2. KAPITEL
Lincoln
Die Vergangenheit
Ich wurde nach Hause gerufen wie ein verdammter Hund. Und wie einer der folgsamen Retriever, die der Kommodore einsetzt, um seine geschossenen Vögel zu apportieren, kam ich, als man mich rief. Das bedeutete jedoch nicht, dass es mir gefallen musste. Welcher fünfundzwanzigjährige Mann, der etwas auf sich hält, packt schon alles zusammen und verlässt schlagartig sein Zuhause, wenn sein Großvater mit den Fingern schnippt?
Ganz richtig. Ich.
Denn das tat man als guter Erbe des Familienvermögens.
Aber ich tat es nicht nur wegen des Geldes. Nein, ich tat es, weil mir der Kommodore seit meinem vierten Lebensjahr das Familienmotto eingebläut hatte: Bewahre und schütze das Vermächtnis
. Das war die Aufgabe der Riscoffs. Wir füllten die Familienkassen mit noch mehr Geld, als sich ohnehin schon darin befand, wenn wir die Zügel in die Hand nahmen, und gaben es dann an die nächste Generation weiter.
Mein Vater war nicht besonders gut darin, den strengen Ansprüchen des Kommodores zu entsprechen, wenn man den Berichten, die ich aus New York erhielt, glauben konnte. Offenbar verbrachte er mehr Zeit mit seinen Geliebten als im Büro. Diese letzte Nachricht machte deutlich, dass der Kommodore genug davon hatte. Ihm zufolge war es für mich an der Zeit, nach Gable zurückzukehren und die Lücke auszufüllen.
Ich kam, aber es musste mir nicht gefallen. Nur weil ich ein folgsamer Erbe war, bedeutete das nicht, dass mich das nicht wütend machte. Was erklärte, warum ich in einer heruntergekommenen Bar außerhalb der Stadt saß und auf den Tequila starrte, der vor mir stand.
Ich konnte mit jeglichen Verpflichtungen umgehen, mit denen mich der Kommodore konfrontierte, aber ich war nicht bereit, wieder nach Gable zu kommen. Bei Weitem nicht. Mein Herz schlug für New York, und ich erklomm die Karriereleiter in einer Firma, in der niemand in einem Eckbüro saß, der denselben Namen trug wie ich. Ich bewies mich und meinen Wert.
Gable mochte meine Heimat sein, aber ich hatte mich dort nie wohlgefühlt. Es war eine Enklave inmitten der schönsten Berge, die ich je gesehen hatte, aber es war eine gespaltene Stadt.
Dafür hatte meine Familie im Laufe der Jahre gesorgt.
Die Riscoff-Gable-Fehde war legendär und würde nicht so bald vorbei sein. Jeder hatte sich für eine Seite entschieden, vor allem seit dem letzten Vorfall im vergangenen Monat, als der Kommodore die Familienfarm der Gables bei einer Auktion kaufte, nachdem sie sie wegen verspäteter Steuerzahlungen verloren hatten. Der Kommodore brauchte und wollte das Anwesen nicht. Es bereitete ihm lediglich Freude, den Gables etwas wegzunehmen.
Einen Tag nach dem Verkauf brannten das Haus und die große Scheune bis auf die Grundmauern nieder. Die Polizei wusste nicht, ob der Kommodore es aus Boshaftigkeit getan hatte oder ob die Gables das Anwesen selbst angezündet hatten, weil sie es nicht ertragen konnten, dass es nun den Riscoffs gehörte.
Ich kannte die Wahrheit nicht und wollte sie auch nicht kennen. Für mich spielte nur die Tatsache eine Rolle, dass ich in dieser Stadt nirgendwohin gehen konnte, ohne dass die Leute mich anstarrten und genau wussten, wer ich war. Und die Hälfte von ihnen hasste mich. Die Anonymität, die ich in New York genossen hatte, wurde mir in der Minute genommen, in der ich aus dem Firmenjet stieg.
Ich griff nach der Flasche Patrón, die vor mir stand, und schenkte mir ein weiteres Glas voll ein, während das dumpfe Dröhnen der Bar noch lauter wurde.
Ich hatte ganze drei Tage gebraucht, um einen Ort zu finden, an dem ich sitzen und wütend sein konnte, ohne dass mich jemand beachtete. In meiner abgewetzten Baseballmütze mit dem Logo der Mets, dem einfachen weißen T-Shirt und der zerrissenen Jeans kümmerte sich im Mo’s
keiner darum, wer ich war. Die Bar war im Grunde genommen eine Spelunke, die vor allem Biker aufsuchten, die in die Berge hinauffahren wollten. Sie befand sich an der gegenüberliegenden Weggabelung der Straße, die zu unserem Familienanwesen führte – ein Ort, an dem ich es kaum erwarten konnte, wieder abzuhauen, sobald ich die Schwelle übertrat. Das Anwesen war lediglich eine Erinnerung an die Familienpflichten, die mir den Verlauf meines restlichen Lebens vorschrieben.
Ich war mein eigener Herr, aber nun, da mein Großvater den Ton angab, war ich verflucht frustriert.
Das Mo’s
stellte das perfekte Versteck dar, und heute Abend wollte ich in Ruhe trinken, während ich versuchte, mich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass ich mein Schicksal akzeptieren musste. Dafür würde ich deutlich mehr Tequila benötigen.
Ich dachte gerade darüber nach, den Alkohol vor mir hinunterzukippen, als sich die Tür öffnete und ein Windstoß die Aufmerksamkeit aller Anwesenden – einschließlich meiner – in Richtung Eingang lenkte.
Hei. Lige. Scheiße.
Haare so schwarz wie die Nacht. Lippen so rot wie die Sünde. Ein Körper, der für die Hände eines Mannes erschaffen worden war.
Herrgott. Verdammt.
Ich war nicht betrunken, aber die ganze Welt schien sich zu verlangsamen, als ihr Haar um ihre Schultern wehte, während sie in die Bar schritt. Es war wie eine gottverdammte Pose bei einem Fotoshooting – doch dieser zufällige Effekt war ihr gar nicht bewusst.
