Sechs mit Spinne für Schorschi
Als Egon am nächsten Morgen in die Krumpflingschule trabte, blieb ihm das Lachen dann aber doch im Hals stecken. Ihm wurde plötzlich ganz mulmig zumute. Er hatte am Prüfungstag unentschuldigt gefehlt – dafür würde er jetzt gleich eine donnernde Standpauke von der Sippenchefin zu hören bekommen. Es war klar, dass man das nicht durfte! Und dass ihn Professor Honigschwamm das Schuljahr wiederholen lassen würde, war auch klar.
„Klar wie Katzenspucke. Aber jetzt ist die Assel schon in den Ausguss gefallen, Egon Krumpfling“, sagte er zu sich selbst.
Dann dachte er daran, wie Götz die Flucht ergriffen hatte und an Albis glücklich strahlendes Gesicht.
„Und beim nächsten Mal würdest du alles wieder ganz genauso machen, oder, Egon?“, fragte er sich selbst.
Egon nickte vor sich hin. Es stimmte: Er bereute nichts. Sein Freund Albi war ihm doch mehr wert als hundert wiederholte Schuljahre und ein Anpfiff von Oma Krumpfling obendrauf!
In der Schulschachtel herrschte bereits große Aufregung. Die kleinen Krumpflinge sprangen wild durcheinander und wisperten aufgeregt. Nach der Prüfung gestern hatten sich die Sippenchefin und Professor Honigschwamm in die Gastwirtschaft „Zur schimmeligen Morchel“ zurückgezogen. Dort wollten sie über die Benotung beratschlagen. Und sie waren noch nicht wieder zurückgekommen!
Egon ließ sich von der Aufregung jedoch nicht anstecken, sondern verzog sich gleich hinter seine Schulbank.
Kurz nach ihm betraten der Lehrer und Oma Krumpfling die Schulschachtel und alle huschten auf ihre Dosenhocker. Professor Honigschwamm räusperte sich.
„Hört, hört!“, begann er seine Ansprache. „Nach einer außergewöhnlich langen Besprechung haben wir die Benotung gemacht, die Benotung. Das war diesmal gar nicht leicht. Aber jetzt möchte ich das Wort an unsere verehrte Oma Krumpfling übergeben, das Wort.“
Oma Krumpfling fuhr sich geschmeichelt mit der Pfote über die Fadenrollen, die sie als Lockenwickler trug.
„Nur immer her damit. Also los, ähm, ja. Viele haben sich Mühe gegeben, aber eben nicht genug. Die beste Note, die Sechs mit Spinne, bekommt ein Schüler für seinen höchst originellen Erschrecken-im-Dunkeln-Trick.“ Sie rülpste laut, denn sie und Professor Honigschwamm hatten in der „Schimmeligen Morchel“ während der Beratung beinahe die gesamte Vorratskammer leer gefressen und mehrere Kannen Krumpftee getrunken. Nun hatte sie einen ziemlichen Blähbauch. Sie wollte alles schnell hinter sich bringen und dann endlich ein Nickerchen machen.
Also fuhr Oma Krumpfling fort: „Dieser Schüler heißt …“
Schorschi sah sich stolz um und deutete mit den Zeigekrallen auf sich. Er wusste natürlich, dass ER dieser Schüler sein musste.
„… Hans-Georg Krumpfling! Bravo!“, rief Oma Krumpfling dann auch tatsächlich.
Schorschi japste zufrieden: „Ich hab’s doch gleich gesagt, gell?“
Er hopste nach vorne und schwenkte seine Urkunde, eine alte 6-Pfennig-Briefmarke, auf die Professor Honigschwamm eigenpfotig eine Spinne gestempelt hatte, stolz durch die Luft. Schorschi besaß ein ganzes Album voll von diesen Marken.
Die anderen klatschten. Nur Egon ließ die Löffelöhrchen hängen. Es kam alles genau so, wie er es erwartet hatte. Nun nannte Oma Krumpfling den zweitbesten Schüler, nämlich Zara, und so ging es immer weiter, bis sich Wobbel, als Vorletzter, die 2-Pfennig-Marke für seinen nicht besonders neuartigen Wegfress-Trick abholen durfte. Alle schauten jetzt auf Egon und rieben sich voller Schadenfreude die Pfoten.
