38. KAPITEL
Lincoln
Die Vergangenheit
Whitneys Handy klingelte immer wieder leise auf dem Tisch, während sie unter der Dusche war.
Ich sagte mir, dass ich nicht nachschauen würde. Es ging mich nichts an, wer sie anrief. Ich warf einen Blick zur Badezimmertür, und das Wasser lief weiter, während das Handy zum vierten Mal klingelte. Falls es ihre Eltern waren und etwas Schlimmes passiert war, würde sie das wissen wollen.
»Dein Handy klingelt die ganze Zeit«, teilte ich ihr durch die Tür mit. Als sie nicht reagierte, traf ich eine Entscheidung. Schließlich konnte es ein Notfall sein.
Ich ging zum Tisch und schnappte mir das Handy. Auf dem Display stand »Ricky ruft an«.
Was zum Teufel ist denn jetzt los? Belästigt sie dieses betrügerische Arschloch etwa immer noch?
Mir war egal, dass ich jedes Mal, wenn sein Lied im Radio gespielt wurde, den Sender wechseln musste. Er war nach wie vor ein Idiot, und ich konnte ihn immer noch bestechen.
Das Handy hörte auf zu klingeln und fing sofort wieder an.
Wut braute sich in meiner Brust zusammen, als ich daran dachte, wie oft er sie womöglich schon belästigt hatte. Dieser Mist musste aufhören. Ich wusste, dass ich es nicht tun sollte, aber ich ging trotzdem dran.
»Hör auf, sie anzurufen, Arschloch.«
»Wer zum Teufel ist da?«
Sein schockierter Tonfall überraschte mich nicht.
»Whitneys Freund.«
»Von wegen!«
»Was hast du denn erwartet, als sie herausgefunden hat, dass du sie betrügst, du Stück Scheiße? Dachtest du, dass sie sich von dir einfach weiter so behandeln lassen würde? Nein. Sie ist weggegangen und hat einen richtigen Mann gefunden.«
»Wer zum Teufel ist da?«, fragte er erneut.
»Lincoln Riscoff.«
Einen Augenblick herrschte am anderen Ende der Verbindung Stille. »Das soll wohl ein verdammter Witz sein. Sie würde sich niemals mit einem Riscoff abgeben. Nie im Leben. Versuch’s noch mal, du Penner. Oder noch besser: Gib meiner Freundin das Handy, damit ich ihr sagen kann, dass ich ihren Brief bekommen habe.«
Ihren Brief bekommen?
»Wovon zum Teufel redest du?« Dieses Mal war ich derjenige, der schockiert war.
Ricky lachte, als wäre ich das Arschloch. »Meine Freundin liebt mich immer noch, Riscoff, und sie hat mir gerade den Beweis dafür geschickt. Wenn sie jetzt bei dir ist, ist das nichts anderes als eine billige Racheaktion. Aber keine Sorge, ich werde ihr vergeben. Whitney und ich waren schon immer dazu bestimmt, zusammen zu sein, und das Blatt Papier, das ich in der Hand halte, beweist es.«
»Hör mir gut zu, du Stück Scheiße …« Doch Ricky hatte bereits aufgelegt, bevor ich noch mehr sagen konnte.
»Wer war das?« Whitney kam aus dem Bad. Sie hatte ein Badetuch in der einen Hand und wrang sich mit der anderen die nassen Haare aus.
Mir war egal, dass sie nur ein paar Schritte von mir entfernt nackt dastand. Ich hörte nur noch Ricky Rangos Stimme in meinem Kopf. »Meine Freundin liebt mich immer noch, Riscoff, und sie hat mir gerade den Beweis dafür geschickt.«
Ich hielt ihr das Handy hin. »Du hast einen Anruf von deinem Freund verpasst.«
Verwirrung schlich sich in ihre Züge. »Was?«
»Ricky Rango hat angerufen, um dir zu sagen, dass er deinen Brief bekommen hat und er das, was du geschrieben hast, genauso sieht – dass ihr zwei dazu bestimmt seid, zusammen zu sein.« Meine Worte klangen flach und hohl, was das genaue Gegenteil von dem war, wie sie sich anfühlten, als ich sie meiner Kehle entrang.
»Was?«, fragte sie erneut und hielt nun das Handtuch vor sich.
»Dein Brief, Whitney. Er hat ihn bekommen. Er vergibt dir, dass du aus Rache mit mir geschlafen hast.«
Sie zog die Augenbrauen hoch, und ihr Mund klappte auf. »Aber …«
»Hast du ihm einen verdammten Brief geschrieben?«
»Ja, aber …«
Sie hat ihm einen Brief geschrieben. Sie liebt ihn, und ich war nur ein Mittel zum Zweck, weil sie sich rächen wollte.
Ich konnte es einfach nicht fassen, aber sie leugnete es nicht.
»Ich habe alles riskiert, um mit dir zusammen zu sein. Alles.
Und du sorgst bereits dafür, dass dein Freund dich zurücknehmen wird, nachdem du mit jemand anders geschlafen hast?« Ich schüttelte den Kopf. Jedes einzelne meiner Worte triefte vor Ekel. »Du hast dreißig Sekunden, um deine Klamotten zu holen und von hier zu verschwinden.«
»Lincoln!« In ihrer Miene spiegelte sich Entsetzen. Vermutlich weil sie aufgeflogen war.
Dieses Mal würde ich nicht auf die Tränen hereinfallen, die sich in ihren blauen Augen sammelten. Ich hasste es, dass es mir etwas ausmachte, von ihr hereingelegt und ausgenutzt worden zu sein. Ich hasste es, dass ich ihr die Macht gegeben hatte, mir auf diese Weise das Herz aus dem Leib zu reißen.
Ich zwang mich dazu, kalt wie Stein zu werden, straffte die Schultern und sah sie mit ausdruckslosem Blick an. Ich war ein Riscoff. Niemand hatte die Macht, mich zu verletzen. Vor allem nicht Whitney Gable.
Ich wusste, dass das eine Lüge war, sobald ich es dachte. Doch offenbar war ich in letzter Zeit wirklich gut darin geworden, mich selbst zu belügen.
»Ich will kein einziges Wort mehr von dir hören. Verschwinde von hier. Ich hätte niemals einer Gable vertrauen dürfen. Ich hätte es besser wissen müssen.«