Das dumpfe Dröhnen der Bar verstummte, als der Mund jedes einzelnen Mannes im Raum angesichts ihrer Ankunft aufzuklappen schien. Es war, als würden wir alle gespannt darauf warten, dass sie den Kopf hob. Sie stopfte etwas in ihre Handtasche und schaute auf.
Soll das ein verdammter Witz sein?
Der Blick ihrer strahlend blauen Augen versetzte mir einen Schlag in den Magen. Gleich darauf folgte ein Kinnhaken, als sie die Lippen schürzte, während sie sich in der Bar umschaute, als wäre sie ihr Königreich. Sie verkörperte die Redensart: »Geh hinein, als würde dir der Laden gehören.« Mit nach hinten gestrafften Schultern, vorgereckter Brust und erhobenem Kinn kam sie mit einem desinteressierten Gesichtsausdruck auf die Theke zu, ohne auch nur einen Mann im Raum zu beachten.
Eine Frau auf einer Mission. Verdammt, das ist heiß.
Sie strahlte ein unglaubliches Selbstvertrauen aus, als sie sich auf einen Barhocker zwei Plätze von meinem entfernt sinken ließ und einen Zwanzigdollarschein auf die Theke knallte. »Tequila. Ohne Eis. So schnell wie möglich.«
Ich lag richtig mit der Annahme, dass sich diese Frau auf einer Mission befand. Irgendein armer Trottel musste sie verärgert haben. Und das Feuer, das unter dieser glatten Haut brodelte und kaum davon zurückgehalten wurde, war das Verführerischste, was ich seit Ewigkeiten erlebt hatte. Die heftige Lust, die mich überkam, sorgte dafür, dass sich mein Schwanz in meiner Jeans regte, und ich lehnte mich vor. Ich war noch nie ein Mann gewesen, der sich eine Gelegenheit wie diese entgehen ließ.
Ich schob die Flasche Patrón über die Theke zu ihr. »Bitte sehr.«
Sie packte mich mit ihren blauen Augen bei den Eiern, als sie den Blick auf mich richtete. »Ich werde nicht mit dir schlafen, weil du mir einen Drink spendierst.«
Ich mag ihren Stil.
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht – das erste, seit ich den Anruf von meinem Großvater erhalten hatte, bei dem er mir mitteilte, dass es an der Zeit war, nach Hause zu kommen.
»Das wird nicht der Grund sein.« Ich drehte mich auf meinem Barhocker herum und streckte eine Hand aus. Es war reine Gewohnheit. »Ich bin …«
»Spar’s dir, Großstadtjunge. Ich muss deinen Namen nicht kennen, um deinen Tequila zu trinken. Ich werde dich ohnehin nie wiedersehen.«
Sie bewahrte mich davor, meine Identität preiszugeben, was ihre Haltung sogar noch attraktiver machte – und dafür sorgte, dass ich ihr das Gegenteil beweisen wollte. Das war ein besonderes Talent von mir.
»Warum denkst du, dass ich ein Großstadtjunge bin?«
Sie warf einen Blick auf mein Handgelenk. »Schicke Uhr.« Sie ließ den Blick nach unten zu meinen Schuhen wandern. »Und das sind weder Bikerstiefel noch Wanderstiefel noch Stahlkappenstiefel. Du kommst nicht aus dieser Gegend.«
Sie lag falsch, aber in gewisser Weise hatte sie auch recht. Ich stammte aus Gable, aber ich war hier nicht aufgewachsen. Meine Eltern engagierten Privatlehrer für mich, bis ich zwölf wurde. Danach schickten sie mich aufs Internat. Das Gleiche galt für meinen Bruder, aber nicht für meine Schwester. Meine Eltern waren der Ansicht, dass sie keine Internatsausbildung brauche, weil sie sich auf dem College einen Ehemann angeln könne. Glücklicherweise ging sie nach Yale und hatte dort eher ihr Studium als Jungs aus Studentenverbindungen im Kopf.
Im Interesse der Wahrung meiner Anonymität nickte ich zustimmend, bevor ich den Kopf schief legte, um die abgenutzten Absatzstiefel zu betrachten, die sie zu ihrem kurzen Jeansrock trug.
»Bedeuten deine Stiefel, dass du hier aus der Gegend kommst?«
Statt meine Frage zu beantworten, stellte sie sich auf die untere Querstrebe des Barhockers und griff über die Theke, um sich ein Schnapsglas zu stibitzen. Der Jeansstoff dehnte sich über ihrem Hintern, und ich wusste, dass ich nicht hinsehen sollte, aber diesen Kampf hatte ich bereits verloren.
Herrgott, sie war perfekt.
Als sie sich wieder hinsetzte, schüttete sie Tequila aus der Flasche, bis er ihr Schnapsglas bis zum Rand füllte. »Geboren und aufgewachsen, und jetzt will ich nur noch aus dieser Stadt verschwinden. Mir reicht es langsam.«
Ich sah zu, wie sie den Tequila hinunterkippte und das Glas wie ein Profi leerte, bevor sie es auf das zerkratzte Holz der Theke knallte. Meine Aufmerksamkeit blieb an dem roten Lippenstiftabdruck am Glas hängen. Ich wusste, wo ich diese roten Lippen lieber sehen wollte.
Als sich mein Schwanz gegen meinen Reißverschluss drängte, verscheuchte ich diesen Gedanken. Ich würde nicht mit einem Ständer in der Hose in einer Bikerkneipe sitzen wie ein dreizehnjähriger Junge.
Ich lenkte den Blick wieder auf ihr Gesicht, was mir absolut nicht schwerfiel. Wann immer ich sie anschaute, bemerkte ich etwas anderes. Dieses Mal war es die kleine Sommersprosse über ihren roten Lippen.
Herrgott, sie ist umwerfend.
Sie zog eine Augenbraue hoch, und mir wurde klar, dass ich sie zu lange angestarrt hatte. Ich riss mich aus ihrem Bann los und versuchte, mich daran zu erinnern, worüber zum Teufel wir geredet hatten.
Oh ja, richtig. Sie will unbedingt aus Gable verschwinden. Damit sind wir schon zu zweit, und ich bin gerade mal seit ein paar Tagen hier.
