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„Phillie?“

Es war nur ganz zart, beinahe ein Flüstern, doch Philippa war plötzlich hellwach, sprang von ihrem Lager auf und tapste mit nackten Füßen zur Tür.

„Komm rein“, wisperte sie und schob ihre Freundin Richtung Bett. Elsa, die offensichtlich nichts sah und ins Stolpern geriet, griff nach einem nicht vorhandenen Halt. Mit Getöse krachte ein irdenes Gefäß auf den Boden, was Philippa schockiert innehalten ließ. Mit eisigem Griff hinderte sie ihre Freundin am Weitergehen und lauschte in die Düsternis. Die Geräuschlosigkeit im Haus dröhnte in ihren Ohren. Als alles ruhig blieb, flüsterte sie: „Bleib erst mal hier. Du kannst jetzt deine Kleidung ablegen.“

„Nein“, entschied Elsa, „das ist zu gefährlich.“

Philippa verlangte: „Dann zieh aber wenigstens deine Schuhe aus. Hier“, sie wies mit einer Hand zu einer Wandvertiefung, „schlafen wir.“ Sie drückte Elsa sanft an der Schulter, um anzudeuten, sich auf dem Strohsack niederzulassen. Dann glitt sie neben sie und starrte an die niedrige Zimmerdecke.

Schweigend lagen die beiden jungen Frauen nebeneinander. Nach einer Weile hielt es Philippa nicht mehr aus. „Was ist mit dir?“, raunte sie. „Bist du nicht mehr bei den Baldus’?“

„Ich musste weg.“

„Musste? Was ist passiert?“

Es kam keine Antwort. Nur ihre Atemzüge durchbrachen die Stille. Warum wollte sie ihr nichts erzählen? Sie waren doch Freundinnen! Oder war es so schlimm gewesen, dass es unaussprechlich blieb? Ihre Gedanken rasten.

Sie erinnerte sich, dass sie als Kinder unzertrennlich gewesen waren und sich damals am Ufer des Rolsbach einen ewigen Freundschaftsbund geschworen hatten. Wie Elsa heute dazu stand, wusste sie nicht, doch für sie blieb Elsa, auch wenn sie sich nicht mehr oft sehen konnten, ihre Freundin. Für sie war die Zusammengehörigkeit ein wahres Versprechen.

Breitscheid war ihrer beider Heimatdorf. Nur ganz selten kam Philippa noch heim. Wenn sie sonntags nach dem Kirchgang den Wunsch verspürte, nach Hause zu gehen, war ihr bei genauem Überlegen klar, dass sie kaum Zeit hätte, sich bei den Eltern aufzuhalten. Der Weg war fast drei Wegstunden weit und manchmal wollte sie sich sonntags einfach nur ausruhen.

Während sie grübelte, vernahm sie ein leises Schluchzen, das mehr und mehr anschwoll. Philippa spürte, wie Elsa von einem Weinkrampf geschüttelt wurde. Impulsiv schlang sie die Arme um sie und hielt sie ganz fest. Es war eine gefühlte Ewigkeit, in der Elsa wiederholt schniefte und heiße Tränen ins Kissen fielen. Schockiert von Elsas Gefühlsausbruch, drängte Philippa auf eine Erklärung: „Jetzt sag mir endlich, was los ist!“

Das Schluchzen, wenn auch nun etwas verhaltener, wollte nicht aufhören. Doch dann hörte Philippa Elsas zarte, aber verzweifelte Stimme: „Ich kann doch nichts dafür. Ich wollte das nicht.“

„Was? Was wolltest du nicht?“

„Ich kann das nicht sagen!“

„Was denn?“

Elsa gab keine Antwort. Welches Geheimnis mochte sie umgeben?

Philippa ergriff ihre Hand. „Vertraue mir. Ich halte dicht.“

„Wirklich? Schwörst du es?“ In Elsas schwach zu erkennenden Augen lag ein tiefes Bitten.

„Die Heilige Schrift verbietet Schwören, das weißt du genau. Aber ich verspreche dir, nichts und niemandem was zu verraten.“

Für einen Moment war es totenstill.

„Das Kind …“ Ein erneuter Schluchzer verschluckte den Rest des Satzes.

„Was für ein Kind?“ Philippa zog die Augenbrauen zusammen. „Du … du bist doch wohl nicht schwanger?“

„Nein … ja … nein, also ich habe das Kind bereits gekriegt.“

„Du hast was?“ Philippa stöhnte auf und in ihrem Kopf pochte es wie Hammerschläge. „Wann?“

Draußen kläffte irgendwo ein Hund. Dann war wieder alles ruhig.

„Vorgestern … hab ich es geboren.“

„Was sagst du da?“ Bestimmt redete Elsa wirres Zeug.

