10Porträtfotografie

Ein gutes Porträt ist ein Bildnis der Persönlichkeit eines Menschen, es spiegelt seinen Charakter wieder. Dafür braucht es keine große Kamera. Viel wichtiger ist in erster Linie ein guter Kontakt zum Model. Wer sein Model ein bisschen kennt, kann auch dessen Persönlichkeit in einem Bild einfangen. Ein Porträt mit dem Smartphone ist zudem potenziell authentischer, weil der Blickkontakt zwischen Model und Fotograf bei der Aufnahme bestehen bleibt.

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Eigentlich porträtieren wir ständig, ob privat oder in der Arbeit. Und spätestens, wenn Sie diese Bilder veröffentlichen (etwa auf verschiedenen Social-Media-Kanälen), benötigen Sie die ausdrückliche Genehmigung der abgebildeten Personen. Nicht nur um diese Zustimmung zu erhalten, kann es wichtig sein, sich einige Grundregeln der Porträtfotografie vor Augen zu halten.

10.1In das richtige Licht gerückt

Gutes Licht ist für uns Smartphone-Fotografen wie das Salz in der Suppe. Weniger gute Lichtverhältnisse gehen zulasten der Bildqualität und damit auch zulasten des Models. Eine Nachbearbeitung der Aufnahmen kann helfen, muss aber nicht. Ideales Porträtlicht ist ein leicht bewölkter Himmel, ebenso das Licht am Morgen oder am späten Nachmittag, wenn die Schatten länger werden.

Die ungünstigste Zeit für Porträtfotografie ist die Mittagszeit. Die hochstehende Sonne wirft sehr harte Schatten auf das Model, das sollten Sie unbedingt vermeiden (es sei denn, Sie fotografieren Ihre Models im Schatten, etwa unter einem dichten Blätterdach).

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Hier stand die Sonne zu hoch. Sie wirft starke Schatten auf die Gesichter der beiden Personen. Solche Aufnahmen sollten Sie vermeiden.

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Ein großer Baum bietet den perfekten schattigen Platz für ein Familienporträt in der Mittagszeit.

10.2Abstand wahren

Vor allem, wenn Ihr Smartphone nur mit dem Standard-Weitwinkelobjektiv ausgestattet ist, gilt: Rücken Sie Ihrem Model nicht zu nahe. Denn durch die Verzerrung des Weitwinkels kommt es schnell zum Effekt der »dicken Nase«, für den Ihnen kein Model dankbar sein wird. Geben Sie Ihren Models lieber Raum und beziehen Sie die Umgebung mit in Ihre Bildgeschichte ein.

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Moderne Smartphone-Modelle verfügen schon in der Standard-Kamera über Tools, die den Hintergrund automatisch unscharf erscheinen lassen. Beim iPhone zum Beispiel ist es der Porträt Modus, Samsung-Modelle bieten die Funktion Selektiver Fokus an (lesen Sie dazu nach ab Seite 37).

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Wem diese Tools noch fehlen, der kann sich auch mit einer App behelfen und nachträglich die Schärfentiefe hinzufügen. Bei der App Snapseed heißt dies Fokuseffekt. Der Effekt kann nachträglich linear oder kreisförmig, in variablen Größen und Stärken hinzugefügt werden. Mehr dazu können Sie im Abschnitt Selektive Schärfe in der Nachbearbeitung ab Seite 38 lesen.

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Aufgenommen im »Porträt Modus« des iPhone 7 plus

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Die Profis arbeiten in der Porträtfotografie mit längeren Brennweiten (Teleobjektiven). Verfügt Ihre Smartphone-Kamera über zwei Linsen mit verschiedenen Brennweiten, nutzen Sie unbedingt diejenige mit der längsten Brennweite (in der Kamera-App tippen Sie dazu auf 2×). Damit vermeiden Sie den »Dicke-Nasen-Effekt« und Verzerrungen an den Bildrändern.

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iPhone 7 plus, »Porträt Modus«

10.3Den richtigen Hintergrund wählen

In belebten Straßen, wo oft unterschiedliche Gebäude, Objekte in vielen Farben oder zahlreiche Menschen im Hintergrund zu sehen sind, wirken Porträtaufnahmen sehr unruhig. Bäume, Verkehrsschilder, oder Fahnenstangen, die aus den Köpfen der Models wachsen, sind kein schöner Anblick. Kontrollieren Sie die Umgebung und warten Sie, bis Autos oder Personen aus dem Hintergrund verschwunden sind. Manchmal hilft schon ein kleiner Schritt nach rechts oder links, um störende Objekte aus dem Bild zu entfernen.

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Der Baum »wächst« aus dem Kopf der Person und der Hintergrund ist viel zu unruhig.