»Und wo würdest du hingehen?«
»Das spielt keine Rolle. Ich komme hier noch nicht weg. Ich hänge fest.« Sie öffnete den Mund, schüttelte dann aber den Kopf und klappte den Mund wieder zu.
Aus irgendeinem Grund wollte ich diesem Mädchen – oder, ihrem Aussehen nach zu urteilen, dieser Frau – sagen, dass ich sie überallhin mitnehmen würde, egal wohin sie wollte. Aber das tat ich nicht.
»Man kann nicht wirklich irgendwo festhängen. Man hat immer Möglichkeiten.«
Sie richtete den Blick ihrer blauen Augen wieder auf mich, und ich hätte schwören können, dass jemand die ganze Luft aus dem Raum gesaugt hatte. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine derartige Verbindung zu jemandem gespürt.
»Vielleicht hast du Möglichkeiten. Aber meine Pläne sind heute Abend zum Teufel gegangen. Das einzig Positive daran ist, dass ich achtzig Kilo Ballast losgeworden bin.«
Dann hatte ich mit meiner ursprünglichen Vermutung also richtig gelegen. Irgendein Arschloch hatte es sich mit dieser Frau verscherzt. Sein Verlust. Mein Gewinn.
Sie griff nach dem Hals der Flasche und goss einen weiteren Tequila in ihr Glas. Als sie es dieses Mal an ihre Lippen hob, hielt sie den Blick fest auf mich gerichtet, während sie den Inhalt hinunterkippte. Für zehn Sekunden verlor ich die Fähigkeit, einen vollständigen Satz zu bilden, und genauso lange brauchte irgendein Idiot, um neben ihr aufzutauchen.
»Hast du endlich mitbekommen, dass dieses Arschloch alles vögelt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist? Er hat uns fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als er die Chance dazu bekam. Da ist es nicht weiter überraschend, dass er dich ebenfalls fallen lassen hat. Immerhin versuchen nun alle Frauen in L. A., mit ihm in die Kiste zu steigen.«
Die Frau warf einen Blick über ihre Schulter in Richtung des Idioten, ihr Körper spannte sich an. »Verpiss dich, Dave.«
»Ich würde lieber noch ein wenig bleiben, Baby. Ich habe jahrelang auf meine Chance gewartet, dir einen Klaps auf deinen süßen Hintern zu verpassen.«
»Diesbezüglich hast du nicht die geringste Chance.«
Diese zwei hatten eindeutig eine gemeinsame Vergangenheit, und es stand mir nicht zu, mich einzumischen. Doch als er die Hand ausstreckte und sie um ihren Ellbogen legte, sprang ich von meinem Barhocker auf.
»Sie hat dich nicht darum gebeten, sie zu berühren, also lass die Finger von ihr.«
Dave richtete seine Aufmerksamkeit auf mich, und während er abgelenkt war, sprang die blauäugige Schönheit von ihrem Platz und rammte ihm beide Handkanten fest gegen die Brust.
»Rühr mich ja nie wieder an, du Mist…«, fing sie an zu brüllen, verstummte aber, als Dave ihre Hände zurückstieß und sie gegen den Barhocker taumelte.
Oh, Teufel nein.
»So geht man verdammt noch mal nicht mit Frauen um, du Stück Scheiße.« Ich griff nach unten und half ihr auf. Dann stellte ich mich zwischen sie und Dave.
»Bleib hinter mir.« In ihrem Blick blitzte etwas auf, als er auf meinen traf, und sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Das ist sicherer.«
Glas zerbrach, und ich wirbelte herum, um zu sehen, wie Dave eine zersplitterte Bierflasche am Hals gepackt hatte.
Ich mag mit Geld aufgewachsen sein, aber das bedeutete nicht, dass ich mich auf dem Internat nicht verteidigen musste, wenn ich respektiert werden wollte. Als Teenager hatte ich bereits gelernt, wie man einsteckte und austeilte.
Dave wedelte mit dem gezackten Glas in meine Richtung, und ich blockte ihn mit dem Unterarm ab und landete einen Treffer auf seine Leber.
Die zerbrochene Flasche zersplitterte, als sie auf dem Boden aufprallte, und Dave sackte auf die Knie wie ein Klotz. Stühle kratzten über den Zementboden, als der Rest der Gäste unsere Auseinandersetzung bemerkte, und Biker standen auf.
Abgesehen vom Kämpfen hatte ich auch noch gelernt, wann man sich besser zurückziehen sollte.
Ich drehte mich um und schaute die Frau an. »Wir verschwinden von hier.«
Ihr Kopf wippte, als sie nickte, und sie schaute mit weit aufgerissenen blauen Augen über meine Schulter, während sie ihre Hand in meine gleiten ließ. »Lass uns gehen.«
Ich legte meine Finger um ihre, und wir machten uns auf den Weg zur Hintertür. Sie war mir dicht auf den Fersen, als ich die Tür aufschob und sie in die kühle, nächtliche Frühlingsluft hinausführte.
»Ich habe kein Auto.«
»Mein Truck ist gleich hier.« Ich hatte mir den Schlüssel zu einem der Utility-Trucks geschnappt, die in der Garage des Anwesens standen.
Die Tür der Bar knallte gegen die schwarze Betonziegelwand, als jemand hinter uns hergestürmt kam. Ich drehte mich um und nutzte meinen Körper einmal mehr, um sie abzuschirmen. Doch ich war zu langsam, um mein eigenes Gesicht zu schützen, als seine Faust flog.
Die Faust des Gegners rutschte an meinem Wangenknochen ab, und ich ließ die Hand meiner Begleiterin los, um mit einem rechten Haken zurückzuschlagen. Ich erwischte ihn am Kiefer. Er taumelte zurück, während das Blut in meinen Adern kochte.
»Das war nicht nett. Kein bisschen
.« Ihre heisere Stimme bahnte sich einen Weg durch das Adrenalin, das durch meinen Körper rauschte. »Aber es war heiß.«
Der Kerl ging erneut auf mich los, und ich entscheid mich für einen Kinnhaken. Ächzend sank er auf die Knie.
Ich trat auf ihn zu, aber eine Hand legte sich um meinen Arm. Sie schaute mir flehend in die Augen.