Die Stimme klang piepsig. „Doch.“

Philippa schluckte. Hier stimmte etwas nicht. Warum war sie nach Dillenburg gekommen? Wie hatte sie das nur geschafft? Sie musste doch von der Geburt geschwächt sein. „Eine Wöchnerin gehört ins Bett. Warum hat die Hebamme dir erlaubt aufzustehen? Und was um Himmels willen willst du hier?“

„Ich hatte keine.“

Das konnte sie nicht glauben. Ihr Puls klopfte heftig. „Warum nicht? Wer hat dir geholfen?“

„Niemand. Ich war allein.“

„Warum? Wo war die Hebamme?“

Philippa spürte förmlich, wie Elsas unschuldiges Gesicht sich zu Angst verzerrte und hörte ihr bitteres Seufzen. „Wer weiß davon?“

„Ich habe mit niemandem darüber gesprochen.“

Das klang unglaublich, und doch ahnte Philippa, dass es wahr war. Sie verstand nur nicht die Zusammenhänge. Ihre Stimme wurde lauter. „Wo ist dein Kind? Und warum bist du hier?“

Es kam keine Antwort. Elsas Gesicht hatte sich in die Armbeuge von Philippa gegraben und benetzte sie mit Tränen. Philippa ließ Elsa zunächst weinen, doch als eine beklemmende Stille entstand, wurde sie drängender. „Erzähl mir, wo dein Kind ist!“ Sie rüttelte an ihrer Freundin. „Und warum erfahre ich erst jetzt, dass du längst verheiratet bist?“

Mehr und mehr wurde Philippa von hilfloser Furcht erfasst. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Vielleicht war Elsa auch einfach verwirrt? Wahrscheinlich wusste sie selbst nicht, was sie da redete.

Elsas Kopf fuhr hoch. „Ich weiß nicht ein noch aus!“

Ihr Schrei hatte bestimmt alle im Haus geweckt. Philippa versteifte sich, ihr Mund blieb vor Schreck offen und sie wagte nicht mehr zu atmen. Nur Elsas erneutes Schluchzen erhob sich in die Ruhe der Nacht. Philippa sah sich bereits mit ihren wenigen Habseligkeiten aus dem Haus schleichen. Aber sie hatte keinen Mut, Elsa nochmals zu sagen, sie möge leise sein – schließlich hatte sie selbst eben die Stimme erhoben. Aber wie sollte man auch über diesem Geständnis ruhig bleiben?

Wo war das Neugeborene? Es gehörte doch zu seiner Mutter! Der Schrecken über die Beichte saß tief. Er hatte alle Hoffnungen zerstört, dass es eine überzeugende Erklärung für Elsas Auftauchen gab. Jetzt war offensichtlich alles zu spät.

Philippa lauschte wieder in die Nacht hinein, doch nichts geschah. Niemand erschien in der Küche. Kein Enners, keine Hiltgunt und auch keine Herrin. Im Haus war alles gespenstisch leise.

Endlich wagte sie, sie weiter auszuforschen. „Sag endlich, wo ist dein Kind?“

Elsas Antwort war kaum vernehmbar. „Im Himmel.“

Ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ins Dunkle. „Du meinst, es ist tot?“, schrie Philippa erschrocken. „Jetzt erklär mir endlich, was du von mir willst.“ Sie rüttelte wild an ihrer Freundin. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Kind die Geburt nicht überlebte, aber dass Elsa jetzt hier bei ihr war, verstand sie ganz und gar nicht. „Warum bist du auf der Flucht?“

„Ich bin nicht verheiratet!“

„Oh!“ Philippa schlug sich mit der Hand vor den Mund. Das erklärte manches. Allerdings nicht alles. „Wer ist der Kindsvater?“

Elsa schwieg.

„Komm, jetzt sag’s!“ Sie rückte von Elsa ab. Voller Mitgefühl sah sie ihre Freundin an und Tränen stiegen in ihr hoch. „Und warum ist es tot?“

Plötzlich wurde die Küchentür aufgestoßen und in der Dunkelheit drohte eine Stimme. Sie gehörte zu Hiltgunt. „Was ist das für ein Krach hier? Philippa! Was ist los?“ Ein schwaches Licht schwang hin und her.

Schockstarre ergriff Philippa. Sie stierte mit offenem Mund auf den Schattenriss. Jetzt war alles zu spät. Sie gab Elsa einen Schubs und spürte, wie sie neben den Strohsack rollte, wobei sie die Decke über sich zog.

Auf einmal schaukelte das Licht über Philippa. Hiltgunts Mondgesicht wirkte wie eine Fratze. Der Besatz der Schlafhaube umrahmte ihre aufgeregte Miene. „Ich warte auf eine Erklärung!“

„Ein Albtraum“, keuchte Philippa und ihre Stimme klang aufgebracht, was sie in Wahrheit auch war, „ich muss ganz schlecht geträumt haben. Wahrscheinlich hab ich da laut um Hilfe gerufen.“

„Mach gefälligst nicht so einen Lärm!“ Ein Seufzen entglitt der Haushälterin. „Und schlaf wieder. Du weckst ja sonst das ganze Haus auf.“

Philippa nickte brav und spürte, wie ihre Muskeln verkrampften. Ihr Körper fühlte sich wie in Leichenstarre an. Als Hiltgunt weg war und die Küche wieder in völliger Dunkelheit lag, lauschte sie in die Nacht. Es war wieder ganz ruhig im Haus. Vorsichtig zog sie an ihrer Decke.

