41. KAPITEL
Lincoln
»Du hast mir versprochen, dass du dich mit Whitney arrangieren würdest, Mann. Und jetzt ist meine zukünftige Schwiegermutter arbeitslos. Was zum Teufel ist da los?« Die Stimme meines Freundes am anderen Ende der Verbindung klingt wütend.
»Ich wusste nicht, dass ihre Tante einfach so ihre Stelle kündigen würde. Ich werde mich darum kümmern und eine Lösung finden.«
Hunter stößt einen langen Atemzug aus. »Ich werde nur einmal heiraten, und ich will, dass Cricket glücklich ist, wenn sie vor den Altar tritt. Wenn ihre Cousine nicht als ihre Trauzeugin dabei ist, wird sie nicht glücklich sein.«
»Das verstehe ich. Ich kümmere mich darum.«
»Du solltest dich besser ganz schnell kümmern, denn wenn Crickets letzter Versuch, Whitney zum Bleiben zu überreden, fehlschlägt, will ich dir nicht in den Hintern treten müssen.«
Er hat von Whitney gesprochen. »Was für ein letzter Versuch?«, frage ich wie aus der Pistole geschossen.
»Sie ist heute Abend mit ihr unterwegs, um mit ihr ein Brautjungfernkleid zu kaufen. Vermutlich wird sie sie danach abfüllen, damit sie es sich nicht noch mal anders überlegen kann. Ich werde sie in ein paar Stunden suchen gehen, damit sie nicht in allzu große Schwierigkeiten geraten.«
»Ich komme mir dir.«
»Versteh das nicht falsch, aber du hast schon genug getan. Ich melde mich morgen wieder bei dir.«
Hunter wartet meine Erwiderung nicht ab, sondern legt einfach auf, und ich komme mir wie ein mieser Freund vor. Ich habe die Sache mit Whitney verbockt und dafür gesorgt, dass ihre Tante keine Arbeit mehr hat, und jetzt ist auch noch mein bester Freund sauer, weil ich das Glück seiner zukünftigen Braut gefährde.
Und ich werde das alles wieder in Ordnung bringen.
Hunter hat eine wichtige Sache vergessen – ich bin der Geschäftsführer eines Milliardendollarunternehmens, und genau das ist meine tägliche Aufgabe. Ich löse Probleme und bringe Dinge in Ordnung.
Als Erstes werde ich mich um das kleinste Problem kümmern. Jackies Job.
Ich lenke den SUV in Richtung des Anwesens. Es ist an der Zeit, mit meiner Mutter zu reden. Sie wird nicht darum herumkommen, zu Kreuze zu kriechen.
»Ich werde mich nicht entschuldigen. Diese Frau ist Abschaum. Sie ist schon seit dem Tag ihrer Geburt Abschaum und wird auch als Abschaum sterben.«
McKinley wirft mir einen tadelnden Blick zu. »Dr. Green hat gesagt, dass wir Stress vermeiden sollen, und das ist das erste Thema, das du ansprichst?«
Meine Mutter reckt das Kinn hoch. »Ihn kümmert nicht, ob ich sterbe. Wahrscheinlich wäre er sogar froh, wenn es dazu kommen würde.«
Der Schwachsinn, der in diesem Haus als Wahrheit durchgeht, ist einer der Hauptgründe dafür, dass ich ausgezogen bin.
»Mutter, du weißt, dass das nicht stimmt. Ich liebe und respektiere dich, und ich weiß, dass du das Ausmaß des Problems, das du McKinley heute bereitet hast, verstehst.«
»Sie sollte dieses Hotel ohnehin nicht leiten.« Mit ihren Worten erreicht meine Mutter genau das, was ich von ihr erwartet habe – sie macht meine Schwester wütend.
»Vielen Dank, Mutter«, sagt McKinley seufzend. »Es ist wirklich toll, einen Vertrauensbeweis von dir zu erhalten – einmal mehr.«
Meine Mutter bewegt das Kinn ruckartig in Richtung meiner Schwester. »Du solltest dir einen Ehemann suchen. Du hast versagt. Gib mir nicht die Schuld dafür, dass ich mir ein besseres Leben für dich wünsche und nicht will, dass du an einem Schreibtisch schuftest.«
»Ich schufte gerne
an einem Schreibtisch. Ich bin eine erfolgreiche Geschäftsführerin. Ich liebe meine Arbeit. Ich bin glücklich. Ich glaube, das bedeutet, dass ich ganz gut zurechtkomme.« McKinley schaut zu mir. »Lincoln hat recht. Ich hätte gern meine Leiterin des Reinigungsteams zurück. Sie ist eine der zuverlässigsten Angestellten, die ich je hatte.«
»Ich werde mich bei ihr für nichts entschuldigen. Ihr könnt mich nicht dazu zwingen.« Meine Mutter hat die Arme vor der Brust verschränkt und wirkt wie ein bockiges Kind.
