17

Zuerst sah man nur das Gerüst und die Plastikplanen und den kleinen Ausschnitt, wo sich die Plane gelöst hatte und den Blick auf das Fenster freigab. Die Plane flatterte; das Fenster stand einen Spaltbreit offen. Der Vorhang war zurückgezogen, aber in der Wohnung brannte kein Licht. Nur das Wasser in dem großen Aquarium vor dem Fenster schien schwach zu leuchten. Alles war in ein unwirkliches, körniges Grün getaucht wie die Aufnahmen, die manchmal im Fernsehen von nächtlichen Operationen geheimer Spezialtruppen in Kriegsgebieten gezeigt wurden.

Aus den Lautsprechern auf dem Boden neben dem Avid drang das Rauschen des Regens, das Knattern der Plastikplanen und, etwas weiter weg, der Partylärm, den Ella bei ihrer Ankunft vor dem Haus gehört hatte. Unwillkürlich sah sie zum Fenster hinüber. Sogar das Klirren von Flaschen und Gläsern hatten die leistungsstarken Mikrofone aufgenommen.

Unvermittelt fragte eine Männerstimme: »Was ist es?« Die Stimme war leise, fast sanft. »Wo ist es?« Ella spürte, wie sich die Haut auf ihrem Rücken zusammenzog, zwischen den Schulterblättern und dicht unter dem Nacken.

»Ich weiß nicht«, antwortete die Stimme einer Frau. »Je ne – je ne sais pas!«

»Ich spreche kein Französisch«, sagte die Stimme des Mannes. »Was ist es?«

»Was ist was? Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Die Stimme der Frau vibrierte wie eine Saite, die zu reißen drohte.

»Wo ist es?«

»Was meinen Sie denn? Ich weiß es nicht. Je ne sais vraiment pas.«

Der Schrei zerriss das Pladdern des Regens auf den Planen und das ferne Stampfen der Musik, und er nahm kein Ende. Er nahm kein Ende, weil er gleich danach in einen weiteren Schrei überging, der auch kein Ende nahm, aber das grünstichige Bild auf dem Monitor zeigte nur den fallenden Regen und das Fenster und sonst nichts.

»Wo ist es?«, fragte die gleichmütige Männerstimme, »sag mir, wo es ist. Was ist es?«

Auf einmal erschien eine Hand am Fenster. Sie schien nach der Scheibe zu greifen. Man sah nur die Hand, wie sie von der Scheibe abrutschte und schwarze Streifen auf dem Glas hinterließ. Das Fenster wurde in den Rahmen gedrückt, die Hand verschwand wieder, aber die schwarzen Streifen blieben auf der Scheibe zurück, und Ella wusste, dass die Streifen Blut waren, das lediglich durch das Nachtsichtobjektiv schwarz wirkte.

Einige Sekunden lang geschah nichts, während die gedämpften Schreie in ein Winseln übergingen. Ella konnte hören, wie Dany neben ihr nach Luft schnappte, und dann tauchte die Hand wieder auf, diesmal von unten. Sie klammerte sich an den Vorhang, es schien, als versuchte sie sich hochzuziehen, und jetzt war sie ganz schwarz, und als der nackte Unterarm erschien, war auch er schwarz, und ein Gesicht gehörte dazu, ein Frauengesicht, aber ehe man es richtig erkennen konnte, wurde es mit einem Ruck weggezogen, und kurz, ganz kurz, sah man eine andere Hand im Haar der Frau.

»Dieu«, flüsterte Dany, »mon dieu …« Er drückte eine Taste am Bedienungsfeld des Avid, und das Fenster rückte näher heran, und er drückte noch einmal, und der Ausschnitt rückte noch näher. Jetzt sah Ella schwarze Flecken auf dem Boden hinter dem Fenster, eine schwarze Lache, die stetig größer wurde. Der Wind drückte das Fenster wieder auf, und das Schreien und Winseln wurde wieder lauter. Ella dachte, warum hat das denn niemand gehört?, bis ihr klar wurde, dass der Partylärm und das Rauschen des Regens und die knatternden Planen die Schreie übertönten.