„Ich … ich wollte das nicht … glaub mir, ich wollte das wirklich nicht!“ Die Verzweiflung in Elsas erstickter Stimme hätte nicht schlimmer sein können. „Du musst mir glauben, Phillie, du bist doch meine Freundin!“

Sie würde so gerne glauben, wenn sie wüsste, was. „Was wolltest du nicht? Sag bloß, du hast da was gemacht?!“ Philippa wurde heiß und kalt. Sie fürchtete sich vor der Antwort.

Elsa fing wieder an zu zittern und schlug sich die Hände vors Gesicht. „Ich habe nichts gemacht! Es lag einfach so da, so blau. Da, da wusste ich auch nicht … – was sollte ich denn tun? Ich war doch allein!“

Auf das Eingeständnis war sie nicht vorbereitet. Allein. Elsa hatte ein Kind ohne Hilfe der Amme oder sonstiger Frauen auf die Welt gebracht. Dass sie das überhaupt überlebt hatte, grenzte an ein Wunder. Aber warum war sie von Herborn nach Dillenburg entflohen? Und was hatte sie nicht gemacht?

Es kostete sie größte Überwindung, es auszusprechen. „Hast du ihm was angetan?“ Sie meinte, der Kopf neben ihr werde geschüttelt. Doch es kam keine Antwort.

„Sag!“

Die Antwort kam zögernd. „Nein.“

„Warum bist du jetzt hier?“

„Sie suchen mich.“

„Allmächtiger Gott!“ Es war ihr rausgerutscht, obwohl sie wusste, dass Blasphemie bestraft wurde. „Warum hast du dich nicht als Witwe ausgegeben?“

„Das glaubt mir doch niemand. Hier auf dem Land spricht es sich schneller herum, als ein Geier sein Opfer packen kann.“

Reiche waren reich. Arme arm. Dazwischen war nichts. Fast nichts, bis auf eine Schwangerschaft, diesmal die von Elsa – und die Geburt eines Kindes, das nicht mehr lebte.

„Hat es denn gelebt? Bei der Geburt, meine ich?“ Sie kam sich vor wie der Richter beim Peinlichen Verhör gemäß der Constitutio Criminalis Carolina, der gültigen Rechtsprechung von Strafverfahren. Kaiser Karl V hatte sie vor zweihundert Jahren erfunden und seitdem war sie die Richtschnur für Prozesse – etwas, das es bis dahin noch nicht gegeben hatte.

Philippa richtete sich auf und rüttelte ihre Freundin an der Schulter. „War es ein Mädchen oder Junge?“

Elsa bewegte den Kopf hin und her, was Philippa nur ganz schwach erkennen konnte.

„Ein Junge. Der Kleine kam ganz blau auf die Welt. Ich wusste doch gar nicht, was ich da tun sollte. Da war noch so ein Band dran …“ Offensichtlich hatte Elsa genauso wenig Ahnung vom Kinderkriegen wie sie selbst. „Ich glaube, er hat nicht geatmet.“

„Er war tot?“

„Nein“, gestand sie zögernd und kaum hörbar, „er hat schon geatmet, aber nur ein bisschen. Ich hab ihn bloß angesehen. Immerzu musste ich ihn anschauen.“ Sie zog die Nase hoch. „Ein echtes Menschenkind. Als er zu wimmern begann, kriegte ich Panik, weil ich hörte, wie eine Magd nach mir rief. Ich … ich hab ein Stück Stoff, das ich zum Abseihen der Kuhmilch dabei hatte, über ihn gelegt. Dann war er still.“

„Still? Was hast du gemacht?!“

„Nichts.“ Elsa schniefte. „Ich hab doch das Stück Stoff bald wieder weggenommen. Aber da war er schon tot.“

„Und die andere Magd?“

„Sie hat mich nicht gefunden und ist dann wieder weg. Aber das Kind hing noch an dieser Schnur dran, die in meinen Leib ging. Also habe ich dran gezogen. Ein glitschiges Gespinst kam da raus. Mit Blut und so.“ Ihre Stimme wurde immer leiser. „Dann war alles still. Alles.“

Merkwürdig klang das, was Elsa berichtete. Für einen Moment dachte sie an Caspar Vogt. Ein Hoffnungsschimmer brach hervor. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn er endlich ihr Ehemann sein würde. Dann wäre sie vielleicht auch eines Tages schwanger. Wie es dazu kam, darum rankten sich rätselhafte Geschichten, von denen sie nicht alles glauben wollte, was ihr zu Ohren gekommen war und ihr flammende Röte ins Gesicht trieb.

