20. KAPITEL
Whitney
Gegenwart
»Was haben Sie hier zu suchen?« In Sylvia Riscoffs Stimme schwang Fassungslosigkeit und Empörung mit.
»Mrs Riscoff …«, sagt Gabi, doch Lincolns Mutter bringt sie mit einer ruckartigen Handbewegung zum Schweigen.
»Ich will eine Erklärung für Ihre Anwesenheit, und zwar sofort.« Jedes einzelne ihrer Worte trieft vor Hass. Es ist erstaunlich, dass nicht auch noch Säure aus ihren Mundwinkeln sickert.
Sie verabscheut mich. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt tot.
»Ich lasse mich schminken«, sage ich ganz sachlich. »Das hier ist ein ausgezeichneter Spa.«
Sie bläht wütend die Nasenflügel. »Ein Spa, den Sie nie wieder betreten werden. Verschwinden Sie. Ihr Geld ist hier nichts wert.«
»Eigentlich benutzt sie den Bonus einer Mitarbeiterin, Ma’am«, sagt Gabi, der nicht klar ist, dass sie gerade meine Tante ins Fadenkreuz gestoßen hat.
»Welche Mitarbeiterin?«
Ich schlucke. »Meine Tante.«
»Dafür werde ich sie entlassen. Sie sind Abschaum. Das gilt für alle Gables. Das war schon immer so, und es wird immer so sein. Mir ist egal, wie viel Geld Sie jetzt haben. Das ändert nichts daran, wer Sie sind.«
Ich blinzle sie zweimal an. Sie glaubt, dass ich immer noch Geld habe?
Dann werde ich sie nicht korrigieren. Dieser Irrtum wirkt sich zweifellos zu meinen Gunsten aus.
»Ich fürchte, ich habe das vorher erlaubt, Mutter. Wir heißen hier im Gables
jeden willkommen.«
Eine zierliche Brünette in einem maßgeschneiderten Kostüm betritt den Raum. Das muss McKinley Riscoff sein, auch wenn sie absolut nicht mehr wie das schüchterne Mädchen aussieht, an das ich mich erinnere.
»Und es wäre nett von dir, wenn du im Spa ein wenig leiser sprechen könntest. Die Leute hier genießen die Ruhe.«
»Du
hast das erlaubt?«
Mrs Riscoff sieht aus, als würde sie jeden Moment einen Anfall bekommen. Ihre Wangen laufen rot an, und ich habe Angst, dass sie direkt hier im Spa tot umfallen wird. Dann werde ich die Schwarze Witze und
die Muttermörderin sein.
»Ich bin fast fertig, Mrs Riscoff. Ich bin mir sicher, dass ich keinen Grund mehr haben werde, noch einmal hierher zurückzukehren.«
»Oh nein, ich bitte Sie«, sagt McKinley. »Sie sind hier herzlich willkommen. Tatsächlich bin ich hergekommen, um Sie persönlich willkommen zu heißen. Wir haben hier nicht jeden Tag jemanden zu Gast, der so …«
»Berüchtigt ist. Denn das ist sie. Sie wird auf jeden Fall unserem öffentlichen Ansehen schaden, schließlich hat sie ihren Ehemann in den Selbstmord getrieben.« Mrs Riscoff spuckt die Anschuldigung aus, die nicht schlimmer ist als all das, was ich bislang gehört habe. Aber aus ihrem Mund klingt sie verletzender. Sie wendet sich an McKinley. »Wenn du dieses Resort so leiten willst, bin ich mir sicher, dass dein Großvater es dir gern wieder wegnehmen und es Harrison überlassen wird. Er ist ohnehin derjenige, der es von Anfang an hätte bekommen sollen.«
McKinley lächelt süß, aber ich spüre, dass diese Frau ihre eigene gut gepflegte Rüstung hat, wenn es um das Verhältnis zu ihrer Mutter geht. »Ich entschuldige mich für das Verhalten meiner Mutter. Sie sind hier jederzeit willkommen. Sie müssen nur anrufen, und wir werden für Sie einen Platz im Terminkalender finden.« Sie wendet sich an Mrs Riscoff. »Mutter, wenn du bitte mit mir kommen würdest. Es gibt noch eine Angelegenheit, die wir besprechen müssen.«
Sie führt Mrs Riscoff aus dem Raum, und sowohl Gabi als auch ich atmen erleichtert auf.
»Du meine Güte, sie ist wirklich ein Drache. Du hast Glück gehabt, dass sie nicht deine Schwiegermutter geworden ist. Kannst du dir das vorstellen?«
Ich erschaudere bei dem Gedanken. Das hätte Mrs Riscoff niemals
zugelassen.
In dem Moment hören wir McKinley aus Richtung des Flurs schreien.
»Jemand muss den Notarzt rufen!«