Eine Minute lang geschah nichts, nur das Fenster schlug sacht hin und her, als plötzlich der Regen aufhörte und aus dem Rauschen ein Tröpfeln wurde, dann ein Flüstern, und da geschah wieder etwas hinter dem grünlichen Fenster: Eine Gestalt fiel gegen das Aquarium, prallte ab und stürzte. Gleich darauf kippte das Aquarium aus dem Bild, und wieder geschah einige Sekunden lang nichts. Dann kroch die Gestalt über den Boden, durch die schwarze Pfütze, die jetzt nass glänzte, eine nackte Gestalt, grün-weiß und schwarz kroch sie langsam durch das Zimmer, durch ein Gewimmel zuckender Fische überall um sie herum auf dem Boden. Wimmernd krabbelte sie in der blutigen, zappelnden Nässe herum, und noch kürzer huschte eine andere Gestalt durchs Bild, in schwarz bespritztes Zellophan gehüllt. Wie ein glitzernder Schatten huschte sie vorbei, in der Hand ein Messer.

Dany drückte eine andere Taste. Das Bild blieb stehen.

Das zerschnittene Gesicht des kriechenden Mädchens war für einen Sekundenbruchteil dem halb offenen Fenster zugewandt, eine Grimasse verständnislosen Grauens, in schwarzes Blut getaucht wie der ganze Rest des nackten Körpers, und links über ihr sah man nur die Hand mit dem Messer, dessen Klinge so gedreht war, dass sie einen blinkenden Lichtreflex festhielt wie einen Mondsplitter.

Ella konnte ihre Augen nicht von dem Anblick lösen. Sie biss sich auf die Unterlippe und spürte keinen Schmerz. Eine tiefe Scham erfüllte sie.

Du siehst zu, wie ein Mensch gequält wird – eine junge Frau, die vielleicht jetzt schon nicht mehr lebt, während du hier stehst und auf den Monitor starrst, auf das digital zusammengesetzte Bild eines beginnenden Todes.

Da wanderte plötzlich ein heller Fleck über die Zimmerdecke von Michalewskis abgedunkeltem Beobachtungsraum. Ella sprang zur Balkontür und spähte durch einen Spalt in der Jalousie hinüber zu den Fenstern der Wohnung auf der anderen Seite des Hofes. Einen Moment lang glaubte sie, dort etwas zu sehen, ein kurzes Aufflackern wie von einer Taschenlampe, die ein- und gleich wieder ausgeschaltet wurde. Danach lag die Wohnung wieder im Dunkeln.

Über den Avid gebeugt, drehte Dany an einem Regler, drückte eine weitere Taste. Ein zweiter Monitor zeigte die Wohnung jetzt im hellen Tageslicht. »Und das – wann ist das? Am selben Tag?«, fragte er.

Michalewski, der sich bis an die Tür zum Korridor zurückgezogen hatte, nickte. »Ort, Zeit und Objekt stehen auf der Hülle.«

Ella kehrte an den Avid zurück und warf einen Blick auf den zweiten Monitor. Streifen von Sonnenschein fielen durch das weit offene Fenster der Wohnung. An den reglosen Planen konnte man erkennen, dass kein Wind wehte, nicht der leiseste Hauch. Eine junge Frau ging durch den großen Raum, in dem der Schreibtisch stand. Sie war barfuß und trug nichts außer einem malvenfarbenen Höschen. Sie hatte lange, schlanke Beine und feste Brüste, die sich im Rhythmus ihres Atems hoben und senkten. Ein matter Schweißfilm überzog ihre sonnengebräunte Haut. Das haselnussfarbene Haar hatte sie im Nacken mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, und wenn sie zum Fenster hinsah, konnte Ella erkennen, wie schön sie war.

