Neben Ländern oder Regionen können Sie mit ETF auch gezielt in Branchen oder Themen investieren. Die Angebote sind vielfältig, die Unterschiede groß.
Branchen und Themen-ETF ähneln der Mode – der eine bevorzugt bei der Kleiderwahl zeitlose Klassiker, während der andere sich an aktuellen Trends orientiert oder der Dritte beide geschickt miteinander kombiniert. Auch mit ETF kann jeder seinen persönlichen Stil verwirklichen. Wichtig ist aber, dass Sie auf die äußeren Einflüsse achten und bei einem Wetterumschwung die kurzen Hosen gegen lange eintauschen. Anders ausgedrückt: Ändert sich das Umfeld, weil zum Beispiel eine neue Technologie die alte ablöst oder sich die konjunkturelle Entwicklung verschlechtert, muss die Depotzusammensetzung überprüft werden. Wer auf Themen- und Branchen-ETF setzt, sollte die aktuellen Entwicklungen intensiv verfolgen und muss bereit sein, schneller und häufiger zu reagieren als mit einem konservativen, global ausgerichteten Indexportfolio.
Themen- und Branchen-ETF sind eine mögliche Ergänzung zu einem bestehenden Portfolio, um individuelle Akzente zu setzen. Megatrends wie die Überalterung der Gesellschaft, Klimawandel oder Automatisierung sind für Investoren spannende Themen. Mit einem ETF auf Gesundheitsaktien, Wasser oder Internettechnologie lassen sich die Bereiche gut ins Depot hieven – und das zu überschaubaren Kosten. Die sind zwar etwas höher als bei ETF auf die großen etablierten Aktienindizes, aber immer noch weit unter denen von aktiv gemanagten Fonds. Wer den richtigen Riecher hat und frühzeitig in die großen Trendthemen einsteigt (aber auch rechtzeitig wieder aussteigt), hat Chancen auf überdurchschnittliche Gewinne. Trotz allem sollten aber die Gesamtkombination stimmig und das Depot breit aufgestellt sein. Im Klartext: keinesfalls nur auf eine Branche setzen!
Die Angebote am ETF-Markt sind äußerst unterschiedlich, doch der letzte Schrei ist nicht immer verfügbar. Denn die „Herstellung“ eines ETF kostet Zeit und Geld, weshalb die Anbieter sie nur auf den Markt bringen, wenn sie die Chance sehen, dass sie sich langfristig halten und nicht nur eine Saison angesagt sind. Kann ein ETF nicht genügend Geld einsammeln, wird er möglicherweise wieder vom Markt genommen, da sich das Angebot dann nicht rechnet (siehe dazu „Wenn ETF aufgelöst werden, S. 116). Daher existieren weniger ETF auf Modetrends als beispielsweise bei Zertifikaten.
ETF auf große und zukunftsträchtige Themen sind üblicherweise im Angebot, wenn Indizes dafür vorhanden sind, die mit liquide handelbaren Aktien bestückt sind. Aber selbst wenn das der Fall ist, sind Branchen- oder Themen-ETF etwas teurer in den Gebühren als ein ETF auf einen großen Standardindex. Aussichtsreiche Themen wie Informations- oder Robotertechnologie locken dann auch entsprechend Investoren an, und die ETF sammeln Millionen – oder gar Milliardenbeträge ein.
Branchen- und Themen-ETF im Portfolio. Sie sind sehr praktisch, um eigene Ideen umzusetzen. Anstatt die Zahlen vieler Unternehmen zu analysieren und den attraktivsten Einzelwert auszuwählen, packt man die ganze Branche ins Depot und verteilt so das Risiko auf mehrere Titel.
Chance/Risiko. Im Gegensatz zum Erwerb einer Einzelaktie ist das Risiko verteilt und damit geringer. Dafür sind die Chancen nicht ganz so hoch. Gute Nerven sind gefragt, denn Branchenindizes schwanken stärker als marktbreite Börsenbarometer.
Aktivitätsfaktor. Mittel. Das Timing, der Zeitpunkt des Ein- und Ausstiegs, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Daher gilt es, das Investment kontinuierlich zu beobachten und Anlageentscheidungen immer kritisch zu überprüfen – denn nur wenige Profis oder Privatanleger erzielen so einen Mehrwert.
Mehr als eine halbe Milliarde Euro verwaltet zum Beispiel ein World Water ETF (Isin FR 001 052 727 5), der sich ausschließlich auf das Trendthema Wasser konzentriert und bereits 2007 von der Société-Générale-Tochter Lyxor aufgelegt wurde. Mindestens ebenso viel wurde in den deutlich jüngeren iShares Automation and Robotics-ETF (Isin IE 00B YZK 455 2) investiert, der seit 2016 am Markt ist und dem iStoxx FactSet Automation&Robotics Index folgt.
Fließend sind die Übergänge zwischen Branchen- und Themen-ETF. So kann ein Technologie- oder Wasser-ETF den Branchen zugeordnet werden, aber ebenso den Themen. Trendthemen sind häufig ein weltweites Phänomen.
