»
S
ie sollen endlich reden!«, brüllte der Polizist, der mit gegenüber am Tisch sitzt. »Sie sind in großen Schwierigkeiten! Warum waren sie dort? Was ist passiert?«
Mit den Händen vor meinem Gesicht jammerte ich unverständliches Zeug. Meine Tränen ließen bereits nach. Doch noch immer weinte ich vor mich hin. Zwanzig Minuten saß ich schon im Verhörraum und ein Polizist mittleren Alters redete auf mich ein. Erst freundlich, nun genervt und ungeduldig.
»Wir können das auch ganz anders regeln, Schätzchen. Ich kriege sie zumindest wegen Prostitution dran.«
Als ob. Das soll er mal versuchen.
Aber ich musste Zeit schinden.
»Du bist ein hübsches Mädchen. Aber doch nicht dumm, oder?«, versuchte er nun freundlich zu sprechen. Der anzügliche Unterton war jedoch deutlich herauszuhören.
Er stand auf und kurze Zeit später spürte ich Metall an meiner rechten Hand. Er zog meinen Arm hinter den Stuhl, auf dem ich saß.
»Den anderen Arm«, befahl er amüsiert.
So ein Arschloch!
Ich wusste, was er vorhatte. Das kannte ich zu Genüge. Aber nicht mehr lange, dann hätte das Ganze ein Ende. Gespielt schutzlos streckte ich ihm meinen linken Arm ohne Widerworte entgegen und er umschloss auch diesen mit der Handschelle. Dadurch drückte sich unweigerlich meine Brust nach vorn und ich ließ meinen Kopf hängen. Dabei fielen mir meine noch leicht feuchten, langen Haare ins Gesicht.
»Du weißt, was du tun musst, damit dir nichts passiert, oder?« Seine Finger strichen zwischen meinen Brüsten bis zu meinem Bauch.
In dem Moment knallte die Tür auf und ein wirres Geschrei beherrschte den Raum. Der schmierige Bulle ließ abrupt von mir ab und wich zurück.
»Wir sind mitten im Verhör, sie dürfen hier nicht rein!«
»Was ist denn hier los?«, schrie der schmierige Cop.
»Jenny!«, hörte ich Jeff.
Ich atmete auf, aber ließ dennoch den Kopf hängen und schluchzte laut.
»Machen Sie sofort die Handschellen ab!«, blaffte Jeff.
Oh, das kenne ich von ihm noch nicht.
»Wir sind mitten im Verhör, Mr. White.«
»Und ohne ihren Anwalt sagt sie nichts!«, hörte ich eine Stimme, die ich nicht erkannte.
»Oh Jenny, Liebes, Jefferson kümmert sich um alles.« Es war Lucy, die sich neben mich kniete. »Du Arme. Alles wird gut, keine Angst.«
Teufel, ist die nervig, aber perfekt!
, dachte ich, während ich vor mich hinschluchzte und wimmerte.
»Sie braucht keinen Anwalt, denn sie ist nicht als Angeklagte hier!«, erwiderte der Cop.
»Warum trägt sie dann Handschellen?«. Jeff war stinkwütend.
Gute Frage, Jeff! Weil er meine Schutzlosigkeit ausnutzen will! Weil er denkt, er kann das mit einer Nutte machen! Nur bin ich keine!
, dachte ich und wimmerte etwas lauter. Erneut begann ein wirres Stimmengewühl und kurz darauf waren meine Handgelenke wieder frei.
Sofort wanderten diese vor mein Gesicht und erneut schluchzte ich jämmerlich.
»Ruhe jetzt!«, blaffte Jeff. »Sie verschwinden jetzt hier und besorgen uns sofort einen Kaffee!«
»Was?«, der Cop schien wirklich schockiert.
»Wir reden allein mit ihr! Machen Sie sich jetzt erst einmal Gedanken, wie sie mir diese Geheimoperation sinnvoll erklären wollen! Wir sagten, dass wir zusammenarbeiten!«
Mit einem Schnauben verließ er den Raum.
»Lucinda, begleitest du ihn? Kümmere dich darum, dass wir alle den richtigen Kaffee bekommen.«
Und dass er nicht reinspuckt!
, dachte ich direkt.
»Natürlich, Jefferson.«
Braves Mädchen!,
verkniff ich mir ein Lachen.
Die Tür wurde geschlossen und sofort herrschte Stille. Dann schlug Jeff auf den Tisch.
»Sie sind weg Jenny, also hör auf damit!«, lamentierte er und ich schaute mit einem breiten Grinsen nach oben. Jeff stand ganz nah vor mir und tadelte mich mit seinem Blick.
»Dein lächerliches Geheule, kaufe nicht einmal ich
dir ab.« Diese unbekannte Stimme. »Hallo Jenny.« Er trat näher und stellte sich neben Jeff. Schockiert wie ich war, blieb mir der Mund offen stehen.
»Hast du wieder nur Unsinn im Kopf? Ich dachte, du hast dich geändert.« Andrew lächelte mich an. Jeffs Bruder, den ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte.
Wenn Jeff nicht direkt neben ihm stehen würde, in seinem hellbeigen Anzug, würde ich ihn nicht erkennen, so erwachsen war er geworden.
»Andrew.« Ich strahlte ihm entgegen. »Teufel, was machst du denn hier?«
»Jeff hat mich angerufen. Er denkt, du hast dich wieder in der Dunkelheit verlaufen, und ich soll dich rausholen.«
»Ich habe nichts getan!«, wehrte ich mich und sah Jeff vorwurfsvoll an. »Du siehst ja richtig erwachsen aus«, wandte ich mich an Andrew.
