Kapitel  21    Peinlicher konnte es eigentlich nicht mehr werden.

»Was zur Hölle treibst du mit meiner Schwester im Bett?«, wollte Cam wissen.

Jase streckte beiläufig den Arm aus und zog an der Decke, bis meine Beine wieder bedeckt waren. »Nun, wir haben geschlafen.«

Cams Kiefer mahlte. »Nackt?«

Oh ja, es konnte noch peinlicher werden. Mit brennenden Wangen wollte ich mich aufsetzen, doch Jase’ Arm lag wie ein Stahlband um meine Hüfte. »Wir sind nicht nackt.«

»Schön zu wissen.«

Avery presste die Lippen aufeinander und wandte den Blick ab.

»Und wir haben gar nichts getan«, erklärte ich, auch wenn das sogar in meinen eigenen Ohren lahm klang.

Jase warf mir einen kurzen Blick zu. »Also, das ist eine Lüge.« Mein Herz setzte vor Unglauben einen Moment aus, als er sich aufsetzte. Er stellte dabei sicher, dass die Decke über mir blieb. Das war gut. Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Shirt bis unter meine Brüste nach oben gerutscht war. »Wir haben im Moment nichts getan und letzte Nacht nicht viel, aber wir haben schon etwas getan. Dinge, von denen ich mir sicher bin, dass du sie nicht hören willst.«

Oh. Mein. Gott.

»Tatsächlich möchte ich genau hören, was für Dinge mein bester Freund mit meiner Schwester angestellt hat, während ich schnell meinen Hintern wieder hierhergeschafft habe, nachdem ich gehört habe, was mit Debbie passiert ist.«

Avery legte Cam eine Hand auf den Arm. »Ich denke nicht, dass diese Sache mit Jase uns etwas angeht.«

»Nein«, sagte Jase. »Es geht euch etwas an, und wir wollten es euch auch erzählen, aber irgendwie hat es nicht geklappt.«

»Mir was genau erzählen?«, hakte Cam nach, während seine Hände sich kurz zu Fäusten ballten.

So hatte ich mir die Situation, in der ich meinem Bruder von Jase und mir erzählte, absolut nicht vorgestellt. Ich wollte dabei eigentlich nicht mit seinem besten Freund im Bett liegen, und Avery sollte auch nicht in einer Ecke herumstehen und dabei wirken, als hätte sie sich lieber im Kopfstand den Intimbereich enthaaren lassen.

»Wir sind zusammen.« Ich räusperte mich. Hätte ich dieses Gespräch nicht wenigstens mit geputzten Zähnen führen können? »Jase und ich sind zusammen.«

Mein Bruder starrte mich an, als hätte ich ihm erzählt, ich ginge mit seiner Schildkröte aus. »Bock. Mist.«

»Entschuldigung?«, fragte ich.

»Du bist nicht mit Jase zusammen«, sagte er und ignorierte Avery, als sie nach seinem Arm griff. Es war ihre linke Hand, und mir fiel auf, dass kein riesengroßer Klunker an ihrem Ringfinger steckte. »Kein Mädchen ist mit Jase zusammen – nicht länger als eine Nacht oder zwei.«

Jase erstarrte. »So ist es mit Tess nicht.«

Mein Bruder warf ihm einen finsteren Blick zu. »Das ist meine verdammte Schwester, Jase. Nicht irgendeine dämliche Zufallsbekanntschaft. Vergiss nicht, dass ich weiß … einiges weiß, und du wirst meine Schwester nicht …«

»Hey!«, rief ich. »Ich bin keine ›dämliche Zufallsbekanntschaft‹, und zwischen uns ist es anders.«

Cam schnaubte. »Himmelherrgott, Teresa, bist du ein bisschen beschränkt?«

Es verging nur eine Nanosekunde. Im einen Moment lag Jase neben mir, und im nächsten hatte er das Bett verlassen und stand vor meinem Bruder. Vielleicht machte mich das zu einem bösen, bösen Mädchen, doch ich verlor mich ein wenig im Anblick von Jase’ halbnackter Schönheit. Die schwarzen Boxershorts lagen so eng wie ein Handschuh an seinem muskulösen Hintern. Die Oberschenkel waren perfekt geformt, breit, aber nicht zu breit. Die Muskelstränge an seinem Rücken spannten sich kurz an und entspannten sich dann wieder, sodass die Verzweigungen der Tätowierung, die sich über seine Seite nach hinten zogen, sich zu bewegen schienen.

