48. KAPITEL
Whitney
Gegenwart
Wir fahren am Resort und dann am Anwesen vorbei. Nach weiteren anderthalb Kilometern hält Lincoln auf ein drittes Tor zu, das mir noch nie zuvor aufgefallen ist. Es ist nicht so verschnörkelt wie die schwarzen schmiedeeisernen Tore mit den goldenen Verzierungen, die das Resort und das Anwesen schützen. Es ist deutlich unauffälliger, aber genauso abweisend.
Man muss kein Genie sein, um sich zu denken, dass das hier Lincolns Haus ist, und meine Entscheidung, mit ihm zu kommen, fühlt sich bereits falsch an.
»Ich hätte dich bitten sollen, mich nach Hause zu bringen«, flüstere ich, während das Tor aufschwingt.
»Ich will, dass du hier bist«, erwidert er, als er hindurchfährt. »Aber wenn du willst, dass ich dich zu deiner Tante bringe, werde ich das tun.«
Er manövriert den Range Rover über die Einfahrt, und wir fahren in einen dichten Wald, der voller Lichter ist. In der Ferne entdecke ich ein helleres Leuchten, und als wir um die letzte Kurve biegen, sehe ich endlich das Haus.
Es ist keine riesige Villa, kein monströses Gebäude.
Nein, natürlich nicht. Weil wir hier von Lincoln reden. Stattdessen ist es einfach nur perfekt
.
Aus irgendeinem Grund gibt mir das den Rest.
»Okay, dann bring mich nach Hause.«
Lincoln dreht sich zu mir und sieht mich an. »Warum? Was ist los?«
»Ich kann das nicht. Nicht hier. Nicht an einem Ort, der so perfekt ist. Du verstehst das nicht!«
»Was verstehe ich nicht, Whitney?«
Ich wirble zu ihm herum. »Du verstehst nicht, wie es ist, niemals in der Lage zu sein, irgendetwas richtig zu machen! Wie es ist, wenn alles, was man in Ordnung bringen will, stattdessen furchtbar schiefgeht. Ich bin nach Hause gekommen, weil Cricket mich angefleht hat und ich keinen anderen Ort hatte, an den ich gehen konnte. Doch statt ihre Hochzeitsträume wahr zu machen, habe ich nur alles schlimmer gemacht. Ich bin eine Katastrophe. Ein Witz. Die gottverdammte Schwarze Witwe, die jemanden umgebracht hat, nur weil sie sich von ihm scheiden lassen wollte!«
Tränen laufen über mein Gesicht, und mir ist egal, dass ich vollkommen hysterisch klinge.
»Ich kann gerade nicht rational sein. Ich kann nicht vernünftig sein. Und ich kann es nicht ertragen, weiterhin dein verfluchtes perfektes Leben präsentiert zu bekommen, nur damit ich erkenne, wie verkorkst mein eigenes ist!«
Statt zu wenden und zurückzufahren, stellt Lincoln den Motor ab, löst seinen Sicherheitsgurt und öffnet die Tür.
»Bring mich nach Hause!«, verlange ich mit einer Stimme, die mittlerweile fast schon schrill klingt.
Er ignoriert mich, geht um die Motorhaube herum und öffnet die Beifahrertür.
Ich versuche, seine Hände wegzuschlagen, als er meinen Sicherheitsgurt löst. »Ich will nach Hause. Du hast gesagt, dass du mich nach Hause bringen würdest.«
Doch er hebt mich einfach aus dem SUV und trägt mich auf sein dämliches perfektes Haus zu, während ich gegen seine Schultern schlage. Dann setzt er mich vor der Eingangstür ab.
»Halt mal für zwei verdammte Sekunden den Mund und hör zu, was ich zu sagen habe.« Er deutet auf die Glasscheibe. Ich schaue hindurch und erkenne in der Dunkelheit das vom Boden bis zur Decke reichende Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses. »Siehst du das?«
»Was soll ich da sehen? Es ist ein verflucht perfektes Haus, das zu deinem verflucht perfekten Leben passt!«
»Falsch. Es ist nur ein gottverdammtes Haus. Es besteht nur aus Wänden und Fenstern und Türen. Darin gibt es kein Gelächter. Keine Familie. Keine Liebe. Nur Holz und Glas und Stein, und das alles bedeutet letztendlich absolut gar nichts
.«
Ich blinzle zweimal, während ich versuche zu verstehen, was er mir sagen will.
»Du denkst, dass dein Leben so unglaublich verkorkst ist? Dann stell dir mal vor, wie es ist, wenn man alles hat, was man sich nur wünschen kann, aber nie glücklich ist. Wenn man nie jemanden hat, dem man genug vertraut, um ihn zu lieben und das alles mit ihm zu teilen. Du denkst, dass mein Leben so verdammt perfekt ist? Tja, das ist es nicht, Whitney. Das ist es nicht mehr seit dem Tag, an dem du einen anderen Mann geheiratet hast.«
Wir stehen voreinander und atmen beide heftig. Tränen laufen unaufhörlich über meine Wangen.
»Also habe ich auch dein Leben ruiniert?« Ich schniefe und schluchze und bin kurz davor, laut loszuheulen.