»Ja, und du hast Brüste bekommen«, lachte er. »Und bist anscheinend lieber leicht bekleidet unterwegs.«
Ich zeigte ihm meinen Mittelfinger.
»Was ist passiert und was hast du am Hals?«, Jeff war gereizt.
»Die ganze Geschichte?« Lachend stand ich auf.
»Ja!«, brummte Jeff.
»Aber erst will ich etwas anderes wissen«, wandte Drew ein. »Zwiebel oder Augentropfen?«
»Augentropfen! Als würde ich mit einer Zwiebel in meiner Tasche herumlaufen!«
»Hast du als Kind auch gemacht.« Er zuckte die Schultern und erneut zeigte ich ihm den Mittelfinger.
»Können wir auf den Punkt kommen? Wir haben nicht ewig Zeit!«, unterbrach uns Jeff.
»Ja«, stöhnte ich genervt und verdrehte die Augen.
»Ich dachte, Dad ist bei dir. Was läuft hier bitte? Du hast mir etwas versprochen.«
»Malcolm ist in der Stadt?«, freute sich Drew. »Das letzte Mal habe ich ihn gesehen, als ich gegangen bin.«
»Ja und ja«, seufzte ich und legte mir eine sinnvolle Erklärung parat. »Dad und ich sind ausgegangen und ich habe einen Typen abgeschleppt. Malcolm liegt wahrscheinlich noch im Bett und schläft. Bei mir zu Hause versteht sich.«
»Was?«, unterbrach mich Jeff. »Du gehst einfach so mit einem Typen mit?«
»Ja, weil ich auf mich aufpassen kann.«
»Ja, das kannst du«, lachte Andrew.
»Das sehe ich. Deswegen sind wir auch hier«, meinte Jeff.
Woraufhin ich mit Augenrollen antwortete.
»Na ja, auf jeden Fall habe mit ihm gevögelt. Drei Cops, alle drei natürlich bewaffnet, platzten herein und mitten drin mein unbewaffneter One-Night-Stand. Ich bekam einen Streifschuss ab und der Bulle, der mir ebenfalls an die Wäsche wollte, verletzte mich noch mit einem Messer an der Kehle. Schließlich verschwanden sie. Und die Unschuldigste in der Geschichte sitzt jetzt hier, halbnackt und darf sich vom nächsten Cop bedrängen lassen.«
Das mit dem Streifschuss war wirklich weit hergeholt, aber Jeff erkannte den Unterschied nicht.
»Das ist alles?« Jeff sah mich irritiert an.
Hat der nicht zugehört? Das ist doch alles schlimm genug.
»Dein Ernst?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. »Ja, Jeff. Nicht, dass es schlimm war oder so. Alles ganz harmlos.«
»Harmlos?«
Sarkasmus, Baby!
, dachte ich genervt. Jeff kannte mich eigentlich besser und wusste, wie sehr mich solche Situationen langweilten.
»Nachdem sie abgehauen sind, bin ich weggelaufen. Ohne Zeit zu verlieren, wie du siehst.« Ich zeigte auf meinen Körper, der nur mit Deans Hemd und meinen Sneakers umhüllt war.
»Geht das alles auch ein bisschen genauer?«, Jeff wollte mir wohl eine Aussage entlocken.
»Jeff, was willst du hören? Die einzelnen Stellungen? Das wäre …«, ich lachte.
»Das ist nicht lustig. Du steckst in Schwierigkeiten!«, unterbrach mich Jeff wild gestikulierend.
»Ja, die denken ich wäre eine Nutte!«
Plötzlich lachte auch Andrew.
»Jenny, schildere den Rest genauer.«
»Ok. Also der Typ aus der Bar und ich hatten heißen Sex, also wirklich heißen Sex.« Dann zwinkerte ich Jeff keck zu und er hob den Finger. »Jenny!«
Schnell erzählte ich weiter, bevor er noch einen Schlaganfall bekam oder so. Drew hingegen lächelte mich breit an.
»Drei Cops, einer im Anzug und zwei in Uniform, störten uns. Sie wollten irgendetwas von ihm. Aber der Typ aus der Bar war dagegen. Irgendetwas haben sie ihm angeboten, aber das interessierte ihn nicht. Also zog einer von denen eine Waffe und hielt sie mir an den Kopf.«
»Er hat dich bedroht?« Jeff schluckte hart.
»Ja, Jeff. Kannst du dir das vorstellen?« Ich schüttelte den Kopf. »Und die einzigen Menschen, die bekleidet waren, waren diese drei Typen. Also ziemlich unfair, wenn du mich fragst.«
»Und wie kam es zu der Wunde am Hals?«
»Ich habe ihm die Waffe abgenommen, sie gesichert und das Magazin entfernt, dann hat der im Anzug mich nicht nur angegrapscht, sondern mir auch noch ein Messer an die Kehle gehalten. Damit die Verhandlung zu seinen Gunsten ausging.«
»Und dann? Jenny, was ist dann passiert?«, er wurde immer ungeduldiger und nervöser und sah wahrscheinlich alle drei Männer tot. Womit er nicht ganz unrecht hatte. Aber das durfte er natürlich niemals erfahren.
»Dann hat der hübsche Typ, mit dem ich diesen heißen Sex hatte, gesagt, dass er sich nichts aus Frauen machte. Daraufhin schubste mich der Cop weg, schoss um sich und ich bekam den Streifschuss ab. Dann waren sie weg.«
»Wie bitte? Ihm liegt nichts an Frauen, trotzdem schläft er mit dir und ein Polizist hat dich verletzt? Dich? Wirklich?«, Jeff war irritiert und ich nickte.