»Lass uns gehen. Er ist es nicht wert. Keiner von denen ist das.«
Den Kerl dort hocken zu lassen war die einfachste Entscheidung, die ich je getroffen hatte. Zwei Minuten später saßen wir in meinem Truck und rasten vom Parkplatz, dass der Schotter nur so spritzte.
»Tut mir leid. Das ist alles meine Schuld.«
Ich schaute quer durch die Fahrerkabine zu ihr hinüber, konnte aber ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen. Hier draußen gab es keine Laternen, die die Straße erhellten, sondern nur meine Fernlichtscheinwerfer, die durch die Nacht schnitten, während wir zurück in Richtung Stadt fuhren.
»Du hast ihn nicht darum gebeten, dich anzufassen, also würde ich sagen, dass es Daves Schuld war. Wer auch immer dieser Dave ist. Willst du mir erzählen, worum es da drinnen ging?«
»Nein. Ich will nicht darüber nachdenken. Nicht heute Abend. Niemals. Ich will dieses ganze Chaos einfach nur vergessen.«
»Wo soll ich dich absetzen?« Ich hasste es, die Frage zu stellen, weil ich sie noch nicht irgendwo absetzen wollte. Vor allem weil die geringe Möglichkeit bestand, dass sie zur Wohnung ihres Freunds wollte, weil sie dort noch nicht ausgezogen war.
»Niemand hat sich je für mich eingesetzt. Noch nie.«
»Das war nichts.«
Sie wandte sich zu mir. »Für dich vielleicht nicht, aber für mich war es sehr wohl etwas. Es war alles.«
Als der Verschluss ihres Sicherheitsgurts klickte und sie ihn in die Halterung zurückschnellen ließ, warf ich einen Blick in ihre Richtung. »Was machst du da?«
Sie rutschte in die Mitte der Sitzbank. »Ich will mich bedanken.« Sie presste ihre Lippen auf meine Wange.
Ich wusste, dass ich sie niemals wiedersehen würde, wenn ich sie heute Nacht absetzen würde, und etwas in meinem Inneren sträubte sich gegen diesen Gedanken.
Es gab nur einen Ort, an den ich sie gehen lassen wollte – mit zu mir. Und nicht aufs Anwesen. Niemals auf das verdammte Anwesen. Dieser Ort saugte die Lebensenergie aus jedem, sobald man durch die Tür trat.
Ich entdeckte eine Abzweigung ein Stück vor uns und fuhr an den Straßenrand. Als ich das Innenlicht einschaltete, hob und senkte sich ihre Brust, und ihre blauen Augen waren fest auf mich gerichtet.
Mein Blut, das durch den Kampf bereits in Wallung geraten war, heizte sich um weitere hundert Grad auf. Ich sah die gleiche Lust in ihrem Gesicht aufflackern. Sie wollte mich. Ich hatte genug Erfahrung, um das zu erkennen, wenn ich es sah.
Sie sagt, dass sie vergessen will? Ich kenne die perfekte Methode, um das zu bewerkstelligen.
Ich drehte mich herum. »Wenn du mir danken willst, dann küss mich richtig.«
Sie riss die Augen auf, und ihre Pupillen weiteten sich, während sie scharf einatmete. Für einen Augenblick fragte ich mich, ob ich zu forsch und zu schnell gewesen war. Doch anstatt zurück auf ihre Seite des Sitzes zu rutschen, rückte sie näher an mich heran.
»Ich mache so was normalerweise nicht. Vermutlich wirkt das so, als wäre ich leicht zu haben, aber …«
»Alles, was du gerade tust, sorgt dafür, dass du perfekt wirkst.« Ich erkannte das Knurren in meiner Stimme kaum wieder, als ich sie an den Hüften packte und auf meinen Schoß zog.
Ihr Mund stieß mit mehr Begeisterung als Geschick gegen meinen, und irgendetwas daran machte die ganze Situation nur noch heißer. Ich vergrub eine Hand in ihrem Haar und hielt die andere fest um ihre Hüfte gelegt, während ich die Kontrolle über den Kuss übernahm und ihren Kopf drehte, damit ich das Ganze vertiefen konnte. Ich wollte mir mehr nehmen. Mehr schmecken.
Sie war wie Feuer und Hitze und Schärfe. Sie schmeckte nach Ärger. Und ich wollte alles von ihr.
Sie zog mir die Baseballkappe vom Kopf, umfasste meinen Nacken und küsste mich mit einer Gier, die ich seit Jahren nicht mehr verspürt hatte.
»Ich will dich.«
Ich zwang mich dazu, mich von ihr zu lösen, als sie diese Worte keuchte. Ich kannte nicht mal den Namen dieser Frau. Ich konnte nicht in meinem Truck mit ihr schlafen.
Sie warf mir einen strengen Blick zu. »Lass mich jetzt ja nicht hängen, Großstadtjunge.«
»Nicht hier. Ich weiß etwas Besseres für uns beide.«
Ich zwang mich dazu, sie von meinem Schoß zu heben, ließ sie aber nicht weit weg. Ich legte einen Arm um sie und zog sie dicht an mich. Dann senkte ich den Kopf, um ein weiteres Mal ihre Lippen zu kosten.
Verdammt, sie ist wie eine Droge.
Ich musste sie haben.
»Ich weiß, wo wir hinfahren können.«
Die Fahrt zur Hütte war kurz, und wir hatten verdammt großes Glück, dass es mir gelang, den Truck auf der Straße zu halten, statt ihn in den Gaben zu steuern, denn die Frau neben mir lenkte mich ziemlich ab.
Sie schwieg, aber ihre Hand lag die ganze Zeit über auf meinem Oberschenkel, und ihre Fingerkuppen hätten ebenso gut Löcher durch meine Jeans brennen können, denn ihre bloße Berührung war heiß genug dafür.
Als ich vor der kleinen Hütte anhielt, drehte sie sich zu mir und sah mich an. Der Ausdruck ihres Gesichts verriet Unentschlossenheit.
»Du solltest etwas wissen, und ich muss auch etwas von dir erfahren, bevor wir da reingehen.«
Auch wenn es mich umgebracht hätte, wenn sie plötzlich ihre Meinung geändert hätte, nickte ich und bereitete mich darauf vor, sie stattdessen nach Hause zu bringen.
