Albi ist ein Held

„Guckt mal!“, rief die kleine Anna glucksend. „Götz hat rosa Unterhosen an!“

Die restliche Klasse stimmte in ihr Gekicher ein. Selbst um Frau Brettschneiders Mundwinkel zuckte es verdächtig. Und dann lachte auch sie aus vollem Hals.

„Meine Unterhosen sind weiß“, verteidigte sich Götz verzweifelt. Und setzte leise hinzu: „Normalerweise.“

„Tja, da hat Gottliebs Mutti wohl etwas Rotes in ihre Kochwäsche gebracht“, versuchte Frau Brettschneider zu erklären. „Da sollte man immer gut aufpassen. Merkt euch das für später, Mädchen!“

„Und Jungs!“, fügte Lulu hinzu. „Bei uns muss nämlich mein Papi waschen.“

Frau Brettschneider schaute etwas verwirrt, aber widersprach nicht. Dann fiel ihr wieder ein, warum inzwischen die versammelte Klasse im Kreis um den vor Scham pavianpoporoten Gottlieb standen.

„So und nun gib mir deine Hose, damit wir sehen, ob etwas darin ist.“

Jetzt bekam es Egon mit der Angst zu tun. Genau bis hierher hatte er sich seinen Plan überlegt, aber nicht weiter!

„Ich fass die doch nicht an!“ Götz verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

Egon atmete auf. Puuh.

Doch da bückte sich die Lehrerin ächzend selbst nach der Hose. Mit viel Schwung schüttelte sie Götz’ Jeans über dem Papierkorb aus.

Egon klammerte sich mit seinen Pfoten an den Stoff. Er wurde durchgerüttelt, als säße er selbst im Schleudergang einer Waschmaschine.

Rauf runter, runter rauf, rauf runter. Irgendwann war ihm so schwindelig, dass er sich nicht mehr halten konnte. Seine Pfoten öffneten sich. Und wie in einer Tunnelrutsche schoss er durch das linke Hosenbein von Götz’ Jeans nach unten. Dann wurde es schlagartig grellhell um ihn – und er flog geradewegs in den Papierkorb.

Egon brauchte einen Augenblick, bis sich in seinem Kopf nicht mehr alles drehte und er verstand, wo er gelandet war. So schnell er konnte, verkroch er sich dann unter die zerknüllten Fetzen von Albis Bild.

Alle Kinder hatten die grüne Fellkugel gesehen. Für einen Augenblick verstummten sie vor Schreck.

„Boah, das ist ja eine Riesenspinne!“, flüsterte Lukas ehrfürchtig in das Schweigen. „Ich glaub’s nicht, Alter.“

Egon versuchte, sich noch besser zu verstecken. Die Papiere um ihn herum bewegten sich. Sofort brach das Tohuwabohu von Neuem aus.

Götz kletterte quietschend auf das Lehrerpult. „Die will mich wieder angreifen!“, zeterte er. Es war ihm nun völlig egal, dass er in rosa Unterhosen über allen thronte. Hauptsache, das Monster konnte ihn nicht wieder erwischen. Er hatte doch solche Angst vor Spinnen!

„Tun Sie die weg, Frau Brettschneider, schnell!“

„Ähm, ja, natürlich …“, sagte Frau Brettschneider zögernd.

Auch sie hatte das Untier gesehen. Es war ihr ziemlich riesig vorgekommen. Und dann diese grünen Haare. Womöglich handelte es sich um eine europäische Unterart der Vogelspinnen. Vielleicht sollte sie besser Herrn Machl, den Hausmeister holen … Aber wie stand sie dann vor ihren Schülern da? Die würden sie ja nicht mehr ernst nehmen! Also näherte sie sich vorsichtig dem Papierkorb und streckte langsam die Arme aus.

Albi hielt die Luft an. Lulu nagte aufgeregt an ihren Fingernägeln. Was, wenn die Lehrerin Egon entdeckte?

Als Frau Brettschneider an den Korb fassen wollte, raschelte es wieder leise unter dem weggeworfenen Papier.

„Aaah!“ Mit einem schrillen Schrei sprang Frau Brettschneider zwischen die beiden Annas und versteckte sich hinter ihnen.

Das war die Gelegenheit für Albi, etwas zu unternehmen. Er trat schnell nach vorne, zog den Müllbeutel aus dem Korb und knotete ihn fest zu. Albi kannte seinen Freund und wusste, dass Egon mindestens zehn Minuten lang die Luft anhalten konnte.

„So kommt bestimmt nichts mehr heraus“, sagte er. „Nicht mal eine Minimilbe. Ich bring den Beutel am besten gleich zur großen Mülltonne im Hof.“

Erleichtert stimmte ihm Frau Brettschneider zu. „Sehr tüchtig, Albert!“

Als Albi gleich darauf wieder ins Klassenzimmer kam, begann Maxi zu klatschen. Und dann klatschte Johanna. Und schließlich klatschten alle mit, sogar Frau Brettschneider. Nur Götz verschränkte die Arme vor seiner Brust. Aber keiner der Anwesenden ahnte, dass in der Bauchtasche von Albis Kapuzenpulli ein kleiner grüner Krumpfling hockte.