»Die sind einfach gegangen?« Er sah mich ungläubig an.
»Ja, was erwartest du von Cops?«
»Und alle leben noch?«, fragte Andrew verwirrt.
»Ja, alle lebten noch. Bin ich nicht ein netter Mensch?«, ich lächelte nun verlogen.
Mir fiel sofort auf, in welche Richtung dieses Gespräch ging. Die beiden Männer vor mir machten sich keine Gedanken, dass ich in Gefahr war, sondern eher sorgten sie sich um die Cops.
Wow, was für ein Familienzusammenhalt! Anscheinend sind wir eine echte Affenfamilie!,
dachte ich sarkastisch.
»Und warum bist du ins Krankenhaus gefahren? Sowas machst du sonst nie!« Jeff trat näher und baute sich vor mir auf. Er war misstrauisch und wusste nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte.
Ist ja klar, dass ich für ihn die Schuldige bin!
»Weil ich gesehen habe, dass ein Auto, in dem zwei Cops saßen, die Bar beobachtete!«
»Jenny, weißt du überhaupt, mit wem du da geschlafen hast oder verarschst du mich gerade?«, meinte Jeff fassungslos.
Ein bisschen von beiden?
, ich lachte in mich hinein.
»Nein, ich frage nie nach einem Namen. Das weißt du doch. Den habe ich eh schon vergessen, bevor er in mir drin ist!« Ich grinste wissend.
Was sollte auch die Frage? War doch egal, mit wem ich schlief!
»Jenny, Jeff will dir sagen, dass du einen One-Night-Stand mit dem berüchtigten Dean Johnson hattest«, klärte mich Andrew auf. »Die kleine Jenny ist kaum ein halbes Jahr hier und vögelt mit dem größten Fisch der ganzen Stadt! Nein, sogar weit und breit!«
»Großer Fisch?« Mehr, als ihn fragend anzuschauen, konnte ich nicht.
»Ja, Jenny. Drogen, Menschenhandel, Waffen … Er ist ein Verbrecher!«
Diese Worte musste ich erstmal sacken lassen. Dann prustete ich los.
»Jenny, das ist nicht lustig«, seufzte Jeff.
»Ich bitte euch. Der hat Geld und das war´s. Ihr habt den Falschen. Der ist eine Kaulquappe, mehr nicht«, lachte ich weiter.
»Jenny, das ist der, gegen den ich ermittele. Wir haben zig versteckte Ermittlungen gegen ihn am Laufen. Der kostet mich sämtliche Nerven, weil man ihm nichts nachweisen kann. Du erinnerst dich? Und dann gerätst du in eine dieser Geheimoperationen. Du! Ausgerechnet Du!«
Er raufte sich die Haare. Ein sehr ungewohntes Bild.
»Oder war das Absicht, weil wir darüber gesprochen haben?«
»Oh Mann, Jeff. Das war Zufall, ok!? Er war ein heißer Typ aus einer verfickten Bar, den ich gevögelt habe. Mehr nicht!« Wieder verschränkte ich die Arme. Woher sollte ich auch wissen, gegen wen Jeff ermittelte. Außerdem war ich noch immer keine Verräterin.
»Jeff, fahr dich runter! Diese Cops waren korrupt. Das war keine Geheimoperation, vertrau mir. Gib die Akte einem anderen, das ist besser für dich.«
»Was?«
»Ja, wenn du dir einen richtigen Namen machen möchtest, solltest du dich nicht mit so einem abgeben.« Auf ihn zugehend erklärte ich weiter: »Ganz ehrlich, wenn er wirklich so schlimm ist, wird er dich umbringen lassen, bevor du ihn hinter Gitter bringen kannst. Vertrau deiner kleinen Schwester.«
»Sag ich doch, Bruder«, stimmte Drew mir zu.
»Ein Tipp, Jeff. Und das habe ich dir schon einmal gesagt: Wenn du die Straßen wegen unserer verfickten Vergangenheit sauber halten möchtest, kümmere dich lieber um die ganzen Korrupten.« Dann schlang ich einen Arm um seine Schulter.
»So etwas gibt es hier nicht«, knurrte Jeff naiv.
Genervt ging ich von ihm weg und umkreiste den Tisch.
»Jeff, weißt du, warum solche Typen so groß werden? Weil es Cops gibt, die sich schmieren lassen! Und vergiss meine
sechste Regel nicht!«
»Du und deine Regeln«, schnaubte er verärgert.
»In einer Welt, in der Gesetze nur dazu dienen, den Preis in die Höhe zu treiben, sind die eigenen Regeln die Wichtigsten!«, erinnerte ich ihn an meinen Leitspruch.
»Alles, was ich über dich gehört habe, stimmt wohl«, scheinbar dachte Andrew laut. »Die kleine Jenny ist ganz groß.«
»Du hättest es erleben können, wenn du uns nicht im Stich gelassen hättest«, erwiderte ich.
»Immer noch nachtragend?«
»Bis zu meinem Tod und jetzt hol mich hier raus! Ich bin darunter nackt.«
»Nackt, nackt? Oder ein wenig nackt?«, fragte er und musterte mich genauer.
»Nackt! Richtig fucking nackt!«, betonte ich.
»Heilige Scheiße!«, lachte Andrew und schlug die Hände über den Kopf.
»Sag Lucinda nichts, ok?«, meinte Jeff schnell.
Ich nickte.
War ja klar, dass seine süße unschuldige Frau nichts wissen durfte. Dann setzte er mich wieder auf meinen Stuhl.
