamer und hielt etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt an.

»Kommt schon, Jungs«, sagte Mira Yavari. »Ihr müsst keine Angst haben.«

Der Wagen kroch weitere zwanzig Meter vorwärts und blieb dann wieder stehen.

»Okay«, meinte Mira Yavari und öffnete ihre Tür. »Wenn Mohammad nicht zum Berg kommen will, muss der Berg eben zu Mohammad kommen.«

»Nicht«, warnte Vicki und fasste nach Mira Yavaris Arm. »Die werden sofort schießen. Damit haben die kein Problem.«

»So besorgt.« Mira Yavari schüttelte ihre Hand ab. »Ich hoffe sogar sehr auf einen Schuss.«

Da sah Vicki es: ein helles Aufblitzen im BMW. Trotz des laufenden Motors hörte sie den schnalzenden Knall eines Schalldämpfers. Wainwright? Sie hatten Wainwright erschossen.

Die Beifahrertür öffnete sich.

»Hallo, mein Freund«, rief Mira Yavari und ging auf den Wagen zu. Der Strahl der Taschenlampe hatte den Mann erfasst. Sah in Vickis Augen nicht wie derjenige aus, der vorher auf sie geschossen hatte. »Alles klar?«

Lauf. In dieser Dunkelheit hatten sie kaum eine Chance, sie zu finden. Doch dann öffnete sich die hintere Tür. Wainwright stand nun im Licht. Und hielt eine Art Aktenkoffer. Ein schwerer Aktenkoffer. Sie hörte, wie ihm Mira Yavari befahl, in den Pritschenwagen einzusteigen. Wainwright hastete auf das Fahrzeug zu. Vicki beobachtete sowohl den stolpernden Mann als auch die beiden Gestalten, die sich in den BMW beugten. Ihre Flucht war nun keine Option mehr.

»Robert!«

Wainwright kletterte hinten ins Auto. Er stotterte etwas Unverständliches. Erkannte sie nicht mal. »Er-er-erschossen. Hat ihn erschossen.«

»Wer, Robert? Wer?«

»Der andere. Hat ihn erschossen.«

Sie hörte den Motor des BMW aufheulen. Sie drehte sich um und sah, wie der Wagen über den Rand der Straße geschoben und von der Dunkelheit geschluckt wurde. In der Stille wurde das Zischen des Wagens immer schwächer.

Dann marschierten Mira Yavari und der Mann, den sie ihren Freund genannt hatte, die Straße entlang auf sie zu.