Schlechte Träume

In dieser Nacht schlief Egon noch schlechter als sonst. Erst drehte er sich auf den Rücken, dann auf den Bauch. Zum Schluss versuchte er es sogar auf dem Kopf. Aber egal, wie er sich in seiner ungemütlichen Wohnhöhle herumdrehte, ständig spukten ihm hässliche Traumbilder durch die Gedanken: Er sah einen Jungen, kaum größer als ein Gartenzwerg, der mit einer riesigen Nagelschere lauter herzförmige Löcher in Albis Haare schnitt. Dann wollte Egon vor der Klasse seinen Vortrag halten, aber der böse Junge sprang nun mit dem großen Duschkopf hinter Oma Krumpfling hervor und spritzte Egon von oben bis unten nass.

Am frühen Morgen kroch Egon völlig gerädert aus der Kindergießkanne und streckte sich.

„Heute mache ich die beste Prüfung von allen, dann darf ich mir von Oma Krumpfling was wünschen.“ Er gab der Gießkanne einen Tritt. „Und dann ziehe ich sofort in den kuschlig weich gepolsterten rechten Skistiefel Größe 48 um. Dass du’s nur weißt, du blöde Blechziege!“

Die Gießkanne schien die Beleidigung nicht weiter zu stören. Sie antwortete zumindest nicht darauf.

Egon packte seine Schulsachen zusammen: Bleistiftstummel, Radiergummistückchen, ein Fetzen Packpapier und den Stiel eines getrockneten Steinpilzes für die Pause … Dann machte er sich auf den Weg zur Schulschachtel. Das ungute Gefühl, das in seinem Bauch herumturnte, wurde unterwegs jedoch nicht besser. Im Gegenteil. Je näher Egon der Krumpflingschule kam, desto schlimmer fühlte es sich an.

„Das ist nur die Aufregung, Egon Krumpfling“, versuchte er sich zu beruhigen. „Prüfungsbammel. Ganz und gar unnötig.“

Egons Schritte wurden von alleine immer kleiner. Kurz vor der Schulschachtel überholten ihn Zara und Zwurz.

„Hast du keine Angst dich zu blamieren, Herzchenschreck?“, kreischte Zara. „Ich an deiner Stelle würde lieber in meiner Höhle bleiben.“

Im Vorübergehen ließ Zwurz einen stinkenden Pupspropeller fahren, genau vor Egons Schnauze.

„Die volle Ladung. Gib mir Vier, Schwabbelschwester!“, gackerte er stolz und Zara klatschte mit der Pfote gegen seine.

„Dumm rumpupsen … das kann doch jedes Krumpflingbaby!“, rief Egon ihnen wütend hinterher. „Und Angst hab ich gar nicht! Ich habe Spitzentricks auf Lager! Alle persönlich getestet!“

Er wartete, bis sich der Modergasgestank und die Zwillinge verzogen hatten. Doch als Egon wieder durchatmen konnte, sah er plötzlich klar: Er fürchtete sich wirklich nicht vor der Prüfung. Etwas anderes quälte ihn, ein völlig neues Gefühl. Egon machte sich schreckliche Sorgen um seinen besten Freund! Albi durfte nicht geärgert werden! Schließlich war er kein tricktrainierter Krumpfling, sondern ein empfindsames Menschenwesen. Er brauchte Egons Hilfe. Und zwar so schnell, wie möglich!