32. KAPITEL
Whitney
Gegenwart
Jemand klopft an die Tür des Schuppens, und ich schniefe unter der Dusche und versuche, meine Tränen zurückzuhalten.
Diese blöde Karma. Sie kann mich einfach nicht in Ruhe lassen.
»Ich weiß bereits, dass du willst, dass ich verschwinde. Ich hab’s begriffen. Du musst es mir nicht noch mal sagen!«
Die Tür geht auf, und ich ärgere mich, dass sie kein Schloss hat. Ich stelle das Wasser ab und will nach meinem Handtuch greifen … das ich auf dem Futon habe liegen lassen. Ich schaue hinter dem Duschvorhang hervor und rechne damit, das hämische Gesicht meiner Cousine zu sehen. Aber mit dieser Annahme liege ich vollkommen falsch.
»Das will ich nicht. Ganz und gar nicht.«
Lincoln.
Ihn dort stehen zu sehen trifft mich wie ein Schlag. Ich stolpere rückwärts, und meine Füße rutschen unter mir weg. Ich greife nach dem Duschvorhang, der von der Halterung abreißt, während ich falle. Doch bevor ich auf dem Boden landen kann, legen sich starke Arme um meinen Körper.
»Ich hab dich, Blue.«
Zwei Herzschläge lang kann ich mich nicht dazu durchringen, mich loszureißen. Als ich meinen Kosenamen wieder aus seinem Mund höre, kommen noch mehr Erinnerungen hoch, mit denen ich nicht umgehen kann. Ich habe vergessen, wie es sich anfühlt, ihm so nah zu sein. Der Kuss vorhin war nicht genug.
Der Kuss, der sich ereignete, nachdem ich seiner Mutter einen Herzanfall beschert hatte.
Ich winde mich zappelnd aus seinen Armen und wickle den Duschvorhang um mich. »Was machst du hier?« Es klingt wie eine Forderung.
»Wo sollte ich sonst sein?«
»Bei deiner Familie. Bei deiner Mutter. Ist sie …?« Ich bereite mich innerlich auf die Antwort vor und rechne mit dem Schlimmsten.
»Es geht ihr gut. Es war eine Panikattacke.«
Ich stoße die Luft aus, die ich angehalten habe. »Gott sei Dank.«
»Momentan mache ich mir mehr Sorgen um dich.«
Ich sehe Lincoln in die Augen, um herauszufinden, ob das hier nur ein weiteres Spiel ist und was er vorhat. »Es geht mir gut. Du musst dir keine Sorgen um mich machen.«
Er nickt, und ich versuche, mich an all die Dinge zu erinnern, die ich ihm seit Jahren sagen will. Ich versuche, mir all die Varianten ins Gedächtnis zu rufen, die ich mir für diesen Augenblick vorgestellt habe, genau wie ich mir vorgestellt habe, erhobenen Hauptes nach Gable zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass alle bereuen, wie schlecht sie mich und meine Familie behandelt haben. Aber mein Kopf ist vollkommen leer, weil ich nur daran denken kann, wie gut es sich anfühlt, von jemandem, der stärker ist als ich, aufgefangen zu werden, wenn ich falle.
Wie armselig ist das denn bitte?
Tränen brennen in meinen Augen, und ich verliere den Kampf gegen sie. Ich kann sie nicht daran hindern, über meine Wangen zu rinnen.
Ich senke das Kinn und lasse sie fließen. Doch meine stummen Tränen entgehen ihm nicht.
»Dich weinen zu sehen macht mich fertig.«
»Dann geh«, fordere ich ihn schniefend auf.
»Das werde ich nicht tun. Dieses Mal nicht.«