»C’est elle«, sagte Dany leise. »Mado.«

Die junge Frau blieb bei dem Aquarium vor dem Fenster stehen, betrachtete das Unterwasserballett der bunten Fische, das abrupt von Zeitlupe zu Zeitraffer wechselte, als sie etwas Futter in das türkisgrüne Wasser schüttete. Auf der Tonspur erklangen jetzt andere Geräusche: fernes Kindergeschrei, das Scheppern von Besteck, von Töpfen, Radiomusik. Die Geräusche wurden abrupt leiser, als Mado nach einem Handy griff, das auf der zum Teil sichtbaren Schreibtischplatte lag. Sie klappte es auf, warf einen Blick auf das Display und drückte einen Knopf. »Oui, Mado«, meldete sie sich. Sie lauschte, lächelte. »Professeur Forell«, sagte sie, lauschte wieder und nickte eifrig. »Oui, j’etais à Paris et hier soir je l’ai rencontrée. J’ai parlé avec lui de l’histoire de nos familles et – « Sie unterbrach sich und fuhr auf Deutsch fort: » – und von dem Journal habe ich ihm auch erzählt! Ich habe ihm eine Kopie davon gezeigt und – ja, er hat mir etwas für Sie gegeben – eine Flasche Wein – ja, Wein!«

Sie hörte erneut zu, nickte schweigend. »Wenn Sie wollen, kann ich sie Ihnen sofort bringen – «

Wieder wanderte der blasse, helle Fleck über die Zimmerdecke des Beobachtungsraums. Ella lief noch einmal zum Balkon und kippte die Lamellen der Jalousie, um besser hinaussehen zu können. Etwas war anders im Penthouse auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes: ein Schatten, wo sich vorher keiner befunden hatte. Am Fenster stand jemand. Ein Mann. Reglos, so wie sie. Er schien Ella anzusehen. Nein, er kann dich nicht sehen, nicht wenn er

Plötzlich traf sie der Lichtstrahl einer starken Taschenlampe. Der Mann leuchtete ihr direkt ins Gesicht.

Sie zuckte zurück. Sie sind da. Sie haben uns entdeckt. Der Lichtkegel verweilte einen Moment auf der Jalousie, dann wanderte er weiter. Vorsichtig näherte Ella sich wieder der Jalousie. Sie konnte das Gesicht des Mannes in der Dunkelheit der Wohnung nicht erkennen, nur seine Umrisse und die Lampe, deren Strahl jetzt langsam zurückkehrte und auf dem Balkon verweilte.

»Sie sind da«, sagte Ella. »Sie sind da drüben im Penthouse. Wir müssen weg!«

Danys Finger flogen weiter über die Tastatur des Avid, als hätte er sie nicht gehört.

»Wer ist drüben?«, fragte Michalewski.

Der Strahl der Taschenlampe erlosch, die Gestalt am Fenster des Penthouses verschwand.

Ella lief zum Schnittpult. »Sie kommen hierher, Dany.«

»Gleich«, sagte Dany wie gebannt.

»Wer kommt?«, keuchte Michalewski. »Kommt jemand hierher? «

»Da«, sagte Dany plötzlich und deutete auf den Monitor, »là, c’est vous – die Ärztin – «

Ella sah sich selbst, wie sie zögernd den dunklen Raum betrat, den Notfallkoffer in der einen Hand, die Taschenlampe in der anderen. Sie sah sich, wie sie stehen blieb, und trotz des grünstichigen, körnigen Bilds sah sie den Schock auf ihrem Gesicht. Sie sah sich, wie sie neben der verletzten Frau niederkniete und überlegte, was sie tun, womit sie anfangen sollte, aber den Mann mit dem Messer sah sie nicht mehr, und wenn dies ein Film gewesen wäre, hätte sie jetzt gedacht, pass auf, er ist noch da, pass auf!, und genau das war es auch, was Mados Augen ihr damals zu sagen versucht hatten.

»Wir können hier nicht bleiben!«, drängte Ella.

Die Kamera schwenkte von ihr weg, fort von dem halb offenen Fenster über die regennassen Planen, als suchte sie nach dem Mann in einem der anderen Räume und dann schwenkte sie mit einem Ruck wieder zurück, und Dany rief: »Da, da ist er!« Ella sah, wie jemand aus dem Fenster auf das Gerüst kletterte, schnell und geschickt, und sie begriff, dass das, was ihr in jener Nacht wie eine Ewigkeit vorgekommen war, nur wenige Minuten gedauert hatte – ihr Kampf um Mados Leben.