Tipp

Halten Sie, wenn möglich, Abstand zum Hintergrund. Je größer der Abstand zwischen Ihrem Model und dem Hintergrund ist, umso unschärfer wird dieser. Das lässt das Bild ruhiger erscheinen.

10.4Sichtbarer durch Farbkontrast

Im dichten Wald werden Personen in grünen Jacken nicht sonderlich auffallen, sondern eher mit dem Hintergrund verschmelzen. Ein rotes T-Shirt fällt dagegen sofort auf. Mit einem bewusst gewählten Farbkontrast bei Kleidung oder Hintergrund lenken Sie das Auge des Betrachters direkt auf das Model. Komplementärfarben (Farben, die sich im Farbkreis genau gegenüberliegen, wie Grün und Rot) sind eine Möglichkeit, aber auch andere Farben, die sich deutlich voneinander abheben, eignen sich. Neben Grün und Rot kommen dazu auch Blau und Gelb oder Orange sowie Gelb mit Lila in Frage.

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Knallige Farben sind perfekte Kompositionsmittel für Porträts mit farblosem Hintergrund.

10.5Nehmen Sie sich Zeit

Auch Smartphone-Fotografen sollten sich für ein Porträt etwas Zeit nehmen. Porträts sind der Spiegel zur Seele, sie zeigen Gefühle und die Verfassung eines Menschen. Dies alles einzufangen ist nicht so einfach und abhängig von dem Verhältnis zwischen Model und Fotograf, dem richtigen Licht und dem passenden Aufnahmeort.

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In einem Bild kann man gut sehen, wie sehr sich der Fotograf mit der Situation auseinandersetzt. Die Schmuckdesignerin Kathy in diesem Porträt hat mir vorab viel über ihre Arbeit erzählt.

10.6Hoch- oder Querformat?

Welches Bildformat ist das passende? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Ein klassisches Hochformat gibt dem Porträt zwar optisch mehr Ruhe, aber es kann auch etwas statisch und altbacken wirken. Ich persönlich mag lieber Porträts im Querformat. Sie geben dem Model Raum für Bewegung und Emotionen sowie für eine Geschichte.

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In diesem Fall ist der Hintergrund zu unruhig.

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Mit dem Hochformat konzentriert sich der Blick besser auf das Model.

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Richtig eingesetzt, erlaubt das Querformat mehr Kontext und hilft so, die Geschichte des Models zu erzählen.

Auch ein Gedanke oder Blick braucht den optischen Raum, um sich entwickeln zu können. Schon die klassische Malerei setzte die Modelle vor passende Hintergründe, ein Konzept, das ich gerne für die Smartphone-Fotografie nutze.

10.7Die Drittelregel

Grundsätzlich wirkt ein Bild harmonischer, wenn das Hauptmotiv nicht genau in der Mitte platziert wird. Das gilt auch für die Porträtfotografie. Als Orientierungshilfe können Sie sich in Ihrer Kamera-App ein Raster zur Bildeinteilung anzeigen lassen (unter iOS aktivieren Sie es etwa in den Systemeinstellungen der Kamera). Wählen Sie das 3 × 3-Raster. Nach dem Öffnen Ihrer Kamera-App wird das Raster jetzt immer angezeigt. Positionieren Sie prägnante Details direkt auf oder nahe den Schnittpunkten der Linien und erhalten Sie so eine harmonische Bildkomposition.

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Das Raster bietet Ihnen Orientierung bei der Bildgestaltung.

10.8Der letzte Schliff mit Bildbearbeitung

Nach dem Foto ist vor der Bildbearbeitung (meistens). Auch wenn Ihnen Ihr Porträt schon gut genug erscheint, kann es durch ein wenig Nachbearbeitung perfekt werden. Mit Apps wie Facetune, Cymera, Face App oder Relook lassen sich Porträts nach Belieben retuschieren. Die App Snapseed eignet sich auch sehr gut, um Ihren Porträts den letzten Schliff zu geben. Mein Workflow zum Beispiel sieht so aus:

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Ich beginne mit Zuschnitt und Begradigen – die Bildränder sollen ruhig wirken und nicht mit angeschnittenen Objekten vom Model ablenken.

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Bildbearbeitung lohnt sich wirklich. Selbst Aufnahmen, die normalerweise in den Papierkorb wandern würden, lassen sich so noch ordentlich aufpeppen.

Checkliste für das perfekte Porträtfoto

  • Vermeiden Sie Gegenlicht.
  • Achten Sie auf die richtige Belichtung Ihrer Models.
  • Passt der Hintergrund?
  • Was eignet sich am besten – Hoch- oder Querformat?
  • Nutzen Sie das Raster in der Standard-Kamera-App, um sich die Bildgestaltung zu erleichtern.