»Also, Cam, auf mich kannst du so sauer sein, wie du willst, aber schrei nicht sie an. Nicht nach dem, was …«

»Fordere mich nicht heraus.« Cam schob sein Gesicht dicht vor das von Jase, und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich kämpfte mich unter der Decke hervor und zog das T-Shirt nach unten, als mein Bruder rot anlief. »Das ist meine kleine Schwester …«

»Ich bin kein Kind, Cam! Und du weißt, dass Jase ein guter Kerl ist, also hör auf, dich wie ein Hornochse aufzuführen. Wir wollten es dir sagen, aber …« Ich keuchte, als ich mein rechtes Bein ein wenig zu sehr belastete und mein Knie sich verschob.

Jase wirbelte herum und kam auf mich zu. »Tess …«

»Es geht mir gut.« Ich beugte mich ein wenig vor und legte eine Hand auf mein Knie.

Cam fluchte. »Jetzt schau dir an, was du getan hast.«

»Er hat gar nichts getan«, sagte Avery mit weit aufgerissenen Augen. »Cam, ich glaube, wir sollten mal kurz den Raum verlassen und allen ein wenig Zeit lassen, sich zu beruhigen.«

»Ich stimme Avery zu.« Jase schob mich sanft zurück, bis ich saß. Jetzt war ich genau auf Augenhöhe mit seinem Schritt, und die ganze Situation verkomplizierte sich noch tausendmal mehr. »Ich glaube, wir müssen uns beide beruhigen.«

»Als interessierte mich das einen feuchten Dreck«, fauchte Cam und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er drehte sich halb um, schüttelte den Kopf und wandte sich uns wieder zu. »Wie lange schon? Wie lange läuft das schon?«

Jase richtete sich auf und drehte sich zu meinem Bruder um. »Das erste Mal geküsst habe ich sie vor einem Jahr …«

Mehr bekam er nicht heraus.

Wie die Kugel aus einer Pistole schoss Cam nach vorne. Avery schrie überrascht auf, und ich warf mich vom Bett, doch es war schon zu spät.

Cams Faust traf Jase’ Kinn und warf ihn nach hinten. Er knallte mit einem lauten Fluch gegen die Wand, rutschte nach unten und hielt sich dabei das Kinn. »Scheiße«, stieß Jase aus.

Ich ließ mich mit einem Schrei neben ihn auf die Knie sinken. Mein Bein pulsierte vor Schmerzen, doch ich ignorierte es. Ich packte Jase’ Arm, während ich meinen Bruder böse anfunkelte. »Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?«

Er atmete schwer, ließ die Hände sinken und blinzelte. Avery hielt seinen angespannten Oberarm umklammert. »Er sollte nicht …«

»Er sollte nicht was? Für mich da sein? Mich so behandeln, wie ich es verdient habe? Mit mir zusammen sein? Denn er tut all diese Dinge. Dumm, oder? Das tut er, und ich liebe ihn. Also fick …« Meine Worte verklangen, als ein Kribbeln in meinem Nacken einsetzte. Langsam drehte ich mich zu Jase um. Ich spürte, wie jegliches Blut meinen Kopf verließ, dass ich dachte, ich müsse in Ohnmacht fallen. Was hatte ich gerade gesagt? »Oh Gott …«

Die rechte Seite von Jase’ Kinn war gerötet, doch er starrte nur mit silbern leuchtenden Augen zu mir auf. »Was?«, flüsterte er.

Ich liebte Jase. Ich wusste das. Ich hatte es akzeptiert, aber ich war noch nicht bereit gewesen, es ihm zu sagen, und besonders nicht vor meinem Bruder, nachdem der ihn gerade geschlagen hatte.