»Du bist also mein Anwalt?«, fragte ich Andrew.
»Ja, Jenny« Er lächelte mich an. »Was hältst du von einer anständigen Begrüßung?« Sogleich breitete er seine Arme aus und drückte mich.
»Ich mag das immer noch nicht«, knurrte ich an seinen Armen.
»Deswegen mache ich das ja.«
Er freute sich, mich zu sehen. Dasselbe galt umgekehrt. Das würde ich aber niemals zugeben.
»Also, alle drei Polizisten sind lebend raus?«, erkundigte Jeff sich unsicher.
»Ja und keiner verlor Blut, außer ich«, log ich. Für die
Schwindeleien, die ich Jeff und Andrew hier servierte, würde ich in die Hölle kommen.
Ach, was wollte ich auch im Himmel, da war es sicher langweilig.
Jeff raufte sich erneut die Haare.
»Gut, ich rede mit denen und sehe nach Lucinda«, erklärte Jeff und verließ den Raum.
»Also«, begann Andrew und setzte sich neben mich.
»Fang gar nicht erst so an. Du hast Jeff zurückgelassen. Nein, du hast uns zurückgelassen! Also mach jetzt nicht einen auf großer Bruder
!«
Oft hatte er auf uns aufgepasst, in der Zeit, als ich noch nicht für Calvin gearbeitet hatte.
»Ich konnte euch nicht mitnehmen, ich war doch selbst noch ein Kind.«
»Du hättest dich aber um Jeff kümmern können, als es dir besser ging.« Schwer schluckend schüttelte ich den Kopf.
»Er hatte dich.«
Ich schnaubte verächtlich. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Ich war die Jüngste von uns dreien.
Warum war es meine Aufgabe gewesen, auf Jeff aufzupassen, und mich um ihn zu kümmern? Keinen Tag hätte ich mit dem Wissen überlebt, dass es ihm schlecht ging. Aber auch ich war noch ein Kind gewesen!
»Jenny, ich hätte nichts ändern können. Wenn ich geblieben wäre, hätte deine Mutter dich auch …«, er brach ab und schaute auf seine Hände.
»Er hat mich damals angerufen, Jenny.«
»Wer?«, fragte ich verwundert.
»Der Boss. Er hatte mich angerufen, als du zu ihm gekommen bist. So wie es dann weiterging, war es das Beste.«
Calvin hatte ihn angerufen? Woher hatte er Andrews Nummer? Standen sie etwa in Kontakt? Was dachte ich denn da? Immerhin hatte er genug Leute, um so etwas herauszufinden. Die Frage war nur:
Warum?
»Alles, was du getan hast, war gut für Jeff.«
Spielte er auf seinen Vater an?
»Wir sind eine Familie. Ich war damals nicht da. Aber ich bin es jetzt, Jenny.«
Ich nickte und lehnte mich zurück.
»Unser Wiedersehen hatte ich mir ganz anders vorgestellt«, gab ich müde zu.
»Ja«, lachte Andrew. »Wir wollten Essen gehen, morgen Mittag. Jeff hatte vor, das heute mit dir zu besprechen.«
»Schön.«
»Mir war klar, dass du dich nicht so schnell ändern kannst.«
Mit großen Augen betrachtete ich Jeffs ältere Version.
»Du hast doch keine Ahnung, wer ich war!«
»Doch, Jenny. Das weiß ich sehr wohl.«
»Woher denn?«, ich klang trotzig.
»Otis. Ich stand die ganzen Jahre mit ihm in Kontakt.«
Otis war einer meiner Leute und früher ein Freund von Drew gewesen. Ach, mit ihm konnte er Kontakt halten, doch uns hatte er nicht ein einziges Mal besucht? Auch von Drew hätte ich mehr erwartet.
»Verräter«, knurrte ich.
»Nein, Spitzel«, er lächelte mich spitzbübisch an. »Wirst du dich je ändern, Jenny?«
»Ich arbeite daran! Da vögle ich einmal in einer anderen Stadt und schon sitze ich im Verhörraum«, ich stöhnte gequält und fuhr mir durch die mittlerweile fast trockenen Haare.
»Du ziehst das Böse an, Jenny.«
Ich schaute in den großen Spiegel und zeigte darauf.
»Nein, keine Sorge, das war das Erste, was ich gefragt habe. Dahinter ist keiner«, erklärte Andrew.
»Und das glaubst du auch?«
»Ja? Du nicht?«
»Ich bin nicht gläubig.«
»Ich passe jetzt auf dich auf, also vertrau mir.«
»Ja, wenn ihr mir auch vertraut. Er hatte keine Waffe und die Bullen hätten ihn erledigt.«
»Nein. D lässt sich nicht von ein paar korrupten Polizisten erschießen, Jenny.«
Mit zusammengepressten Augen fixierte ich ihn und knurrte:
»Rede, Drew, sofort!«
»Er ist bekannt, Jenny. Ich habe mit ihm nichts zu tun. Und einige Polizisten hier sind wirklich korrupt, schließlich nutze ich das zu meinem Vorteil. Immerhin vertrete ich größtenteils Politiker und Prominente.«
»Jeff soll nicht gegen D ermitteln. Selbst, wenn ich nicht denke, dass er so ein dicker Fisch ist!«
»Ist er so gut im Bett?«, fragte er und lächelte vielsagend.
»Ja und wie, aber nicht deswegen.«
»Ich weiß. Halte ihn auf. Auf mich hört er nicht.«
»Ok, ich rede mit ihm. Betrachte es als erledigt.«
Die Tür öffnete sich, dann begann die Diskussion. Der schmierige Bulle kam zurück und diskutierte mit Jeff und Lucy. Mir brachte er einen Kaffee in einem Plastikbecher.