Gleichzeitig zog sich das Geheimnisvolle rund um die Entstehung eines Kindes bis zur Geburt. Schon immer hatten die Gebärenden in einem abgeschirmten Zimmer ihr Kind zur Welt bringen müssen. Mit Hebamme und Mutter, Schwiegermutter, anderen weiblichen Verwandten oder Nachbarinnen. Noch nie hatte ein Mann dabei sein dürfen, denn das sei ein schlechtes Omen, hieß es.

Niemand hatte ihr erzählt, was da passierte. Irgendwann holten sie heißes Wasser, saubere Leintücher und man hörte Schreie. Erst von der Schwangeren, dann die eines Neugeborenen, wenn es denn lebte. Was aber dazwischen geschah, war nebulös und fremd. Kein Wunder, dass Elsa unter Schock stand. Ihr hatte bei der Geburt weder jemand geholfen noch das Kind versorgt. Jetzt war es tot und Elsa auf der Flucht.

Augenblicklich wurde Philippa klar, dass man Elsa für eine Kindsmörderin hielt. Ob sie es nun tatsächlich war oder nicht.

„Du darfst heute Nacht hier bleiben. Vor Tagesanbruch musst du aber verschwinden, hörst du?“

„Ja.“ Elsa drückte Philippa einen Kuss auf die Wange. „Danke. Ich danke dir von Herzen.“

Bald hörte sie gleichmäßige Atemzüge. Wie erschöpft musste Elsa sein, dass sie auf der Stelle eingeschlafen war. Mitleid und Entsetzen angesichts des Berichts wechselten sich ab. Verzweifelt faltete Philippa die Hände und bat Gott, er möge Elsa einen Weg zeigen, wie es für sie weitergehen konnte. Und wenn sie Schuld auf sich geladen hatte – oder Blut vergossen hatte, was Philippa nicht glauben wollte und Elsa niemals zutrauen würde –, möge der allmächtige Gott ihr vergeben. Es klang alles ungeheuerlich – wie ein echter Albtraum. Und wo sie das Kind hingetan hatte, darüber hatten sie gar nicht mehr sprechen können. Würde es Sinn machen, wenn Elsa sich morgen dem Pfarrer anvertraute? Oder sollte sie lieber weglaufen? Aber wohin sollte sie gehen?

Schemenhaft erkannte Philippa den Herd, dessen Knistern verstummt war. Heiliger Georg! Fast hätte sie das Feuer vergessen. Schnell stand sie auf und legte noch einen Scheit auf die kleine Glut, bevor sie wieder zu Elsa unter die Decke kroch.

Wie lange Philippa noch wach gelegen hatte, konnte sie am nächsten Morgen nicht mehr sagen. Nur, dass in ihren wirren Träumen die Gerichtsknechte das Haus der Hohensteins auf den Kopf stellten und sie, Philippa, gebunden wegführten. Erst beim Anbruch des neuen Tages fiel sie erschöpft in einen unruhigen Schlaf.

Geräusche von draußen ließen sie aufschrecken. Mit der Morgendämmerung verschwommen die Ängste der Nacht und ein neuer Tag zog herauf. Vogelgezwitscher mahnte sie, dringend nach dem Herdfeuer zu sehen. Sie tastete nach Elsa, doch der Platz neben ihr war leer. Fast schien es, als habe sie den nächtlichen Besuch nur geträumt.

Bei genauerem Hinsehen bemerkte sie eine große, noch nicht ganz eingetrocknete Blutlache auf dem Leinen. Vorsichtig, als könne sie sich an einer ansteckenden Krankheit infizieren, beugte sie sich über das Laken und roch daran. Es war der gleiche Geruch, der ihr gestern Nachmittag aufgefallen war – das Blut von Elsa. Das Blut des Todes! Philippa schüttelte sich.

Was hatte sie nur getan, dass sie Elsa Unterschlupf gewährt hatte? Ging ihre Freundschaft hier nicht zu weit? Wenn das herauskam, würde sie nicht nur ihre Stellung verlieren. Vielleicht drohte ihr das gleiche Schicksal, vor dem Elsa auf der Flucht war. Nein, sie würde nichts und niemandem etwas erzählen. Sie war zum Schweigen verurteilt.

*

Im Verlauf des Tages wurde sie von den Vorbereitungen für ein feierliches Abendessen abgelenkt, die ihre Gedanken an Elsa in den Hintergrund rückten.

Der Magister hatte wieder mal Gäste angekündigt, wie es öfters vorkam. Den ganzen Tag über hatten Philippa, Grete und Hiltgunt damit zu tun, eine delikate Ochsenschwanzsuppe mit Fleischklößchen, Hühnerpastete, einen Schmorbraten, saure Kartoffeln und verschiedene Gemüse vorzubereiten. Eine Hausmachersülze holten sie aus dem Vorrat im Erdkeller.