»Ich mache so etwas nicht. Ich weiß, dass Frauen, die so etwas machen, genau das behaupten, aber ich sage die Wahrheit.« Die Leidenschaft in ihrem Tonfall unterstrich nur, wie ernst ihr die Sache war. »Ich bin weder eine Hure noch eine Schlampe, und ich bin auch nicht leicht zu haben.«
»Hör auf«, bat ich sie. »Hör einfach auf.«
Sie schloss die roten Lippen und schluckte.
»Ich will dich«, sagte ich. »Ich wollte dich von der Sekunde an, als du durch die Tür der Bar gekommen bist. Warum zum Teufel sollte ich schlecht von dir denken, wenn ich im selben Boot sitze? Hier braucht keiner über den anderen zu richten, okay? Ich glaube dir.«
Sie betrachtete mein Gesicht, als wäre sie sich nicht sicher, ob ich ihr nur schmeicheln wollte, aber das war wirklich nicht meine Absicht. Natürlich gab es so was wie Doppelmoral, aber meine Sicht auf die Dinge war in Anbetracht des Verhaltens meines Vaters ein wenig anders.
»Okay«, sagte sie mit einem Nicken.
»Also, was willst du über mich wissen?«
Sie schwieg.
»Frag einfach. Was immer du wissen willst.«
»Du bist kein Serienmörder, oder?« Sie runzelte die Stirn, und ich hatte das Gefühl, dass ihre Frage vollkommen ernst gemeint war.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf, während mein Lachen in der Fahrerkabine des Trucks widerhallte.
»Denn wenn du einer bist, verspreche ich dir, dass ich zurückkehren werde, falls du mich umbringst, um dich für den Rest deines Lebens heimzusuchen. Ich mag klein sein, aber in mir wird eine Menge Wut stecken.«
»Ich glaube dir«, sagte ich, und mein Mund verzog sich das erste Mal seit Tagen zu einem richtigen Lächeln. »Ich verspreche, dass ich kein Serienmörder bin. Ich habe früher mal ein paar Rehe geschossen, aber das ist auch schon alles. Du hast zwar keinen Grund, mir zu glauben, aber du bist nicht in Gefahr. Heute Nacht wird nichts passieren, was du nicht willst oder verlangst.«
Ihr Zögern verriet mir mehr, als ihre Worte es je gekonnt hätten. Das war untypisch für sie. Sie ging normalerweise nicht mit beliebigen Typen aus der Bar nach Hause. Ich vermutete, dass sie noch nicht einmal in der Bar gewesen wäre, wenn sie sich nicht von ihrem Freund getrennt hätte.
»Gut. Denn ich habe in meinem Leben viele dumme Entscheidungen getroffen, und ich will nicht, dass diese hier dazugehört.«
»Dir wird nichts passieren. Ich gebe dir mein Wort als …« Ich hätte beinahe »Riscoff« gesagt, hielt aber abrupt inne.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Dein Wort als was?«
»Als ein Mann, den man schlagen würde, wenn er sich einer Frau gegenüber respektlos verhalten hätte.«
Es war das Erste, was mir in den Sinn gekommen war, und es entsprach absolut der Wahrheit. Der Kommodore würde mich umbringen, und dann würde mich meine Mutter im Garten vergraben. Das war die eine Sache, bei der sich beide einig waren.
Sie schaute durch die Windschutzscheibe zur Hütte, die von den hellen Scheinwerfern des Trucks angestrahlt wurde. »Ist das dein Haus?«
Ich nickte und stellte den Motor ab. Da ich meine Identität nicht offenbaren wollte, erzählte ich ihr nicht, dass es eine Jagdhütte war, die sich seit Jahrzehnten im Besitz meiner Familie befand. Sie war normal, nicht zu übertrieben, und ich hatte mich hier immer wohler gefühlt als auf dem Anwesen.
Ich nahm kein Zögern in ihrem Tonfall war, wollte aber trotzdem sichergehen, dass das hier für sie in Ordnung ging, während ich den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. »Willst du deine Meinung ändern?«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf, und mein Körper kribbelte, als hätte ich irgendein starkes Rauschmittel eingeworfen.
Gott sei Dank.
Aber ich sprach die Worte nicht laut aus.
Stattdessen sagte ich: »Du bist wirklich was Besonderes, Blue.« Ich weiß nicht, warum ich ihr einen Kosenamen gab, aber er kam mir so leicht über die Lippen. Sie hatte so wunderschöne blaue Augen.
»Ich bin ein Niemand«, widersprach sie und wandte den Blick ab. »Aber heute Nacht will ich das vergessen.«
Ich streckte eine Hand aus und strich mit dem Daumen über ihre Wange. »Du bist kein Niemand. Ich muss deinen Namen nicht kennen, um das zu wissen. Aber heute Nacht werde ich dafür sorgen, dass du alles vergisst, was dich in diese Bar geführt hat, wenn du das willst.«
Sie hob den Blick und schaute mir in die Augen. »Genau das will ich. Und wir fangen jetzt damit an.« Sie drehte sich zu mir und schwang ein Bein über mich. Ihr Rock rutschte bis zu ihren Oberschenkeln hoch, als sie sich wieder rittlings auf meinen Schoß setzte. Ihr Körper vibrierte nahezu vor Verlangen.
Noch nie in meinem Leben hatte mich eine Frau so sehr gewollt, ohne zu wissen, wer ich war.
Normalerweise rissen sie sich die Höschen vom Leib, wenn sie meinen Nachnamen erfuhren, aber diese Frau wollte mich
. Einfach nur mich. Dieses Wissen war stärker als eine ganze Flasche Tequila.
Unsere Lippen trafen aufeinander, und ihr Kuss war voller Gier und Verzweiflung. Ich gab ihr genau das Gleiche zurück. Ich labte mich an all ihren Empfindungen und empfand alles noch intensiver.
Schließlich löste ich meine Lippen von ihr. »Wir sollten reingehen. Ich werde gleich zum ersten Mal mit dir schlafen, und das wird nicht in diesem Truck passieren. Auf keinen Fall.«
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber ich hatte die Hand bereits am Türgriff. Ich manövrierte uns nach draußen und hob sie hoch, damit ich sie in die Hütte tragen konnte.