»Das Hemd bleibt aber hier«, schnaufte der Cop.
»Sie wird nicht nackt die Wache verlassen!«, brüllte Jeff und ich wunderte mich, wie sehr er sich doch verändert hatte.
»Wir haben noch …«
»Nein!«, unterbrach ich den Bullen. »Ich ziehe euren Junkie-Scheiß nicht an!«
»Ich habe im Kofferraum noch ein Ersatzhemd«, meinte Andrew. »Lucy, bist du so gut? Ich habe neben euch geparkt.« Er hielt ihr den Schlüssel hin.
»Ja, gerne.« Sie nahm den Schlüssel und verschwand, während der Cop zürnte:
»Wir brauchen eine detaillierte Aussage. Die drei Kollegen sind nicht auffindbar.«
Hoffentlich blieb das auch so!
»Die haben bestimmt einiges an Schmiergeld bekommen und sind abgehauen«, flüsterte ich Andrew zu. »Ich habe vor denen erwähnt, dass ich Jeffs Schwester bin.«
»Clever. Dann sind sie geflüchtet, bevor sie ihren Job verlieren.«
»So läuft das hier nicht!«, brüllte der Cop.
»Was glauben Sie, wer hier vor Ihnen steht?« Jeff stellte sich direkt neben mich.
Nun stand der Bulle uns allen drei gegenüber.
»Na, ein Promianwalt, der leitende Staatsanwalt und eine Prostituierte.«
»Was?«, brüllte Jeff ihn fassungslos an.
»Fast, aber sie hier …«, Andrew fuhr mir wild durch die Haare, »… ist keine Prostituierte. Sie ist unsere Schwester und falls Sie es nicht wissen – wir sind Brüder.«
Der Cop schaute schockiert zwischen uns hin und her.
»Aber, sie war bei Johnson. In der Bar und in seiner Wohnung«, stotterte der Cop.
Und in seiner Villa, mit ihm auf der Kartbahn und sogar in meiner Wohnung. Muss ich erwähnen, dass er einen Schlüssel von meinem Appartement hat? Besser nicht!
, ergänzte ich in Gedanken.
»Ja, das klären wir noch«, knurrte Jeff mich an und bedachte mich mit einem tadelnden Blick.
Anscheinend hatte er vergessen, wer vor ihm saß. Leider wusste er, dass ich ihm nie etwas antun würde. Jeff war der einzige Mann, der mich kannte und dennoch nie vorsichtig im Umgang mit mir war.
»Jetzt beruhigen wir uns alle«, fing Andrew an und stand auf. »Sie ist neu hier in der Stadt, ist jung und hat einen Mann in einer Bar aufgerissen. Sie konnte nicht wissen, wer er ist. Er schien keine Gefahr für sie zu sein. Denn ihre Kollegen haben sie verletzt, nicht er.«
Nein. Dean hatte mich nicht verletzt, er bestrafte mich nur.
Ich spürte, wie die Wärme meinen Körper durchfuhr und
presste meine Schenkel aneinander. Erneut kroch mir das viel zu bekannte Gefühl in die Venen. Das Verlangen. Die Sucht nach mehr. Das Bedürfnis, mich erneut in seinem Rausch zu verlieren.
Das Craving.
Meine Mitte pulsierte und ich wollte ihn.
Am liebsten jetzt!
Shit!
Dean geißelte mich erneut, so tief saß er bereits in meinen Gedanken.
Er war nicht hier und konnte mich trotzdem an sich fesseln.
Ich wurde zu einer Verrückten.
»Wir klären das und sie bekommen ihre Aussage. Ich erwarte, dass Sie mir erklären können, warum noch nicht einmal der Chief etwas über die Geheimoperation wusste. Niemand scheint irgendetwas zu wissen«, brummte Jeff.
Anscheinend hatte er es verstanden.
»Ja. Wird erledigt Mr. White.«
Lucy kam mit dem Hemd herein und gab es mir.
»Ihr wollt wirklich das Hemd, was ich trage?«, fragte ich und hob eine Braue.
»Ja, für die Spurensicherung. Wir müssen davon ausgehen, dass unsere Kollegen das Haus nicht lebend verlassen haben«, erklärte der Polizist sanft.
Von wegen. Er wollte nur, dass ich mich ausziehe.
»Aber ich habe gesehen, wie sie das Haus verlassen haben«, erwiderte ich mit einer weichen Stimme und schaute ihn unschuldig an.
»Ich glaube Ihnen ja, Miss. Aber wir haben Vorschriften«, er war verlogen freundlich.
»Jenny, zieh dich um«, meinte Jeff und ließ keine Diskussion zu.
Ich stand auf, um den Raum zu verlassen, als Andrew mich am Arm festhielt.
»Nein. Hier. Wir gehen raus«, sagte er zu den anderen.
Jeff nickte und verließ den Raum als erster, der Cop schaute erst skeptisch, ging aber hinterher. Andrew wartete, bis Lucy ebenfalls gegangen war, dann flüsterte er mir zu:
»Hier bist du sicherer, ich warte direkt vor der Tür.«
Kurz stutzte ich und schaute ihm misstrauisch hinterher.
»Zehn Minuten, länger kann ich sie nicht hinhalten.«
Die Tür schloss sich. Und ich blieb ein wenig verwirrt zurück. Ich ging um den Tisch herum, lehnte mich mit dem Po gegen die Tischplatte und starrte zum Spiegel. Noch immer unsicher, ob da wirklich keiner war. Nachdenklich tippte ich mir auf die Lippen.
