19. KAPITEL
Lincoln
Die Vergangenheit
»Wer war sie?« Meine Mutter knallte die Tür hinter sich zu, während sie mitten während unserer Besprechung ins Büro meines Vaters gestürmt kam.
»Verzeihung?«, entfuhr es meinem Vater.
»Dieses Flittchen, mit dem er dich gesehen hat!«
Ich erstarre. Dieser elende Hausmeister …
»Von wem zum Teufel redest du?«, fragte mein Vater.
Anstatt meinem Vater zu erzählen, was ich getan hatte, marschierte meine Mutter an mir vorbei und schlug die Hände auf seinen Schreibtisch.
»Mein Bruder hat mir erzählt, dass er dich gestern Abend mit einer Frau gesehen hat. Ihr habt das Resort durch den Hinterausgang verlassen.«
Erleichterung durchströmte mich, als mir klar wurde, dass sie nicht mich beschuldigte. Auch wenn ich Whitney erzählt hatte, dass ich mich um alles kümmern würde und sie sich keine Sorgen machen müsste, war die Vorstellung, dass meine Mutter das mit uns herausfinden könnte, nicht gerade angenehm.
»Dann hätte deinem Bruder klar sein sollen, dass ich eine Angestellte nach Hause gebracht habe. Ihr Kind war krank, und sie brauchte eine Mitfahrgelegenheit.«
»Um zehn Uhr abends? Als würde ich das glauben! Ich habe das bereits überprüft. Du hast gestern Abend ein Zimmer für dich reservieren lassen.«
»Ich lasse immer ein Zimmer für mich reservieren. Damit ich die ganze Zeit arbeiten und dafür sorgen kann, dass die Firma mehr Geld verdient. Du magst doch Geld, oder, Sylvia? Schließlich hast du mich deswegen geheiratet.«
»Du kommst abends kaum noch nach Hause!«
»Warum sollte ich das tun, wenn du mir doch nur die ganze Zeit über vorwirfst, dass ich dich betrüge?«
Ich stand auf und ging zur Tür. Ich wollte auf keinen Fall hier sitzen und meinen Eltern beim Streiten zuhören. Sie liebten sich nicht. Das hatten sie nie getan. Ich fand es immer noch seltsam, dass es ihnen trotzdem irgendwie gelungen war, drei Kinder zu zeugen, denn so lange ich mich erinnern konnte, wohnten sie in getrennten Flügeln des Hauses.
Ich schlich mich zur Tür hinaus und schloss sie hinter mir, sodass ihre Stimmen nur noch gedämpft zu hören waren.
Der Kommodore kam aus seinem Büro. Zweifellos hatte ihn das Gekeife angelockt. Er warf einen Blick zur Tür und dann zu mir. »Haust du ab?«
Ich schaute ihm in die Augen. »Willst du etwa da reingehen?«
»Dein Vater ist ein erwachsener Mann. Er muss sich ihr gegenüber nicht rechtfertigen. Aber du solltest etwas daraus lernen, Junge. Heirate niemals eine Frau, der du nicht vertraust und die dir nicht vertraut. Sonst wird alles schneller zum Teufel gehen, als du ›Ja, ich will‹ sagen kannst.«
Die erste Frau, an die ich dachte, war Whitney. Sie vertraute mir nicht.
Nein, das stimmte nicht. Sie wollte
mir nicht vertrauen, aber ich machte sie mürbe. Ich konnte ihr vertrauen … Zumindest dachte ich das. Ich musste sie an den Punkt bringen, an dem die Loyalität gegenüber ihrer Familie im Vergleich zu ihren Gefühlen für mich verblasste. Das war die einzige Möglichkeit, wie das mit uns je funktionieren könnte.
Was bedeutete, dass ich noch eine Menge Arbeit vor mir hatte.
Der Kommodore, dieser verschlagene alte Mann, bemerkte mein Schweigen und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. »Hast du bereits jemanden im Sinn?«
Ich schüttelte den Kopf. »Noch nicht, Sir.«
Ich hasste es zu lügen, aber es war noch nicht an der Zeit, es ihm zu erzählen. Wenn es nach Whitney ginge, würde dieser Zeitpunkt nie kommen.
Ein Schritt nach dem anderen. So musste ich das angehen.
Meine Mutter knallte die Bürotür meines Vaters zu und blieb vorm Kommodore stehen. »Wenn dein Sohn nicht lernt, seine Hände bei sich zu behalten, wird deine Familie ihre allererste Scheidung erleben.«
Der Kommodore wirkte sogar noch größer, während sein Blick härter wurde. »Du wirst niemals freiwillig auf all das Geld verzichten. Aber ich würde dir einen Scheck ausstellen, wenn du gehst. Über einen Dollar.«
Meine Mutter atmete scharf ein. Die Beleidigung des Kommodores war so unverschämt, dass sie sogar mich schockierte.
»Sir …«
Er hob eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Hast du der Unterhaltung noch etwas hinzuzufügen, Sylvia?«
Meine Mutter funkelte ihn böse an und marschierte dann davon.
Der Kommodore wandte sich wieder mir zu, als sie im Aufzug verschwand. »Manchmal muss man denen, die einen nicht respektieren wollen, zeigen, wo der Hammer hängt. Ich weiß, dass sie deine Mutter ist, aber ich mag diese Frau nicht.«
Die Tür zum Büro meines Vaters öffnete sich, und er trat heraus. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und fragte: »Braucht sonst noch jemand einen Drink?«