Der Mann, in schwarzgrün glitzernde Plastikfolie gehüllt, sah nicht zurück. In der linken Hand hielt er einen schwarzen Beutel. Er lief über das Gerüst davon, verschwand hinter der Plane – sie konnten seine trampelnden Schritte auf dem Holzbrett hören und das Beben des Gestänges –, aber als er die Leiter nach unten erreichte, geriet er wieder ins Bild, und jetzt hob er kurz das Gesicht. Dany drückte eine Taste und hielt es fest, vergrößerte es, vergrößerte es noch weiter. »Kennen Sie diesen Mann?«, fragte er. »Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«

Der Mann hatte kleine Augen, eine gebrochene Nase und ein breites Kinn, das unrasiert wirkte. Einer seiner Wangenknochen schien höher zu stehen als der andere, was dem Gesicht eine asymmetrische Form gab. Ein Netz von Narben zog sich um das linke Auge.

»Nein«, sagte Ella, »noch nie.« Sie lief zur Tür.

Dany drückte einen Knopf, und eine silberne Scheibe glitt aus einem Schlitz des Avid. Er schob die Disc in die Innentasche seiner Lederjacke, griff nach zwei beschrifteten Hüllen mit weiteren DVDs, die er schon bereitgelegt hatte, und stürzte hinter Ella her.

»Wo wollen Sie denn plötzlich hin?!«, rief Michalewski. »Sie können mich doch nicht alleinlassen! Was wird denn aus mir!?« Er rang die Hände. »Was wird aus mir?! Ich kann nicht weg. Ich komme die Treppe nicht runter. Was wird aus – «

»Sperren Sie die Tür ab!«, sagte Ella. »Rufen Sie die Feuerwehr. Sagen Sie diesmal Ihren Namen und dass Sie einen Herzanfall hätten, irgendwas in der Art. Machen Sie nur dem Notarzt die Tür auf.«

Ella konnte die Stufen im dunklen Treppenhaus gerade so sehen und nahm immer zwei auf einmal. Sie ließ die Hand über das Geländer gleiten, sah nur nach unten, über das Geländer den Treppenschacht hinunter. Sie hörte, wie der dicke Mann seine Wohnungstür zuschlug und verriegelte. Als sie fast im Erdgeschoss war und im Hauseingang noch immer alles ruhig blieb, dachte sie einen Moment lang, dass sie sich vielleicht getäuscht hätten, dass niemand im Penthouse gegenüber gewesen war.

Sie stürmte aus dem Haus auf die Straße, Dany dicht hinter ihr. Der Bürgersteig lag leer im Schein der Straßenlampen. Alles war still bis auf ein gelbes BMW Cabrio, das sich von der Kreuzung her näherte. Der Fahrer des Cabrios hatte seine Soundanlage voll aufgedreht.

Dann sah sie die Männer, die um die Ecke des Nachbarhauses bogen. Sie gingen schnell, einer neben dem anderen. Sie entdeckten Ella und Dany und begannen zu rennen. Alle drei trugen graue Jacketts und helle Hosen, fast als wären sie in Uniform. Sie rannten über den Bürgersteig aus dem Licht der Laternen in den Schatten unter den Bäumen und wieder ins Licht, und gleich darauf konnte Ella erkennen, dass sie Pistolen in den Händen hielten.

Das BMW Cabrio war noch ein gutes Stück entfernt. Sein Auspuff röhrte, und die Musik aus der Soundanlage hallte von den Fassaden der Häuser wider. Dany packte Ellas Hand, zog sie mit sich über das schlecht asphaltierte Trottoir die Straße hinunter. Die Nachtluft war warm, und als sie rannte, spürte Ella die Berührung kleiner Mücken im Gesicht, wenn sie in einen der tanzenden Schwärme unter den Laternen geriet.

Die drei Männer waren dicht hinter ihnen, aber sie schossen nicht. Sie waren auch sonst leise, keine Rufe, kein Gebrüll, nur ihre klatschenden Schritte auf dem Asphalt, ihr hechelnder Atem, das Pfeifen ihrer Lungen. Dany hielt noch immer Ellas Hand, rannte voraus, sein Rücken dicht vor ihr, seine blonden Haare jetzt dunkel vor Schweiß.

