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Du kannst nicht mehr gehen. Es ist zu spät
J enny, du glaubst wirklich, dass du mich einfach so provozieren kannst? Glaubst, ich hätte nicht gemerkt, wie du mit mir und meiner Beherrschung spielst? Du bist so widersprüchlich und viel verruchter, als ich vermutet hatte. Du gibst ein hilfloses Mädchen vor, doch du bist dunkel. Keine Frau hat sich jemals das erlaubt, was du heute getan hast.
Spiel nur dein Spiel. Du wirst es verlieren.
Mir ist klar, dass du viel zu verbergen hast. Du hast es leider zu deutlich gezeigt. Hättest du einfach gelogen, wäre es für dich einfacher gewesen. Jetzt muss ich alles aus dir herausholen und nur du entscheidest, wie schmerzhaft es für dich wird.
Du bist verunsichert, das merke ich, auch wenn deine lockere Zunge versucht, dies zu verbergen. Du hast Angst, dass ich dein kleines Geheimnis erfahre, und glaube mir Jenny, diese Angst ist berechtigt, denn ich werde es herausfinden.
Und du denkst auch noch, dass du einfach gehen kannst, nachdem du mich so gereizt hast.
Oh Jenny, dafür ist es zu spät. Versuch es nur.
Aber du kannst nicht mehr gehen. Es wird keinen Ausweg für dich geben.
Da bin ich schon. Sehe das Licht in deiner Wohnung.
Ich habe mit Absicht etwas gewartet. Keine Sorge, meine Schöne, bei dir werde ich mir Zeit lassen. Du bist anders als die anderen Frauen, die ich sonst mitnehme. Ausnahmsweise werde ich mich dir anpassen und gebe dir mehr Zeit, als du verdienst.
Obwohl du mich mit deinem Verhalten wütend machst, wirst du mich nicht an meine Grenzen bringen, Jenny. Selbst einen Versuch in diese Richtung wirst du bereuen. Du weißt nicht, dass ich hier stehe und mit dem Handy in der Hand die Bedeutung deiner Tattoos im Internet recherchiere.
Das an deinem Handgelenk ist sehr interessant. Es ist das Yang, die helle Seite. Das Licht. Die aktive Energie. Zumindest, wenn man diesem esoterischen Blödsinn glaubt, bedeutet das, dass Yin und Yang nicht isoliert voneinander existieren können. Sie brauchen sich gegenseitig. Es ist die Bedingung für die Existenz des anderen.
Aber dein Handgelenk zeigt nur eine Hälfte. Die Männliche. Also wer trägt das weibliche Pendant? Ohne wen kannst du nicht leben? Oder was soll es sonst bedeuten?
Bist du die weibliche und dunkle Seite? Bist du passiv, kalt und der Schatten? Klein bist du.
Du bist winzig. Kurven hast du auch. Das sieht man selten bei so kleinen Frauen wie dir.
Deswegen bist du auch so besonders, Jenny.
Heute habe ich einige weitere Tattoos an deinem Körper gesehen. Aber die, die ich erkennen konnte, waren nach einem ganz bestimmten Prinzip gestochen. Als ergäben sie ein Muster. Schwarze japanische Kirschblüten ranken an deinem Körper hervor. Sie passen sich mitsamt ihren Ästen perfekt an deinen Körperkonturen an.
Sie können so unterschiedlich interpretiert werden.
Schönheit und deren Vergänglichkeit, Freundschaft, Freude oder Tod. So viele Bedeutungen habe ich gefunden, dass mir nicht klar wird, warum sie überall deinen Körper zieren. An deinen Armen, an deinen Beinen und auf dem Rücken. Ich habe schon viele tätowierte Frauen gesehen und hasse diese Art der Verunstaltung.
Schmetterlinge, die auf unnatürliche Weise einen Hintern zieren oder kitschige Delfine über einem Fußknöchel. Es widert mich immer wieder an. Aber selbst das empfinde ich bei dir anders. Es ist überall das gleiche Motiv und doch sieht es immer anders aus. Die Blüten sind ungewöhnlich grau und schwarz, sodass es einen kleinen Kontrast zu deiner hellen Haut bildet und dennoch stößt es mich nicht wie gewöhnlich ab. Zu gern würde ich verstehen, was sie aussagen sollen. Was hat dich veranlasst, deinen Körper so zu verändern und dann auch noch mit dem gleichen Motiv?
Das macht doch keiner. Oder war es vielmehr eine Jugendsünde?