Das war so unromantisch.

»Komm schon, Cam. Wir geben ihnen ein wenig Freiraum.« Avery zog an seinem Arm, und zum Teufel noch mal, mein Bruder hörte endlich auf sie. Er ließ sich stolpernd von ihr aus dem Raum führen, als sei er vollkommen benommen.

Ich beobachtete, wie die Tür sich schloss, während ich darüber nachdachte, einfach aus der Wohnung zu rennen. Vielleicht war Averys Wohnungstür offen, und ich konnte mich in ihrem Schrank verstecken. Ungefähr für eine Woche lang. Ich hatte doch gerade nicht zugegeben, dass ich ihn liebte, oder? Bitte, lieber Gott, lass ihn glauben, ich hätte etwas anderes gesagt – irgendwas.

Jase’ Fingerspitzen drückten sich gegen meine Wangen, und er drehte meinen Kopf, bis ich ihn ansehen musste. Der Ausdruck auf seinem Gesicht, eine Mischung aus Wildheit und absoluter Verletzlichkeit, brachte mein Herz zum Stottern. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, was wahrscheinlich nicht gesagt werden musste.

Doch Jase fing meine Worte mit dem Mund ein. Nichts an diesem Kuss war ruhig oder sanft. Unsere Lippen pressten sich aufeinander, während er seine Zunge in mich stieß. Er legte den Kopf schräg und hielt mich fest, während er mich verschlang. Dieser Kuss war rau, intensiv und sinnlich. Überwältigend und mächtig. Ich zitterte am ganzen Körper.

»Warte«, keuchte ich und unterbrach den Kuss. »Dein Kinn …«

»Im Moment ist mir mein Kinn vollkommen egal.« Er ließ seine Hände nach unten gleiten und umfasste meine Hüften. Dann hob er mich hoch, bis ich rittlings auf seinem Schoß saß. Die Haltung war nicht angenehm für mein rechtes Bein, doch ich verlor mich in dem Gefühl seiner Härte an meiner Mitte. Die dünne Schicht Stoff zwischen uns überließ nur wenig der Phantasie.

Ich hatte keine Ahnung, wie er so schnell hart geworden war.

Er packte mich fester und stieß nach oben. Reine Empfindung überschwemmte mich. Seine Lippen lagen auf meinen und dämpften das gierige Stöhnen, das aus mir aufstieg. Seine Hände glitten zu meinen Oberschenkeln, dann unter dem Shirt an meine Seiten nach oben. Ich zuckte zusammen, als seine Finger die Unterseite meiner Brüste berührten.

»Jase«, flüsterte ich schwer atmend. Meine Brüste spannten sich an, und ihre Spitzen verhärteten sich, bis ich laut aufstöhnen wollte. »Mein Bruder ist direkt dort draußen.«

»Scheiß auf deinen Bruder.« Seine Hände glitten höher und schlossen sich um meine Brüste. Endlich. »Scheiß auf alles außerhalb dieses Zimmers.«

Empfindungen überschwemmten mich, als er seine Daumen über meine Brustwarzen gleiten ließ und im selben Moment wieder seine Hüften hob. Ich stöhnte seinen Namen an seinem Mund, als er sanft meine Brüste drückte und seine Handflächen darum schloss. Lust durchfuhr mich. Ich war bisher nie allzu begeistert von meinen Brüsten gewesen. Doch in diesem Moment, als sie perfekt in seine Hände zu passen schienen, begeisterten sie mich.

Jase verlagerte zitternd sein Gesicht, löste seine Hände von meinem Busen und schloss einen Arm um meine Taille. Im einen Moment lehnte er sitzend an der Wand, und im nächsten Moment stand er, hob mich mit hoch, während er meinen Mund erkundete. Und eine Sekunde später lag mein Rücken schon auf der weichen Matratze.

Jase schwebte über mir, und seine Augen leuchteten wie brennendes Quecksilber. An seinem Kinn bildete sich eine leichte Schwellung, eine scharfe Erinnerung daran, was jenseits der Tür wartete. Doch das war mir im Moment vollkommen egal. Ich wollte ihn. Mein Körper pulsierte vor Verlangen.