»Du magst ein Großstadtjunge sein, aber du verhältst dich nicht wie einer.« Sie umklammerte meine Schultern.
Wieder zupfte ein Lächeln an meinen Lippen, während ich vor der Tür stehen blieb und sie an meinem Körper entlang nach unten gleiten ließ, bis ihre Füße den Boden berührten. Die harte Beule in meiner Jeans, die sie mir beschert hatte, als sie im Truck auf meinen Schoß geklettert war, konnte ihr nicht entgangen sein.
»Freut mich, dass du das gut findest.«
Als ich mich zur Tür herumdrehte, fiel mir ein, dass ich keinen Schlüssel dabeihatte. Aber ich weiß, wo der Ersatzschlüssel versteckt ist.
»Warte eine Sekunde.« Ich ging ein paar Schritte zur Seite und hob den mit Moos bewachsenen Stein direkt unter dem mittleren Fenster an.
»Hast du deinen Schlüssel verloren?«
»Nein, er ist irgendwo, aber ich werde keine Zeit damit verschwenden, ihn zu suchen.« Das war nicht wirklich gelogen. Ich wusste genau, wo der Schlüssel war, aber ich würde nicht zurück zum Anwesen fahren, um ihn zu holen.
»Verständlich.«
Als die aufgeschlossene Tür aufschwang, hob ich sie wieder hoch und trug sie auf den Armen über die Schwelle. Dann trat ich die Tür hinter uns zu. Statt das Wohnzimmerlicht einzuschalten, trug ich sie ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Dann setzte ich sie vorsichtig ab.
Sie stand mit dem Rücken zur Tür vor mir.
»Willst du es dir vielleicht doch noch anders überlegen?«
Sie schüttelte den Kopf und presste die Handflächen auf meine Brust. »Ich hätte nicht erwartet, dass ein Großstadtjunge so hart sein würde.«
»Schätzchen, du hast ja keine Ahnung.« Ich trat vor und schob ein Knie zwischen ihre leicht gespreizten Beine. Dann drückte ich meine Hand flach auf ihr Kreuz und zog sie an mich, damit sie spüren konnte, wie hart ich tatsächlich war.
Hitze flammte in ihrem Blick auf. Ihre Miene wirkte jedoch immer noch unentschlossen.
»Hier passiert nichts, was du nicht willst.«
»Aber was ist, wenn ich alles haben will?«
»Dann wirst du genau das bekommen.«
Ich umfasste ihren Hintern und wirbelte sie herum, sodass sie mit dem Rücken zum Bett stand. Ich spannte die Muskeln an und hob sie aufs Bett. Dann folgte ich ihr und ließ mich mit einem Teil meines Gewichts auf sie sinken.
Ihr Körper drückte sich an meinen, und ich hatte nur noch einen Gedanken: Ich will mehr
.
Mehr Berührung. Mehr Haut. Mehr von diesen brennenden blauen Augen, die mein Gesicht betrachteten.
Sie streckte eine Hand aus uns strich mit den Fingern an meinem Wangenknochen entlang. »Du bist verletzt.«
»Ich spüre nur dich.« Mein Schwanz wurde noch härter, während er sich gegen sie drängte.
»Als ich sagte, dass ich so was noch nie gemacht habe, war das mein Ernst«, platzte es aus ihr heraus, und ich riss den Kopf zurück.
»Du bist noch Jungfrau?« Mein Körper erstarrte.
»Nein. Nein. Ich meine … Ich hatte noch nie einen One-Night-Stand.« Sie drehte den Kopf zur Seite, als würde sie mich nicht anschauen wollen. »Gott, das klingt so klischeehaft.«
Ich benutzte zwei Finger, um ihren Blick sanft wieder auf mich zu richten. »Weißt du noch, was ich gesagt habe? Hier muss keiner über den anderen richten. Das ist mein Ernst. Ich kann mich nicht erinnern, eine Frau je so sehr gewollt zu haben wie dich.«
Wieder leuchteten ihren blauen Augen lustvoll auf. »Dann sollten wir vielleicht aufhören, so viel zu reden.«
Diese Frau, wer auch immer sie sein mochte, war die gefährlichste Mischung aus Feuer und Unschuld, die man sich vorstellen konnte.
Meine Beschützerinstinkte kämpften gegen mein Verlangen an, sie auszuziehen und in sie einzudringen. Jedes Gefühl, das sie mir entlockte, war so neu und anders. Ich hatte keine Ahnung, was zum Teufel an diesem Abend passieren würde, aber ich glaubte, dass sie und ich aus einem bestimmten Grund zum selben Zeitpunkt in dieser Bar gewesen waren.
Und wie auch immer dieser Grund aussehen mochte, er hatte uns hierhergeführt. Diese Chance würde ich mir nicht entgehen lassen.
Ich umfasste ihren Kopf und stürzte mich wieder auf ihre Lippen. Sie waren weich und glatt, und sie küsste mich, als hätte sie Mühe, ihre Gier zurückzuhalten. Ich konnte es kaum erwarten, sie zu steigern, bis sie keine andere Wahl mehr hatte, als zu explodieren.
Ich würde diese Nacht zur besten ihres Lebens machen. Sie mochte vergessen, was sie in diese Bar geführt hatte, aber mich würde sie niemals vergessen. Und wenn wir zusammen auch nur ansatzweise so explosiv waren, wie ich es vermutete, würde das keine einmalige Sache bleiben. Das würde mir, was die Rückkehr in diese Stadt anging, einen echten Grund zum Lächeln geben.
Sie zog an meinem T-Shirt, und wir lösten uns voneinander, damit sie es mir über den Kopf streifen konnte.
»Du bist wunderschön«, sagte sie, und ihre Stimme stockte, während sie meine Brust ansah.
»Nein, du bist wunderschön.«
Sie durchbohrte mich mit ihren blauen Augen. All die Dinge, die mich belasteten – die Erwartungen, der Druck –, verschwanden, als hätten sie nie existiert. In dieser Nacht gab es nur sie und mich.