Die Gäste, zwei Niederländer und ein Beamter vom Schloss, machten keinen Hehl daraus, dass sie die Kochkunst im Hause Hohenstein bewunderten, und entschädigten damit die Hausangestellten für die viele Mühe.

Philippa half beim Auftragen und beim Bewirten, schenkte Wein aus einer vergoldeten Weinkaraffe ein, was Enners wegen seiner zittrigen Hände schon länger nicht mehr gelang, und machte große Augen, als einer der Männer von der beschwerlichen und langen Reise erzählte.

Philippa schnappte ein paar Worte wie Paardenkoets, Prinsenmolen und Kolen auf, die ihr fremd waren. Zum Glück verabschiedeten sich die Gäste nach einem höflichen Blick auf die Uhr so frühzeitig, dass sie es nach dem Aufräumen noch schaffte, sich in der Abenddämmerung am Dillufer mit Caspar zu treffen.

Er wartete bereits in der Nähe des Wicktors, umgeben von Obstbäumen und ein paar Büschen. Offenbar war sonst niemand hier draußen. Je näher sie kam, umso heftiger ging ihr Puls.

„Wie schön, dass du noch kommen konntest“, sagte er, während sie in gebührendem Abstand vor ihm stehen blieb.

Sie nickte und sog die kühle Abendluft ein. Seine Augen blieben liebevoll auf ihr ruhen. Wie immer wühlte seine Nähe sie auf. Ob sie das als ein Zeichen von Liebe deuten durfte?

„Entschuldige! Wartest du schon lange?“, fragte sie und nestelte fahrig an den Bändern ihrer Haube. „Wir hatten noch Gäste zum Abendessen.“

„Philippa“, schmunzelte er und Grübchen zeigten sich unter seinem Bart, „du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Keine Zeit ist mir zu lange. Waren es namhafte Besucher?“

Sie lächelte ihn an – ihr Herz machte einen kleinen Sprung bei seinen liebevollen Worten. „Ja. Zwei Niederländer, ein Patrizier aus Rotterdam und der Besitzer einer Porzellanmanufaktur aus Delft, die mein Herr von Besuchen beim Fürsten kennt. Dazu ein Hofbeamter zum Übersetzen. Der Magister kann nur teilweise Niederländisch.“ Sie kicherte. „Kennst du die Sprache? Ich dachte zuerst, ihnen wäre was im Hals steckengeblieben. Ganz hinten.“

Sie lachten beide. Caspar räusperte sich. „Du meinst, es war wirklich der Besitzer dieser weltberühmten Keramik bei euch?“, fragte er.

Philippa nickte. „Und die Herrin war von seinem Gastgeschenk, einer Schale in edelster Ausführung, mehr als entzückt.“

„Sieht das Porzellan wirklich so einzigartig aus, wie man hört?“

Sie breitete die Arme weit aus und sah zum Himmel, dessen Farben gerade verblassten „Es ist wunderschön und das Blau leuchtet regelrecht.“ In ihrer Begeisterung hatte die Herrin Grete die Schale gegeben, als diese die Hand danach ausgestreckt hatte, und ihr im gleichen Augenblick wieder entrissen. Es war kurios gewesen, denn jeder im Haus wusste, wie ungeschickt die Magd manchmal sein konnte. „Weder Grete noch ich durften das teure Teil spülen. Hiltgunt höchstpersönlich musste es tun. Die niedere Arbeit. Du hättest mal ihr Gesicht sehen sollen!“

Er grinste und seine Augen strahlten sie an, dass sie sich diesem Moment kaum entziehen konnte. Sie erwiderte seinen Blick und ihr Herz wurde weit. Was für ein wunderbarer, vollkommener Abend!

Ein Geräusch riss sie aus dem Zauber. Ganz in der Nähe stampfte eine Wache am Stadttor vorbei Richtung Ufer und verschwand aus ihrem Blickfeld. Dann war es wieder ruhig bis auf das leichte Rauschen des Wassers, das sie jetzt nur noch erahnen konnte.

Der Wind wehte ihr eine Strähne ins Gesicht und sie blinzelte. Sie musste wieder an die Abendgesellschaft im Haus denken. „Ich wusste gar nicht, wie viele Fuhren Kohle aus unserer Gegend nach Rotterdam verkauft werden. Die Herren haben sich darüber unterhalten.“

„Ich hörte davon. Augenscheinlich ist das ein einträgliches Geschäft. Gibt es auch Händler in Breitscheid?“

„Nein. In unserem Dorf leben fast nur Bauern, bis auf ein paar Häfner. Die Winter sind eisiger und länger. Aber im Sommer, wenn die Felder leuchten und der Duft von Kräutern die Luft durchdringt, gibt es kein schöneres Fleckchen Erde.“

Caspar sah sie nachdenklich an. „Gibt es denn dann wenigstens genug Feuerholz?“

Sie schüttelte den Kopf. „Die Eisblumen bleiben über Monate an den Fenstern, dass man nicht nach draußen sehen kann. Sogar der Dorfbrunnen vereist manchmal.“