Unsere Blicke trafen sich. Bis zu diesem Augenblick hatte ich keine Ahnung gehabt, wie viel Kontrolle Jase bei jeder unserer Begegnungen aufgewandt hatte. Doch diese Kontrolle war jetzt verschwunden, untergegangen in einem Sturm aus Lust und Verlangen und etwas, was noch viel tiefer ging.

Sein Bizeps spannte sich an, als er sich zwischen meine Beine drängte. Er drückte sich gegen mich, während er weiter meinen Mund eroberte und mit einer Hand mein linkes Bein über seinen Rücken zog. Ich hörte ihn leise stöhnen, als ich mich seinen Bewegungen anpasste und unsere Körper imitierten, was wir beide wollten. Seine Lippen zogen einen heißen Pfad über meinen Hals, über die Haut meiner Schulter und dann über mein Schlüsselbein zurück.

Ich vergrub meine Finger in seinen Haaren, als sein Mund meinen Brüsten gefährlich nahe kam. Mein Atem stockte, als er die Lippen um meine linke Brustwarze schloss und durch den dünnen Stoff daran saugte. Ich drückte den Rücken durch, bis ich das Bett kaum noch berührte, und biss die Zähne zusammen, um nicht vor Lust laut aufzustöhnen. Seine Hand schloss sich um meine rechte Brust, und erfahrene, kunstvolle Finger spielten mit meinem Nippel. Ich verkrampfte meine Hände in seinen Haaren, als er mich durch das Shirt hindurch küsste.

Ein leiser Schrei entkam mir, als ein Sturm der Empfindungen über mich hereinbrach. Ich zitterte. Ich wollte ihn näher. In mir. »Bitte.«

Jase erhob sich mit geschwollenen, feuchten Lippen über mir. »Du bist im Moment so verdammt schön.« Seine Hüften drängten sich nach vorne, und meine Zehen verkrampften sich.

Ein Gefühl der Wärme breitete sich in mir aus. Ich zerrte an seinen Haaren, zog seinen Kopf zu meinen Lippen. Und er fand sie und saugte leidenschaftlich daran. Seine Finger schoben sich unter den Saum meines Slips, und ich wusste, was passieren würde, wenn er sie mir auszog. Er wäre auf mir und in mir, und genau das wollte ich so sehr.

Er warf mir einen entfachten Blick zu. »Ich will, dass alles perfekt wird. Ich wollte eigentlich warten, doch das kann ich jetzt nicht.«

Mein Herz raste, während meine empfindlichste Stelle vibrierte. Ich hob meine Hüften, und sein schneller Atem erregte mich. »Ich will dich. Ich will dich schon seit so langer Zeit. Ich li…«

Ein sanftes Klopfen an der Schlafzimmertür unterbrach mich. »Teresa? Jase? Ich habe einen Eisbeutel für euch.«

Es war, als sei uns dieser Eisbeutel in den Schritt gedrückt worden. Wir hörten auf und sahen uns schwer atmend an.

»Teresa?«, rief Avery leise.

Jase senkte seine Stirn auf meine und fluchte leise. Ein Schauder überlief seinen Körper, dann rollte er sich auf den Rücken. »Ich kann nicht an die Tür gehen.«

Ich schaute an ihm herunter. Seine Erregung war so deutlich zu erkennen, dass ich fast zu heulen anfing. Ich verfluchte Averys Timing, während ich meine Hormone zügelte und mich räusperte. »Ich komme.«

Jase schnaubte. »Fast.«

Ich schlug ihn auf die Brust, und er lachte, während er die Beine anzog. Und sobald er einmal damit angefangen hatte, hörte er auch nicht mehr auf. Um seine Augen erschienen kleine Fältchen, und seine Haare waren ein Gewirr von dichten, rötlich braunen Locken. In dieser Sekunde erinnerte ich mich daran, warum ich ihn so sehr liebte.