Wir zerrten gegenseitig an unseren Klamotten, als wären wir halb wahnsinnig, und als ich ihr Oberteil hochschob, um ihre umwerfenden Brüste und perfekten Brustwarzen zu enthüllen, pochte mein Schwanz in meiner Jeans und sehnte sich danach, in ihr zu sein.
So sehr ich sie hart und schnell nehmen wollte, so sehr wollte ich auch sanft mit ihr umgehen. Irgendein Kerl hatte sie mies behandelt, und ich würde ihr nicht das Gleiche antun.
Ich zog ihr den Rock aus und atmete ihren Duft ein. »Du bist ganz feucht, nicht wahr, Blue?«
»Das ist deine Schuld. Das warst du. Ich …«
»Was?«
»Ich habe noch nie … nicht so. So schnell. So … alles.«
Ihre zusammenhanglosen Worte erfüllten mich mit einer Mischung aus besessenem Verlangen und Triumph. Was auch immer meine Absicht gewesen war, als ich sie durch die Tür getragen hatte, sie hatte sich verändert. Ich wollte, dass sie süchtig nach mir wurde. Sich nach mir verzehrte. Ich wollte die einzige Person sein, die diese Gefühle in ihr auslösen konnte.
Und sie kennt nicht mal meinen Namen.
Das Gefühl war berauschender, als es je jemand begreifen konnte, und für mich war es das ultimative Aphrodisiakum. Ich musste ihren Namen nicht kennen, um zu wissen, dass ich sie mehr wollte, als ich je jemanden gewollt hatte. Vielleicht war es das Adrenalin. Vielleicht war es mein Bedürfnis, etwas in dieser Stadt als Mein zu beanspruchen. Was auch immer es war, es spielte keine Rolle.
Ich bewegte mich an ihrem Körper entlang nach unten und zog ihr das Höschen aus. Sie reckte sich mir entgegen, und ich atmete erneut ihren Duft ein.
Sie war wirklich klitschnass, und die Art, wie sie ihre Hüften anhob, verriet mir, dass sie das hier ebenso sehr wollte wie ich.
Wie lange ist es her, dass sich jemand um sie gekümmert hat?
Ich verdrängte die Frage sofort wieder, bevor ich über die Antwort nachdenken konnte. Egal wie lange es her war, sie würde sich an niemanden mehr erinnern, der vor mir mit ihr zusammen gewesen war.
Sie bohrte ihre Fingernägel in meine Schultern, während ich mit dem Daumen über die hübschesten Schamlippen fuhr, die ich je gesehen hatte. Schauer durchliefen ihren Körper.
»Du bist so bereit. So feucht. So verflucht heiß.«
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte jedoch nur ein Wimmern zustande. Zumindest bis ich den Kopf senkte und mit der Zunge durch ihre süße Feuchtigkeit fuhr.
»Oh Gott. Mach das noch mal.«
Ein heimlicher Verdacht nahm in meinem Hirn Gestalt an. Diese Frau mochte keine Jungfrau sein und war mit mir gekommen, nachdem sie mich gerade mal eine halbe Stunde lang kannte. Aber sie hatte nicht gelogen, als sie gesagt hatte, dass sie so etwas normalerweise nicht tat.
Das machte es für mich nur umso wichtiger, diese Nacht unvergesslich werden zu lassen.
Ihr Körper reagierte, ihre Muskeln zogen sich zusammen, und sie warf den Kopf zurück, während ich mich an ihr labte, als wäre sie meine Henkersmahlzeit. Sie wand sich gegen meinen Mund und stöhnte, bis ihre Schreie die Hütte erfüllten und ein Schwall herber Feuchtigkeit auf meine Zunge traf.
Verdammt unglaublich.
Ich richtete mich auf, zog einen Finger durch ihre Feuchtigkeit und genoss das Zittern, das meine Berührungen in ihrem Körper auslösten. »Ich will dich. Sofort.«
Sie schaute mir fest in die Augen und spreizte die Beine ein kleines bisschen. »Worauf wartest du dann noch?«
Ihre Unschuld und dazu ihre kühnen Worte, das war die berauschendste Mischung, die ich je erlebt hatte. Ich hatte nicht die geringste Chance, ihr zu widerstehen, selbst wenn ich es gewollt hätte.
Ich stand vom Bett auf und knöpfte meine Jeans auf. Ihre Augen weiteten sich, als mein Schwanz heraussprang.
»Heilige Scheiße.«
Ihre gedämpfte Stimme klang wie ein Gebet und gab mir das Gefühl, der glücklichste Mann der Welt zu sein. Ich legte eine Hand um meinen Schwanz und zog fest daran. Sie richtete ihre blauen Augen auf die Spitze, und so sehr ich ihre roten Lippen auch auf mir spüren wollte, wollte ich doch noch dringender in ihr sein.
Ich zückte meine Geldbörse und fand ein Kondom. Ich riss die Verpackung mit den Zähnen auf und dankte Gott, dass es unversehrt war. Sie beobachtete jede meiner Bewegungen, während ich es überrollte, und fast hätte ich zu ihr gesagt, dass sie mir gern helfen könnte. Stattdessen genoss ich die Hitze, die von ihren Augen ausging und die ebenso kraftvoll ihr Körper ausstrahlte.
»Bist du bereit?«
Mit einem Nicken flüsterte sie: »Beeil dich.«
Gott sei Dank.
Sobald das Kondom sicher an seinem Platz saß, ließ ich mich auf sie sinken. Ich liebte das Gefühl ihrer weichen Kurven unter mir. Sie war ganz anders als diese dürren Bohnenstangen, die nur Schwarz trugen und die Clubs in New York bevölkerten. Sie packte mich an den Schultern und stieß mit den Hüften gegen meinen Schwanz, als würde sie versuchen, ihn in sich hineinzuzwingen.
Ich spannte den Kiefer an und hatte das Gefühl, jeden Moment die Kontrolle zu verlieren, während ich mich positionierte. »Jetzt gibt es kein Zurück mehr, Blue.«
»Ich will nicht zurück. Ich will das hier.«
Kaum war die letzte Silbe über ihre Lippen gekommen, drang ich in sie ein.