„Man schmelzt Schnee, wenn Wasser fehlt, habe ich gehört“, sagte er mitfühlend. „Ich habe keine Ahnung, wie schwer das Leben der einfachen Leute ist.“

Sie dachte daran, wie erschöpft man abends einschlief und vor der Morgendämmerung aufstand, um sein Tagwerk zu meistern. Hier war es auch nicht anders. Sie sog die Abendluft tief ein, als müsse sie die trüben Gedanken abschütteln. „Und nun lass uns von etwas Schönem reden.“

Er nickte. „Würde es dir gefallen, wenn ich dir ein Gedicht schreibe? Ich hörte“, schmunzelte er, „dass Frauen Poesie mögen.“

Sie lachte überrascht auf, kam aber nicht mehr dazu, ihm zu antworten. Plötzlich hörten sie ein Schnaufen ganz dicht bei ihnen. Philippas Kopf fuhr herum.

Beide hatten die große, kräftige Gestalt mit dem zerzausten Haarschopf, die unvermittelt bei ihnen auftauchte, nicht kommen sehen. Blitzartig bog sich ein Arm wie ein Schraubstock um ihren Hals. Philippa stockte der Atem und sie zuckte zurück. Ein Messer blitzte vor ihren Augen, das der Fremde ihr nun an die Kehle hielt. Schreckensstarr brachte sie kein Wort raus. Der Kerl stank erbärmlich. Mit aufgerissenen Augen starrte sie Hilfe suchend zu Caspar.

Doch er war ebenso von Furcht betäubt wie sie. Zwischen seine Brauen hatte sich eine tiefe Falte gegraben. Doch irgendetwas in seinem Blick, der auf den Kerl gerichtet war, irritierte sie. Was war mit ihm? Kannte er den Mann etwa?

„Her mit der Kohle!“, befahl der Hüne nahe an ihrem Ohr. Sie wand sich, wobei sein filziger Bart sie streifte. Abscheu überkam sie. „Sonst werde ich dem Täubchen hier einen Garaus machen. Und dir ebenso.“

Himmel steh uns bei! Nach einer Schrecksekunde schnellte Caspar nach vorn, holte aus und traf mit der Faust den Kopf des Fremden. Der geriet ins Taumeln, dass sie fast mit ihm hingefallen wäre, während er dabei mit dem Messer in der Hand durch die Luft fuchtelte.

Todesangst ergriff sie! Philippa schloss die Augen. Sie war wie erstarrt und versuchte, sich auf den Beinen zu halten, während sie gleichzeitig ein weiteres Stoßgebet nach oben schickte. Sie rechnete mit dem Schlimmsten. Als sie vorsichtig blinzelte, taumelte Caspar gerade zurück und sein Hut fiel auf den Weg. Er schien unverletzt zu sein, nur der Ärmel seines Gehrocks klaffte auseinander. In Caspars Augen war keine Angst zu sehen, vielmehr eine wilde Entschlossenheit. Noch immer klemmte der Arm des Mannes wie ein abgebrochener Ast um ihren Hals.

Trotzdem wollte sie „Lauf weg, Caspar“, rufen, aber es drang nur ein Schluchzen aus ihrer Kehle. Ihre Stimme war wie verstummt. Wo war die Wache, die eben noch hier entlanggegangen war? Gab es niemanden in der Nähe, der ihnen helfen konnte? Tränen stiegen in ihr auf.

Der Fremde knurrte verächtlich und verstärkte den Würgegriff. Es schnürte ihr das Herz zu, als Caspar erneut mutig einen Schritt auf ihn zu machte, aber sofort glänzte das Messer jetzt vor seinem Gesicht.

„Verschwinde!“, forderte Caspar ihn unerschrocken auf, doch als nichts passierte, rief er: „Und gib sie frei, du Feigling! Schäm dich! Eine wehrlose Frau als Pfand.“

War Caspar doch verletzt? Aus seinem Ärmel tropfte Blut!

„Geld!“, forderte erneut der Hüne entschieden.

„Lass sie los, dann gebe ich dir was“, keuchte Caspar. Nur zögernd lockerte der Mann den Griff. Caspar knöpfte seinen Rock auf und tastete nach einem kleinen Beutel, dem er Geldstücke entnahm. Seine Hände zitterten. „Da!“, hielt er ihm ein paar Münzen hin. „Mehr habe ich nicht.“

Eine fleischige behaarte Tatze raffte das Geld und ließ es in seinem Wams verschwinden. Dann stieß er Philippa mit solcher Wucht von sich, dass sie stolperte und hinfiel. Der Boden war hart und kalt. Ihr Arm bekam das meiste ab. Sie verzog das Gesicht, rieb sich den Ellbogen und bewegte ihn. Er schien nicht gebrochen.

„Wehe, ihr rührt euch vom Fleck“, drohte der Mann, bevor er mit einem anderen Kerl, der nach einem Wink wie aus dem Nichts hinter einem Busch vortrat, Richtung Gerberviertel flüchtete.