»Drew? Bist du sicher, dass hinter dem Spiegel keiner ist?«, rief ich, ohne den Spiegel aus den Augen zu lassen.
»Ja, Jenny«, hörte ich ihn dumpf.
Im selben Moment ging hinter dem Spiegel das Licht an.
Fast fiel mir die Kinnlade herunter. Dahinter standen wirklich Dean, seine drei Freunden und ein älterer Herrn, wahrscheinlich sein Anwalt.
Er starrte mich an, was meine Mitte pulsieren ließ. Verdammt, ich war doch nicht verrückt! Dann hatte ich seine Anwesenheit also wirklich wahrgenommen.
Adam und Riley grinsten freundlich, während Greg einfach nur böse schaute.
Ich leckte mir die Lippen, schaute Dean in die Augen und strich mir die Haare nach hinten, um dann mit meinen Fingern über meine Brüste zu gleiten.
Kaum hatte ich meine Knospen berührt, stellten sie sich unter seinem Blick auf. Dean sagte etwas und alle drehten sich um. Er wusste, was ich vorhatte. Schließlich setzte ich mich auf den Tisch, knöpfte das Hemd auf und streifte es mir über die Schultern. Langsam rutsche ich weiter auf dem Tisch nach vorn, um schließlich die Beine so weit wie möglich vor ihm zu spreizen.
Er leckte sich die Lippen. Sonst war er, wie immer, ausdruckslos. Wie elektrisiert von seinem Charisma biss ich mir auf die Unterlippe und strich mit meiner rechten Hand erst über meine Oberweite, dann weiter nach unten zwischen meine Schenkel. Mit einem Finger glitt ich an meiner feuchten Spalte vorbei, um dann wieder hoch zu meiner Klit zu wandern.
Mein Körper spannte sich an und meine Beine kribbelten bereits. Begierig massierte ich meine Perle, während ich zusah, wie Deans Atmung schneller wurde. Er versuchte, seine eigene Lust zu unterdrücken, aber genau das wollte er sehen. Er wollte sehen, wie ich mir vor ihm Lust bereitete.
Mit der anderen Hand streichelte ich meine linke Brust, genauso, wie er es immer tat.
Unter seinem Blick wurde ich nur noch feuchter und drang mit einem Finger ein.
Ich konnte nicht stöhnen, also biss ich mir fester auf die Unterlippe, während ich mich weiter befriedigte.
Immer schneller und wilder wurden meine Bewegungen. Ich spürte, wie sich der Orgasmus aufbaute. So schnell hatte ich mich noch nie dazu gebracht. Sein Blick, seine Anwesenheit und die Tatsache, dass eine Scheibe uns trennte, machten es so verflucht heiß, dass ich es kaum aushielt.
Seine Lippen bewegten sich. Es war nur ein lautloses Wort.
Komm.
Und das tat ich. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und brachte mich selbst zum Höhepunkt. Leicht zitternd schloss ich mit einem Lächeln die Beine und ging nah an den Spiegel. So konnte ich ihm direkt in die Augen schauen. Dann nahm ich den Finger, der zuvor noch in mir gewesen war, in den Mund und schmeckte mich selbst.
Dean sah mich mit offenem Mund an.
Ha! Eine Regung.
Lächelnd drehte ich mich um, nahm das Hemd von Drew
und zog es mir über. Beim Zuknöpfen wandte ich mich wieder Dean zu.
Mit einem Nicken zur Kamera wollte ich wissen, ob er alles ausgeschaltet hatte.
Er verstand mich, nickte und zwinkerte mir zu.
Dean zwinkerte!
Schließlich hielt er schwenkend einen Finger hoch. Er tadelte mich. Als Antwort präsentierte ich ihm meinen nackten Hintern und klatschte mir spielerisch darauf. Erneut leckte er sich die Lippen.
Dieser Mann raubte mir den Atem.
Er und, dass wir uns ohne Worte verstanden, faszinierte mich.
»Bist du fertig?«, rief Andrew.
»Jap«, rief ich und sah, wie das Licht ausging.
Die Tür ging auf und alle traten wieder ein.
»Bekomme ich deinen Gürtel?«, fragte ich Jeff zuckersüß und er hob eine Braue. Er fühlte sich verarscht, konnte es aber nicht sagen.
Liegt es an meiner Bitte oder an der Tatsache, dass es in diesem Raum nach mir riecht?
»Wofür?«, fragte er skeptisch.
Oh, er ist misstrauisch wegen meiner Bitte! So naiv, der Süße!
»Auf dem hellblauen Hemd würde es schick aussehen, meinst du nicht?«, trällerte ich, als wäre ich eine von diesen Modepüppchen.
Sein Blick, unbezahlbar! Diese Show kaufte er mir kein bisschen ab, aber auch diesmal konnte er nichts entgegnen.
Lucy sprang freudig auf.
»Ja, Jeff sie hat recht, gib ihn ihr.«
Er seufzte, zog ihn aus und gab ihn mir, sodass ich ihn um die Taille legen konnte.
»Und Lucy, was sagst du?«, fragte ich sie und drehte mich langsam im Kreis.
»Jetzt siehst du fabelhaft aus. Du hast so schöne Beine und mit dem Gürtel sieht das Outfit aus wie gewollt.«
Mir war es scheißegal. Aber als kleine Schwester von zwei erfolgreichen Anwälten vorgeführt zu werden, war in dem Outfit schlimm genug. An den Rest wollte ich gar nicht erst denken.
»Gut, dann gehen wir«, meinte Jeff.