Mein Kopf wurde vollkommen leer. Das Gefühl ihrer heißen, feuchten Enge nahm mir jede Erinnerung, die ich an Sex hatte, und ersetzte sie durch sie
. Ihr Körper schlang sich um meinen. Dann ließ sie wieder locker und ließ zu, dass ich zur Gänze in sie eindrang.
Sie war keine Jungfrau, aber sie hätte ebenso gut eine sein können. Ein Knurren entrang sich meiner Kehle. Es war die Folge der besitzergreifenden Instinkte, die sie in mir auslöste.
Wieder bohrte sie die Fingernägel in meine Schultern. »Ich hatte keine Ahnung, dass es sich so gut anfühlen kann.«
Ich wusste nicht, mit was für einem Mistkerl sie vor mir zusammen gewesen war, aber am nächsten Morgen würde sie sich nicht mehr an ihn erinnern. Keiner von uns würde sich daran erinnern, wie es war, mit jemand anders zusammen zu sein, wenn ich sie so nehmen würde, wie ich es vorhatte.
Ich zog mich zurück und stieß dann wieder zu. Sie hob die Hüften an, um mir entgegenzukommen, während ich in sie eindrang. Immer und immer wieder stieß ich in sie hinein, bis sie sich unter mir wand und schrie. Ich brauchte meine ganze Willenskraft, um nicht aufzuhören. Um meinen Rhythmus nicht zu verlieren. Ich machte einfach weiter, während sich ihre inneren Muskeln zusammenzogen und sie so heftig kam, dass ich beinahe ebenfalls die Kontrolle verlor.
»Oh mein Gott!«
Sie sank zusammen, und endlich ließ ich mich gehen. Meine Erlösung kam tief aus meinem Innersten, und ich schaute auf sie hinunter, während ich immer noch in ihr zuckte.
Was zum Teufel ist gerade passiert? Mit was für einer Art Zauber hat mich diese Frau belegt?
Und was noch viel wichtiger war … Wer ist sie?
Ich musste es wissen.
Denn wenn mir jemand gesagt hätte, dass sie an diesem Abend in diese Bar geschickt worden war, um mich in eine Falle zu locken, damit ich tun würde, was immer ich konnte, um eine weitere Kostprobe von ihr zu erhalten, dann hätte ich das geglaubt.
Ich hatte schon jede Menge guten Sex gehabt. Großartigen Sex. Aber Herrgott noch mal, nichts davon war wie das hier gewesen. Alles andere verblasste im Vergleich dazu.
Ihr Körper war schlaff, als ich mich aus ihr zurückzog, und ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen. Als Mann fühlte man sich einfach gut, wenn der Orgasmus, den man einer Frau verschaffte, dafür sorgte, dass sie vollkommen erledigt war.
Mein Körper und mein Gehirn, die nach dem Spießrutenlauf der vergangenen Tage beide erschöpft waren, wollten nur eins, bevor ich sie noch einmal nehmen konnte – Schlaf.
Ich entsorgte das Kondom, breitete dann eine Decke über uns aus und schmiegte mich dicht an sie.
Sie würde morgen nicht gehen, bevor ich nicht ihren Namen erfahren hatte und wusste, wie bald ich sie wiedersehen würde.
Vielleicht war ich verrückt, aber das hier fühlte sich verdammt nach Schicksal an.
Ich schlief in dieser Nacht noch zweimal mit ihr und ging nicht davon aus, dass der Sex so gut wie beim ersten Mal sein würde, aber ich lag falsch.
Er war sogar noch besser.
Ihr Körper war voll und ganz auf meinen eingestellt. Sie ritt mich, bis ich kam, und es war das Schönste, was ich je gesehen hatte. Beim nächsten Mal nahm ich sie von hinten und hatte dabei eine Hand in ihrem Haar vergraben. Meine besitzergreifenden Instinkte gerieten außer Kontrolle, wenn es um diese Frau ging.
Ich musste ihren Namen nicht kennen, um zu wissen, dass sie mir gehören sollte.
Ich schlief einmal mehr ein. Meine Finger waren immer noch in ihrem Haar vergraben.
Als ich ein paar Stunden später die Augen öffnete, lag ich allein im Bett. Ich setzte mich ruckartig auf und schaute mich um.
Sie war fort.
Ich habe mir die letzte Nacht nicht eingebildet.
Dann hörte ich, wie die Bodendielen im Wohnzimmer knarrten.
Verdammt, sie schleicht sich raus.
Ich würde sie nicht gehen lassen, ohne ihren Namen erfahren zu haben. Außerdem hatte sie keine Möglichkeit, nach Hause zu kommen.
Ich sprang aus dem Bett, hielt mich nicht damit auf, meine Jeans anzuziehen, und stürzte ins Wohnzimmer. »Hey …«
Sie stand vollständig angezogen an der Eingangstür und wirbelte herum. Aber sie sah nicht mich an, sondern starrte auf ein Foto, das unter einer Jagdtrophäe und einem antiken Gewehr hing.
Das Foto zeigte mich, meinen Vater und meinen Großvater.
Anstelle eines Lächelns lag ein Ausdruck des Entsetzens auf ihrem Gesicht.
»Geht es dir gut?«
Sie wich zurück, bewegte sich auf die Tür zu und stolperte über einen ihrer Stiefel, während sie nach der Klinke griff.
»Du … Du bist … Lincoln Riscoff. Oder?« Auch ihr Tonfall verriet ihr Entsetzen.
Keine Frau hatte mich je so angesehen. Wenn sie meinen Namen erfuhren, stürzten sie sich normalerweise schneller auf mich, als ich sie abwehren konnte.
Ich reckte das Kinn nach oben. »Ja. Und?«
»Scheiße.«
Sie beugte sich nach unten und schnappte ihre Stiefel. Dann riss sie die Tür auf.
Als ich die vordere Veranda erreichte, war sie bereits die Hälfte der Einfahrt hinuntergelaufen.
»Warte!«
Sie drehte den Kopf nach hinten, schaute mich an, stolperte und ließ einen ihrer Stiefel fallen. Sie blieb nicht mal stehen, um ihn aufzuheben. Sie stürmte einfach davon.
Verdammt.