Caspar sah ihnen einen Moment hinterher, dann beugte er sich zu ihr und half ihr auf die Beine. „Philippa, bist du verletzt?“ Seine Stimme klang heiser und voller Sorge.

„Nein.“ Sie klopfte sich den Staub ab und reckte den Hals, ob die Männer wirklich verschwunden waren. Die Kehle tat noch ein bisschen weh. Ihre Empörung war größer als der Schmerz und sie schüttelte den Kopf. „Der Halunke gehört hinter Gitter. Ebenso sein Kumpan.“

„Viel wichtiger ist, dass er dir nichts getan hat.“ Caspar griff wie selbstverständlich nach ihrer Hand und hielt sie fest. Seine war warm und gab ihr ein Stück Vertrauen. „Dir ist wirklich nichts passiert?“

„Nein“, tat sie ab, „es gibt höchstens blaue Flecke.“ Sie sah ihn mit klopfendem Herzen an.

„Und du? Hattest du keine Angst?“

„Doch.“ Er lächelte dünn. „Wohl war mir nicht, aber die Sorge um dich war größer als die Furcht.“

„Oh, Caspar!“ Seine Worte legten sich wie Balsam auf ihr Herz. „Wo war denn die Wache?“

„Anscheinend beim Kartenspiel.“

„Wir brauchen mehr Leute, die für Sicherheit sorgen.“

Er seufzte. „Philippa, selbst wenn wir noch mehr Wachleute hätten, gibt es keinen wirklichen Schutz. Einzig unser Herr im Himmel hat alles in der Hand, davon bin ich überzeugt. Auch dein Leben und meines.“

Sie kaute nachdenklich auf der Unterlippe. „Dein Vertrauen möchte ich haben“, sagte sie leise. „Ich dachte immer, mich könnte nichts erschüttern.“

Ihr Herz machte einen Satz, als Caspar den Kopf neigte und für einen Augenblick glaubte sie, er würde sie küssen. Doch dann sagte er: „Ich weiß auch nicht, woher ich den Mut hatte. Dabei hasse ich Gewalt.“

Sie nickte und schlang die Arme um sich. Plötzlich fing sie zu schlottern. War es wegen der Kühle? Oder auch ein wenig wegen des Schrecks? Sie erinnerte sich an Caspars Gesichtsausdruck von eben und blickte zu ihm hoch. „Du hast eben so merkwürdig geschaut. Sag mal, kanntest du den Hünen?“

Caspar zögerte, dann gestand er: „Der Kerl stand schon mal vor Gericht. Jetzt trägt er einen Bart, aber ich habe ihn an der Stimme erkannt. Er ist nicht von hier. Den anderen hab ich noch nie gesehen.“

„Dann werden sie hoffentlich bald gefasst sein und im Gefängnis verschwinden“, erwiderte Philippa. „Was fällt denen ein!“

Er fältelte die Stirn und sah sie einfühlsam an. „Ich glaube nicht, dass sie das aus Habgier gemacht haben. Das hat der Hüne damals auch nicht. Er hatte nur Hunger.“

„Caspar“, fragte sie verwundert und wurde sich mit einem Mal bewusst, dass er noch immer ihre Hand hielt. Sie entzog sie ihm mit glühendem Kopf. „Willst du damit sagen, du hast noch Mitleid mit denen? Doch wohl nicht.“

„Philippa, dir ist Gott sei Dank nicht viel passiert. Das ist das Wichtigste.“ Er hielt inne. „Ich habe kein Mitleid mit den Männern, aber ich hege auch keinen Groll. Bestimmt brauchen sie das Geld zum Überleben. Da kann ich ihnen noch nicht mal Schlechtes wünschen.“ Er bückte sich, hob den Hut auf und klopfte den Staub ab, bevor er den Dreispitz wieder aufsetzte.

Sein Geständnis rührte sie an. Trotzdem empörte sie sich: „Aber er hat dich verletzt!“ Sie trat einen Schritt vor und berührte ihn sanft am Unterarm. Der Hunger war auch in ihrer Familie ständiger Begleiter. Aber deshalb wurde niemand bestohlen oder überfallen. „Da!“

Erstaunt starrte er auf das Blut an ihren Fingern. „Oh, hab ich nicht gemerkt.“ Vorsichtig betastete er die Wunde. „Ist wirklich nicht schlimm. Du brauchst dich nicht sorgen.“ Er zog ein Tuch aus seiner Weste und wischte ihr über die Hand.