„Und nun zu dir, Egon, zu dir“, sagte Professor Honigschwamm. „Du bist ja immer eine schräge Nummer, aber diesmal hast du uns sozusagen aus den Latschen gekippt.“
„Aus den Latschen, genau!“ Zum Beweis zog sich Oma Krumpfling einen Pantoffel von der Fußpfote und schleuderte ihn auf Egon. Der duckte sich rechtzeitig und der Pantoffel zischte knapp an seinem Ohr vorbei und prallte gegen Zwurz.
„Volltreffer“, kicherte Oma Krumpfling. „Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Bei Egon.“ Sie wedelte mit der letzten Urkunde.
„Na, hol dir deine Eins mit Stern, du Trollknolle!“, zischte Panko zu ihm herüber.
Mit hängenden Schultern schlurfte Egon nach vorne. Er legte die Ohren an und wappnete sich gegen das Donnerwetter, das sich nun über ihm entladen würde. Oma Krumpfling riss ihr Maul auf und schrie: „Schorschi hat wie immer die beste Note, aber du hast diesmal die ALLERbeste Note bekommen. Gratuliere, Egon Krumpfling! Schuleschwänzen am Tag der Prüfung, so eine Frechheit hat noch keiner gewagt …“
Sie drückte ihm seine Briefmarke in die Pfote. Als Egon die Zahl darauf sah, wurde ihm schwindelig: Es war eine Sechs-Pfennig-Marke. Und sie hatte zwei Spinnenstempel! Aber als Oma Krumpfling ihn dann auch noch nach seinem Wunsch fragte, konnte er sein Glück kaum fassen.
„Ich möchte gerne in den rechten Skistiefel Größe 48 ziehen, bitte“, flüsterte er selig.
„Minimottenmatsch, ich hab’s befürchtet.“ Oma Krumpfling rempelte Professor Honigschwamm mit dem Ellbogen in den Bauch und bückte sich hinunter zu Egon. „Der rechte Skistiefel ist blöderweise besetzt. Da wohnt jetzt Schorschi.“ Dann zwickte sie Egon in die Nase und sagte mit einem Glupschaugenzwinkern: „Aber wir haben ja noch den linken! Da wohnst jetzt du!“
Egon zu Besuch bei seiner Autorin Annette Roeder ...
Annette: Hallo, Egon, komm rein! Ich sperr’ Karli gleich in ein anderes Zimmer ... (bringt den Hund raus und kommt kurz darauf zurück)
Egon: Gut so, schaff diese zottelige Zeckentöle nur ganz weit weg! Am besten ins Tierheim!
Annette: Na, na, ich weiß ja, dass du keine Hunde magst. Aber in „Egon wird erwischt“, dem zweiten Band deiner Geschichte, hat dir ein Hund doch aus der Patsche geholfen.
Egon: (wird türkis) Oh, erinnere mich ... Das war wirklich peinlich. Ich möchte mal eine Geschichte von dir, in der ich mich richtig wie ein Held verhalte.
Annette: Ich finde dich eigentlich immer heldenhaft, selbst wenn du dich blamierst. Weil du gegen deine fiese Krumpflingsnatur ankämpfst und Albi ein richtig guter Freund bist. Das ist eine große Leistung!
Egon: So habe ich das noch gar nicht gesehen... (grinst verschmitzt und zeigt auf seinen Bauch) Hast du eigentlich ein Lieblingsessen?
Annette: Oh entschuldige, ich habe dir gar nichts zu essen angeboten. Meine Leibspeise sind Pfannkuchen mit Apfelmus. Soll ich uns welche machen?
Egon: Pfannkuchen geht in Ordnung. Aber für mich lieber mit Pilz-Füllung. Und eine heiße Tasse Krumpftee wär fein dazu.
Annette: Gut, dann lass uns für den Tee noch schöne Schimpfwörter sammeln. Schmeißfliegenpopo! Bräsige Bartagame! Weichgespülter, knatternder Windelpupser!
Egon: (streckt die Arme aus und sammelt alles sein) Danke, reicht schon! Das wird ein Festschmaus!