»Vielleicht sind dein Sohn und deine Tochter nicht dazu in der Lage, aber ich kann es, Sylvia.« Der Kommodore kommt dicht gefolgt von seinem Hund ins Wohnzimmer gerollt. Ich habe keine Ahnung, wie lange er uns schon zuhört oder wie er hierhergekommen ist. »Ich wollte mich selbst davon überzeugen, dass du deine Attacke überlebt hast. Da du schon wieder einen Wutanfall hast, muss es dir wohl bestens gehen.«
Der Kommodore und meine Mutter haben sich noch nie verstanden, aber er ist der einzige Mensch, der sie in Schach halten kann, weil er immer noch den Schlüssel zum Königreich in der Hand hält – und ihre Finanzen im Griff hat. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass ein Großteil der Verbitterung meiner Mutter daher rührt, dass sie vor ihrer Ehe mit dem baldigen Ableben des Kommodores gerechnet hatte und davon ausgegangen war, dass er meinem Vater das Familienvermögen hinterlassen würde. Dann wäre sie in der Lage gewesen, das ganze Geld, das sie geheiratet hatte, nach Lust und Laune auszugeben. Ihre unerfüllten Erwartungen haben sie jeglicher Zufriedenheit beraubt, weil sich das Leben nicht an ihren Plan gehalten hat.
Doch statt auf die Äußerung des Kommodores zu reagieren und zurückzukeifen, wird meine Mutter ganz still. In ihren Augen blitzt Wut auf, während sie eine zweifellos beeindruckende Ladung Gift zurückhält.
»Und jetzt erzählt mir, was zum Teufel hier vorgeht. Wer hat gekündigt? Wird das einen negativen Einfluss auf die Firma haben?« Der Kommodore stellt die Fragen ganz allgemein in den Raum hinein.
»Jackie Gable«, sagt Mc Kinley. »Die Leiterin meines Reinigungsteams. Und ja, sie ist eine der besten Angestellten, die ich je hatte, und ich hätte sie gerne zurück.«
Der Kommodore schaut zu mir. »Und warum genau hat sie gekündigt?«
»Mutter hat einiges über ihre Nichte gesagt, dem sie nicht zustimmen konnte, also hat sie gekündigt.«
Der alte Mann richtet den Blick auf meine Mutter. »Sylvia, du wirst dich entschuldigen müssen. Das kannst du gerne schriftlich erledigen, wenn du nicht imstande bist, in Gegenwart der Gables höflich zu bleiben.«
Der Mund meiner Mutter klappt auf, und auch ich kann meinen Schock angesichts seiner Aufforderung nicht verbergen.
»Nur über meine Leiche«, faucht sie.
Der Kommodore lächelt, aber in seiner Miene liegt keine Freundlichkeit. »Da du heute schon einmal beim Sterben versagt hast, denke ich, dass das höchst unwahrscheinlich ist.« Sein Blick wird strenger. »Sobald du anfängst, das Geschäft zu schädigen, schädigst du mich. Wir beide wissen, wie dieser Kampf ausgehen wird, nicht wahr?«
Der alte Mann verhält sich ihr gegenüber gnadenlos, und auch wenn ich meine Mutter respektiere, muss sie in ihre Schranken verwiesen werden. Das ist meine einzige Chance, die Situation in Ordnung zu bringen, so wie ich es versprochen habe.
Der Kommodore dreht seinen Stuhl so, dass er mir direkt ins Gesicht schauen kann. »Wenn deine Mutter nächsten Monat ihr Geld bekommen will, wird sie die Entschuldigung in deiner Anwesenheit aussprechen oder schriftlich überbringen. Falls sie es persönlich tut, wird das nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Meine Mutter schäumt schweigend vor sich hin.
»Sonst noch etwas, Sir?« Meine Frage ist eher eine Formalität, doch der Kommodore rollt näher an mich heran.
»Ja, da wäre tatsächlich noch etwas.« Er bleibt vor mir stehen und senkt die Stimme, damit nur ich ihn hören kann. »Du weißt, was ich von dir erwarte. Denke sehr genau darüber nach, wie du mit diesem Gable-Mädchen weitermachen willst.«
Er wartet meine Erwiderung nicht ab, sondern dreht sich einfach mit seinem Rollstuhl um und fährt aus dem Zimmer. Wir bleiben alle zurück, sehen ihm hinterher und verfluchen zweifellos seinen Namen.