„Danke.“ Sie wunderte sich über seine Ruhe und sah ihn verunsichert an. „Bist du wirklich kein Stück wütend auf ihn?“

„Man muss sein Hassgefühl verscharren, sonst verfolgt es einen.“

„Ich weiß nicht.“ Sie schüttelte den Kopf und schimpfte. „Das war ein Straßenräuber! Ich will mir nicht vorstellen, was hätte passieren können.“

„Ist doch nur ein Kratzer“, tat er ab und schluckte, „und den Rock lasse ich nähen.“

Das klang vernünftig, trotzdem zwang sie sich, erneut aufsteigende Tränen der Enttäuschung wegzublinzeln. Es hätte so ein romantischer Abend werden können. Ihre Augen wanderten an ihm entlang. Der Gehrock hatte offenbar nur einen kleinen Blutfleck abbekommen. Anders dagegen sein Hemd, dessen Ärmel besudelt aussah.

Caspar bemerkte ihr Zögern und warf einen Blick zum Wicktor. Es lag jetzt fast vollständig im Dunkeln. „Wenn du darauf bestehst, werde ich den Vorfall melden, aber ich habe wenig Hoffnung, dass man die Kerle findet. Männer wie sie kennen Winkel, von den selbst wir nicht wissen, dass sie aus der Stadt führen.“

Philippa nickte und rang sich ein Lächeln ab. Der Wind hatte aufgefrischt und sie zog das Umschlagtuch enger. „Ich werde noch darüber nachdenken.“

Als spürte er ihr Frösteln, zog er seinen Gehrock aus und legte ihn um ihre Schultern. Das strahlend weiße Hemd beeindruckte sie, wenn man von dem desolaten Ärmel absah. „Wollen wir Richtung Dillturm gehen? Für einen Spaziergang bis ins Feldbachwäldchen ist es jetzt zu spät, fürchte ich. Die Stadttore schließen, bevor wir zurück sind.“

„Danke.“ Der schwere Brokat umschloss wärmend ihre Schultern. Das weitläufige Gebiet um die St.-Nikolaus-Kirche war nur von Feldern und einem Hof umgeben. Vor allem war man dort um diese Zeit allein. „Mmh.“ Während sie kurz überlegte, ob es in der Nähe des Gerberviertels stank, ergriff er wie selbstverständlich ihre Hand und zog sie mit sich.

Sie genoss es. An seiner Seite zu gehen, erfüllte sie mit einem großen Glücksgefühl. Vergessen war der Albtraum von eben. Nirgendwo wollte sie heute lieber sein. Wie mochte es sich erst anfühlen, wenn man in aller Öffentlichkeit als Paar auftreten durfte? Gab es etwas Kostbareres?

Unweit des Dillturms, nicht von den Wachposten zu erkennen, zog er sie zu einer alten Bank nahe der Stadtmauer, ohne sie loszulassen. Eigentlich saßen sie viel zu nahe beieinander. Verwirrt sah sie ihn an. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und ihr Atem ging flach.

Er wirkte verlegen. „Ich kann an nichts anderes mehr denken, seit ich dich das erste Mal sah.“

Sie erinnerte sich an den Tag, als sie auf dem Markt eingekauft hatte und ihr der vollbeladene Korb aus der Hand gerutscht war. Der junge Herr Gerichtsschreiber war plötzlich da und hatte ihr, der Magd, geholfen, das Gemüse wieder aufzulesen. Das hätte er nicht tun brauchen, schließlich gehörte er zu den höhergestellten Bürgern der Stadt. „Mir geht es genauso“, gestand sie mit klopfendem Herzen. „Dabei hatte ich nicht geglaubt, dass diese Begegnung mein Leben auf den Kopf stellen würde.“

„Weiß jemand, dass wir uns treffen?“

„Nein“, gestand sie und blickte auf ihre verschlungenen Hände. „Ich habe Angst, dass es nur ein Traum ist.“ Sie ahnte Bedenken, denn auf den Dörfern war das unausgesprochene Abkommen – Feld bei Feld, Hof bei Hof – allgegenwärtig.

Caspar zog ihre Hand an seine Brust. „Ich möchte mehr von dir erfahren. Ob wir die gleichen Dinge mögen, ob der Glaube für dich wichtig ist und ob du von einem Zeichen vom Himmel träumst, dass du mit mir ins Licht trittst.“

Meinte er das wirklich ernst? Aus dem Dunkel der Ungewissheit in das Licht der gemeinsamen Zukunft? Spürte er die Sehnsucht in ihrem Herzen? „Da, wo ich herkomme, ist das Leben nicht sorgenfrei. Der Kampf ums tägliche Brot hat schon manchen Traum zerplatzen lassen.“

„Doch es darf nie verhindern, dass es einen geliebten Menschen gibt, der einen in den Arm nimmt, wenn man sich einsam fühlt oder der einem Zuversicht und Trost gibt. Philippa“, bat er, „lass meine Hand nie mehr los. Lass uns herausfinden, welchen Weg wir gehen sollen.“

Sie hielt den Atem an und lächelte beherzt. Es war zu schön und seine Worte zu innig. Durfte sie ihm wirklich glauben oder würde er sie irgendwann wie eine gebrauchte Halsschleife durch eine andere ersetzen? Und dann belächeln? Schließlich war sie nur eine arme Dienstmagd.