Also verließen wir den Raum und gingen durch einen kalten Flur.
Durchquerten dann den großen Raum mit unzähligen Schreibtischen, durch den ich zuvor hineingelaufen war. Am Ende des Raums kamen uns Dean und die anderen entgegen. Wie hatte der das gemacht? Es sah so aus, als wäre er gerade erst gekommen.
Andrew und ich gingen vor, Lucy und Jeff gleich hinter uns.
»Jenny, schön dich wiederzusehen«, begrüßte mich dieser heiße Mistkerl und lächelte mich an.
»Hi«, brachte ich nur heraus.
Schon tauchte der Bulle auf und stellte sich seitlich zwischen uns. »Mr. Johnson ist wegen seiner Aussage hier.«
Als müsste er mir erklären, dass dieser nicht wegen des schlechten Kaffees hier war.
»Guten Tag, Mann aus der Bar, der sich nichts aus Frauen macht«, begrüßte Andrew Dean und streckte ihm belustigt die Hand entgegen. »Ich bin Andrew White, Jennys Anwalt.«
»Guten Tag, Mr. White.« Dean erwiderte die Begrüßung lächelnd.
Er lächelte. Was war denn hier los?
Es war nur ein kurzes, kleines Lächeln. Aber ich hatte es für eine Millisekunde gesehen.
»Mr. Johnson.« Jeff nickte abwertend, weil er gezwungen war, höflich zu sein.
Andrew gab Dean seine Karte. Kurz besprachen sie sich mit seinem Anwalt, während Adam und Riley mich noch immer
breit grinsend ansahen. Nur Greg musterte mich weiterhin misstrauisch.
Ich zuckte die Achseln.
Hatten sie die Show mitbekommen? Und wenn schon. Mich interessierte es nicht.
»Das ist der Mann aus der Bar?«, flüsterte Lucy mir von hinten ins Ohr und Dean bekam wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Ich nickte nur kurz.
»Der ist ja jede Sünde wert«, flüsterte sie erneut.
Und das aus dem Mund der braven Lucy.
Deans und meine Blicke trafen sich.
»Ja, da sagst du was«, flüsterte ich, ohne meine Augen abzuwenden.
Sein Starren löste schon wieder dieses brennende Verlangen in mir aus.
Wie machte er das nur?
Seine dunklen Augen waren so heiß.
Die Männer verabschiedeten sich und Andrew drückte mich weiter. Mit einem Nicken drehte ich mich um und ging.
»Ach, Jenny«, hörte ich Dean mir hinterherrufen.
Ich drehte mich um und alle starrten uns an.
»Du hattest recht, MEIN Hemd steht dir besser.« Und wieder zwinkerte er mir zu und drehte sich um, als wäre nichts gewesen.
Verflucht.
Er hatte meine Worte in einem ganz anderen Zusammenhang verwendet. Dieser Kerl machte mich wahnsinnig.
»Na, komm.« Andrew schob mich aus der Polizeiwache. Als wir draußen standen, meinte Jeff:
»Wir sehen uns morgen, Andrew. Ich bringe Jenny nach Hause, damit sie sich umziehen kann und um Dad zu holen, dann gehen wir essen.«
Er will trotzdem noch ins Bistro gehen? Oh je. Das kann nichts Gutes bedeuten!
»Du musst schon weg?«, fragte ich Andrew.
»Ja, noch zu einem Termin. Wir sehen uns morgen. Ok, Jenny?«
Ich nickte und ließ mich widerwillig noch einmal von ihm drücken.
»Du musst mich auch noch zur Arbeit fahren, Jefferson«, ergänzte Lucy.
Drew verabschiedete sich und ich stieg ins Auto.
»Gut, ich setze Jenny ab, fahre dich zur Arbeit und dann fahre ich sie holen«, klärte Jeff uns auf.
Damit hatte ich genügend Zeit, um Malcolm darüber zu informieren, dass er lügen musste. Viel Zeit blieb uns trotzdem nicht. Da Lucy nur zehn Minuten von mir entfernt arbeitete.
Als er mich abgesetzt hatte, rannte ich die Wohnung hoch, öffnete die Tür. Wie erwartet schlief Malcolm noch immer in meinem Bett. Dabei hatten wir mittlerweile elf Uhr.
»Dad!«, schrie ich und er stand kerzengrade im Bett.
Während ich mir Sachen aus dem Schrank heraussuchte, erklärte ich aufgeregt:
»Ich habe Scheiße gebaut, stell keine Fragen, du musst für mich lügen. Also merk dir: Wir waren gestern Abend in einer Bar, du weißt nicht mehr, welche. Ich habe einen Typen abgeschleppt und als du mich nicht mehr gesehen hast, bist du mit einem Taxi zu mir gefahren. Wie der Typ aussieht, weißt du nicht mehr!«
»Er ist Colt!«
»Nein. Aber ich habe Scheiße gebaut. Ein korrupter Cop hat mir eine Pistole an den Kopf gehalten.«
»Kit, nein! Oder? Wie viele sind tot?«
»Drei. Aber keine Fragen mehr! Verrate dich nicht! Und was heute Morgen los war, habe ich dir auch nicht erzählt. Jeff ist jeden Moment hier!«
»Was ist passiert?« Er stand auf und musterte mich.
»Wirst du gleich hören.«
Zügig trat ich ins Bad und zog mich schnell um. Kurz darauf ging Malcolm hinein.
Keine vierzig Minuten später saßen wir im Bistro.
»Ist das nicht schön? Die Familie sitzt zusammen«, säuselte Malcolm und ich verdrehte die Augen.
