29. KAPITEL
Whitney
Gegenwart
Ich will einfach nur so tun, als hätte es diesen Tag nie gegeben. Ich will die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen.
Aber so funktioniert das Leben leider nicht. Wenn ich das tun könnte, würde ich in der Welt von Und täglich grüßt das Murmeltier
leben, weil mein bisheriges Leben ein riesiges Chaos aus falschen Entscheidungen gewesen ist. Und die meisten davon haben direkt mit Lincoln Riscoff zu tun.
Warum können wir uns nicht voneinander fernhalten, wenn wir doch wissen, dass es immer schlimm endet? Und dieses Mal musste ich noch nicht einmal in seiner Nähe sein, um Chaos auszulösen.
Egal wie schrecklich seine Mutter ist, ich hoffe, dass es ihr gut geht. Ich hoffe, dass ihr »Anfall« nur vorgetäuscht war, weil sie Lincoln manipulieren will, und dass ich nicht tatsächlich daran schuld bin, dass sie einen Herzinfarkt erlitten hat.
Ich stelle Jackies Auto in der Einfahrt ab und gehe um das Haus herum zum Gartentor. Die Vorstellung, mich mit Karma herumschlagen zu müssen, kann ich gerade nicht ertragen. Dank Magnus’ kryptischer Worte schwirrt mir schon genug im Kopf herum. Er ist der Meinung, dass ich bleiben sollte. Ich weiß nur, dass ich weglaufen will. Doch wohin sonst könnte ich gehen? Wohin sonst würde ich gehen wollen? Meine Liste ist voller Lücken.
Vielleicht hat Magnus recht, und es ist an der Zeit, Entscheidungen zu treffen, die auf dem basieren, was ich will, und nicht auf etwas, zu dem ich mich gezwungen fühle.
Ich schleiche mich durchs Tor in den Garten und gehe zum Schuppen.
»Na, wen haben wir denn da?«, sagt Karma gedehnt und in gehässigem Tonfall.
Ich wirble herum und sehe sie auf einer zusammenklappbaren Gartenliege, auf der sie sich lümmelt, während ihre Mädchen an den Schaukeln spielen. »Spar’s dir. Bitte.«
»Du bist nicht mal seit einer Woche hier, und schon redet die ganze Stadt über dich – wieder einmal. Das ist sogar für jemanden wie dich beeindruckend.«
Ich wende den Blick ab, als sie sich aufsetzt.
»Was denn? Bist du sauer, weil du die alte Schreckschraube dieses Mal wieder nicht umgebracht hast?«
»Woher weißt du überhaupt schon davon?« Die Frage platzt einfach so aus mir heraus.
»Ich habe eine Textnachricht von einer Freundin bekommen, die im Krankenhaus arbeitet. Das hier ist eine kleine Stadt. Neuigkeiten verbreiten sich schnell.«
»Verstößt das nicht gegen die ärztliche Schweigepflicht oder so was?«
Karma verdreht die Augen. »Ernsthaft? Darauf hast du dich verlassen, um Tratsch zu vermeiden? Du hättest einfach irgendwo anders hingehen sollen. Warum zum Teufel musstest du ausgerechnet hierher zurückkommen?«
»Weißt du, es ist mir nie gelungen herauszufinden, warum du mich so sehr hasst.«
Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Spielt das eine Rolle?«
Ich schüttle den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Lass mich einfach in Ruhe. Bitte.«
»Dann schaff deinen Schmarotzerhintern irgendwo anders hin. Wenn Mom wegen dieser Sache gefeuert wird, sind wir erledigt – und es wird alles deine Schuld sein. Genau wie damals, als sie deinetwegen keine Aufträge mehr bekam. Was glaubst du wohl, warum sie mittlerweile nicht mehr als Selbstständige arbeitet, Whitney? Denkst du, sie wollte
für die Riscoffs arbeiten? Nein. Sie hat den Job angenommen, weil sie beinahe das Haus verloren hätte und das ihr letzter Ausweg war.«
Schuldgefühle durchströmen meinen Körper wie Gift und lähmen mich. »Ich … Ich …«
»Und dann bist du abgehauen und hast als Ehefrau eines Rockstars die Sau rausgelassen.« Karmas Tonfall ist beißend. »Du hast dich kein bisschen um das geschert, was du zurückgelassen hast. Und du hast uns nie auch nur einen einzigen Penny geschickt. Das beweist wirklich große Familientreue, Cousinchen
.«
Die Bitterkeit, die von ihren Lippen tropft, ist mehr, als ich ertragen kann. »Dann werde ich gehen. Du wirst mich nie wieder sehen. Morgen bin ich weg.«
»Du willst Cricket also das Herz brechen? Als hätten wir so viel Glück.« Karma stemmt sich von der Liege hoch und winkt ihren Kindern zu. »Kommt, Mädels. Zeit reinzugehen.«