Das Cabrio fuhr langsamer: Vier Jugendliche saßen darin, drei Jungen, ein Mädchen, Zigaretten und Bierflaschen in den Händen. Sie waren fast vorbei, da bremste der Fahrer plötzlich abrupt, legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas. Das Cabrio rollte jaulend mit hochragendem Heck zurück. Einer der Jungen lehnte sich über die Tür und winkte mit seiner Bierflasche, das Gesicht halb unter dem Schirm einer Baseballkappe verborgen. »Hey, kleines Mädchen«, rief er mit russischem Akzent, »komm, fahr mit uns, kleines Mädchen.«

Ella blieb stehen. Danys Hand entglitt ihr. Er rannte noch ein Stück weiter, ehe er mitbekam, dass sie nicht mehr bei ihm war. Keuchend drehte er sich im Licht einer Laterne um. Ella stand in der Mitte des Bürgersteigs und streckte dem jungen Russen in dem Cabrio die rechte Faust mit gestrecktem Mittelfinger entgegen.

Die drei Männer liefen ebenfalls langsamer, waren fast bei ihr, die Hände mit den Pistolen jetzt unter den Jackenschößen verborgen. Alle drei wirkten ausdruckslos wie Roboter, kein Mienenspiel, kein Leben in den Augen. Einer schien schwere Verbrennungen im Gesicht erlitten zu haben, denn der linke Wangenknochen war mit verpflanzter Haut von dem künstlichen Rosa eines Puppenkörpers bedeckt.

Der junge Russe stieß die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Er war stämmig und größer, als er im Sitzen gewirkt hatte. Um seinen kräftigen Hals baumelte eine Panzergoldkette. Das kurzärmelige kragenlose Hemd hing über die Hose bis zu den Knien hinunter wie bei einem Hip-Hopper. Er hielt noch immer seine Bierflasche in der Hand, als er mit schwingenden Schritten auf Ella zustolzierte. »Mach das noch mal, kleines Mädchen«, sagte er.

Die drei Männer näherten sich Ella von der Seite. Einer von ihnen gab dem Russen ein Zeichen und rief: »Steig wieder in den Wagen, Junge«, aber der Russe schien ihn beim Lärm der Partymusik nicht zu hören. Als der Mann sich ihm in den Weg stellen wollte, schlug der Junge ihm die Bierflasche mit solcher Wucht ins Gesicht, dass die Flasche zerplatzte. Der Mann riss die Hände hoch, und eine Fontäne von Blut spritzte ihm aus Nase und Mund. Das Blut war rot im Schein der Laterne, aber dunkelbraun, als es auf den Asphalt klatschte.

Der Russe ging weiter, ohne stehen zu bleiben, ohne sich umzuschauen. Er hatte Ella beinahe erreicht, da stürzte sich einer der beiden anderen Männer auf ihn, und jetzt hatte der Junge keine Flasche mehr, und der Mann packte ihn bei den Schultern, fasste ihn um Schulter und Hals wie einen guten Freund und versetzte ihm einen schnellen Kopfstoß mit der Stirn gegen die Nase. Der Junge schrie und stürzte auf das Trottoir, beide Hände gegen das Gesicht gepresst.

Der Mann wischte sich mit raschen Bewegungen das Blut von seinem silbrig schimmernden Jackett, dann trat er dem Jungen in die Seite und gegen die Brust und gegen den Kopf, ohne ein Wort zu sagen.

Plötzlich waren auch die beiden anderen Jungen und das Mädchen aus dem Cabrio auf dem Bürgersteig. Der gelbe BMW stand mit offenen Türen in der Mitte der Straße, in Abgasnebel und dröhnende Musik gehüllt. Die Jungen und das Mädchen brüllten russische und deutsche Schimpfworte, drängten die grauen Männer von ihrem Kumpel weg und schlugen dabei mit Fäusten und Flaschen auf sie ein.

Ella wich langsam zurück, bis sie gegen Dany stieß. Er hielt ihren Arm mit einer Hand und deutete auf die Straße, auf das Cabrio mit den offenen Türen. Sie liefen zu dem Wagen und sprangen hinein, Dany hinter das Steuer, und als er Gas gab und losfuhr, konnte Ella im Außenspiegel sehen, wie der Mann und der Junge nicht aufhörten zu kämpfen und dabei immer kleiner wurden, während die Nacht und die Straße wuchs und bald den ganzen Spiegel ausfüllte.