»Drew musste zu einem Termin, sonst wäre er bestimmt auch gerne gekommen«, erklärte ich, während ich meinen Kaffee trank.
»Drew ist in der Stadt? Ach, wie schade, ich habe ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Damals war er noch ein junger Bursche mit Blödsinn im Kopf«, erinnerte sich Malcolm, der irgendwie nicht in dieses Bistro gehörte. Alles wirkte so winzig in seiner Nähe. Selbst die große Tasse verlor sich in seiner Hand.
Jeff war sehr schweigsam und brummte nur vor sich hin. Der war richtig angepisst. So hatte er sich das nicht mit seiner kleinen Schwester vorgestellt. Drew war wesentlich lockerer drauf, aber das war schon immer so gewesen.
»Was ist denn los, Junge?«, redete Malcolm sanft auf Jeff ein.
Der erzählte ihm schließlich von unserem Morgen. Dabei tadelte mich Malcolm und sagte schließlich: »Ich wusste nicht, wer er ist. Sonst hätte ich den klein gemacht. Wie heißt er denn?«
Er und ihn kleinmachen?
, ich lachte in mich hinein.
»Dean Johnson.«
»Kenne ich gar nicht. Sollte ich?« Er sah mich an. Ich wusste, was er versuchte. Er quetschte Jeff aus, während der es noch nicht einmal merkte.
Das Schlimme war, dass es mich störte.
Wollte ich es denn nicht auch wissen oder was war los mit mir? Gut, dann war er eben kriminell, aber niemals ein großer
Fisch. Er hatte ein Unternehmen, meinte Adam.
Dieser war jedoch zu gutmütig für so viel Skrupellosigkeit und für Colt erst recht. Er war sanft, nett und vollkommen verweichlicht.
»Ich kannte ihn auch nicht, dabei kenne ich viele. Deswegen kann er nicht so groß sein«, merkte ich an.
»Ist er aber«, widersprach Jeff. Er hatte doch keine Ahnung. Wenn der wüsste, wie sein College bezahlt wurde, würde er sich einen Strick nehmen.
»Hat er auch einen anderen Namen?«, bohrte Malcolm, der Verräter, nach. Jeff sollte aus unseren Geschäften rausgehalten werden und ich wollte es nicht hören.
»Hier in Chicago wird er Mister D
genannt«, erklärte Jeff.
Mein Handy, er hatte das eingespeichert.
Ich sah Malcolm mit meinem Siehst-du-Blick
an.
Dummer Name, aber trotzdem kein dicker Fisch.
Nur ein Möchtegern.
Also Schluss damit.
Auf einmal sah ich eine junge Frau am Fenster vorbeigehen, die mir bekannt vorkam. Im selben Moment schaute sie herein und sah mich an.
War das Stefanya? Sie sah so anders aus. Sie lächelte, drehte sich um und kam ins Bistro.
Oh, nein! Verdammt!
»Stiletto!«, trällerte sie freudig und drückte mich.
Ernsthaft? Eine Umarmung? Ich hasse das!
»Stiletto?«, flüsterte Jeff.
Kurz schluckte ich und zeigte schnell auf meine Schuhe. War ich vielleicht froh, dass ich Stilettos trug. Eigentlich fast immer, wenn ich mit Jeff verabredet war. Er in seinem dämlichen Anzug und ich mit hohen Absätzen. Schlimm.
»Hallo Stefanya, darf ich vorstellen? Mein Bruder Jeff und mein Dad Malcolm.«
Eigentlich wollte ich nicht, dass sie sich kennenlernten, aber
sonst wäre Jeff wieder neugierig geworden. Mir war also nichts anderes übriggeblieben.
»Sie ist die Assistentin von meinem Boss«, log ich, damit sie sich nicht verquatschte.
»Ja, genau.«
Sie sah so seriös aus. Ganz anders als sonst. Sie trug eine Stoffhose, Pumps, eine Bluse und ihre Haare waren zu einem perfekt sitzenden Knoten im Nacken gebunden. Damit sah sie definitiv wie eine Büroangestellte aus.
»Schön, dich zu sehen«, sie lächelte mich an.
»Möchten Sie sich zu uns setzen?«, fragte Jeff, wie immer freundlich.
»Nein, danke. Ich muss meine Tochter abholen. Ich hatte einen Termin, wo ich sie nicht mitnehmen konnte«, erklärte sie und mir blieb der Mund offen stehen.
Eine Tochter? Verflucht!
So krass hätte ich sie nicht eingeschätzt. Und Riley auch nicht.
»Oh wie schön, wie alt ist sie?« Jeff und sein Smalltalk. So etwas konnte er echt gut. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, das zu fragen. Vielleicht, weil es mir egal war.
»Drei Jahre.« Als sie das sagte, wirkte sie richtig stolz.
Erst, als sie sich verabschiedete und ich sie nochmal genau betrachtete, fiel mir auf, wie jung sie aussah. Viel jünger als ich. Und sie war Mutter. Sie war Mutter und verkaufte sich.
»Nettes Mädchen«, lächelte Jeff mich an. »Schön, wenn du Freunde findest.«
»Jap«, wandte ich mich meinem Kaffee zu, denn ich bemerkte Malcolms Blick. Er war manchmal viel zu clever und wusste meistens genau, wann ich log. Aber wahrscheinlich war er einfach nur nicht so naiv wie Jeff, der in jedem das Gute sehen wollte.
Malcolm wusste, dass ich mich sicherlich nicht mit einer Frau anfreunden würde, die eine so hohe Stimme hatte.
Vielleicht war er doch mehr Vater, als ich wahrhaben wollte.