Ein anderer Ansatz sind Branchen-ETF, die gezielt nach den Phasen der Konjunkturentwicklung eingesetzt werden. Da sich die Konjunktur hingegen auf den einzelnen Kontinenten oft in unterschiedlichen Stadien befindet, greifen Sie für konjunktursensitive Investments in Branchen-ETF bevorzugt zu den Subindizes des Stoxx Europe 600. In den Fondstabellen im monatlichen Finanztest-Magazin finden Sie dazu jeweils die neuesten Bewertungen.
1 Vorauswahl. Überlegen Sie sich, ob Sie lieber ein relativ breites oder ein fokussiertes Spektrum haben wollen. Bei den in Deutschland erhältlichen ETF auf MSCI-Indizes sind teilweise recht unterschiedliche Unternehmen zusammengefasst. Für speziellere Anlageideen eignen sich daher eher die Europaindizes von Stoxx, auch wenn dort US-Marktführer fehlen.
2 Mischung. Branchen-ETF sind nicht als Basisanlage geeignet. Wir empfehlen, sie mit Aktien-ETF Welt oder Europa zu kombinieren und gegebenenfalls mehrere zu mischen. Dabei sollten die Branchen-ETF insgesamt höchstens 10 bis 20 Prozent Depotanteil haben.
3 Kontrolle. Überprüfen Sie regelmäßig, ob Sie Ihre ursprüngliche Anlageidee weiterverfolgen wollen. Falls das nicht mehr der Fall ist, sollten Sie über einen Verkauf des ETF nachdenken.
Die Wirtschaft bewegt sich in Zyklen, nach einem Abschwung oder einer Rezession dauert es oft ein paar Quartale, bis sich erste Anzeichen einer Besserung zeigen. Nach dieser Phase folgen gute Jahre, die Wirtschaft prosperiert und die Gewinne der Unternehmen wachsen – bis eines Tages das Top erreicht ist. Dann flaut der Zyklus wieder ab und endet meist in einer Rezession, bevor der Kreislauf von Neuem beginnt. Schön – aber vermutlich langweilig – wäre es, wenn die Phasen immer identisch verlaufen würden und klar bestimmbar wären. Doch das Umfeld ist immer wieder ein wenig anders, und manche Zyklen sind länger, andere kürzer. Im Klartext: Die Trendwende lässt sich nicht berechnen.
Am Anfang eines Börsenaufschwungs – und der eilt meist dem realen Wirtschaftsaufschwung voraus – laufen typischerweise Branchen gut, die stark auf Zinsänderungen reagieren wie Maschinenbau, Stahl- oder Bauindustrie, etwas später folgen die Autohersteller sowie Handel- und Konsumtitel. Im späteren Zyklus folgen defensive Titel wie Nahrungsmittelhersteller oder Versorger, bevor am Ende Rohstoffproduzenten auf ein nahendes Ende des Abschwungs hindeuten.
Wird an den Märkten eine Abschwächung erwartet, sehen die Konjunkturdaten meistens noch rosig aus. Doch mit dem zukunftsgerichteten Blick kaufen die Investoren in dieser Phase bevorzugt die weniger konjunktursensitiven Aktien wie Nahrungsmittelhersteller oder Pharmatitel und schichten später in Versorgeraktien um. Wenn dann die Wirtschaftsleistung tatsächlich abflaut, greifen die Börsianer zu niedrigeren Kursen bei Finanzwerten oder in Erwartung des nächsten Aufschwungs bei Rohstoffproduzenten zu.
Manche Branchen sind abhängiger von der Konjunkturentwicklung als andere. Zyklische Aktien laufen meist besser, wenn sich die Konjunktur erholt oder boomt. Nicht- oder antizyklische Aktien sind bei ihrer Wertentwicklung vom Konjunkturzyklus weniger abhängig oder spielen in einer schwachen Wirtschaftsphase ihre Stärken aus.
Branchenindizes unterscheiden sich von marktbreiten Kursbarometern wie dem S&P 500 oder dem MSCI World in einem Punkt erheblich: Sie umfassen deutlich weniger Titel, weshalb das Risiko auf weniger Aktien und oft zudem auf weniger Länder verteilt ist. Auch die großen bekannten Unternehmen eines Sektors stecken in den Branchenindizes und haben in der Regel dort ein höheres Gewicht als in einem branchenübergreifenden Index. Das kann bei einem Branchen-ETF schnell eine starke Präsenz eines Einzelwertes oder eines Landes bedeuten.
So ist zum Beispiel AT&T im MSCI World Telecommunication Services mit über 20 Prozent gewichtet, die Top-4-Unternehmen machen mehr als die Hälfte des Index aus.
Wer hingegen Technologietitel ins Visier nimmt, landet schnell beim MSCI World Information Technology-Index und stellt fest, dass das Kursbarometer extrem USA-lastig ist: US-Titel machten Anfang 2018 rund 85 Prozent des Index aus. Schwergewichte sind Apple mit rund 13 Prozent, Microsoft ist mit gut 9 Prozent und Facebook mit rund 6 Prozent dabei. Deshalb gilt es immer zu prüfen, welche Einzelaktien- und Länderrisiken man sich mit Branchenstrategien ins Depot holt.